Das Staunen

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Walther

Mitglied
Das Staunen


Und doch: es bleibt wohl immer da, das leise Staunen,
Wenn endlich Frühling kommt und Jugend bringt, das Leben,
Wenn alle Pflanzen sich und Tiere Mühe geben,
Verrückt die wilden Wetter spielen ihre Launen.

Und was auch wird: unbändig ist das leise Beben,
Wenn schließlich Blüten brechen, Büsche, Bäume raunen,
Wenn dann die Sonne lüftet Grau und Bettendaunen,
Denn es will wachsen, reifen und nach vorne streben.

Selbst jener, der am Rande steht und einsam sinnt,
Er fühlt sich plötzlich neu und jung und mitgerissen.
Selbst wenn in Trauer der Moment zu Stein gerinnt,

Man fühlt sich wie auf einem weichen Blütenkissen:
Auch der Verhärtete, er wird zum kleinen Kind
Und will, dem Leid zum Trotz, nicht die Minute missen.
 

Joneda

Mitglied
Staunen

Hallo Walther,

das Bild, das Du durch die Worte zum Leben erweckst, ist kindlich, sanft und wunderschön wie die Natur.
Es passt so gut zu dem Titel.

LG Joneda
 
S

Saurau

Gast
sehr kunstfertig, walther, und ein sonett, das freude macht!

eine kleinigkeit:
"Wenn alle Pflanzen sich und Tiere Mühe geben,"... die unkonventionelle wortstellung stört mich weniger als das "mühe geben". hier hast du dir zuviel mühe gegeben, das merkt man leider. ansonsten wirklich gelungen, finde ich.

liebe grüße,
daniel
 

Walther

Mitglied
@ Joneda:

Dank für die lobenden Worte und Bewertung(en).

@ Saurau

Danke für Deine zustimmende Einschätzung meines Dichtversuchs.

Zum dritten Vers in der ersten Strophe: Es gab eine weitere Version:

Und doch: es bleibt wohl immer da, das leise Staunen,
Wenn endlich Frühling kommt und Jugend bringt, das Leben,
Wenn Pflanzen sich und Tiere alle Mühe geben,
Verrückt die wilden Wetter spielen ihre Launen.
Die Satzstellung ist dem Metrum geschuldet, hat aber einen weiteren interessanten Nebeneffekt. Sie verstärkt im Text das Drängende, das den Frühling auszeichnet. Dieser Effekt wird schon durch den Widerspruch des Inhalts zum eigentlich schwerblütigen/schwermütigen Alexandriner bewußt ausgelöst. 6 hebige Jamben sind in unserer schnellen Zeit eher die Ausnahme. Heute schreibt man Sonette eigentlich fünfhebig, ich habe mich da im Barock bedient.

Zum Inhalt des Verses: In der Tat geben sich Pflanzen und Tiere alle Mühe in Frühjahr. Den Rest kann, darf und muß man sich dazudenken, Gedichte sollen ja Raum lassen.

Auch in der vierten Strophe gibt es eine Variante:

Man fühlt sich wie auf einem weichen Blütenkissen:
Auch der Verhärtete, er wird zum kleinen Kind
Und will, des Tods zum Trotz, nicht die Minute missen.
Man könnte, um das Bild und den Bezug zur Stimmung des Barock vervollkommnen, das Wort Leid durch das stärkere Wort "Tod" ersetzen. Aber soviel Melancholie wollte ich dann auch wieder nicht heraufbeschwören.

Einen schönen Frühlingstag wünscht Euch beiden und alle anderen Lesenden und Lupenden

der W.
 

Walther

Mitglied
Moin, Old Icke,

man(n) tut was, was man(n) kann. leider man(n)chmal auch, was man(n) nicht kann. Daher danke für die lobenden Worte, die runtergehen wie Öl. Welcher (Feierabend-)Dichter fühlte sich nicht durch wohlklingende Begleitung aus berufenem Munde gebauchpinselt? :)

In diesem wünsche ich mir weitere Worte dieser Art (nicht ohne an meinem Zutun zu werkeln). ;)

Es grüßt, fast beschämt, aber eben nur fast,

der W. 8)
 



 
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