Dein Pferd, Freund oder Feind 4

Fredy Daxboeck

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3. Versuche nichts zu erzwingen.
Jedes Ausbildungsziel das du erzwingen willst, verunsichert dein Pferd in dem Maß, in dem du Gewalt an-wendest. Weil es entweder psychisch oder physisch noch nicht reif ist, oder weil es Furcht hat, oder weil es in der Ausbildung noch nicht so weit ist wie du gern hättest, oder weil es vielleicht einfach nicht in der Stimmung dazu ist, will oder wird dein Pferd deinen Anweisungen nicht sofort Folge leisten. Es verweigert.
Du denkst jetzt, du musst dich durchsetzen; nach dem Motto: Jetzt oder nie! Vergiss es!
Damit gibst du dem Verweigern deines Pferdes einen Namen und eine Bedeutung. Ab nun kommt es zum Kräftemessen, das du naturgemäß nur verlieren kannst.
Denk bloß nicht, mit der nötigen Gewalt bekommst du von deinem Pferd, was immer du willst. Es kann sein, dass es deinen Anweisungen für dieses eine Mal Folge leistet, aber das nächste Mal gibt es wieder troubles; und so erwächst daraus ein steter Kampf. Den du mit Sicherheit nicht wirklich willst.


4. Sprich mit deinem Pferd
dein Pferd spricht schließlich auch mit dir, du hörst wahrscheinlich bloß nicht richtig hin. Es kommuniziert natürlich nur sehr selten mit Lauten, sondern vielmehr über die Körpersprache. Es signalisiert dir seine Stimmung, es teilt dir seine Wünsche wie Beschwerden, aber auch seine Furcht und seine Freude mit. Du musst nur hinhören, mit all deinen Sinnen.
Ich möchte hier aber nicht auf die Kommunikationselemente deines Pferdes eingehen, sondern auf deine. Wir Menschen haben zwar nicht verlernt mit dem Körper zu sprechen, aber wir haben das Verständnis dafür in unser Unterbewusstsein zurückgedrängt. In gewisser Weise reagieren wir natürlich instinktiv auf die Kör-persprache eines anderen Lebewesen. Wir verstehen was es ausdrücken will, und reagieren auch darauf. Mit Unwillen, Ärger, Ablehnung, Freude, Zustimmung, Sympathie, oder wie auch immer. Aber unser Kopf, auf Logik, Erziehung und vorprogrammierte Werte getrimmt, weist uns meist sehr schnell in die Schranken, zeigt uns einen vorgegebenen Weg und zwingt uns, diesen auch zu gehen. Wir reagieren mit dem Kopf anders als mit dem Bauch. Der erste instinktive Eindruck, das erste Gefühl im Bauch geboren, wird ver-drängt und durch einen scheinbar vernünftigen Gedanken ersetzt, oder hinweggewischt.
Hier möchte ich einhaken. Pferde sind sehr sensibel. Sie achten sehr genau, wie wir uns verhalten, wie wir uns bewegen, wie unsere Stimmung ist. Was wir aussagen.
Nutze diese Art der Kommunikation zwischen deinem Pferd und dir für die tägliche Arbeit mit ihm. Bring´ die Stimmung rüber die du auch wirklich vermitteln willst, achte darauf was dein Pferd dir sagen will und geh auch darauf ein.
Noch ein Wort zum gesprochenen Wort. Für das Pferd ist die Stimme eines Menschen etwas sehr Faszinie-rendes. Schon sehr bald lernt es feinste Nuancen zu unterscheiden. Wir können es mit unserer Stimme be-ruhigen oder aufputschen, loben oder zurechtweisen. Genauso gut kann aber die Stimme auch nervtötend oder unterhaltsam sein.
Wer mit seinem Pferd immer nur redet und redet und redet, kann nicht erwarten, dass es auf ihn auch noch hört. Wer mit seinem Pferd nie spricht, kann nicht erwarten, dass es überhaupt auf ihn hört.

5. Fordere, aber überfordere es nicht
Dies ist ein sehr heikler und persönlicher Punkt. Es gilt die Grenze zwischen Freude an der Arbeit und dem Punkt, an dem Arbeit lästig wird, zu finden.
Verlange von deinem Pferd immer nur so viel zu geben, wie es auch bereit ist, gerne zu geben. Du kannst mit ihm zehn Minuten arbeiten. Du kannst aber auch den ganzen Tag mit ihm arbeiten. Ich spreche hier nicht davon, bis ihm die Luft ausgeht, sondern bis ihm die Lust vergeht. Du musst ein Gefühl dafür entwik-keln, ob ihm die Arbeit Spaß macht oder nicht. Fordere etwas von deinem Pferd, und du wirst merken, es freut sich bald darauf, mit dir zu arbeiten. Überfordere dein Pferd, und du wirst merken, es wird bald sehr bald sauer und widersetzlich.

6. Versuche dein Pferd zu verstehen
Ich habe das schon im vorigen Kapitel angesprochen. Bei der ganzen Arbeit mit Pferden, sei es in der Aus-bildung, in der Korrektur, in der Haltung oder in der Handhabung, dürfen wir nie vergessen, dass Pferde zwar vom Menschen vor ca. 5000 Jahren domestiziert wurden, dass sie aber trotz allem (den Göttern sei Dank) noch immer sehr stark ausgeprägte Instinkte, Vorlieben und Launen haben. Sie sind ein Haufen Indi-vidualisten, die normalerweise gerne nach ihren eigenen Vorstellungen reagieren. Man kann und darf sie nicht in eine zu enge Schablone pressen. Bloß um sich dann später zu ärgern, dass sie da nicht hineinpas-sen. Du musst das akzeptieren. Du kannst schließlich ein Pferd nicht dazu zwingen, Spaß an der Arbeit mit dir zu haben.
Um Erfolg zu haben, musst du die Sache auch aus ihrem Blickwinkel betrachten. Für dich ist hier in erster Linie interessant :
Der Herdentrieb und der Fluchtinstinkt!
Sie sind nämlich die Schlüsselworte für ein besseres Verständnis mit unseren Pferden.
Der Herdentrieb: Das Pferd, das das Glück hatte in einer Herde aufzuwachsen, hat dort gelernt, soziale Kontakte zu knüpfen, sich unterzuordnen und sich zu behaupten. Das Pferd, das dieses Glück nie hatte, muss erst lernen sich zu behaupten und unterzuordnen. Es muss erst lernen Selbstvertrauen und Sicherheit zu gewinnen.
Der Fluchtinstinkt: Es ist nicht nur ein Instinkt der dem Pferd befiehlt vor seinen Feinden davonzulaufen, sondern es ist vielmehr ein Instinkt, der es dem Pferd erst ermöglichte zu überleben. Genau genommen kannst du drei Gruppen von Pferden unterscheiden. Die Draufgänger. Die Berechnenden, und die Feigen.
Die Draufgänger sind meist Einzelgänger, die gelernt haben, sich der Gefahr zu stellen. Sie kämpfen lieber, bevor sie laufen. Sie sind absolut nervenstark, durch beinahe nichts zu erschüttern, aber dadurch auch schwierig im Handling. Sie haben ihren eigenen Kopf und verstehen es auch, diesen durchzusetzen.
Die Berechnenden überlegen zweimal, ehe sie laufen. Sie sind sehr nervenstark, aber nur weil sie gelernt haben, erst mal abzuwarten. Flüchten kann man immer noch. Sie übernehmen beim schwachen Reiter die Führungsrolle, ordnen sich aber beim starken unter. Sie sind die angenehmsten im Handling, weil ruhig, selbstbewusst und vertrauenswürdig.
Die Feigen sind ständig auf der Flucht. Ausgerüstet mit einem superdünnen Nervenkostüm sind sie nahezu unberechenbar. Du kannst nie wissen, was, wer oder warum sie erschrecken. Sie brauchen einen charakter-lich sehr starken und dabei absolut ruhigen Reiter, dem sie blind vertrauen können. Für alle anderen werden sie zur leicht zur Gefahr.

©copyright by fredy daxboeck
 



 
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