Das stille Paradies (Sonett)

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James Blond

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Das Lachen ist verkauft, das Lächeln ausgelagert,
es wurde jüngst in Bilderrahmen eingeweckt
und was sich schützend hinterm Spiegelglas versteckt,
erscheint im Kern erschöpft, im Wesen abgemagert.

Der Spaß ist groß, die Heiterkeit hat zugenommen,
man trinkt aus Sonnenfäden kolportiertes Glück,
mit ihnen kehrt gebuchte Fröhlichkeit zurück,
und jeder soll davon ein Sahnestück bekommen.

Noch ziehe ich aus meinen regengrauen Tagen
ein köstlich Maß Melancholie, das man mir ließ.
Denn sicher ist: Es wird mich keiner danach fragen.

Man gönnt es mir, seit mich die Sonnenbank verstieß
und wartet insgeheim auf meine Altersklagen.
So fand ich nebenbei mein stilles Paradies.
 
Zuletzt bearbeitet:

Scal

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Dein so sorgsam und meisterlich in eine Reimform gegossenes, gedankenvolles (Ironie beherbergendes) Erzählen fand bislang kaum ein Echo.

Vielleicht liegt's u.a. auch daran, dass die inhaltlichen Bezüglichkeiten nicht so ohne Weiteres auszumachen sind: sind sie sozialpsychologisch gegenwartsbezogen zu meinen, also allgemein aufzufassen, oder wollen und sollten sie die Richtung nehmen auf einen regional akut-aktuellen oder biographisch konkreten Anlass?
Ich weiß nur, sie fördern und fordern mein Raten. Aber möglicherweise ist mein Sehvermögen zu beschränkt.

Lieben Gruß
Scal
 

James Blond

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Lieber Scal,

du hast wirklich sehr nett umschrieben, dass du keinen blassen Schimmer hast, worum es in dem Sonett geht. Das ist eigentlich großartig! Danke.

Liebe Grüße
JB
 

Scal

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...keinen blassen Schimmer ...

Das wusste ich nicht. Jetzt weiß ich es. Prima!
Wie gut du mich kennst! Das nenne ich Aufklärung! (im Kontext eines wohlwollend anklopfenden Kommentars).

Oder befinde ich mich auf der Bühne eines Fechtweltmeisters?
Ach, hinweg, Phantasie!
Ich schreibe Sätze in einem Literaturforum.
 
Hallo James,
Die Stille ist ein Privileg, die nicht jedem aus freien Stücken vergönnt ist, also genieße sie mit dem rückwärtswandten Kennerblick einer ehemals fröhlichen Euphorie.
Beislgrüße
 

James Blond

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Ich weiß nur, sie fördern und fordern mein Raten. Aber möglicherweise ist mein Sehvermögen zu beschränkt.
Es tut mir leid, lieber Scal, sollte ich dein Deutungssuchen etwas zu platt wiedergegeben haben. Aber das stand nicht im Zentrum meiner Absichten, sondern es war die Freude darüber, dass sich dieses Sonett rational gelenkten Aussagen offensichtlich widersetzt, was ebenfalls nicht in meinen Absichten lag. So bleibt die Chance gewahrt, dass es sich in eine Ebene bewegt, die gedanklich nur schwer zugänglich ist und uns dabei doch direkt anspricht, ohne ins Hermetische abzugleiten, denn phantastische Rätsel geben die Verse eigentlich nicht auf ... und wir bleiben im Literaturforum.
Die Stille ist ein Privileg, die nicht jedem aus freien Stücken vergönnt ist
Diese Stille braucht als Privileg nur die Lust an der Melancholie ...

Habt vielen Dank, ihr beiden, für die gedankliche Beschäftigung mit meinem Sonett.

Liebe Grüße
JB
 



 
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