krokotraene
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\"Halt! Sie können hier nicht rein!\", die junge Dame versuchte den stattlichen Mann am Weitergehen zu hindern. Kommissar Franke drehte sich genervt um: \"Meine liebe Dame, ich bin der Kommissar und wir haben hier einen Mordfall. Also werde ich weitergehen!\", er tippte der jungen Mitarbeiterin mit dem Zeigefinger auf die Schulter. Er sah sie väterlich an und ging schnurstracks weiter. Dunkle, enge Räume gehörten nicht wirklich zu seinen Lieblingsplätzen. Sein größter Wunsch war rasch einen Blick auf die Leiche in der Salzgrotte zu werfen und wieder zu verschwinden. Der Eingang zum Erholungsraum in der Grotte war eng und nieder. Kommissar Franke mußte sich bücken um nicht mit dem Kopf an den Salzsteinen anzustoßen. Im Hintergrund hörte er die junge Dame noch leise sagen: \"Aber sie sollten doch nur die Straßenschuhe ausziehen...!\"
In diesem Augenblick trat Franke in einen Salzhaufen und seine Schuhe füllten sich mit Himalayasalz. Er fluchte. Hätte er doch nur die Frau ausreden lassen.
Der Weg führte links weiter und endete in einem kleinen Raum, in welchem 5 bequeme Liegen standen. Der hintere Teil der Grotte war mit rot-weißen Bändern abgesperrt. Franke war sich somit sicher, die Leiche würde dahinterliegen. Und tatsächlich. Links hinten im Eck stand eine Liege und darauf schien ein Herr noch die gesunde Luft einzuatmen. Friedlich schlafend, eingehüllt in eine warme Decke mit einem zufriedenem Lächeln am Gesicht lag er auf der Liege. Der junge Mann der Spurensicherung stand vor der Absperrung und erwartete sichtlich nervös Kommissar Franke. Er drückte ihm freundlich und dienstbefließen die Hand. \"Guten Morgen. Todeszeitpunkt gestern Abend zwischen 22.00 und 23.00. Ein sauberer Herzstich mit einem - ich denke - handelsüblichen Küchenmesser.\" Vorsichtig kroch er unter der Absperrung hindurch und ging behutsam den bereits vorgefertigten Weg durch die Salzhaufen. Erst jetzt fiel Franke auf, daß der junge Spurensucher unter seinen üblichen blauen Plastikpatscherl nur Socken anhatte. Er hatte also auf die junge Dame beim Empfang gehört.
Mittlerweile war er bei der Leiche angekommen und zog die Decke auf die Seite. Franke sah einen roten Fleck auf dem weißen Hemd. Das Blut mußte ganz langsam seinen Weg gesucht haben. Die Spur zog sich auf der linken Körperhälfte bis zur Hüfte und tropfte dann unaufhaltsam in das weiße Salz. Franke schaute weiter fasziniert auf die Leiche. Der Mann, vermutlich um die 50 und reicher Geschäftsmann, das schloss Franke aufgrund des edlen und teuren Anzuges, hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Aber verblüffend und dubios war, daß aus seinem Hosentürl sein bestes Stück herauslugte. Zwar schon sehr schlaff, aber noch deutlich zu erkennen. Ob er vor seinem Tod noch hier? Also nein. Wie ekelig. Franke schüttelte sich ab. Wie kann man hier in der Finsternis, in dem engen Raum, unter Beobachtung der Salzsteine Sex haben? Er schüttelte sich noch einmal und deutete den jungen Mann der Spusi, er möge wieder die Decke über den Toten breiten. Igitt, er hatte genug gesehen. Er wollte so schnell wie möglich den Tatort verlassen und trat den Rückzug an.
Franke entging nur schwer den schadenfrohen Blicken der jungen Dame als er unbeholfen seinen rechten Schuh auszog um das Salz auszuschütteln. Um nicht umzukippen stützte er sich mit der linken Hand auf die Wand. \"Sie können sich aber auch setzen!\", kam die Stimme aus dem Hintergrund. In diesem Moment als Franke versuchte auf einem Bein Richtung Sessel zu hüpfen ging die Tür des Lokals auf und der Kommissar vernahm ein lautes Gelächter. Bereits am Lachen erkannte er seine neue, junge Kollegin Irina Windjammer. Sie hielt sich den Bauch vor Lachen. Franke wurde wütend, sie kam wieder einmal zu spät zum Tatort, obwohl bei Leichen kann man eigentlich nie zu spät kommen. Anstatt sofort die Arbeit aufzunehmen machte sie sich über ihren Vorgesetzten lustig.
Unbeholfen ließ er sich auf den weißen Plastiksessel fallen und schüttelte in seinen Augen fast einen Kilo Salz aus seinem Schuh. \"Herr Franke, haben Sie schon die Leiche gesehen?\" Frau Windjammer stellte die Einstiegsfrage. \"Ja, ich schon!\", kam es schnippisch zurück. \"Fein, dann bin ich jetzt dran!\" Sie zog sich feinsäuberlich ihre Schuhe aus, kramte ihren Block mit dem Pferdekopf aus der Tasche und schnappte sich einen Kugelschreiber vom Schreibtisch der Empfangsdame. Schwupps war sie schon in der Salzgrotte verschwunden. Anscheinend kannte sie sich besser damit aus als Franke.
Schon bald kam sie lachend und prustend aus der Grotte zurück. \"Herr Kommissar, haben Sie gesehen....?\" \"Ja, ich habe alles gesehen und jetzt reicht es!\", warf Franke rasch ein, ehe seine Kollegin die intimsten Geheimnisse lautstark ausplauderte und somit die Situation in eine gewisse Peinlichkeit abdriften konnte. Er warf ihr noch einen vielsagenden Blick zu und hoffte sie würde ihn auch deuten können. Franke hatte inzwischen seine Schuhe vom Salz befreit, er erhob sich schwerfällig aus dem Plastiksessel und stapfte Richtung Ausgang. Kurz vorher drehte er sich noch einmal um: \"Frau Kollegin Windjammer, sie werden die beiden Angestellten der Salzgrotte befragen. Wer waren die letzten Gäste? Wann wurde die Leiche entdeckt? Wie wurde sie entdeckt? Haben wir einen Namen? War er Stammgast? Und was halt noch so wichtig ist! Ich gehe inzwischen eine Zigarette rauchen!\" Und schon fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Es dauerte eine ganze Weile, ehe Frau Windjammer sich neben dem Kommissar auf dem städtischen Sandkasten in der Nähe des Lokals nieder ließ. Vor dem Kommissar lagen mindestens 7 Zigarettenstummel. Dementsprechend erwartete er sich nun ausführliche Informationen. Die junge Kollegin zog ihren Pferdeblock hervor und begann:
\"Also die Leiche wurde heute morgen gefunden! Die junge Angestellte Ivka Krizempezwiecka wollte heute morgen die Liegen richten. Sie betrat die Salzgrotte und dachte der Herr würde noch schlafen. Als sie ihn nicht wach bekam, hat sie die Polizei gerufen!\" \"Hat sie die Decke...\", warf der Kommissar ein. \"Nein, hat sie nicht\" Franke schien erleichtert und er lauschte weiter den Ausführungen.
\"Also sie hat dann die Polizei gerufen. Gestern Abend waren einige Herren die letzten Gäste. Dienst hatte gestern ihr Kollege Petr Pollak, aber er kann uns nicht viel helfen!\" Sie machte eine kurze Pause und Franke steckte sich eine neue Zigarette an. Er hielt ihr freundlich die Packung entgegen, doch Frau Windjammer lehnte ab: \"Danke, Nichtraucher!\"
Sie setzte fort: \"Wie gesagt gestern Abend waren die letzten Kunden Privatkunden. Sie kommen jeden Donnerstag und buchen die Grotte komplett. Sie waren immer zwischen 3 und max. 5 Herren!\"
\"Und gestern?\", Franke wurde neugierig. \"Tja, wir wissen es nicht!\" \"Sie wollen doch nicht sagen?\" \"Doch\", sie fiel ihm ins Wort, \"leider war der junge Mann so mit seinem Computerspiel beschäftigt, dass es ihm vollkommen wurscht war. Deshalb machte er gestern auch nicht mehr sauber. Er weiß auch nicht genau, wann die Herren gegangen sind und er weiß auch nicht ob alle gegangen sind. Er hat auch gestern dann nicht mehr in die Grotte gesehen!\"
\"Na super\", Franke schien sichtlich genervt. \"Blödes Personal wird immer häufiger!\", entfuhr es ihm. \"Und die Namen der Herren?\"
\"Haben wir auch nicht! Sie haben immer nur unter Schneewittchen gebucht!\" \"Wie originell!\", Franke wurde immer gereizter.
Das Wochenende stand vor der Tür. Er wollte mit seiner Frau einen Kurzurlaub nach Paris unternehmen. Nun lag da ein Toter, der sich anscheinend noch in der gesunden Luft vergnügt hatte. Franke hielt den Prospekt der Salzgrotte unbeholfen in seinen Händen. Er las: Die Salzgrotte ist für jedermann ein geeigneter Ort der Ruhe, Entspannung und Regeneration. In der Salzgrotte wurden insgesamt 45 Tonnen Salz verarbeitet - die Wände bestehen aus 250 Millionen Jahre alten reinen Salzsteinen aus dem Himalayagebirge; am Boden befindet sich reines Salz vom Toten Meer. Abgesehen von der Heilwirkung dient die Salzgrotte auch als ihr persönliches Refugium, in dem Sie sich abseits der Alltagshektik entspannen und neue Kräfte tanken können. 45 Minuten Aufenthalt in der Salzgrotte ist genauso wirkungsvoll wie 3 Tage Aufenthalt am Meer.
Tja, er würde auch in Paris wohl das Bild nicht aus seinem Kopf bekommen. Solange der Fall nicht geklärt ist, wird er wohl keinen Sex mit seiner Frau haben sinnierte er vor sich hin. \"Interessant ist, dass der junge Mann behauptet, dass seit mindestens drei Wochen ein Ersatzschlüssel aus dem Schlüsselkasten fehlt!\", seine Kollegin Windjammer riss ihn aus seinen Tagträumen. Auf einmal wurde der Fall interessant.
\"Hat er den Verlust gemeldet?\" \"Nein, er hat es bis heute nicht für Wichtig gehalten!\" \"Das gibt es doch nicht!\", Franke schüttelte energisch und verwundert den Kopf. \"Haben wir noch etwas Wichtiges?\" \"Nein, das war alles.\" Die beiden saßen stillschweigend nebeneinander auf der Sandkiste.
\"Wo ist das Arschloch? Wann ich den in die Finger kriege! Den bringe ich um! Der Hurensohn, der Elendige! So ein Schwein!\" Eine Frau, so um die 40, von kleiner, rundlicher Statur näherte sich den beiden. Lautstark schimpfend zog sie durch die Gasse. \"Das verdammte Arschloch! Den schneide ich seinen Schwanz ab!\", die Frau kam näher und Frau Windjammer konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Zu bizarr war der Anblick der schimpfenden Frau mit der dicken Nickelbrille, der zerzausten Frisur und dem zerfetzten Rock. Kommissar Franke mußte ebenfalls Schmunzeln. Immerhin saßen sie in der Nähe eines großen Bahnhofareals und da waren solche Typen mehr oder minder alltäglich. Zuviel Alkohol, zuviel Verzweiflung und zuwenig Beschäftigung. Franke hatte schon oft solche Typen gesehen. Lächelnd sahen sie der schimpfenden Gestalt nach. Als diese plötzlich die Tür der Salzgrotte aufriss und darin verschwand, sprangen die beiden von ihrer Sandkiste auf und sprinteten hinterher.
In dem Lokal hatte die junge Angestellte alle Hände voll damit zu tun, die aufgebrachte Frau an einen Eintritt in die Salzgrotte zu hindern. Kommissar Franke kam gerade rechtzeitig und konnte mit einem festen Handgriff die Frau an einer Begutachtung des Tatortes hindern. Er zog die aufgebrachte kleine Dame zurück und setzte sie wenig sanft in den weißen Plastiksessel. \"Sie sind?\" herrschte er sie an. \"Franziska Romero, die Frau von Carlos Romero!\" \"Aha\", Franke schaute verdutzt, \"und was wollen sie hier?\"
\"Das Arschloch ist sicher in der Grotte und vergnügt sich wieder mal mit seinen Flittchen. Und ich sitze zuhause und ziehe unsere 5 Gschroppen auf!\", sie holte tief Luft und setzte abermals zu einer Schimpftirade an. Franke bremste sie ein, immerhin hatte er einmal zwei Semester Psychologie studiert. Er schaffte es tatsächlich und Frau Romero wurde ruhiger. Schon bald zückte die junge Kollegin ihren Pferdeblock und konnte ungehindert mitschreiben:
\"Also, mein Mann Carlos ist ein feuriger Italiener. Ein angesehener Geschäftsmann. Er stammt aus Neapel. Es war damals Liebe auf den ersten Blick. Ich war mit meinen Freundinnen auf Urlaub und da war er am Strand...\", \"danke, aber könnten wir uns bitte auf das Wesentliche beschränken?\", Franke unterbrach die Lebensgeschichte der Frau. \"Tschuldigung!\", sie war plötzlich ganz friedlich und kooperativ. \"Also, wir haben uns verliebt, geheiratet und haben am Stadtrand von Neapel in einer riesigen Villa gewohnt. Schon bald kam das erste Kind. Dann das zweite. Dann das dritte. Bambini waren für ihn alles. Und mir ging es ja gut, ich hatte für alles Angestellte. Wir hatten immer genug Geld. Ich war gerade mit dem 4. Kind schwanger, da mußten wir Hals über Kopf Italien verlassen. Wir zogen nach Wien in eine große Wohnung. Nach Kind 4 kam dann Kind 5. Ich war in Wien für alles verantwortlich. Wir hatten keine Angestellten mehr. Keine Hilfe. Es wurde zur Hölle. Ich war ständig nur für die Kinder zuständig. Carlos kam immer später und seltener nachhause!\" Sie holte tief Luft.
\"Eines Tages kam eine Freundin meiner ältesten Tochter. Sie habe Carlos in einer Bar gesehen. Er habe gerade zwei junge Mädchen abgeschleppt. Ich konnte es nicht glauben. Ich wollte es nicht glauben. Er war doch meine große Liebe. Doch immer öfter hörte ich von seinen amourösen Abenteuern. Immer öfter sah ich es mit eigenen Augen, wann ich mich in die diversen Bars einschlich. Ich wurde ein richtiger Verwandlungskünstler!\", sie sah auf sich herab. Und Franke ahnte, dass auch diese Verkleidung wohl nicht das wahre Ich der anscheinend sehr gescheiten Frau war.
\"Aber wie kommen sie nun hierher?\", setzte Franke die Fragestellung weiter.
\"Naja, Carlos ging nun immer öfter in diese Salzgrotte. Er sagte, um an seine alte Heimat erinnert zu werden. Doch irgendwann wurde es anscheinend eine Sucht. Gestern Abend war er auch wieder hier. Und als er heute Nacht nicht zuhause war, habe ich Verdacht geschöpft. Sind Sie?!\", sie schaute die junge Mitarbeiterin der Salzgrotte herausfordernd an. \"Nein, nein!\", Franke unterbrach die Gedanken von Frau Romero, \"Nein, gestern Abend war der junge Mann hier tätig. Und soweit wir bis jetzt wissen waren es immer nur Herrenrunden unter dem Titel Schneewittchen!\".
\"Also, ist mein Mann doch da?\" entfuhr es Frau Romero und sie sprang von ihrem Sessel auf. Ehe sie noch in die Grotte stürmen konnte, hielt sie Franke zurück. \"Ich befürchte!\", er schaute Frau Romero mitleidig an, \"ich befürchte ihr Mann könnte tot sein!\" Sie schaute den Kommissar entgeistert an. Dann fing sie zu lachen an. \"Wirklich?\" prustete sie vergnügt hervor. \"Das soll ich glauben? Haha, der schleppt da drinnen sicher irgendeine Tussy ab und Sie binden mir einen Bären auf!\"
Franke hatte fein säuberlich seine Schuhe ausgezogen, ehe er mit Frau Romero abermals die Grotte betrat. Zum Glück war der Tote wieder mit der Decke zugedeckt und nur sein lächelndes Gesicht war zu sehen. Frau Romero lachte noch immer und prustete ein vergnügtes: \"Ja, das ist Carlos!\" heraus. Auch sie dachte zuerst er würde schlafen. Der junge Mitarbeiter der Spusi brachte es aber kalt auf dem Punkt. \"Sie müssen nicht lachen. Er lacht auch nicht, denn der ist mausetot!\" Frau Romero brach in Tränen aus. Sie schluchzte und schluchzte. Sie lehnte sich an Franke\'s Schulter. Er nahm sie leicht in den Arm.
Die Befragungen gingen weiter. Bald stellte sich heraus, dass Frau Romero eine bildhübsche, intelligente Frau war. Die Hornbrille, der zerrissene Rock und die zerzauste Frisur waren nur Verkleidung. Sie war schon seit längerer Zeit hinter den Machenschaften ihres Ehemannes her. Sie war kooperativ und konnte Kommissar Franke und seiner Kollegin Windjammer wichtige Hinweise liefern. Schon bald war die Männerrunde ausgehoben. Doch auch nach der letzten Einzelbefragung ergab sich das gleiche Bild. Es waren immer nur Männer bei den Donnerstagabendrunden in der Grotte. Und immer gingen alle gleichzeitig nachhause. Franke stand an.
Bald wußten die Ermittler auch fast alle Namen der Damen, die um den erfolgreichen italienischen Geschäftsmann kreisten. Es gab eine Menge an verdächtiger Personen. Es wurden etliche Aussagen aufgeschrieben und viele Gesichter durch den Fahndungscomputer gejagt.
Doch Franke und Windjammer tappten auch Wochen später im Dunklen. Franke saß verzweifelt in seinem kleinen Büro. Abermals las er die Aussagen der unzähligen Personen. Er studierte zum 1.000 mal die Tatortfotos. Es ergab keinen Sinn. Alle Männer hatten bestätigt, daß sie gleichzeitig die Salzgrotte verlassen haben. Der junge Angestellte gab an, er habe noch das Computerspiel beendet, dann habe er abgesperrt. Die Computerauswertung ergab, dass er noch gut eine Stunde nach Verlassen der Männer weiterspielte. Also mußte irgendwer zu später Stunde nochmals in die Grotte zurückgekehrt sein!
Irgendwer mußte sich mit Carlos nochmals dort getroffen haben. Es mußte aber eine Frau gewesen sein. Eine Frau, die Romero so sehr interessierte, dass sie es schaffte ihn nochmals in die Grotte zu lotsen. Sie hatte ihn auf dem Sessel beglückt. Und nach seiner Ejakulation, das ergab die Obduktion, mußte sie zugestochen haben. Sie mußte aber den menschlichen Körper genau studiert haben, denn ein Stich reichte. Sie traf mit 100 %iger Sicherheit das Herz. So rasch, daß Carlos noch das Lächeln im Gesicht hatte.
Franke sprang auf. Es war eine Frau! Verdammt, wie konnte er es die ganze Zeit übersehen? Seit Beginn suchten sie nach einem gehörnten Ehemann. Nach einem Racheakt für eine heiße Affäre. Franke starrte auf die Fotos. Wie konnte er das Detail nur übersehen? Da lag es direkt vor ihm.
Er stürmte in das Büro von Windjammer: \"Komm, wir haben die Mörderin!\" Sie sah Franke verständnislos an, dennoch rannte sie Franke nach. Im Auto fragte Windjammer: \"Wo fahren wir hin?\" \"Wir verhaften die Mörderin der Salzgrottenleiche!\" Windjammer konnte Franke nicht ganz folgen.
Franke bremste mit einem heftigen Ruck vor der Wohnungstür von Frau Romero. Er stürmte die Treppe nach oben und Windjammer hinter her. Vor der Tür angekommen sah Franke, das diese nur angelehnt war. Vorsichtig und mit der Waffe in der Hand betrat er die Wohnung. Nach der Sicherung der 4-Wände holte er tief Luft und sein Blick erhaschte ein Kuvert auf dem Zimmertisch. Darauf stand in großen Lettern: \"Kommissar Franke!\"
Er öffnete das Kuvert und heraus kullerte ein Schlüssel. Es war der vermisste Schlüssel der Salzgrotte. Windjammer ließ sich mit einen lauten Seufzer auf die Couch fallen. \"Nein, Sie wollen doch nicht sagen....?\"
Franke holte einen Zettel aus dem Kuvert und begann wie versteinert zu lesen: \"Lieber Herr Kommissar Franke! Sie sind ein sehr gescheiter und guter Kommissar. Eine Beförderung sollte Ihnen nun sicher sein. Wenn Sie diese Zeilen hier lesen, haben Sie den Fall gelöst. Bravo!\"
Franke schluckte, \"Und ich werde in Italien wieder ein neues Leben beginnen. Die Lebensversicherung hat bereits bezahlt. Und mein neuer Freund ist der größte Pate des Landes. Tja, Carlos war nur ein kleiner Fisch. Er war nur der Köder an der Angel. Der Köder für ein besseres Leben. Lieber Herr Kommissar, Sie wissen doch sicher auch schon, dass es keine Kinder gibt. Sie sind gut!\"
Franke war versucht den Brief zu zerreißen, doch er las laut weiter: \"Es war ganz einfach. Sie haben gelernt, dass Verkleidungen meine große Stärke sind. Und als elegante Geschäftsfrau war es eine Leichtigkeit den jungen Mann in der Grotte vom Computer abzulenken und an den Schlüssel zu kommen. Und welcher Ort würde sich als Mordplatz besser eignen als die Salzgrotte, die mein Mann so liebte? Er fühlte sich immer wie zu Hause in Italien. Naja, und da er nicht mehr nach Italien fahren durfte, da mein jetziger Mann ... Sie wissen schon, Paten haben da andere Mordpläne!\" Franke konnte direkt ihr abscheuliches Lachen spüren, \"da habe ich mir gedacht, ich mache ihm noch eine Freude!\"
Franke gab Windjammer den Brief, \"lesen Sie weiter! Ich hole mir ein Glas Wasser!\"
\"Es war lange geplant. Nach der Sitzung haben wir uns in einem Gasthaus verabredet. Ich habe ihn einige Wochen vorher in der Grotte `kennengelernt` . Er war von meiner Grazie und Schönheit fasziniert. Ich war in der Sitzung vor der Männerrunde und schaute ihm tief in die Augen als ich aus der Finsternis wieder heraustrat. Bunte Kontaktlinsen hat ein wahrer Held erfunden. Wir haben Nummern ausgetauscht. Wir waren essen. Danach habe ich ihm eröffnet, ich würde ab morgen in der Salzgrotte als Begrüßungsdame zu arbeiten beginnen. Anstelle des jungen Mannes. Und ich könnte ihm heute Abend noch in die Geheimnisse einführen. Ich spielte verlegen mit dem Schlüssel. Und er kam mit. Er hatte so einen glücklichen Gesichtsausdruck. Aber den haben Sie ja noch gesehen!\"
Frau Windjammer drehte den Zettel um und las weiter:
\"Da habe ich das neue Keramikmesser herausgeholt. Ich hatte es zuvor extra bei IKEA besorgt. In dunkelblau, seiner Lieblingsfarbe. Er war so glücklich nach seiner Ejakulation. Er sah so friedlich und zufrieden aus. Ich erhob mich ein Stück und stach zu. Es ging alles ganz schnell. Ich sah noch einige Zeit zu wie das Blut auf das weiße Salz tropfte. Es färbte sich so schön. Wie ein Sonnenuntergang am Meer. Blutrot präsentierte sich die Grotte als ich die Tür hinter mir schloß.\" Frau Windjammer stockte der Atem. Franke hielt ihr ein Glas Wasser entgegen.
Sie saßen noch eine Weile auf der gemütlichen Couch. Die Wassergläser waren leer. Dann sagte Franke: \"Fall abgeschlossen. Gehen wir!\"
In diesem Augenblick trat Franke in einen Salzhaufen und seine Schuhe füllten sich mit Himalayasalz. Er fluchte. Hätte er doch nur die Frau ausreden lassen.
Der Weg führte links weiter und endete in einem kleinen Raum, in welchem 5 bequeme Liegen standen. Der hintere Teil der Grotte war mit rot-weißen Bändern abgesperrt. Franke war sich somit sicher, die Leiche würde dahinterliegen. Und tatsächlich. Links hinten im Eck stand eine Liege und darauf schien ein Herr noch die gesunde Luft einzuatmen. Friedlich schlafend, eingehüllt in eine warme Decke mit einem zufriedenem Lächeln am Gesicht lag er auf der Liege. Der junge Mann der Spurensicherung stand vor der Absperrung und erwartete sichtlich nervös Kommissar Franke. Er drückte ihm freundlich und dienstbefließen die Hand. \"Guten Morgen. Todeszeitpunkt gestern Abend zwischen 22.00 und 23.00. Ein sauberer Herzstich mit einem - ich denke - handelsüblichen Küchenmesser.\" Vorsichtig kroch er unter der Absperrung hindurch und ging behutsam den bereits vorgefertigten Weg durch die Salzhaufen. Erst jetzt fiel Franke auf, daß der junge Spurensucher unter seinen üblichen blauen Plastikpatscherl nur Socken anhatte. Er hatte also auf die junge Dame beim Empfang gehört.
Mittlerweile war er bei der Leiche angekommen und zog die Decke auf die Seite. Franke sah einen roten Fleck auf dem weißen Hemd. Das Blut mußte ganz langsam seinen Weg gesucht haben. Die Spur zog sich auf der linken Körperhälfte bis zur Hüfte und tropfte dann unaufhaltsam in das weiße Salz. Franke schaute weiter fasziniert auf die Leiche. Der Mann, vermutlich um die 50 und reicher Geschäftsmann, das schloss Franke aufgrund des edlen und teuren Anzuges, hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Aber verblüffend und dubios war, daß aus seinem Hosentürl sein bestes Stück herauslugte. Zwar schon sehr schlaff, aber noch deutlich zu erkennen. Ob er vor seinem Tod noch hier? Also nein. Wie ekelig. Franke schüttelte sich ab. Wie kann man hier in der Finsternis, in dem engen Raum, unter Beobachtung der Salzsteine Sex haben? Er schüttelte sich noch einmal und deutete den jungen Mann der Spusi, er möge wieder die Decke über den Toten breiten. Igitt, er hatte genug gesehen. Er wollte so schnell wie möglich den Tatort verlassen und trat den Rückzug an.
Franke entging nur schwer den schadenfrohen Blicken der jungen Dame als er unbeholfen seinen rechten Schuh auszog um das Salz auszuschütteln. Um nicht umzukippen stützte er sich mit der linken Hand auf die Wand. \"Sie können sich aber auch setzen!\", kam die Stimme aus dem Hintergrund. In diesem Moment als Franke versuchte auf einem Bein Richtung Sessel zu hüpfen ging die Tür des Lokals auf und der Kommissar vernahm ein lautes Gelächter. Bereits am Lachen erkannte er seine neue, junge Kollegin Irina Windjammer. Sie hielt sich den Bauch vor Lachen. Franke wurde wütend, sie kam wieder einmal zu spät zum Tatort, obwohl bei Leichen kann man eigentlich nie zu spät kommen. Anstatt sofort die Arbeit aufzunehmen machte sie sich über ihren Vorgesetzten lustig.
Unbeholfen ließ er sich auf den weißen Plastiksessel fallen und schüttelte in seinen Augen fast einen Kilo Salz aus seinem Schuh. \"Herr Franke, haben Sie schon die Leiche gesehen?\" Frau Windjammer stellte die Einstiegsfrage. \"Ja, ich schon!\", kam es schnippisch zurück. \"Fein, dann bin ich jetzt dran!\" Sie zog sich feinsäuberlich ihre Schuhe aus, kramte ihren Block mit dem Pferdekopf aus der Tasche und schnappte sich einen Kugelschreiber vom Schreibtisch der Empfangsdame. Schwupps war sie schon in der Salzgrotte verschwunden. Anscheinend kannte sie sich besser damit aus als Franke.
Schon bald kam sie lachend und prustend aus der Grotte zurück. \"Herr Kommissar, haben Sie gesehen....?\" \"Ja, ich habe alles gesehen und jetzt reicht es!\", warf Franke rasch ein, ehe seine Kollegin die intimsten Geheimnisse lautstark ausplauderte und somit die Situation in eine gewisse Peinlichkeit abdriften konnte. Er warf ihr noch einen vielsagenden Blick zu und hoffte sie würde ihn auch deuten können. Franke hatte inzwischen seine Schuhe vom Salz befreit, er erhob sich schwerfällig aus dem Plastiksessel und stapfte Richtung Ausgang. Kurz vorher drehte er sich noch einmal um: \"Frau Kollegin Windjammer, sie werden die beiden Angestellten der Salzgrotte befragen. Wer waren die letzten Gäste? Wann wurde die Leiche entdeckt? Wie wurde sie entdeckt? Haben wir einen Namen? War er Stammgast? Und was halt noch so wichtig ist! Ich gehe inzwischen eine Zigarette rauchen!\" Und schon fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Es dauerte eine ganze Weile, ehe Frau Windjammer sich neben dem Kommissar auf dem städtischen Sandkasten in der Nähe des Lokals nieder ließ. Vor dem Kommissar lagen mindestens 7 Zigarettenstummel. Dementsprechend erwartete er sich nun ausführliche Informationen. Die junge Kollegin zog ihren Pferdeblock hervor und begann:
\"Also die Leiche wurde heute morgen gefunden! Die junge Angestellte Ivka Krizempezwiecka wollte heute morgen die Liegen richten. Sie betrat die Salzgrotte und dachte der Herr würde noch schlafen. Als sie ihn nicht wach bekam, hat sie die Polizei gerufen!\" \"Hat sie die Decke...\", warf der Kommissar ein. \"Nein, hat sie nicht\" Franke schien erleichtert und er lauschte weiter den Ausführungen.
\"Also sie hat dann die Polizei gerufen. Gestern Abend waren einige Herren die letzten Gäste. Dienst hatte gestern ihr Kollege Petr Pollak, aber er kann uns nicht viel helfen!\" Sie machte eine kurze Pause und Franke steckte sich eine neue Zigarette an. Er hielt ihr freundlich die Packung entgegen, doch Frau Windjammer lehnte ab: \"Danke, Nichtraucher!\"
Sie setzte fort: \"Wie gesagt gestern Abend waren die letzten Kunden Privatkunden. Sie kommen jeden Donnerstag und buchen die Grotte komplett. Sie waren immer zwischen 3 und max. 5 Herren!\"
\"Und gestern?\", Franke wurde neugierig. \"Tja, wir wissen es nicht!\" \"Sie wollen doch nicht sagen?\" \"Doch\", sie fiel ihm ins Wort, \"leider war der junge Mann so mit seinem Computerspiel beschäftigt, dass es ihm vollkommen wurscht war. Deshalb machte er gestern auch nicht mehr sauber. Er weiß auch nicht genau, wann die Herren gegangen sind und er weiß auch nicht ob alle gegangen sind. Er hat auch gestern dann nicht mehr in die Grotte gesehen!\"
\"Na super\", Franke schien sichtlich genervt. \"Blödes Personal wird immer häufiger!\", entfuhr es ihm. \"Und die Namen der Herren?\"
\"Haben wir auch nicht! Sie haben immer nur unter Schneewittchen gebucht!\" \"Wie originell!\", Franke wurde immer gereizter.
Das Wochenende stand vor der Tür. Er wollte mit seiner Frau einen Kurzurlaub nach Paris unternehmen. Nun lag da ein Toter, der sich anscheinend noch in der gesunden Luft vergnügt hatte. Franke hielt den Prospekt der Salzgrotte unbeholfen in seinen Händen. Er las: Die Salzgrotte ist für jedermann ein geeigneter Ort der Ruhe, Entspannung und Regeneration. In der Salzgrotte wurden insgesamt 45 Tonnen Salz verarbeitet - die Wände bestehen aus 250 Millionen Jahre alten reinen Salzsteinen aus dem Himalayagebirge; am Boden befindet sich reines Salz vom Toten Meer. Abgesehen von der Heilwirkung dient die Salzgrotte auch als ihr persönliches Refugium, in dem Sie sich abseits der Alltagshektik entspannen und neue Kräfte tanken können. 45 Minuten Aufenthalt in der Salzgrotte ist genauso wirkungsvoll wie 3 Tage Aufenthalt am Meer.
Tja, er würde auch in Paris wohl das Bild nicht aus seinem Kopf bekommen. Solange der Fall nicht geklärt ist, wird er wohl keinen Sex mit seiner Frau haben sinnierte er vor sich hin. \"Interessant ist, dass der junge Mann behauptet, dass seit mindestens drei Wochen ein Ersatzschlüssel aus dem Schlüsselkasten fehlt!\", seine Kollegin Windjammer riss ihn aus seinen Tagträumen. Auf einmal wurde der Fall interessant.
\"Hat er den Verlust gemeldet?\" \"Nein, er hat es bis heute nicht für Wichtig gehalten!\" \"Das gibt es doch nicht!\", Franke schüttelte energisch und verwundert den Kopf. \"Haben wir noch etwas Wichtiges?\" \"Nein, das war alles.\" Die beiden saßen stillschweigend nebeneinander auf der Sandkiste.
\"Wo ist das Arschloch? Wann ich den in die Finger kriege! Den bringe ich um! Der Hurensohn, der Elendige! So ein Schwein!\" Eine Frau, so um die 40, von kleiner, rundlicher Statur näherte sich den beiden. Lautstark schimpfend zog sie durch die Gasse. \"Das verdammte Arschloch! Den schneide ich seinen Schwanz ab!\", die Frau kam näher und Frau Windjammer konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Zu bizarr war der Anblick der schimpfenden Frau mit der dicken Nickelbrille, der zerzausten Frisur und dem zerfetzten Rock. Kommissar Franke mußte ebenfalls Schmunzeln. Immerhin saßen sie in der Nähe eines großen Bahnhofareals und da waren solche Typen mehr oder minder alltäglich. Zuviel Alkohol, zuviel Verzweiflung und zuwenig Beschäftigung. Franke hatte schon oft solche Typen gesehen. Lächelnd sahen sie der schimpfenden Gestalt nach. Als diese plötzlich die Tür der Salzgrotte aufriss und darin verschwand, sprangen die beiden von ihrer Sandkiste auf und sprinteten hinterher.
In dem Lokal hatte die junge Angestellte alle Hände voll damit zu tun, die aufgebrachte Frau an einen Eintritt in die Salzgrotte zu hindern. Kommissar Franke kam gerade rechtzeitig und konnte mit einem festen Handgriff die Frau an einer Begutachtung des Tatortes hindern. Er zog die aufgebrachte kleine Dame zurück und setzte sie wenig sanft in den weißen Plastiksessel. \"Sie sind?\" herrschte er sie an. \"Franziska Romero, die Frau von Carlos Romero!\" \"Aha\", Franke schaute verdutzt, \"und was wollen sie hier?\"
\"Das Arschloch ist sicher in der Grotte und vergnügt sich wieder mal mit seinen Flittchen. Und ich sitze zuhause und ziehe unsere 5 Gschroppen auf!\", sie holte tief Luft und setzte abermals zu einer Schimpftirade an. Franke bremste sie ein, immerhin hatte er einmal zwei Semester Psychologie studiert. Er schaffte es tatsächlich und Frau Romero wurde ruhiger. Schon bald zückte die junge Kollegin ihren Pferdeblock und konnte ungehindert mitschreiben:
\"Also, mein Mann Carlos ist ein feuriger Italiener. Ein angesehener Geschäftsmann. Er stammt aus Neapel. Es war damals Liebe auf den ersten Blick. Ich war mit meinen Freundinnen auf Urlaub und da war er am Strand...\", \"danke, aber könnten wir uns bitte auf das Wesentliche beschränken?\", Franke unterbrach die Lebensgeschichte der Frau. \"Tschuldigung!\", sie war plötzlich ganz friedlich und kooperativ. \"Also, wir haben uns verliebt, geheiratet und haben am Stadtrand von Neapel in einer riesigen Villa gewohnt. Schon bald kam das erste Kind. Dann das zweite. Dann das dritte. Bambini waren für ihn alles. Und mir ging es ja gut, ich hatte für alles Angestellte. Wir hatten immer genug Geld. Ich war gerade mit dem 4. Kind schwanger, da mußten wir Hals über Kopf Italien verlassen. Wir zogen nach Wien in eine große Wohnung. Nach Kind 4 kam dann Kind 5. Ich war in Wien für alles verantwortlich. Wir hatten keine Angestellten mehr. Keine Hilfe. Es wurde zur Hölle. Ich war ständig nur für die Kinder zuständig. Carlos kam immer später und seltener nachhause!\" Sie holte tief Luft.
\"Eines Tages kam eine Freundin meiner ältesten Tochter. Sie habe Carlos in einer Bar gesehen. Er habe gerade zwei junge Mädchen abgeschleppt. Ich konnte es nicht glauben. Ich wollte es nicht glauben. Er war doch meine große Liebe. Doch immer öfter hörte ich von seinen amourösen Abenteuern. Immer öfter sah ich es mit eigenen Augen, wann ich mich in die diversen Bars einschlich. Ich wurde ein richtiger Verwandlungskünstler!\", sie sah auf sich herab. Und Franke ahnte, dass auch diese Verkleidung wohl nicht das wahre Ich der anscheinend sehr gescheiten Frau war.
\"Aber wie kommen sie nun hierher?\", setzte Franke die Fragestellung weiter.
\"Naja, Carlos ging nun immer öfter in diese Salzgrotte. Er sagte, um an seine alte Heimat erinnert zu werden. Doch irgendwann wurde es anscheinend eine Sucht. Gestern Abend war er auch wieder hier. Und als er heute Nacht nicht zuhause war, habe ich Verdacht geschöpft. Sind Sie?!\", sie schaute die junge Mitarbeiterin der Salzgrotte herausfordernd an. \"Nein, nein!\", Franke unterbrach die Gedanken von Frau Romero, \"Nein, gestern Abend war der junge Mann hier tätig. Und soweit wir bis jetzt wissen waren es immer nur Herrenrunden unter dem Titel Schneewittchen!\".
\"Also, ist mein Mann doch da?\" entfuhr es Frau Romero und sie sprang von ihrem Sessel auf. Ehe sie noch in die Grotte stürmen konnte, hielt sie Franke zurück. \"Ich befürchte!\", er schaute Frau Romero mitleidig an, \"ich befürchte ihr Mann könnte tot sein!\" Sie schaute den Kommissar entgeistert an. Dann fing sie zu lachen an. \"Wirklich?\" prustete sie vergnügt hervor. \"Das soll ich glauben? Haha, der schleppt da drinnen sicher irgendeine Tussy ab und Sie binden mir einen Bären auf!\"
Franke hatte fein säuberlich seine Schuhe ausgezogen, ehe er mit Frau Romero abermals die Grotte betrat. Zum Glück war der Tote wieder mit der Decke zugedeckt und nur sein lächelndes Gesicht war zu sehen. Frau Romero lachte noch immer und prustete ein vergnügtes: \"Ja, das ist Carlos!\" heraus. Auch sie dachte zuerst er würde schlafen. Der junge Mitarbeiter der Spusi brachte es aber kalt auf dem Punkt. \"Sie müssen nicht lachen. Er lacht auch nicht, denn der ist mausetot!\" Frau Romero brach in Tränen aus. Sie schluchzte und schluchzte. Sie lehnte sich an Franke\'s Schulter. Er nahm sie leicht in den Arm.
Die Befragungen gingen weiter. Bald stellte sich heraus, dass Frau Romero eine bildhübsche, intelligente Frau war. Die Hornbrille, der zerrissene Rock und die zerzauste Frisur waren nur Verkleidung. Sie war schon seit längerer Zeit hinter den Machenschaften ihres Ehemannes her. Sie war kooperativ und konnte Kommissar Franke und seiner Kollegin Windjammer wichtige Hinweise liefern. Schon bald war die Männerrunde ausgehoben. Doch auch nach der letzten Einzelbefragung ergab sich das gleiche Bild. Es waren immer nur Männer bei den Donnerstagabendrunden in der Grotte. Und immer gingen alle gleichzeitig nachhause. Franke stand an.
Bald wußten die Ermittler auch fast alle Namen der Damen, die um den erfolgreichen italienischen Geschäftsmann kreisten. Es gab eine Menge an verdächtiger Personen. Es wurden etliche Aussagen aufgeschrieben und viele Gesichter durch den Fahndungscomputer gejagt.
Doch Franke und Windjammer tappten auch Wochen später im Dunklen. Franke saß verzweifelt in seinem kleinen Büro. Abermals las er die Aussagen der unzähligen Personen. Er studierte zum 1.000 mal die Tatortfotos. Es ergab keinen Sinn. Alle Männer hatten bestätigt, daß sie gleichzeitig die Salzgrotte verlassen haben. Der junge Angestellte gab an, er habe noch das Computerspiel beendet, dann habe er abgesperrt. Die Computerauswertung ergab, dass er noch gut eine Stunde nach Verlassen der Männer weiterspielte. Also mußte irgendwer zu später Stunde nochmals in die Grotte zurückgekehrt sein!
Irgendwer mußte sich mit Carlos nochmals dort getroffen haben. Es mußte aber eine Frau gewesen sein. Eine Frau, die Romero so sehr interessierte, dass sie es schaffte ihn nochmals in die Grotte zu lotsen. Sie hatte ihn auf dem Sessel beglückt. Und nach seiner Ejakulation, das ergab die Obduktion, mußte sie zugestochen haben. Sie mußte aber den menschlichen Körper genau studiert haben, denn ein Stich reichte. Sie traf mit 100 %iger Sicherheit das Herz. So rasch, daß Carlos noch das Lächeln im Gesicht hatte.
Franke sprang auf. Es war eine Frau! Verdammt, wie konnte er es die ganze Zeit übersehen? Seit Beginn suchten sie nach einem gehörnten Ehemann. Nach einem Racheakt für eine heiße Affäre. Franke starrte auf die Fotos. Wie konnte er das Detail nur übersehen? Da lag es direkt vor ihm.
Er stürmte in das Büro von Windjammer: \"Komm, wir haben die Mörderin!\" Sie sah Franke verständnislos an, dennoch rannte sie Franke nach. Im Auto fragte Windjammer: \"Wo fahren wir hin?\" \"Wir verhaften die Mörderin der Salzgrottenleiche!\" Windjammer konnte Franke nicht ganz folgen.
Franke bremste mit einem heftigen Ruck vor der Wohnungstür von Frau Romero. Er stürmte die Treppe nach oben und Windjammer hinter her. Vor der Tür angekommen sah Franke, das diese nur angelehnt war. Vorsichtig und mit der Waffe in der Hand betrat er die Wohnung. Nach der Sicherung der 4-Wände holte er tief Luft und sein Blick erhaschte ein Kuvert auf dem Zimmertisch. Darauf stand in großen Lettern: \"Kommissar Franke!\"
Er öffnete das Kuvert und heraus kullerte ein Schlüssel. Es war der vermisste Schlüssel der Salzgrotte. Windjammer ließ sich mit einen lauten Seufzer auf die Couch fallen. \"Nein, Sie wollen doch nicht sagen....?\"
Franke holte einen Zettel aus dem Kuvert und begann wie versteinert zu lesen: \"Lieber Herr Kommissar Franke! Sie sind ein sehr gescheiter und guter Kommissar. Eine Beförderung sollte Ihnen nun sicher sein. Wenn Sie diese Zeilen hier lesen, haben Sie den Fall gelöst. Bravo!\"
Franke schluckte, \"Und ich werde in Italien wieder ein neues Leben beginnen. Die Lebensversicherung hat bereits bezahlt. Und mein neuer Freund ist der größte Pate des Landes. Tja, Carlos war nur ein kleiner Fisch. Er war nur der Köder an der Angel. Der Köder für ein besseres Leben. Lieber Herr Kommissar, Sie wissen doch sicher auch schon, dass es keine Kinder gibt. Sie sind gut!\"
Franke war versucht den Brief zu zerreißen, doch er las laut weiter: \"Es war ganz einfach. Sie haben gelernt, dass Verkleidungen meine große Stärke sind. Und als elegante Geschäftsfrau war es eine Leichtigkeit den jungen Mann in der Grotte vom Computer abzulenken und an den Schlüssel zu kommen. Und welcher Ort würde sich als Mordplatz besser eignen als die Salzgrotte, die mein Mann so liebte? Er fühlte sich immer wie zu Hause in Italien. Naja, und da er nicht mehr nach Italien fahren durfte, da mein jetziger Mann ... Sie wissen schon, Paten haben da andere Mordpläne!\" Franke konnte direkt ihr abscheuliches Lachen spüren, \"da habe ich mir gedacht, ich mache ihm noch eine Freude!\"
Franke gab Windjammer den Brief, \"lesen Sie weiter! Ich hole mir ein Glas Wasser!\"
\"Es war lange geplant. Nach der Sitzung haben wir uns in einem Gasthaus verabredet. Ich habe ihn einige Wochen vorher in der Grotte `kennengelernt` . Er war von meiner Grazie und Schönheit fasziniert. Ich war in der Sitzung vor der Männerrunde und schaute ihm tief in die Augen als ich aus der Finsternis wieder heraustrat. Bunte Kontaktlinsen hat ein wahrer Held erfunden. Wir haben Nummern ausgetauscht. Wir waren essen. Danach habe ich ihm eröffnet, ich würde ab morgen in der Salzgrotte als Begrüßungsdame zu arbeiten beginnen. Anstelle des jungen Mannes. Und ich könnte ihm heute Abend noch in die Geheimnisse einführen. Ich spielte verlegen mit dem Schlüssel. Und er kam mit. Er hatte so einen glücklichen Gesichtsausdruck. Aber den haben Sie ja noch gesehen!\"
Frau Windjammer drehte den Zettel um und las weiter:
\"Da habe ich das neue Keramikmesser herausgeholt. Ich hatte es zuvor extra bei IKEA besorgt. In dunkelblau, seiner Lieblingsfarbe. Er war so glücklich nach seiner Ejakulation. Er sah so friedlich und zufrieden aus. Ich erhob mich ein Stück und stach zu. Es ging alles ganz schnell. Ich sah noch einige Zeit zu wie das Blut auf das weiße Salz tropfte. Es färbte sich so schön. Wie ein Sonnenuntergang am Meer. Blutrot präsentierte sich die Grotte als ich die Tür hinter mir schloß.\" Frau Windjammer stockte der Atem. Franke hielt ihr ein Glas Wasser entgegen.
Sie saßen noch eine Weile auf der gemütlichen Couch. Die Wassergläser waren leer. Dann sagte Franke: \"Fall abgeschlossen. Gehen wir!\"