Buddy Lee Doerfer
Mitglied
Das Zitronendilemma
Den ganzen Sommer über stand mein kleines Zitronenbäumchen – gerade mal vierzig Zentimeter hoch und in einem fünf Liter schweren Terrakotta-Topf – draußen auf dem Balkon. Sonne von mittags bis abends, ein bisschen Wind, ein paar schöne Sonnenuntergänge… und irgendwie schien es sich dort so wohlzufühlen wie unsere drei Katzen, im warmen Sonnenschein.
Im Spätherbst holte ich es hinein, nur fünfzig Zentimeter weiter nach hinten, direkt ans Wohnzimmerfenster. Eigentlich derselbe Platz wie vorher – nur jetzt hinter Glas. Warm. Hell. Geschützt. Meine Frau hatte mir das Bäumchen letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt, und ich hatte mir insgeheim schon so lange ein „Zitrönchen“, wie ich es nenne, gewünscht.
Über ein Jahr lang hatte sich eine einzige Zitrone gebildet. Erst hart und grün wie ein Jadestein, dann langsam immer heller, bis sie im Sommer ein sattes Gelb bekam. Weiter oben wuchsen zwei kleine grüne Babys hinterher – winzige Versprechen.
Kaum war der Zitronenbaum im Wohnzimmer angekommen, tat er etwas völlig Unvernünftiges: Er fing mitten im November an zu blühen. Der Duft war wie ein kleiner Sommer, der sich heimlich durch den Novembernebel mogelte.
Und heute Morgen, während ich meinen Kaffee an meinem Lieblingsplatz trank, geschah es: Ich sah auf einmal eine große gelbe Zitrone auf den Holzdielen liegen. Ich hob sie auf wie einen Schatz. Sie roch wie eine richtige Zitrone. Sie war ein Prachtstück – nicht so ein kleines, zusammengeknülltes Discounterding, sondern eine Zitrone mit Charakter. Eine, die etwas erlebt hat. Eine, die im warmen Sommersonnenlicht groß geworden ist.
Und nun?
Lege ich sie neben meinen Laptop und schnüffle alle fünf Minuten daran wie eine Katze an Baldrian?
Behandle ich sie wie eine Amalfizitrone und schneide ein Carpaccio daraus – etwas Meersalz, vielleicht ein Tropfen gutes Öl?
Kann man aus einer Zitrone Limoncello machen? (Ich befürchte: nur ein Stamperl.)
Oder mache ich mir einfach einen Schwarztee, gebe die Zitrone hinein und sündige mit einer Überdosis Zucker, wie ich es eigentlich nicht soll?
So langsam wird mir klar: Alles war so einfach, als sie noch am Bäumchen hing.
Und deshalb frage ich nun euch, meine Leserinnen und Leser:
Was würdet ihr tun mit dieser einen, besonderen, ersten Zitrone?
Den ganzen Sommer über stand mein kleines Zitronenbäumchen – gerade mal vierzig Zentimeter hoch und in einem fünf Liter schweren Terrakotta-Topf – draußen auf dem Balkon. Sonne von mittags bis abends, ein bisschen Wind, ein paar schöne Sonnenuntergänge… und irgendwie schien es sich dort so wohlzufühlen wie unsere drei Katzen, im warmen Sonnenschein.
Im Spätherbst holte ich es hinein, nur fünfzig Zentimeter weiter nach hinten, direkt ans Wohnzimmerfenster. Eigentlich derselbe Platz wie vorher – nur jetzt hinter Glas. Warm. Hell. Geschützt. Meine Frau hatte mir das Bäumchen letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt, und ich hatte mir insgeheim schon so lange ein „Zitrönchen“, wie ich es nenne, gewünscht.
Über ein Jahr lang hatte sich eine einzige Zitrone gebildet. Erst hart und grün wie ein Jadestein, dann langsam immer heller, bis sie im Sommer ein sattes Gelb bekam. Weiter oben wuchsen zwei kleine grüne Babys hinterher – winzige Versprechen.
Kaum war der Zitronenbaum im Wohnzimmer angekommen, tat er etwas völlig Unvernünftiges: Er fing mitten im November an zu blühen. Der Duft war wie ein kleiner Sommer, der sich heimlich durch den Novembernebel mogelte.
Und heute Morgen, während ich meinen Kaffee an meinem Lieblingsplatz trank, geschah es: Ich sah auf einmal eine große gelbe Zitrone auf den Holzdielen liegen. Ich hob sie auf wie einen Schatz. Sie roch wie eine richtige Zitrone. Sie war ein Prachtstück – nicht so ein kleines, zusammengeknülltes Discounterding, sondern eine Zitrone mit Charakter. Eine, die etwas erlebt hat. Eine, die im warmen Sommersonnenlicht groß geworden ist.
Und nun?
Lege ich sie neben meinen Laptop und schnüffle alle fünf Minuten daran wie eine Katze an Baldrian?
Behandle ich sie wie eine Amalfizitrone und schneide ein Carpaccio daraus – etwas Meersalz, vielleicht ein Tropfen gutes Öl?
Kann man aus einer Zitrone Limoncello machen? (Ich befürchte: nur ein Stamperl.)
Oder mache ich mir einfach einen Schwarztee, gebe die Zitrone hinein und sündige mit einer Überdosis Zucker, wie ich es eigentlich nicht soll?
So langsam wird mir klar: Alles war so einfach, als sie noch am Bäumchen hing.
Und deshalb frage ich nun euch, meine Leserinnen und Leser:
Was würdet ihr tun mit dieser einen, besonderen, ersten Zitrone?