Papiertiger
Mitglied
Das Seinlassen und das Nichtstun – eine Philosophie des Lockerbleibens
„Verehrtes Publikum, mein heutiger Vortrag widmet sich einem oft übersehenen Phänomen unserer heutigen Zeit: dem einfach mal sein lassen. Wer kennt es nicht: FOMO (Fear of Missing Out, die Angst etwas zu verpassen) treibt Menschen dazu noch jetzt, zu absurd überbewerteten Kursen Aktien von Nvidia zu kaufen oder in das Nonsensprodukt Bitcoin Geld zu stecken. Dem Trend hinterherrennen, irgendwas kaufen – das ist nicht investieren, sondern Glücksspiel und damit ist die Börse dann tatsächlich das, was ihr Skeptiker vorwerfen: ein Casino. Dabei wissen die wirklich klugen und erfolgreichen Anleger wie Warren Buffet und Charlie Munger: Nicht kaufen oder verkaufen sind so entscheidend für die Wertsteigerung, sondern es ist der Faktor Zeit. Im Warten liegt das Wachstum. Der Zinseszinseffekt kann mit einem Betrag von 1.000 Euro keine Wunder vollbringen, wenn die Aktie nach wenigen Tagen verkauft wird.
Was würden Außerirdische oder ein Mensch, der wie der Held in „Schöne Neue Welt“ von Aldous Huxley in unsere Zivilisation kommen würde, denken? Erst essen Millionen Mensch viel zu viel Fast Food, das schlecht für sie ist, um dann eine Abnehmspritze zu kaufen, die viel zu überteuert ist, um abzunehmen? Erst wählen Menschen einen Beruf vor allem danach aus, wo viel Geld zu verdienen ist, um anschließend mit dem Geld das zu erkaufen, was ihnen einen Ausgleich, Trost und Ablenkung spendet. Aber, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich will sie nicht langweilen. Tyler Durdens Rede im Roman „Fight Club“ hat das Phänomen schön pointiert zusammengefasst: Wir besitzen nicht Dinge, sondern die Dinge besitzen uns. Wir arbeiten in Jobs, die wir hassen, um Dinge zu kaufen, mit denen wir Leute beeindrucken wollen, denen wir egal sind. Und, ich weiß zwar nicht die Quelle, aber ich bin zu 100 Prozent sicher, dass diese Beobachtungen nicht 1996 von Chuck Palahniuk für seine hervorragende Satire erfunden wurde, sondern das diese Erkenntnisse mindestens in die Griechische Antike zurückreicht.
Ich möchte eine Lanze brechen für den Müßiggang, für den Minimalismus, für das drei Mal überlegen, bevor man etwas unternimmt. Wer nicht anfängt zu rauchen, braucht sich und andere hinterher nicht einzureden versuchen, es sei ja gar keine Sucht, sondern man könne ja jederzeit damit aufhören. Ein minderwertiges Produkt, das man gar nicht erst kauft, braucht man anschließend nicht entsorgen. Vor einem Kauf um die 100 Euro eine Nacht über die Entscheidung schlafen. Keine Spontankäufe, nur weil Angebote und künstliche Verknappung locken.
Ja, ja. Spinner! Moralapostel! Die Grrrrrrünen! Immer alles verbieten. Solche Einwende mag es geben. Und es ist gegen jede Menschenkenntnis zu erwarten, dass Menschen so zu begeistern sind. Nicht verbieten und keine Scheinheiligkeit. Obwohl der Weg zum Paulus natürlich viel zügiger zu erreichen ist, wenn man nicht den Umweg über den Saulus nimmt. Aber gehört das nicht zum Mensch sein, zur Menschwerdung bei? Erfahrungen muss man selbst sammeln. Und hat Friedrich Nietzsche nicht recht, wenn er schreibt: Der Mensch ist etwas, das überwunden, aber nicht übersprungen werden soll. Der Weg zum Übermensch führt also über das Menschsein. Gut, bevor weitere Zuhörer den Saal verlassen will ich zum Kern meines Vortrags kommen: Nicht klagen und lamentieren, sondern besser machen. Ich habe eine Liste erarbeitet, die sie in ihren Geschenktüten unter ihren Sitzen finden. Unser Programm setzt sich für folgende Maßnahmen ein:
1. Preisverleihungen für schlechte Filme und Serien, Songs, unlustige Radiocomedy und halbherzig aus den USA imitierte Stand-Up-Comedy.
Ich sehe hier eine ganz große Chance für Til Schweiger, das Frühstücksradio und sie wissen sich selbst, wenn ich noch so im Sinn habe.
2. Ab sofort gibt es keine Wahlplakate mehr. Das eingesparte Geld müssen die Parteien direkt in einen von zehn definierten gemeinnützigen Zwecken stecken: Umweltschutz, Kinderbetreuungsplätze, Wohlfahrt, Bildung.
3. Live-Faktencheck und aus Steuermitteln finanzierter Journalismus für jeden und jede im Land.
Und so weiter und so fort, Sie können selbst lesen und brauchen keinen Vorturner. Und damit bin ich am Ende meines Vortrags und freue mich für ihre Stimmen für unsere neu gegründete Partei: Die mündigen Bürger. Vielen Dank!“
„Verehrtes Publikum, mein heutiger Vortrag widmet sich einem oft übersehenen Phänomen unserer heutigen Zeit: dem einfach mal sein lassen. Wer kennt es nicht: FOMO (Fear of Missing Out, die Angst etwas zu verpassen) treibt Menschen dazu noch jetzt, zu absurd überbewerteten Kursen Aktien von Nvidia zu kaufen oder in das Nonsensprodukt Bitcoin Geld zu stecken. Dem Trend hinterherrennen, irgendwas kaufen – das ist nicht investieren, sondern Glücksspiel und damit ist die Börse dann tatsächlich das, was ihr Skeptiker vorwerfen: ein Casino. Dabei wissen die wirklich klugen und erfolgreichen Anleger wie Warren Buffet und Charlie Munger: Nicht kaufen oder verkaufen sind so entscheidend für die Wertsteigerung, sondern es ist der Faktor Zeit. Im Warten liegt das Wachstum. Der Zinseszinseffekt kann mit einem Betrag von 1.000 Euro keine Wunder vollbringen, wenn die Aktie nach wenigen Tagen verkauft wird.
Was würden Außerirdische oder ein Mensch, der wie der Held in „Schöne Neue Welt“ von Aldous Huxley in unsere Zivilisation kommen würde, denken? Erst essen Millionen Mensch viel zu viel Fast Food, das schlecht für sie ist, um dann eine Abnehmspritze zu kaufen, die viel zu überteuert ist, um abzunehmen? Erst wählen Menschen einen Beruf vor allem danach aus, wo viel Geld zu verdienen ist, um anschließend mit dem Geld das zu erkaufen, was ihnen einen Ausgleich, Trost und Ablenkung spendet. Aber, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich will sie nicht langweilen. Tyler Durdens Rede im Roman „Fight Club“ hat das Phänomen schön pointiert zusammengefasst: Wir besitzen nicht Dinge, sondern die Dinge besitzen uns. Wir arbeiten in Jobs, die wir hassen, um Dinge zu kaufen, mit denen wir Leute beeindrucken wollen, denen wir egal sind. Und, ich weiß zwar nicht die Quelle, aber ich bin zu 100 Prozent sicher, dass diese Beobachtungen nicht 1996 von Chuck Palahniuk für seine hervorragende Satire erfunden wurde, sondern das diese Erkenntnisse mindestens in die Griechische Antike zurückreicht.
Ich möchte eine Lanze brechen für den Müßiggang, für den Minimalismus, für das drei Mal überlegen, bevor man etwas unternimmt. Wer nicht anfängt zu rauchen, braucht sich und andere hinterher nicht einzureden versuchen, es sei ja gar keine Sucht, sondern man könne ja jederzeit damit aufhören. Ein minderwertiges Produkt, das man gar nicht erst kauft, braucht man anschließend nicht entsorgen. Vor einem Kauf um die 100 Euro eine Nacht über die Entscheidung schlafen. Keine Spontankäufe, nur weil Angebote und künstliche Verknappung locken.
Ja, ja. Spinner! Moralapostel! Die Grrrrrrünen! Immer alles verbieten. Solche Einwende mag es geben. Und es ist gegen jede Menschenkenntnis zu erwarten, dass Menschen so zu begeistern sind. Nicht verbieten und keine Scheinheiligkeit. Obwohl der Weg zum Paulus natürlich viel zügiger zu erreichen ist, wenn man nicht den Umweg über den Saulus nimmt. Aber gehört das nicht zum Mensch sein, zur Menschwerdung bei? Erfahrungen muss man selbst sammeln. Und hat Friedrich Nietzsche nicht recht, wenn er schreibt: Der Mensch ist etwas, das überwunden, aber nicht übersprungen werden soll. Der Weg zum Übermensch führt also über das Menschsein. Gut, bevor weitere Zuhörer den Saal verlassen will ich zum Kern meines Vortrags kommen: Nicht klagen und lamentieren, sondern besser machen. Ich habe eine Liste erarbeitet, die sie in ihren Geschenktüten unter ihren Sitzen finden. Unser Programm setzt sich für folgende Maßnahmen ein:
1. Preisverleihungen für schlechte Filme und Serien, Songs, unlustige Radiocomedy und halbherzig aus den USA imitierte Stand-Up-Comedy.
Ich sehe hier eine ganz große Chance für Til Schweiger, das Frühstücksradio und sie wissen sich selbst, wenn ich noch so im Sinn habe.
2. Ab sofort gibt es keine Wahlplakate mehr. Das eingesparte Geld müssen die Parteien direkt in einen von zehn definierten gemeinnützigen Zwecken stecken: Umweltschutz, Kinderbetreuungsplätze, Wohlfahrt, Bildung.
3. Live-Faktencheck und aus Steuermitteln finanzierter Journalismus für jeden und jede im Land.
Und so weiter und so fort, Sie können selbst lesen und brauchen keinen Vorturner. Und damit bin ich am Ende meines Vortrags und freue mich für ihre Stimmen für unsere neu gegründete Partei: Die mündigen Bürger. Vielen Dank!“