Hallo Kohlibri!
Nochmals besten Dank für Deinen langen Kommentar.
Meine Antwort möchte ich sozusagen "von hinten aufzäumen", also mit S4 anfangen. Der Vortrag des Gedichts würde in der Tat, wie von Dir vorgeschlagen, wohl am besten erfolgen. Da diese Pausen eher rhetorischer Art sind, habe ich sie im Text nicht eingetragen. Es ist Geschmacksache, ob man das tun sollte, es gibt für beide Positionen gute Argumente.
Zum Bild: Wenn ein Bergsteiger abstürzt, bleibt zurück, was er nicht mitnehmen kann. Hier ist das Wandertasche, die man über die Schulter trägt, meine ist sehr abgewetzt, und die zerbeulte und verkratzte Trinkflasche. Sie braucht der Wanderer nicht auf seinem letzten Weg. Die Dopplung hier ist bewußt gesetzt, weil sie das Bild aus S2 aufnimmt und quasi behutsam ablegt. Viel bleibt von uns in der Tat nicht übrig, wenn wir den letzten Schritt gehen.
In S3 schafft das "scheint es" den Raum für Zweifel, die bei absoluten Aussagen immer angebracht sind. Wir leben in einer zutiefst skeptischen Zeit, ich glaube, kaum eine vor unserer Gegenwart war je so skeptisch, hoffnungslos und ohne richtigen Glauben an irgendetwas jenseits des Greif- und Faßbaren. Diesen Zweifel habe ich in S2Z4 mit dem Wort "beinah" bereits eingebaut, er nagt und führt schlüssig am Ende auch ins endlose Nichts, ohne daß die finalen Fragen des Lebens beantwortet wären.
S2, ja, an dieser Strophe reiben sich viele der Kommentare. Ich gehöre zu denen, die der vielleicht irrigen Ansicht sind, daß man aus der Natur viel über uns Menschen selbst lernen kann, mehr, als für uns gut ist, und mehr, als wir zulassen wollen. Daher erzählt diese Strophe viel über ein Menschenleben, mehr als mancher Roman, weil sie im Bild Erkenntnis bis ins Stärkste verdichtet.
Die 1. Strophe: Sie ist der Einstieg, der zum Thema hinführt. Das LyrIch ist am Scheideweg, hier ein Point of No Return, eine Einbahnstraße. Hinten der Abstieg, vorne der Absturz. Es gibt einen Punkt, bei dem eine Umkehr einfach nicht mehr geht. Das, was folgt ist erst das Dunkel, danach ist der Bildschirm schwarz, weil es nichts mehr zu sehen gibt, weil kein Auge mehr da ist, was sehen könnte. Das All ist "schwarz", weil da kein Licht mehr ist, auch keines der Hoffnung. Wie ich oben bereits sagte: Wir wissen, oder glauben, es zu wissen, daß nachher nichts mehr kommt. Das Versprechen des Garten Eden ist nicht auf die Zukunft zu vertagen.
Der Reim "Harz" ist nicht nur dem Adjektiv "schwarz" am Ende von S1Z2 geschuldet. Das wäre zu einfach. Vielmehr zeigt das Bild, daß hier bereits andere an der Kiefer vorbeikamen und sich dort ein Möglichkeit, den Schlund zu überwinden, gesucht hatten. Seile und andere Werkzeuge hinterlassen Einschnitte, ebenso sickert aus Bruchwunden abgebrochener Äste Harz aus. Die Naturbetrachtung selbst ist mehr als Reflexion, sie schafft auch den Bilderraum, um Kompliziertes so auf das Wesentliche (man beachte die Semantik dieses Worts) zu reduzieren, daß es auch der "Letzte" versteht.
Ich hoffe, meine Motivation für diese Form des Texts und der Bildersprache klargelegt zu haben. Lieben Dank nochmals und eine gute Zeit!
Gruß W.