Das Schiff
Es fährt dahin, durch freundliches Gewässer, von einer stetigen Brise, ablandig über Steuerbord heran streichend, zügig bewegt.
Gesetzt sind Großsegel und Leichtwetter-Fock. Bauchig aufgebläht ziehen sie das große, hölzerne Schiff, leicht nach Backbord neigend, den Bug nach Süden ausgerichtet, durch die lange Dünung.
Eine Hand am Steuerrad, den Horizont im Blick, sichert der Kapitän den gesteckten Kurs. Es geht entlang zwischen Festland und vorgelagerten Inseln, einige bewohnt, hin zu einem unbekannten und noch unsichtbaren Hafen.
Der große, alte Frachtensegler, ein beständiges, stattliches Schiff. Die Segel heil, das Holz gesund, die Mechanik gepflegt und gefettet, aufgeräumt das Deck. Die letzte Ladung ist gelöscht, alles wurde verkauft, die Geschäfte sind erledigt, ausgeräumt ist der bauchige Rumpf.
Der Kapitän ist allein an Bord. Seine Schritte auf Deck hallen in der Leere darunter, sammeln sich in Echos. "Dein Kapitän", vernimmt das Schiff, und antwortet ihm mit zitternden Planken.
Leicht verwindend schmiegt sich der Rumpf in den Wellengang, dabei ein leises Wimmern erzeugend. Jedem Aufrichten des Buges in der Dünung folgt mit dem Vorwärtsschub in das Wellental dieser klagende, anschwellende Laut, der sogleich mit dem Wind nach Achtern hinaus verweht.
Von Steuerbord rollt die See heran. Mit jeder Woge, jedem Erbeben des Seglers und der folgenden Krängung spült sie an der Bordwand hinauf, um anschließend hinab zu rinnen, so, wie Wasser als Wolke aus dem Meer steigt, um als Regen über das Antlitz der Erde dorthin zurückzufließen.
Der Kapitän steuert den letzten Hafen an, den letzten Ankerplatz. Er ist der Seefahrerei müde. Er möchte übers Wasser schauen, ohne die Bewegung des Schiffes ausgleichen zu müssen, ohne dass Wind und Segel ihn zur Arbeit zwingen. Schlafen, wenn ihm danach ist, und nicht in eingeteilten Wachen, nicht mehr dem Wetter trotzen, er sehnt sich nach festem Grund unter den Füßen. Einst auf dem Land aufgewachsen, zieht es ihn dorthin zurück.
Das Schiff ist ein Kind der See. Es fühlt sich lebendig in Wellen und Wind. Ungeduldig wartete es in den Häfen darauf, mit der neuen Fracht wieder hinaus auf den bewegten Ozean fahren zu dürfen. Lieber ginge es im Sturm unter, als in der Stille, ohne wiegendes Auf und Ab, ohne den Tanz über das Meer.
Er sitzt am Hafencafé, die abgewetzte Schiffermütze in die Stirn gezogen, die Beine ausgestreckt, und genießt den Espresso in kleinen Schlucken. Ab und zu nickt er ein. Manchmal gleitet sein Blick über sein, an eisernen Pollern vertäutes Schiff und weiter hinaus in die Ferne. Es kommen Erinnerungen auf, an Häfen in fremden Ländern, mit ihren Menschen, Stimmen, Streitereien, den Liebschaften. Und immer wieder der Abschied, das Segeln in die Weite. Wellen, Wind, die Stürme, die Sterne, sanfte Tage, Flauten.
Es spürt, wie das Regenwasser durch sein rissig gewordenes Deck sickert, an seinen Streben und Spanten hinab rinnt, das Wachsen einer bracken Lache in seiner Bilge tief unten. Es lauscht dem Knistern des auftreffenden Flugsandes, dessen Rieseln durch Ritzen hinunter in die Laderäume, wo er sich zu modrigem Schlick verbindet.
Der von brüchigen Tauen losgerissene Großbaum schlägt mit dem Wind gegen die Kajüte wie an eine dumpfe Trommel, des Nachts vom nahen Leuchtfeuer im Sekundentakt grell erhellt. Am Tage verschmilzt das dröhnende Hämmern mit dem Lärm der Hafenarbeiter, dem Wellenschlagen an die Kaimauer, wird mit der Zeit Teil der Betriebsamkeit und damit Teil des Alltäglichen, der Gewalt aus Not, des Unwiederbringlichen, wird Teil der betäubenden, tröstenden Kulisse.
Bis das Holz eines Tages zersplitterte, und das Schlagen leiser wurde, leiser als das Rauschen der Brandung, nur noch ein Rascheln war im Knistern des Schaumes auf den Wellen, im Rollen der Wogen unterging und Teil der Stille wurde, die eintritt, wenn der Ozean von keinem Wind mehr bewegt wird, wenn er ungerührt verharrt und Verzweiflung die Menschen ergreift, daraufhin sie ihren Gott beschwören, somit er sie wieder mächtig sein ließe, und sie nicht spüren müssen wie das Schiff, was auf sie wartet.
Man hatte seine ausgebleichte Kapitänsmütze im Hafenbecken treibend entdeckt, daraufhin einen Taucher nach ihm suchen lassen, vergeblich, den alten Frachtensegler aufs offene Meer gezogen, vor eine unbewohnte Insel, um ihn stranden zu lassen, wie den Kadaver eines Wals.
Dort zerfällt er nun, den Möwen eine Wohnstatt. Jenen, die über dem Meer kreisen und in den Wind schreien.
Es fährt dahin, durch freundliches Gewässer, von einer stetigen Brise, ablandig über Steuerbord heran streichend, zügig bewegt.
Gesetzt sind Großsegel und Leichtwetter-Fock. Bauchig aufgebläht ziehen sie das große, hölzerne Schiff, leicht nach Backbord neigend, den Bug nach Süden ausgerichtet, durch die lange Dünung.
Eine Hand am Steuerrad, den Horizont im Blick, sichert der Kapitän den gesteckten Kurs. Es geht entlang zwischen Festland und vorgelagerten Inseln, einige bewohnt, hin zu einem unbekannten und noch unsichtbaren Hafen.
Der große, alte Frachtensegler, ein beständiges, stattliches Schiff. Die Segel heil, das Holz gesund, die Mechanik gepflegt und gefettet, aufgeräumt das Deck. Die letzte Ladung ist gelöscht, alles wurde verkauft, die Geschäfte sind erledigt, ausgeräumt ist der bauchige Rumpf.
Der Kapitän ist allein an Bord. Seine Schritte auf Deck hallen in der Leere darunter, sammeln sich in Echos. "Dein Kapitän", vernimmt das Schiff, und antwortet ihm mit zitternden Planken.
Leicht verwindend schmiegt sich der Rumpf in den Wellengang, dabei ein leises Wimmern erzeugend. Jedem Aufrichten des Buges in der Dünung folgt mit dem Vorwärtsschub in das Wellental dieser klagende, anschwellende Laut, der sogleich mit dem Wind nach Achtern hinaus verweht.
Von Steuerbord rollt die See heran. Mit jeder Woge, jedem Erbeben des Seglers und der folgenden Krängung spült sie an der Bordwand hinauf, um anschließend hinab zu rinnen, so, wie Wasser als Wolke aus dem Meer steigt, um als Regen über das Antlitz der Erde dorthin zurückzufließen.
Der Kapitän steuert den letzten Hafen an, den letzten Ankerplatz. Er ist der Seefahrerei müde. Er möchte übers Wasser schauen, ohne die Bewegung des Schiffes ausgleichen zu müssen, ohne dass Wind und Segel ihn zur Arbeit zwingen. Schlafen, wenn ihm danach ist, und nicht in eingeteilten Wachen, nicht mehr dem Wetter trotzen, er sehnt sich nach festem Grund unter den Füßen. Einst auf dem Land aufgewachsen, zieht es ihn dorthin zurück.
Das Schiff ist ein Kind der See. Es fühlt sich lebendig in Wellen und Wind. Ungeduldig wartete es in den Häfen darauf, mit der neuen Fracht wieder hinaus auf den bewegten Ozean fahren zu dürfen. Lieber ginge es im Sturm unter, als in der Stille, ohne wiegendes Auf und Ab, ohne den Tanz über das Meer.
Er sitzt am Hafencafé, die abgewetzte Schiffermütze in die Stirn gezogen, die Beine ausgestreckt, und genießt den Espresso in kleinen Schlucken. Ab und zu nickt er ein. Manchmal gleitet sein Blick über sein, an eisernen Pollern vertäutes Schiff und weiter hinaus in die Ferne. Es kommen Erinnerungen auf, an Häfen in fremden Ländern, mit ihren Menschen, Stimmen, Streitereien, den Liebschaften. Und immer wieder der Abschied, das Segeln in die Weite. Wellen, Wind, die Stürme, die Sterne, sanfte Tage, Flauten.
Es spürt, wie das Regenwasser durch sein rissig gewordenes Deck sickert, an seinen Streben und Spanten hinab rinnt, das Wachsen einer bracken Lache in seiner Bilge tief unten. Es lauscht dem Knistern des auftreffenden Flugsandes, dessen Rieseln durch Ritzen hinunter in die Laderäume, wo er sich zu modrigem Schlick verbindet.
Der von brüchigen Tauen losgerissene Großbaum schlägt mit dem Wind gegen die Kajüte wie an eine dumpfe Trommel, des Nachts vom nahen Leuchtfeuer im Sekundentakt grell erhellt. Am Tage verschmilzt das dröhnende Hämmern mit dem Lärm der Hafenarbeiter, dem Wellenschlagen an die Kaimauer, wird mit der Zeit Teil der Betriebsamkeit und damit Teil des Alltäglichen, der Gewalt aus Not, des Unwiederbringlichen, wird Teil der betäubenden, tröstenden Kulisse.
Bis das Holz eines Tages zersplitterte, und das Schlagen leiser wurde, leiser als das Rauschen der Brandung, nur noch ein Rascheln war im Knistern des Schaumes auf den Wellen, im Rollen der Wogen unterging und Teil der Stille wurde, die eintritt, wenn der Ozean von keinem Wind mehr bewegt wird, wenn er ungerührt verharrt und Verzweiflung die Menschen ergreift, daraufhin sie ihren Gott beschwören, somit er sie wieder mächtig sein ließe, und sie nicht spüren müssen wie das Schiff, was auf sie wartet.
Man hatte seine ausgebleichte Kapitänsmütze im Hafenbecken treibend entdeckt, daraufhin einen Taucher nach ihm suchen lassen, vergeblich, den alten Frachtensegler aufs offene Meer gezogen, vor eine unbewohnte Insel, um ihn stranden zu lassen, wie den Kadaver eines Wals.
Dort zerfällt er nun, den Möwen eine Wohnstatt. Jenen, die über dem Meer kreisen und in den Wind schreien.