Das verfallende Haus

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Peethulhu

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Das verfallende Haus


"Die Straßenlaternen der Stadt warfen lange, tanzende Schatten, die ein Eigenleben zu führen schienen. Es wirkte wie ein groteskes Spiel, was die Schatten mit meinem Sehnerv zu spielen versuchten. Genauso tanzend sprangen meine Gedanken hin und her. War das, was ich gerade gesehen hatte, wirklich passiert? Oder war es nur eine Einbildung, die sich mein Gehirn erdachte, um mich zur Flucht zu bewegen? Ich wusste nur, dass ich weg wollte. Weg von diesem zerfallenen Haus, in dem ich dachte, Zuflucht zu finden über die Nacht.

Es war ziemlich frisch geworden für eine Sommernacht und ich, der ich auf der Straße lebte, gezeichnet von den Schatten meiner Vergangenheit, fand bei dem Umherstreifen durch die Nebenstraßen dieses zerfallene, unscheinbare Haus. Die eine Seite schien schwer zu kippen und es drohte, jeden Moment einzustürzen. Doch die andere Seite schien noch recht stabil zu sein und der Geruch von Schimmel und modrigen, alten Möbeln schreckte mich nicht ab. Alles war besser, als in dieser nasskalten Luft zu liegen und vielleicht ließ sich ja noch ein altes Bett oder eine Matratze, die noch nicht zu verdreckt war, finden.

Seltsamerweise waren weder die Tür noch die Fenster durch etwas verriegelt oder mit Holzbrettern verschlossen, sodass ich leichten Zugang hatte. Die Tür knarzte fürchterlich und es rieselte Staub von ihr herunter, was mir zeigte, dass sie schon lange Zeit nicht mehr bewegt worden war. Ich fühlte einen seltsamen Schauer in meinem Rücken, als würde etwas oder jemand mich beobachten. Kurz zögerte ich, weiterzugehen und drehte mich noch einmal um. Die Straßenlaterne, die noch etwas abseits von diesem Haus stand, warf ihr diffuses Licht in meine Richtung und ich erkannte nichts, was darauf hinwies, dass ich beobachtet würde oder eine Andeutung von Gefahr. Ich tat diese Einbildung als bloße Fantasie ab und ging über den knarzenden Boden des Hauses."

"Von meiner Hoffnung auf eine Unterkunft getrieben, ging ich gleich in den ersten Raum, der sich rechts von mir befand. Die Tür, die ihn zu verdecken versuchte, war in der Mitte zerbrochen und deutete darauf hin, dass ich nicht der Erste war, der diesen Ort aufsuchte. Die Jahre auf der Straße hatten mich geprägt, und es wunderte mich nicht. Waren doch solch verlassene, verfallende Häuser meist verwüstet oder mit wildesten Zeichnungen beschmiert.

Ich beschloss, durch den Spalt, der in der Tür war, hindurchzuschlüpfen, da mir der Rest der knorrigen Tür etwas Schutz zu bieten schien. So konnte ich nicht überrascht werden, und ein alter Sessel, der mit Spinnweben übersät war, gab mir eine wunderbare Möglichkeit, ihn vor die Tür zu schieben. Die Lehne des Sessels hatte genau die richtige Größe, um den Spalt, durch den ich geschlüpft war, zu verdecken.

Das schwache Licht der Straßenlaterne flackerte durch die staubverhangene Fensterscheibe und machte es mir schwierig, genau auszumachen, in was für einem Raum ich war. Es wirkte wie ein Abstellraum, denn es waren viele Stühle und auch kleine Tische an den Wänden aufgereiht. Doch die Spinnweben, die sich um diese Möbel wanden, und der Staub zeigten, dass diese schon lange nicht mehr bewegt wurden. Der allgemeine faulige Geruch schien nicht aus diesem Zimmer zu mir zu dringen, sondern durch die vielen Ritzen und Öffnungen in der zerbrochenen Tür hier hereinzuziehen.

Müdigkeit überfiel meinen schon geplagten Verstand, und ich ließ mich in den Sessel sinken. Vorsichtig, denn ich wusste ja nicht, ob das alte Möbel mich halten würde. Als ich in den weichen Sitz sank, stellte ich zu meiner Freude fest, dass er weich war, und ich glaubte, seit mehreren Wochen nicht mehr so gut gesessen zu haben. Der Staub, der dadurch aus ihm herausgepresst wurde, flog spielend mit dem Licht der Laterne aufgewirbelt durch den Raum, und ich spürte, wie sich meine Augen schlossen und ein Frieden mich einschlafen ließ.

"Ynorr... Ynorr... Kuthagn..." riss ich meine Augen auf und erwachte in dem Sessel. Die Straßenlaterne war ausgegangen und ich hörte diese seltsamen Worte. Was war das? Es klang nicht wie die Stimme von Menschen, sondern wie eine groteske Abart dessen. Immer wieder diese Worte, die wie von einem betrunkenen, röchelnden Tier gesprochen sein mochten. Jedoch in einem regelmäßig wirkenden Singsang, der sich durch den Boden meines Zimmers hörbar machte.

Als ich zitternd und mit schweißgebadeter Stirn zu Boden schaute, erkannte ich, dass der Teppich von unten angeleuchtet wurde oder etwas durch den Boden zu scheinen schien. Der Singsang pochte in meinem Kopf, als wolle etwas sich in meinen Verstand eingraben, ohne auch nur infrage zu stellen, ob ich das erlaube. Ich kniff mir heftig in meinen rechten Arm, um sicherzugehen, dass ich nicht träumte, und der Schmerz, der meinen Arm durchzog, verdeutlichte mir, dass dieses grünschwarze, bedrohlich schimmernde Licht unter dem Teppich und dessen begleitender Singsang keine Einbildung zu sein schien, die aus meinem vor Erschöpfung zitternden Gehirn stammte.

Der röchelnde Gesang wurde lauter, was mir deutlich machte, dass dort nicht nur eine dieser Kreaturen zu sein schien oder jemand eine unheimliche Tonaufnahme abspielte. Ich beruhigte meinen Geist, dass es am Ende nur Jugendliche waren, die sich einen Spaß erlaubten und eine gruselige Schreckgeschichte oder ein Video aufzeichneten. Jetzt, weniger von Furcht, die unterschwellig weiter in mir schwelte, sondern von Neugier angetrieben, lehnte ich mich zu dem runden Teppich und hob ihn seicht an, um vielleicht sehen zu können, was dort passierte.

"Ynorr", was und wieso schienen diese Leute diesen Namen so zu sprechen? Es klang doch schon recht grotesk, und es gelang mir, durch einen Spalt im Boden einen Blick in den Raum zu werfen, der unter meinem lag, und es wäre mir lieber gewesen, ich hätte niemals den Weg in dieses Haus gefunden. Denn dort waren etwa zehn Personen, die zwar so etwas wie menschliche Körper zu besitzen schienen, denn sie trugen grünschwarze Mönchsroben. Jedoch erspähte ich in einem kurzen Moment das Gesicht des einen, was so grauenhaft ein Zerrbild von Mensch, Fisch und etwa die Warzen einer Kröte zu haben schien, dass mein Körper vom Hals bis zu den Füßen erzitterte.

Angstschweiß tropfte mir von der Nase und es war grauenvoller als jeder Horror, den ich gesehen hatte. Ich blickte noch zu der Stelle, die sie zu umringen schienen, und das war der Moment, in dem ich aufsprang, den Sessel zur Seite schob und nur noch weg wollte. Ich weiß noch, dass ich durch den Sessel einen riesen Krach veranstaltet haben musste und der Singsang abrupt abbrach.

Die einsetzende Stille drückte die Ebene, auf die meine Panik geschossen war, ins Unerträgliche und alle Fasern und Muskeln meines Körpers drängten mich dazu, von hier zu fliehen. Als ich wieder auf der Straße war, rannte ich und rannte, solange es mir meine Lunge und meine Beine erlaubten. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Rennens stand ich nun hier unter den Straßenlaternen der Stadt, deren lange Schatten mir zu sagen schienen, nicht darüber zu sprechen, was ich gesehen hatte.

Doch wenn es jemand finden sollte, schreibe ich es auf und lege diesen Zettel sichtbar an diese Stelle. Das Schicksal soll darüber bestimmen, denn ich war mir nicht sicher, ob dieses Mensch-Fisch-Kröten-Gezücht mich nicht finden und das Gleiche mit mir tun würde, was sie dort taten. Ob sie mir glauben oder nicht, soll ihr Verstand entscheiden, aber was ich sah, war die Tatsache, dass dort eine Frau lag, ohne Kopf, und dass sie ihren Kopf veränderten zu diesem grotesken, widerwärtigen Aussehen, doch das Schlimmste daran, der abgetrennte Kopf schien zu lächeln...
 

ikarus-1975

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Hallo @peethulhu

Deine Geschichte hat mir gefallen. Der Rahmen stimmt, die Spannung war da. Bis zu der Stelle, an der du das Grauen zu beschreiben versuchst, liest es sich wirklich gut. Doch wie es fast immer so ist - auch bei Stephen King! - verflüchtigt sich das Grauen, wenn man es zu fassen versucht.

Ich weiß nicht, wie man es besser machen könnte, wollte man ganz auf die Beschreibungen verzichten. Andeutungen, ja, aber wie?

Mich erinnert deine Geschichte zeitweise an "Das rote Museum", eine Folge aus Akte X. Da hatte sich doch eine Gruppe von Leuten zusammengefunden, die Riten durchführten, seltsame Riten und die letztlich, als man ihnen auf die Spur zu kommen drohte, von jetzt auf gleich verschwanden. Wohin? Wohin könnten so viele Menschen plötzlich verschwinden? Natürlich schwang der Gedanke mit, dass es sich um Wesen aus einer anderen Welt handeln könnte. Mulder beobachtete diese menschengestaltigen Wesen nur durch die Ritzen der Bretter eines Stalls. Er sah ihre Füße, wie sie sich auf dem staubigen Boden bewegten. War es nicht so? Oder verwechsle ich da etwas? Berichtige mich, wenn du's besser weißt.

Es muss etwas Groteskes, Verstörendes her. Etwas, das sich den Anschein gibt, aus dieser Welt zu sein und doch tief verwurzelt in der Anderwelt ist. Im Schwarzen Haus beschreibt KIng das sehr trefflich. Der Grenze zwischen den Welten ist so klein, dass es einem zunächst gar nicht auffällt, dass man sich nicht mehr auf der Grenze befindet, sondern sie bereits überschritten hat. Zunächst beschleichen einen ja nur Ahnungen, später sieht man Dinge - wie etwa einen Mann, der seinen Kopf unterm Arm trägt und dennoch freundlich grüßt. Das Bild der kopflosen Frau, dessen Schädel zu deinem Prota hinaufsah und ihn anzulächeln schien, erinnert mich daran.

Tja, ich kann dir hier nur schreiben, wie dein Text auf mich wirkt, dir leider aber nicht helfen. Wie funktioniert Horror? In den seltensten Fällen ergeht er sich in purem Voyeurismus, häufiger in Andeutungen (schrieb ich schon). Die meiste "Arbeit" muss der Autor dem Leser überlassen. Das meiste muss sich in dessen Kopf abspielen.

Was mir noch aufgefallen ist: für einen Mann, der Jahre schon auf der Strasse lebt, vermag sich dein Prota doch recht gebildet, ja geradezu gewählt auszudrücken - will sagen: deine Schreibe passt eher zu einem, sich verlaufen habenden Lehrer/Uni-Dozenten als zu einem Obdachlosen, falls der nicht einst Philosophie studierte ...

So meine Gedanken. Mich würde interessieren, was andere dazu sagen.
Falls ich etwas überlesen habe, dann bitte ich dich, das zu verzeihen.

LG
ikarus
 
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