Hallo, Plejadus
Jetzt ist ja etwas Ruhe eingekehrt – da kann ich es doch wieder anfachen.
Ein interessanter und polarisierender Text. Vielfältig deutbar, es lässt sich nahezu alles hineininterpretieren – außer vielleicht die Mondlandung.
Dein Text bietet Spielraum für Frauenverachtung, für Ironie, für Anklage gegen Sexismus (ja, auch das).
Darin liegt sowohl seine Stärke als auch seine (ich fürchte bewusst konstruierte) Schwäche.
Schauen wir mal ...
Der Titel:
Das Weib als Übernachtungsmöglichkeit
Hat mich als erstes an einen alten Schlager erinnert
...
sei nicht grausam zu mir.
Nimm mich mit in dein Bettchen,
ich will gar nichts von dir.
Einen Kuss nur vielleicht –
ich bin Müde vom Wandern.
Und ich küss dich trotzdem
nicht so schlecht wie die Andern ...
Quelle: Udo Jürgens
[blue]Es wird Nacht, Senorita[/blue]
Zu Deinem Text:
Es sind sowohl das Weib als auch die Übernachtungsmöglichkeit Gelegenheiten, die allgemein nachgefragt werden.
Seltsam formuliert – lässt es sich doch auch so lesen:
Es sind sowohl die käufliche Liebe als auch die käufliche Übernachtung Gelegenheiten, die ...
So lange es einen Markt (eine Nachfrage) für diese Dinge gibt, so lange werden sie auch angeboten. Beides, Prostitution als auch Hotel- und Gaststättengewerbe zählt zu den ältesten Gewerben der Welt. In dieser Feststellung zunächst wertneutral.
Das Weib ... als Gelegenheit – hier wird ganz spezifisch auf einen bestimmte „Kategorie Frauen“ angespielt.
Man sollte sich jedoch nicht verwundern, dass [blue]ein übliches Weib[/blue] in einer kühlen, regnerischen Nacht [blue]nicht im Mindesten für Trockenheit bürgt[/blue], was als [blue]Nachteil[/blue] des Weibes als Übernachtungsmöglichkeit betrachtet [red]werden darf[/red].
„Ein übliches Weib“ – dies sind nun mal all jene Frauen, die nicht der obigen Kategorie angehören. Keine „normale Frau“ käme auf die Idee, einem wildfremden Unterschlupf (und womöglich noch anderes) zu gewähren.
„... nicht für Trockenheit bürgt ...“ – also nicht gezwungenermaßen „grundsätzlich“ ihr „Bettchen“ bereitstellt.
Ein „Nachteil“ eben, speziell im Bezug auf diese „Bereitschaft zu einem bestimmten Gewerbe“, einer speziellen „Dienstleistung“.
Üblicherweise ist „man“ gewillt, notfalls mit Nachdruck diesen „Nachteil“ zu beseitigen.
Einzig das „werden darf“ am Ende widerspricht der anklagenden Aussage, die hier hineininterpretiert werden könnte. Dies deutet auf eine „korrekte Sichtweise“ hin, ein „Du
darfst so bleiben“ und weiter deine Frau, Verlobte, Partnerin, Freundin zum ... zwingen.
Anpassungsmöglichkeit:
„... betrachtet wird.“ Dies würde einschränken, es ist zwar nicht unbedingt Richtig, aber so wird es halt gesehen.
„... vielfach betrachtet wird.“ Dies würde relativieren, nicht jeder sieht es so, aber es gibt wohl einige.
Abhilfe schafft unter solch obwaltenden Umständen das überdachte Frauenzimmer.
Hier interpretiere ich jetzt eine Form von Flucht (Abhilfe) vor der „vermeintlichen Obrigkeit“ und deren (gelinde bezeichneten) „Druck“.
Betrachte ich das Frauenzimmer als Synonym zum Herrenzimmer (hier sind Frauen unerwünscht) dann wären im Frauenzimmer (als Räumlichkeit, daher das „überdacht“) entsprechend Männer unerwünscht. Das „überdacht“ ist auch als Hinweis deutbar, das „übliche Weib“ könne und dürfe noch einmal die eigene Situation überdenken.
Deutlicher könnte es durch den Plural des „Frauenzimmer“ werden: „... die überdachten Frauenzimmer.“
Mehrere Zimmer formen sich zu einem Haus, mehrere Frauenzimmer ergeben ein Frauenhaus.
Ich hoffe, eine solche wohlwollende Leseart nimmt ein wenig „den Druck vom Kessel“ – oder sollte ich mich mit meiner Interpretation getäuscht haben?
Bin schon gespannt auf Deine Antwort, Plejadus.
Aufmunternde Grüße
Frank