Das Sonderangebot

Löwengeist

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Nach einer weiteren, ungezählten, schlaflosen Nacht, erhebe ich mich beim ersten Morgengrauen
kraftlos von meiner Wohnzimmercouch.
Seit Wochen habe ich schon keinen Schritt mehr in den eigentlichen Schlafraum getan, aus dem
mir, wie jeden Morgen, ein schnarchähnliches Geräusch entgegenhallt.
Mein erster Blick fällt auf den vor mir stehenden Tisch, der alltäglich das selbe Bild bietet:
Ein Brocken Haschisch, in einer kleinen Tüte aufbewahrt, daneben ein feuerzeug, eine leere
Zigarettenschachtel, ein randvoller, stinkender, Aschenbecher, mehrere Gläser und eine halbleere
Flasche Wein. Ein paar Zeitschriften und ein benutzte Teller samt Besteck vom gestrigen Abend
runden den Anblick ab.
Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen und mache mich auf den Weg ins Bad.
Die Uhr an der Wand zeigt 5:03, eine halbe Stunde bleibt mir noch, dann wird er aufstehen.
Meine Beine sind schwer wie Blei, irgendwo pocht ein leiser Schmerz in meinem Kopf und
eine tiefe Sehnsucht nach starkem Kaffee macht sich in meinem Innern breit.
Das Gefühl kann mich überreden, einen Abstecher in die Küche einzuräumen und mich um das schwarze
Gebräu zu kümmern.
Wenig später werfe ich einen Blick in den Spiegel, der eingerahmt über dem Waschbecken im Bad
hängt. Ich schenke mir selbst ein gequältes Grinsen, nur um zu sehen, ob ich es noch kann,
auf die Ehrlichkeit des Lächelns lege ich schon lange keinen Wert mehr.
Jede Einzelheit, die ich erkenne, kommt mir wie die Auslage eines Tante-Emma-Ladens vor,
der seine Ware zum Ramschpreis im kleinen Schaufenster anbietet.
Im Sonderangebot befinden sich heute ein, von blutleeren Lippen, eingerahmter Mund, der auf
Kommando seine Winkel heben kann, also praktisch ferngesteuert und bedienerfreundlich.
Weiterhin gibt es eine ebenmäßige Nase, die, bei sorgfältiger Puderpflege, sicherlich als
Kunstobjekt reissenden Absatz findet !
Eben entdecke ich die Ursache meines Kopfschmerzes. Ein blau-lila gefärbter Fleck, unnatürlichen
Ursprungs, zieht sich an der rechten Schläfe, bis zum Haaransatz entlang.
Ja, ich kann mich gut an seine Entstehung erinnern, ihn gibt es als Erstlingswerk absolut billig
angeboten. Die Bilder eines Künstlers steigen bekanntlich erst nach dessen Tod im Preis.
Ich finde noch einen roten Striemen, der knapp unterhalb des Kehlkopfes verläuft und wie ein
nichtbleibendes Modetattoo schon wieder verblasst. Es lohnt nicht, ihn noch anzubieten.
Die meiste Aufmerksamkeit der Käufer würden wohl die beiden, eigentlich schönen,
grünen Augen erregen, die weder fragend noch eigenwillig aus den dunklen Höhlen schauen.
Sie haben nichts zu sagen, egal was sie wahrnehmen.
"Wer wünscht sich nicht insgeheim ein "Ist-mir-egal-Ausdruck", wenn es einmal wieder
Ärger zu geben scheint ? Diese Augen sind bestens darauf trainiert, verehrte Damen und Herren."-
so könnte der Werbespruch lauten. Spätestens jetzt stellt jeder die Frage nach dem Preis.
Ich überprüfe noch einmal das geübte Grinsen und gebe ihm den letzten Schliff. Es soll alles
seine gewohnte Ordnung haben, Fehler kann ich mir nicht leisten, nicht heute.
Während ich den Wecker im Schlafzimmer schellen höre, greife ich zu den Schmerztabletten
auf der Fensterbank.
Mein Leben, billiger kann ich es nicht verkaufen....
 

McFire

Mitglied
Sonderangebot

Au weia, sowas schreibt man, wenn man demnächst heiratet?

Ganz schöne Spalttablette, wa? ;)

Na, im Ernst und wie schon hier gesagt - gute Idee und was Gutes draus gemacht.

Aber ein bissel Sorge bleibt...
 

Löwengeist

Mitglied
Vielen Dank ...

...Euch zwei für Eure Worte :)

Deprimierend war die Zeit sicherlich für mich, das steht außer Frage.
Es handelt sich in der Geschichte allerdings nicht um den Mann, den ich demnächst heirate *fg*.
"Das Sonderangebot" gab es bis vor eineinhalb Jahren.
Mittlerweile bin ich ausverkauft *fg*

Liebe Grüße
Kerstin
 



 
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