Dead End

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Walther

Mitglied
Hi LeiseWege, MarenS,

ohne beharrliches Nachhaken kriegt man einen Text nicht gebessert, vor allem bei einem störrischen Esel wie mir. :D Daher danke ich sehr für das Insistieren, schließlich habe ich so zwei Fehler ausbauen können, die ich glatt übersah.

Hi Ellen,

danke für Deinen positiven Eintrag. Das stimmt fröhlich und erhöht den Reimspaß.

Liebe Grüße in die Runde

der W-
 

Walther

Mitglied
Dead End


Ich steh am Rand und seh hinunter:
Nichts als Tiefe, dunkel, schwarz.
Der Horizont ist soviel bunter.
An der Kiefer trocknet Harz.

Der Letzte vor mir ist verschwunden,
In dem Schlund, der vorne liegt.
Die Wege waren sehr gewunden.
Beinah war der Berg besiegt.

Ein Steigen, scheint es, und ein Fallen
Bildet sich als Regel aus.
Der Geier schärft schon seine Krallen,
Äugt, als wäre ich sein Schmaus.

Ich greif nach der verbeulten Flasche,
Trink sie leer bis auf den Grund
Und leg sie auf die Wandertasche.
Beides bleibt als letzter Fund.
 

Kohlibri

Mitglied
Dir ist ein wirklich gutes Gedicht gelungen. Das, was du ausdrücken willst, schaffst du gut aber m.E. nicht ganz perfekt zu vermitteln. Ja, hier ist alles Metapher - wie im wirklichen Leben auch. Das Gedicht ist gut konstruiert, die Wahl des Metrums ist überzeugend, die Bilder sind gelungen, der Aufbau ist gut - doch ich störe mich an ein paar Kleinigkeiten.

Ich steh am Rand und seh hinunter:
Nichts als Tiefe, dunkel, schwarz.
Der Horizont ist soviel bunter.
An der Kiefer trocknet Harz.
dunkel, schwarz - warum diese Tautologie? Klanglich gut, aber was hat das Gedicht sonst davon?

An der Kiefer trocknet Harz - der Gedanke etwas über Verletzbarkeit, über Wunden einzubauen ist toll, aber an dieser Stelle stört es mich etwas, vielleicht weil ich den Reim schwarz - Harz als etwas gezwungen empfinde. Aber, zu meiner Schande - ich habe selbst keine bessere Alternative.

Der Letzte vor mir ist verschwunden,
In dem Schlund, der vorne liegt.
Die Wege waren sehr gewunden.
Beinah war der Berg besiegt.
Metaphorisch ein tolles Niveau, jedoch stört mich der "Berg" etwas, da er auf mich zu offensichtlich wirkt, gerade, wenn du vorher von Schlund und Wegen sprichst, die ich als allgemeiner und dadurch mehrdeutig-intensiver empfinde.

Ein Steigen, scheint es, und ein Fallen
Bildet sich als Regel aus.
Der Geier schärft schon seine Krallen,
Äugt, als wäre ich sein Schmaus.
Warum "scheint es"? Was für eine Funktion erfüllt dieses "scheint es" in deinem Gedicht. Für mich wirkt es als ein Lückenfüller, mehr nicht. In deinem Gedicht ist nicht alles wie es auf den ersten Blick scheint, aber dann wärs ein Zaunpfahl-schlag. "Äugt" ist so ein Wort, woran ich mich auch beiße, wobei, dass sicher anderen gerade gefallen dürfe...

Ich greif nach der verbeulten Flasche,
Trink sie leer bis auf den Grund
Und leg sie auf die Wandertasche.
Beides bleibt als letzter Fund.
Die Strophe gefällt mir am besten. Wieder ein kleiner Zaunpfahlschlag (2. und 4. Strophe): der Letzte und der letzte Fund...wenn mir was Besseres einfällt, dann hörst du von mir.
"Wandertasche" - vielleicht auch dies zu offensichtlich...

Was hälst du von zwei Zäsuren? Eine kleine (Atem)-Pause...vor dem Ende?

Ich greif nach der verbeulten Flasche,
Trink sie leer - bis auf den Grund
Und leg sie auf die Wandertasche.
Beides bleibt - als letzter Fund.

Grüße
 

Kohlibri

Mitglied
Von mir aus auch Steigerung...ich habe es halt als Tautologie empfunden, wobei es mir auf den Aspekt ankommt, dass ich die Steigerung als unnötig empfinde bzw. nicht verstehe welche Funktion sie in concreto erfüllt. Ich bin als Leser natürlich nur ein unvollkommener und wollte lediglich meine Eindrücke schildern, was sich daraus ergibt ist etwas anderes, aber wenn es hilft das Gedicht zu verbessern, warum nicht.

Grüße
 

Druidencurt

Mitglied
Was will der Autor von "Dead End" hier mitteilen?

Dead End, übersetzt---totes ende,
oder wenn man so will "ohne ausweg"
beschreibt eine/n frau/mann auf einem
wanderweg "Die Wege waren sehr gewunden"etc..
eines Berges, dessen dead end um die 2400
liegen muß.
die baumgrenze bei kiefern liegt in der regel
bei ca. 1800 - 2400 m
danach verwehrt dem wanderer (nicht unbedingt
ein klassischer bersteiger)
ein "Nichts als tiefe, dunkel, schwarz"
den berg zu besiegen......
stop:
(eher)
"Nichts als tiefe, gähnend, schwarz"

weiter:
dem titel nach, müsste der wanderer
springen, aber!

"Und leg sie auf die Wandertasche.
Beides bleibt als letzter Fund"

vielleicht entledigt er sich auch
dessen, um nicht gehindert zu werden,
und---um dem geier ein schnäppchen
zu schlagen, der, wohl in unmittelbarer
nähe, hockend seine krallen wetzt.

"Ein Steigen, scheint es, und ein Fallen
Bildet sich als Regel aus."

dem leser wird hier ein unklares bild vermittelt,
denn was wird damit gemeint?
der berg(weg) oder der geier? oder was?----

ein weiter störendes element ist:

"Ich steh am Rand und seh hinunter:"
danach!
"In dem Schlund, der vorne liegt."
was ist vorne? am rand--ist am rand,
oder kann man in entfernung auch in einen schlund sehen?

müsste er nicht eher schreiben:

"In dem Schlund, der vor mir liegt"....

Fazit: metapheratiges werk, wobei dem leser ein für und widereffekt eingefößt wird....
vom titel her müsste (will) der schlund ihn einsaugen, jedoch gibt es für viele im leben dergleichen etliche situationen....
die sie über----steigen---
können, wollen...sollten!
meint der autor das?....das bleibt offen!
so die kurze (tiefere) analyse des druiden!

MfG
DC
 

Walther

Mitglied
Hi Kohlibri,
werde mich morgen im Laufe des Tags melden. Danke für Deine ausführlichen Überlegungen!
Gruß W.
 

Walther

Mitglied
Hallo Kohlibri!

Nochmals besten Dank für Deinen langen Kommentar.

Meine Antwort möchte ich sozusagen "von hinten aufzäumen", also mit S4 anfangen. Der Vortrag des Gedichts würde in der Tat, wie von Dir vorgeschlagen, wohl am besten erfolgen. Da diese Pausen eher rhetorischer Art sind, habe ich sie im Text nicht eingetragen. Es ist Geschmacksache, ob man das tun sollte, es gibt für beide Positionen gute Argumente.

Zum Bild: Wenn ein Bergsteiger abstürzt, bleibt zurück, was er nicht mitnehmen kann. Hier ist das Wandertasche, die man über die Schulter trägt, meine ist sehr abgewetzt, und die zerbeulte und verkratzte Trinkflasche. Sie braucht der Wanderer nicht auf seinem letzten Weg. Die Dopplung hier ist bewußt gesetzt, weil sie das Bild aus S2 aufnimmt und quasi behutsam ablegt. Viel bleibt von uns in der Tat nicht übrig, wenn wir den letzten Schritt gehen.

In S3 schafft das "scheint es" den Raum für Zweifel, die bei absoluten Aussagen immer angebracht sind. Wir leben in einer zutiefst skeptischen Zeit, ich glaube, kaum eine vor unserer Gegenwart war je so skeptisch, hoffnungslos und ohne richtigen Glauben an irgendetwas jenseits des Greif- und Faßbaren. Diesen Zweifel habe ich in S2Z4 mit dem Wort "beinah" bereits eingebaut, er nagt und führt schlüssig am Ende auch ins endlose Nichts, ohne daß die finalen Fragen des Lebens beantwortet wären.

S2, ja, an dieser Strophe reiben sich viele der Kommentare. Ich gehöre zu denen, die der vielleicht irrigen Ansicht sind, daß man aus der Natur viel über uns Menschen selbst lernen kann, mehr, als für uns gut ist, und mehr, als wir zulassen wollen. Daher erzählt diese Strophe viel über ein Menschenleben, mehr als mancher Roman, weil sie im Bild Erkenntnis bis ins Stärkste verdichtet.

Die 1. Strophe: Sie ist der Einstieg, der zum Thema hinführt. Das LyrIch ist am Scheideweg, hier ein Point of No Return, eine Einbahnstraße. Hinten der Abstieg, vorne der Absturz. Es gibt einen Punkt, bei dem eine Umkehr einfach nicht mehr geht. Das, was folgt ist erst das Dunkel, danach ist der Bildschirm schwarz, weil es nichts mehr zu sehen gibt, weil kein Auge mehr da ist, was sehen könnte. Das All ist "schwarz", weil da kein Licht mehr ist, auch keines der Hoffnung. Wie ich oben bereits sagte: Wir wissen, oder glauben, es zu wissen, daß nachher nichts mehr kommt. Das Versprechen des Garten Eden ist nicht auf die Zukunft zu vertagen.

Der Reim "Harz" ist nicht nur dem Adjektiv "schwarz" am Ende von S1Z2 geschuldet. Das wäre zu einfach. Vielmehr zeigt das Bild, daß hier bereits andere an der Kiefer vorbeikamen und sich dort ein Möglichkeit, den Schlund zu überwinden, gesucht hatten. Seile und andere Werkzeuge hinterlassen Einschnitte, ebenso sickert aus Bruchwunden abgebrochener Äste Harz aus. Die Naturbetrachtung selbst ist mehr als Reflexion, sie schafft auch den Bilderraum, um Kompliziertes so auf das Wesentliche (man beachte die Semantik dieses Worts) zu reduzieren, daß es auch der "Letzte" versteht.

Ich hoffe, meine Motivation für diese Form des Texts und der Bildersprache klargelegt zu haben. Lieben Dank nochmals und eine gute Zeit!

Gruß W.
 

Kohlibri

Mitglied
Lieber Walther,
vielen Dank für deine langen und klaren Erläuterungen. Manches bleibt für mich Geschmackssache, doch so wie du es mir dargelegt hast, erscheint mir alles gut durchdacht und plausibel. Mir scheint als hätte ich meine Bewertung etwas zu vorschnell abgegeben. Ich möchte dir auf diesem Wege mitteilen, dass du dir von mir zwei Punkte mehr denken darfst und ich in Zukunft etwas länger über meine Bewertungen nachdenken werde.

Liebe Grüße,
libri
 

Walther

Mitglied
@ DC

Zuerst einmal für alle zum Thema "Kiefer": http://de.wikipedia.org/wiki/Bergkiefer http://de.wikipedia.org/wiki/Bergkiefer. Wie dort zu entnehmen, reicht ihr Vorkommen bis 2700 m. Da ist der Hügel dann schon ein richtiger Berg, und Schlünde wie den beschriebenen gibt es auch auf der Schwäbischen Alb bei 800 m üNN.

@ Kohlibri

Kein Thema, Bewertungen sind schön, gute besonders, aber der Eindruck zählt und wenn der zuerst ist wie eingestellt, dann ist das in Ordnung so. Danke für Deine Zeit und Deine Unterstützung.

Gruß W.
 



 
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