Fredy Daxboeck
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Wer Pferde wirklich verstehen will, muss lernen, die Welt aus ihrer Perspektive zu betrachten !
Ein strahlend schöner Frühlingstag Mitte Mai. Bei der Frühstückslektüre am Morgen war mir beim Überfliegen der Kleinanzeigen ein kurzer Eintrag unter dem Begriff 'Pferdesport' aufgefal-len:
'Verkaufe schweren Herzens Warmblutstute, etwas schwierig im Handling, aber brav beim Rei-ten.' Telefonnummer lag bei. Preis nach Vereinbarung.
Geistesabwesend legte ich die Zeitung weg. Wir hatten im Moment Platz im Stall. Meine Zeit ließ sich einteilen. Über die Probleme, die der Besitzer des Pferdes mit seinem Liebling hatte, machte ich mir keine Sorgen. Seine wahren Probleme würde mir das Pferd selbst erzählen.
Ohne mir darüber selbst im Klaren zu sein, eilten meine Gedanken bereits weit voraus, wäh-rend ich zum Fenster in den jungen Morgen hinausblickte. Zwei Amseln hüpften geschäftig in der Wiese des Gartens umher auf der Suche nach Käfer und Larven. Ein schmaler Streifen aus gleißendem Sonnenlicht zauberte eine Bahn von tanzendem Goldstaub zwei Handbreit über dem Boden meiner Küche. Die sanften Geräusche des neuen Tages, der heiß zu werden versprach, Vogelzwitschern, das Brummen eines Autos, Hundegebell; sickerten an mir vorbei. Einer Einge-bung folgend griff ich zum Handy.
"Guten Tag, sie kommen sicher wegen der Stute, nicht wahr? Sie steht dort hinten. Zwei Mäd-chen sind auch im Moment hier, um sie anzusehen." wurde ich schon beim Aussteigen aus dem Wagen von einer jungen, hochaufgeschossenen Reiterin, die mir mit ihrer Reitgerte die Richtung wies, begrüßt. Sie überquerte den Platz, ohne sich weiter um mich zu kümmern.
"Danke!" rief ich ihr hinterher, war aber nicht überzeugt, dass sie mich noch hörte; bis sie mit der rechten Achsel zuckte und die Gerte ein wenig hob. In einer lässig leichten Bewegung, bei der ich unwillkürlich lächeln musste. Sie hatte mir mit dieser Geste unbewusst mehr über sich selbst verraten, als sie ihren Freunden je anvertrauen würde.
"Steh! Verd..., wirst du wohl jetzt stehen bleiben! Vorsicht! Scheint, als wäre sie heute wieder einmal unausstehlich." Im kräftigen Befehlston, die rechte Hand erhoben, die linke umklam-merte fest die Zügel, versuchte ein älterer, verschwitzt aussehender Herr eine sichtlich nervöse Stute zu beruhigen, die zwischen einer kleinen Schar junger Mädchen herumtänzelte.
Neugierig trat ich ein paar Schritte näher heran, ohne allerdings so nahe zu kommen, daß ich die Aufmerksamkeit der Gruppe auf mich lenkte.
Um die Probleme eines Pferdes zu verstehen, beobachte ich sie am liebsten in seiner natürli-chen Umgebung, in ihrem Zuhause. Wenn die Stute erst einmal bei uns im Stall war, würde sie mir bei der täglichen Arbeit im Laufe der Zeit ihren Kummer, ihre Ängste und ihren Ärger er-zählen. Aber jetzt und hier, wo sie allem was sie wirklich störte, unmittelbar ausgesetzt war, konnte ich in kurzer Zeit mehr über sie erfahren, als zu Hause in langen Wochen.
Zwei der Mädchen steckten leise flüsternd die Köpfe zusammen, vermutlich die Interessenten. Während die kleinere der beiden beinahe hektisch auf ihre Freundin einsprach, zuckte diese nur hilflos mit den Schultern. Mit kurzen, bestimmten Handbewegungen unterstrich das Mädchen ihre Worte; offenbar ohne Erfolg. Immer wieder blickte ihre Freundin auf, sah unsicher auf die Stute, auf ein drittes Mädchen, das schützend einen Sattel vor sich hielt, und wieder auf ihre Freundin.
"Steh endlich still du Miststück!" Wütend schlug der Mann mit der flachen Hand auf die Schulter des Pferdes, was dieses sofort mit einem ärgerlichen Tritt nach hinten quittierte.
Diese Stute war nicht nur nervös, sie war auch zornig. Sehr zornig.
Der Nachmittag würde noch einiges Interessantes an den Tag bringen.
Unschlüssig, teils ärgerliche, teils mitleidige Blicke in Richtung des Pferdes und deren Besitzerin werfend, standen noch zwei Mädchen etwas abseits, wobei ich mir nicht ganz sicher war, wem die ärgerlichen und wem die mitleidigen Blicke galten.
"Wenn sie erst einmal gesattelt ist, wird sie brav wie ein Lämmchen." versuchte der Mann die beiden Mädchen, die immer weniger Kaufinteresse zeigten, die Reiterin, die nach wie vor ihren Sattel umklammerte, und wohl auch ein wenig auch sich selbst, von den Qualitäten der Stute zu überzeugen. Seine linke Hand hielt dabei eisern die Zügel fest, während er mit der rechten auf die empfindlichen Wangenknochen des Pferdes klopfte. Was dieses zwar verzweifelt durch Zu-rückziehen des Kopfes zu verhindern suchte, ihr aber nicht gelang. Der Schmerz im Maul, verur-sacht durch den Druck der Zügel, war offenbar stärker als die unangenehm - derbe Berührung durch die Hand des Mannes.
Fünfzehn Minuten, viele böse Worte und einige derbe Schläge die das Pferd noch abbekam später, war es endlich gesattelt und bereit zur Vorführung. Aber jetzt hatten die beiden Mäd-chen bereits die Nase voll und verabschiedeten sich, nervös und unbehaglich bedauernd aber sichtlich erleichtert und ziemlich eilig.
Ich habe mir diese Stute angesehen; ein gesundes, charaktervolles Pferd in den besten Jahren, das einfach ein wenig Zutrauen, viel Verständnis und eine sichere Hand brauchte.
Keine starke und keine schlagende Hand, sondern eine Hand, die mit sich selbst und mit dem Kamerad Pferd im Reinen war.
Die Stute war bis zum Herbst in unserem Stall. Das Mädchen, eine zarte, damals vierzehnjähri-ge Teenie, das sie später gekauft hat, kommt noch immer, wenn sie gelegentlich bei mir vorbei-schaut, ins Schwärmen über ihr Pferd. Zwei Freunde fürs Leben, die sich gefunden hatten.
Lerne dein Pferd zu verstehen, und es wird dir mit Liebe und Respekt danken,
Vom lange ersehnten Traum vom eigenen Pferd, bis zur Verwirklichung sind es manchmal nur ein paar Schritte - oft genug in die falsche Richtung. Von der Faszination für dieses überaus sensible und liebenswerte Tier bis zum gegenseitigen Verstehen sind es aber meist endlose Meilen, die selten genug zueinander führen.
Warum dein Pferd vom Freund zum Feind wird, dazu bedarf es nur ein paar kleiner Unstimmig-keiten - manchmal mehr, zumeist aber weniger.
Die häufigsten Probleme, die der Reiter mit seinem Pferd hat, basieren auf Verständigungspro-blemen. Die Kommunikation stimmt nicht. Genaugenommen haben nicht wir Menschen mit den Pferden Schwierigkeiten, sondern die Pferde mit uns.
Bei der Pferd - Mensch Beziehung kollidieren zwei grundverschiedene Interessengebiete aufein-ander. Denn das Pferd ist ein Fluchttier, dessen einzige wirkliche Verteidigung und oberstes Prinzip bei Gefahr die Flucht ist. Ein Weidetier, das täglich lange Strecken zurücklegt und ein Herdentier, das Gesellschaft zum Leben und Überleben braucht; und trotzdem wir es vor rund fünftausend Jahren gezähmt und domestiziert haben, trotzdem wir es seitdem in die verschie-densten Richtungen gezüchtet haben, hat es seine Natürlichkeit, seine Instinkte, seine Ängste nicht wirklich verloren.
Der Mensch hingegen ist ein Raubtier; hochgezüchtet, arrogant, abgestumpft gegenüber seiner Umwelt, aber trotz allem ein Raubtier.
Der Mensch will als Raubtier die Situation beherrschen, will alles im Griff haben, die Kontrolle und den Zügel in der Hand halten. Nur dann ist für ihn die Welt in Ordnung.
Gleichzeitig will er aber auch seinen Spieltrieb befriedigen, und seinen Jagdtrieb; das Gefühl sich ein anderes Wesen untertan zu machen; und sei es nur um unseren Spaß und unsere Frei-zeit freundschaftlich mit ihm zu teilen.
Wenn wir diese zwei Aspekte ein klein wenig näher beleuchten, kommen wir auf zwei verschie-dene Gesichtspunkte, mit denen wir leben müssen.
Punkt eins: Das Pferd und seine Eigentümlichkeiten !
Hier müssen wir erst einmal das wildlebende Pferd etwas genauer beobachten, um wenigstens seine mindesten Wünsche und Bedürfnisse zu kennen.
Das Pferd wächst im Herdenverband auf. Es hat Spielkameraden, mit denen es herumtollen kann, es wird von seiner Mutter beschützt und es hat Onkel und Tanten, die auf ihn aufpassen, die ihn aber auch wenn nötig zurechtweisen. Ansonsten hat es im großen und ganzen so
ziemlich alle Freiheiten, die sich ein kleines Kerlchen nur wünschen kann. Es hat Sonne, frische Luft und den ganzen Tag Bewegung.
Andererseits muss es sein Futter selbst suchen. Es verbringt gut zwölf Stunden mit Nahrungs-aufnahme.
Wenn es aus dem Fohlenalter heraus ist, muss es seinen Rang in der Herde bestimmen und wenn nötig verteidigen. Und das wird es später kompromisslos, auch durch den Einsatz von Körperkraft, denn Kompromissbereitschaft, wie wir sie kennen, gibt es beim Pferd nicht.
Das ist wichtig, denn da geht es um die besseren Futterplätze, um die Reihenfolge an der Tränke und um das Sexualverhalten.
Also um die angenehmen Dinge des Pferdelebens.
Die Rangordnung, mit der wir uns im Laufe dieser Lektüre immer wieder auseinandersetzen werden; sie ist für den Fluchtinstinkt und damit für alle unsere sogenannten Probleme verant-wortlich, wird im Herdenverband bestimmt und ist beinahe unveränderlich. Veränderungen
sind nur durch heranwachsende Jungtiere, die sich ihren Rang erst erkämpfen müssen, gege-ben. Trächtige Stuten steigen unwidersprochen auf, ältere Pferde werden abgedrängt; die Leitstute erkämpft sich ihren Platz nicht, sie wird dazu bestimmt. Den Leithengst, wie wir ihn aus unzähligen Büchern und Filmen kennen, gibt es nicht.
Wann die Herde, wohin und wie schnell zieht, bestimmt allein die Leitstute. Der Hengst, der die Herde begleitet, steht meist etwas abseits. Er darf sich der Herde nur dann nähern, wenn die Stuten rossig, also aufnahmebereit, werden.
Geschlechtsreife Junghengste folgen der Herde in sicherem Abstand, um gelegentlich den Hengst herauszufordern, oder ihm Stuten abzuwerben.
Warum aber folgen alle Tiere einer Herde ihrer Leitstute, dem sogenannten Alpha-Tier?
Was prädestiniert dieses Pferd, die Befehlsgewalt über die Herde zu übernehmen?
Es ist weder Kraft noch Größe oder Schnelligkeit, sondern die Erfahrung und sicheres Auftreten, das Charisma.
Es ist der Instinkt, im entscheidenden Augenblick das Richtige zu tun.
Das Herdentier will in der Regel nur zweiter in der Gemeinschaft werden. Es genießt damit sei-nen hohen Status über die anderen, sowie den Schutz des Anführers, aber es ist nicht bereit, dessen Pflichten zu übernehmen. Zum Chef wird es nur dann, wenn die Alpha-Stute ausfällt und es in die Führungsrolle gedrängt wird.
Beim gemächlichen Schlendern und Weiden treten Freund - Feind Beziehungen, Vorlieben und Abneigungen am ehesten zutage. Denn bei Bedrohung und Gefahr sind sich alle einig. Dann geht die Post ab.
Wann Bedrohung und Gefahr droht, bestimmt aber nicht irgendein Mitglied der Herde, sondern nur die Leitstute. Flüchtet die Herde zu früh oder unnötig, ist das vergeudete Kraft. Flüchtet die Herde zu spät, bedeutet das den sicheren Tod für zumindest ein Herdenmitglied.
Deshalb liegt die volle Verantwortung beim Alpha-Tier.
Punkt zwei: Der Reiter und seine Vorstellungen !
Du mußt dein Pferd irgendwo einstellen. Zu Hause klappt das nur in den seltensten Fällen. Also kommt es in den nächst gelegenen Reitstall. Natürlich mit Boxenhaltung. Zweimal Fütterung pro Tag, und einmal ausmisten. Vielleicht sogar im Sommer gelegentlich auf die Weide?
Es soll bei Bedarf zur Verfügung stehen. Das heißt du willst es putzen, satteln und reiten. So drei - viermal die Woche. Eine Stunde wenigstens. Zumindest nimmst du dir das anfangs vor. Und gelegentlich natürlich ins Gelände. In die Freiheit hinaus. Durch die Natur zu reiten, nur du und dein Pferd; mit dem Wind galoppieren, in der Sonne spazieren, den Alltag hinter dir lassen. Ausspannen und ein wenig Zeit für dich selbst finden; mit deinem Kamerad Pferd.
Natürlich möchtest du, daß dein Pferd dein Freund ist, es soll dir vertrauen und dich mögen; gleichzeitig aber es soll es dich auch akzeptieren und respektieren. Ja, du erwartest von deinem Pferd, daß es macht, was du von ihm verlangst. Wieso auch nicht, es gehört schließlich dir. Es ist sozusagen dein Spielzeug.
Du verbringst immerhin deine kostbare Freizeit mit ihm.
Es hat zu gehorchen. Es hat zu wissen was du von ihm willst, von ihm erwartest. Es hat ganz einfach zu funktionieren.
Und wenn nicht! Ärgerlich, aber du weißt dir sicherlich zu helfen.
Das werden wir ihm schon irgendwie abgewöhnen! Wozu gibt es schließlich Reitgerte und Spo-ren? Klappt noch immer nicht wirklich? Ein schärferes Gebiß muß her?
In der modernen Pferdehaltung ist das alles so einfach. Das Futter wird bereitgestellt, natürlich im ausgewogenen Verhältnis, Wasser ist ständig vorhanden, für Bewegung wird gesorgt, und sogar das Sexualleben wird geregelt.
Also braucht es nur mehr zu machen was, und vor allem wie wir das wollen.
Daß das Pferd ein Eigenleben hat, daß es Stimmungen und Launen unterworfen ist, daß es sei-ne eigenen Ängste und Sorgen hat, das bedenken nur die allerwenigsten Reiter.
Man soll bloß ein Tier nicht vermenschlichen. Und das Pferd ist nur ein Tier!
Oder etwa nicht?
Der am häufigsten zu beobachtende Fehler, den ich bei Menschen im Umgang mit Pferden fest-stelle, ist die Tatsache, daß sie versuchen, mittels eigener Körperkraft, sei es über Zügel, Ge-bisse, mittels Gerten oder Sporen etc., ein Pferd zu dirigieren, kontrollieren oder ihm die er-wünschten Verhaltensweisen beizubringen.
Schlichtweg absoluter Unsinn.
Das zweite Problem, das ich in dieser Hinsicht immer wieder beobachten kann, ist, daß Reiter ihren Alltagsfrust mit zum Pferd nehmen, oder für ihre Fehler das Pferd verantwortlich machen. Du machst einen Fehler beim Reiten, beim Umgang, das Pferd gehorcht, wie auch immer; und du bestrafst es dafür.
Ein reines Kommunikationsproblem, aber für die Pferd - Reiter Beziehung
eigentlich unverzeihlich.
Wie aber können wir die Instinkte, über die unsere Pferde verfügen, für uns nützen?
Wie können wir die Kommunikation mit unseren Pferden auf einen Level bringen, auf dem wir beide uns verstehen?
Du musst lernen zuzuhören, und zwar nicht nur mit den Oh-ren, sondern mit deinem Körper.
Du musst die natürlichen Verhaltensweisen des Pferdes berücksichtigen, um sie beim Umgang mit ihnen anzuwenden. Das heißt aber auch, du mußt dich mit einigen Eigenheiten von ihnen auseinandersetzen. Du mußt sie kennen, und gegebenenfalls akzeptieren; ihre individuellen Charaktereigenschaften in deinen Umgang mit ihnen, und eventuell in die Ausbildung mit einbe-ziehen.
Das Pferd ist ein Fluchttier und ein Herdentier. Um aber in der Herde jederzeit flüchten zu kön-nen, muß es sich eine gewisse Distanz zum Nachbarn bewahren. Es braucht Platz zum Wenden und zum Wegstarten. Deswegen hat jedes Pferd einen Individualbereich. Diesen Bereich, die Privatsphäre, darf - unaufgefordert - nur ein ranghöheres Tier betreten.
Um seine Stimmungen und Launen auszudrücken, hat das Pferd eine ausgeprägte Körperspra-che entwickelt, in der das Zusammenspiel von Ohren, Maul, Schweif und Hals auch auf weite Entfernung und sogar in der Dämmerung und in der Nacht ein unzweideutiges Signal für die Stimmung der Herdenmitglieder bildet.
Achte also auf die Ohrenstellung, die Halswölbung, das Tragen des Schweifes, die Stellung der Nüstern und Lippen. Achte auf die Mimik deines Pferdes, wie trägt es seinen Kopf?
Angelegte Ohren etwa bedeuten Ärger. "Komm mir bloß nicht zu nahe. Mit mir ist nicht zu spa-ßen." Ein eventuell entblößtes Gebiß ist eine absolute Drohung. Und auch als solche zu verste-hen.
Gelassene Zufriedenheit hingegen drücken Pferde mit seitwärts abgewinkelten Ohren aus, die ins Ungewisse gerichtet sind. Der Schweif hängt bewegungslos herab. Noch entspannter wirkt der Körper beim Dösen, wenn die Augen halb geschlossen sind und die Unterlippe herabsinkt.
Ähnlich die Demutsgeste, die Unterwerfung. Nur sind jetzt die Lippen geschlossen, die Nüstern klein, die Ohren stehen noch schräger, der Hals ist gerade, fast waagrecht.
Steil aufgestellte Ohren signalisieren Aufmerksamkeit, bis zur Erregung. Eventuell hoch geho-bener Hals, die Nüstern gebläht, der Kopf waagrecht, der Schweif schlägt hektisch hin und her. Der Körper vibriert förmlich. Das Pferd ist bereit, jeden Augenblick in jede Richtung davon zu stürmen.
Geblähte Nüstern und geöffnete, nach oben gestülpte Lippen nennt man 'Flehmen'. Unter der Oberlippe hat das Pferd zwei kleine Nasenlöcher mit denen es feinste Duftstoffe aufnehmen kann.
Mit stolz erhobenen Kopf und gebogene Hals versucht es zu imponieren. Die geblähten Nüstern verraten Erregung.
Behagen und Sicherheit verrät das wälzende Pferd. Das Wälzen ist eine Art Körperpflege.
Zum Kennenlernen beschnuppern sich die Pferde Nase an Nase. Sie blasen sich gegenseitig in die Nüstern und beriechen sich an den Ellenbogen. Um im Gegenzug sofort die Rangordnung klarzustellen.
Dies sind natürlich nur einige kleine Auszüge, grob umrissen, aus dem umfangreichen und reichhaltigen Repertoire der Körpersprache, mit denen Pferde sich untereinander und auch uns gegenüber verständigen.
Du darfst dich aber für den Anfang nicht an jedes kleine Detail klammern. Pferde sind wie alle Lebewesen, individuelle Charakter. Es gibt unter ihnen Ängstliche, wie Angeber, Stoiker wie Nervenbündel, gewitzte wie sture, Aufbrausende und Nachdenkliche.
Beobachte dein Pferd im Herdenverband auf der Weide oder im Auslauf. Dort wird es dir am ehesten über sich selbst erzählen.
Zum Abschluss dieses Kapitels noch ein Wort zum 'Loslassen'. Ein Ausdruck, den jeder Reitleh-rer in dem Maße liebt, wie ihn Reitschüler hassen.
Wer hört auch schon gerne: "Du mußt dich loslassen, sitz locker im Sattel, nicht verkrampfen" während Pferd und Fliehkraft dich in mindestens zwei verschiedene Richtungen tragen wollen, und die Schwerkraft dein schlimmster Feind zu sein scheint.
Losgelassenheit, das Zauberwort des Reitens. Du spürst sie erst wirklich, wenn du nicht mehr darüber nachdenken mußt.
Losgelassenheit ist aber nicht nur das Zauberwort des Reitens, sondern auch das Codewort im Umgang mit deinem Pferd.
Du musst versuchen dich selbst unter Kontrolle zu haben, bevor du versuchst dein Pferd unter Kontrolle zu bekom-men.
Losgelassenheit ist eines der wichtigsten Instrumente, in der Handhabung mit deinem Pferd. Denn du kommunizierst mit deinem Pferd in erster Linie über die Körpersprache und danach erst mit deiner Stimme, obwohl die Stimme eines unserer besten Argumente ist, ein Pferd zu über-zeugen.
Mit anderen Worten - don´t worry, be cool
Denn nur wenn dein Kopf frei ist von anderen Problemen, von Ärger und Ängsten, kannst du dich unbeschwert deinem Pferd nähern. Wenn du unter Zeitdruck stehst, oder mental nicht wirklich gut drauf bist, warum auch immer, laß es sein. Ich meine natürlich nicht, daß du dein Pferd in dieser Stimmung nicht sehen sollst. Oh nein, sondern bloß, daß du deine schlechte Laune nicht zu deinem Pferd bringen sollst. Schau bei ihm vorbei, begrüße es, sprich ein paar Worte mit ihm; und lade deinen Frust beim Stall ausmisten ab, oder putze erst deine Ausrü-stung. Du wirst sehen, wie gut sich das auf eure Freundschaft auswirkt.
Oh, du bist cool! Und du bist gut drauf! Na dann laß uns doch zu deinem Pferd gehen.
Noch ein Wort, bevor es ernst wird: Spuck deinen Kaugummi aus, steck die Zuckerstückchen weg und laß die Karotten bei deinen anderen Sachen, die du nicht zu deinem Pferd mitnimmst.
Kaugummi kauen beruhigt vielleicht dich, mag sein er schmeckt auch gut, aber für dein Pferd bist du ein Fohlen, das darum bittet, sich nähern zu dürfen.
Fohlen nähern sich anderen Pferden, besonders solche, die im Rang höher stehen als die Mut-terstute, heftig kauend. Eine Geste, die besagen soll: Ich bin klein, dumm und unschuldig. Ich mache keinen Ärger, ich bin bloß neugierig.
Sobald sie etwas älter sind und vorwitzig versuchen ältere Pferde zum Spielen herauszufordern, oder gar um ihre Rangordnung kämpfen, lassen sie auch das Kauen.
Mit dem Kaugummi im Mund bist du also nur ein geduldetes Wesen.
Zucker ist ein hochprozentiges Kraftfutter, das ein Pferd bereits in den geringsten Mengen zum Ausrasten bringen kann. Du gibst ihm zur Begrüßung eine Handvoll geballter Energie, bindest es an und erwartest dann, daß es zum Putzen und Satteln stillsteht?
Okay, wäre nur noch die Karotte als kleiner Leckerbissen, damit es sich freut, wenn du kommst. Eine nette Geste, aber nicht mehr. Viel besser wäre doch eine herzliche Begrüßung. Klopf ihm den Hals, kneif ihm in die Mähne, blase ihm sanft in die Nüstern; Begrüßung auf Pfer-deart. Und es wird sich freuen wenn du kommst. Sonst freut es sich nur über die Karotte, die da kommt, nicht aber über dich.
Gibt es sonst noch etwas zu sagen für den Augenblick?
Ja eine Menge, und zwar zu deinem Pferd. Sprich mit ihm. Nichts ist so faszinierend für ein Pferd, wie die menschliche Stimme.
Das heißt natürlich nicht, daß du es in einer Tour bequatschen sollst, sondern erzähl ihm, wie dein Tag war, sag ihm, was dich bedrückt und was du toll findest. Sag deinem Pferd, daß du es toll findest. Nicht etwa, daß es deine Worte versteht, aber du bringst damit wieder über die Körpersprache jede Menge Positives rüber. Außerdem hast du damit seine Aufmerksamkeit.
Die möchtest du doch, nicht wahr?
mehr, aber noch längst nicht alles gibts unter http://www.crosswinds.net/~mahatma/index.html
die site wird weiter aktualisiert sobald ich wieder zeit hab
Ein strahlend schöner Frühlingstag Mitte Mai. Bei der Frühstückslektüre am Morgen war mir beim Überfliegen der Kleinanzeigen ein kurzer Eintrag unter dem Begriff 'Pferdesport' aufgefal-len:
'Verkaufe schweren Herzens Warmblutstute, etwas schwierig im Handling, aber brav beim Rei-ten.' Telefonnummer lag bei. Preis nach Vereinbarung.
Geistesabwesend legte ich die Zeitung weg. Wir hatten im Moment Platz im Stall. Meine Zeit ließ sich einteilen. Über die Probleme, die der Besitzer des Pferdes mit seinem Liebling hatte, machte ich mir keine Sorgen. Seine wahren Probleme würde mir das Pferd selbst erzählen.
Ohne mir darüber selbst im Klaren zu sein, eilten meine Gedanken bereits weit voraus, wäh-rend ich zum Fenster in den jungen Morgen hinausblickte. Zwei Amseln hüpften geschäftig in der Wiese des Gartens umher auf der Suche nach Käfer und Larven. Ein schmaler Streifen aus gleißendem Sonnenlicht zauberte eine Bahn von tanzendem Goldstaub zwei Handbreit über dem Boden meiner Küche. Die sanften Geräusche des neuen Tages, der heiß zu werden versprach, Vogelzwitschern, das Brummen eines Autos, Hundegebell; sickerten an mir vorbei. Einer Einge-bung folgend griff ich zum Handy.
"Guten Tag, sie kommen sicher wegen der Stute, nicht wahr? Sie steht dort hinten. Zwei Mäd-chen sind auch im Moment hier, um sie anzusehen." wurde ich schon beim Aussteigen aus dem Wagen von einer jungen, hochaufgeschossenen Reiterin, die mir mit ihrer Reitgerte die Richtung wies, begrüßt. Sie überquerte den Platz, ohne sich weiter um mich zu kümmern.
"Danke!" rief ich ihr hinterher, war aber nicht überzeugt, dass sie mich noch hörte; bis sie mit der rechten Achsel zuckte und die Gerte ein wenig hob. In einer lässig leichten Bewegung, bei der ich unwillkürlich lächeln musste. Sie hatte mir mit dieser Geste unbewusst mehr über sich selbst verraten, als sie ihren Freunden je anvertrauen würde.
"Steh! Verd..., wirst du wohl jetzt stehen bleiben! Vorsicht! Scheint, als wäre sie heute wieder einmal unausstehlich." Im kräftigen Befehlston, die rechte Hand erhoben, die linke umklam-merte fest die Zügel, versuchte ein älterer, verschwitzt aussehender Herr eine sichtlich nervöse Stute zu beruhigen, die zwischen einer kleinen Schar junger Mädchen herumtänzelte.
Neugierig trat ich ein paar Schritte näher heran, ohne allerdings so nahe zu kommen, daß ich die Aufmerksamkeit der Gruppe auf mich lenkte.
Um die Probleme eines Pferdes zu verstehen, beobachte ich sie am liebsten in seiner natürli-chen Umgebung, in ihrem Zuhause. Wenn die Stute erst einmal bei uns im Stall war, würde sie mir bei der täglichen Arbeit im Laufe der Zeit ihren Kummer, ihre Ängste und ihren Ärger er-zählen. Aber jetzt und hier, wo sie allem was sie wirklich störte, unmittelbar ausgesetzt war, konnte ich in kurzer Zeit mehr über sie erfahren, als zu Hause in langen Wochen.
Zwei der Mädchen steckten leise flüsternd die Köpfe zusammen, vermutlich die Interessenten. Während die kleinere der beiden beinahe hektisch auf ihre Freundin einsprach, zuckte diese nur hilflos mit den Schultern. Mit kurzen, bestimmten Handbewegungen unterstrich das Mädchen ihre Worte; offenbar ohne Erfolg. Immer wieder blickte ihre Freundin auf, sah unsicher auf die Stute, auf ein drittes Mädchen, das schützend einen Sattel vor sich hielt, und wieder auf ihre Freundin.
"Steh endlich still du Miststück!" Wütend schlug der Mann mit der flachen Hand auf die Schulter des Pferdes, was dieses sofort mit einem ärgerlichen Tritt nach hinten quittierte.
Diese Stute war nicht nur nervös, sie war auch zornig. Sehr zornig.
Der Nachmittag würde noch einiges Interessantes an den Tag bringen.
Unschlüssig, teils ärgerliche, teils mitleidige Blicke in Richtung des Pferdes und deren Besitzerin werfend, standen noch zwei Mädchen etwas abseits, wobei ich mir nicht ganz sicher war, wem die ärgerlichen und wem die mitleidigen Blicke galten.
"Wenn sie erst einmal gesattelt ist, wird sie brav wie ein Lämmchen." versuchte der Mann die beiden Mädchen, die immer weniger Kaufinteresse zeigten, die Reiterin, die nach wie vor ihren Sattel umklammerte, und wohl auch ein wenig auch sich selbst, von den Qualitäten der Stute zu überzeugen. Seine linke Hand hielt dabei eisern die Zügel fest, während er mit der rechten auf die empfindlichen Wangenknochen des Pferdes klopfte. Was dieses zwar verzweifelt durch Zu-rückziehen des Kopfes zu verhindern suchte, ihr aber nicht gelang. Der Schmerz im Maul, verur-sacht durch den Druck der Zügel, war offenbar stärker als die unangenehm - derbe Berührung durch die Hand des Mannes.
Fünfzehn Minuten, viele böse Worte und einige derbe Schläge die das Pferd noch abbekam später, war es endlich gesattelt und bereit zur Vorführung. Aber jetzt hatten die beiden Mäd-chen bereits die Nase voll und verabschiedeten sich, nervös und unbehaglich bedauernd aber sichtlich erleichtert und ziemlich eilig.
Ich habe mir diese Stute angesehen; ein gesundes, charaktervolles Pferd in den besten Jahren, das einfach ein wenig Zutrauen, viel Verständnis und eine sichere Hand brauchte.
Keine starke und keine schlagende Hand, sondern eine Hand, die mit sich selbst und mit dem Kamerad Pferd im Reinen war.
Die Stute war bis zum Herbst in unserem Stall. Das Mädchen, eine zarte, damals vierzehnjähri-ge Teenie, das sie später gekauft hat, kommt noch immer, wenn sie gelegentlich bei mir vorbei-schaut, ins Schwärmen über ihr Pferd. Zwei Freunde fürs Leben, die sich gefunden hatten.
Lerne dein Pferd zu verstehen, und es wird dir mit Liebe und Respekt danken,
Vom lange ersehnten Traum vom eigenen Pferd, bis zur Verwirklichung sind es manchmal nur ein paar Schritte - oft genug in die falsche Richtung. Von der Faszination für dieses überaus sensible und liebenswerte Tier bis zum gegenseitigen Verstehen sind es aber meist endlose Meilen, die selten genug zueinander führen.
Warum dein Pferd vom Freund zum Feind wird, dazu bedarf es nur ein paar kleiner Unstimmig-keiten - manchmal mehr, zumeist aber weniger.
Die häufigsten Probleme, die der Reiter mit seinem Pferd hat, basieren auf Verständigungspro-blemen. Die Kommunikation stimmt nicht. Genaugenommen haben nicht wir Menschen mit den Pferden Schwierigkeiten, sondern die Pferde mit uns.
Bei der Pferd - Mensch Beziehung kollidieren zwei grundverschiedene Interessengebiete aufein-ander. Denn das Pferd ist ein Fluchttier, dessen einzige wirkliche Verteidigung und oberstes Prinzip bei Gefahr die Flucht ist. Ein Weidetier, das täglich lange Strecken zurücklegt und ein Herdentier, das Gesellschaft zum Leben und Überleben braucht; und trotzdem wir es vor rund fünftausend Jahren gezähmt und domestiziert haben, trotzdem wir es seitdem in die verschie-densten Richtungen gezüchtet haben, hat es seine Natürlichkeit, seine Instinkte, seine Ängste nicht wirklich verloren.
Der Mensch hingegen ist ein Raubtier; hochgezüchtet, arrogant, abgestumpft gegenüber seiner Umwelt, aber trotz allem ein Raubtier.
Der Mensch will als Raubtier die Situation beherrschen, will alles im Griff haben, die Kontrolle und den Zügel in der Hand halten. Nur dann ist für ihn die Welt in Ordnung.
Gleichzeitig will er aber auch seinen Spieltrieb befriedigen, und seinen Jagdtrieb; das Gefühl sich ein anderes Wesen untertan zu machen; und sei es nur um unseren Spaß und unsere Frei-zeit freundschaftlich mit ihm zu teilen.
Wenn wir diese zwei Aspekte ein klein wenig näher beleuchten, kommen wir auf zwei verschie-dene Gesichtspunkte, mit denen wir leben müssen.
Punkt eins: Das Pferd und seine Eigentümlichkeiten !
Hier müssen wir erst einmal das wildlebende Pferd etwas genauer beobachten, um wenigstens seine mindesten Wünsche und Bedürfnisse zu kennen.
Das Pferd wächst im Herdenverband auf. Es hat Spielkameraden, mit denen es herumtollen kann, es wird von seiner Mutter beschützt und es hat Onkel und Tanten, die auf ihn aufpassen, die ihn aber auch wenn nötig zurechtweisen. Ansonsten hat es im großen und ganzen so
ziemlich alle Freiheiten, die sich ein kleines Kerlchen nur wünschen kann. Es hat Sonne, frische Luft und den ganzen Tag Bewegung.
Andererseits muss es sein Futter selbst suchen. Es verbringt gut zwölf Stunden mit Nahrungs-aufnahme.
Wenn es aus dem Fohlenalter heraus ist, muss es seinen Rang in der Herde bestimmen und wenn nötig verteidigen. Und das wird es später kompromisslos, auch durch den Einsatz von Körperkraft, denn Kompromissbereitschaft, wie wir sie kennen, gibt es beim Pferd nicht.
Das ist wichtig, denn da geht es um die besseren Futterplätze, um die Reihenfolge an der Tränke und um das Sexualverhalten.
Also um die angenehmen Dinge des Pferdelebens.
Die Rangordnung, mit der wir uns im Laufe dieser Lektüre immer wieder auseinandersetzen werden; sie ist für den Fluchtinstinkt und damit für alle unsere sogenannten Probleme verant-wortlich, wird im Herdenverband bestimmt und ist beinahe unveränderlich. Veränderungen
sind nur durch heranwachsende Jungtiere, die sich ihren Rang erst erkämpfen müssen, gege-ben. Trächtige Stuten steigen unwidersprochen auf, ältere Pferde werden abgedrängt; die Leitstute erkämpft sich ihren Platz nicht, sie wird dazu bestimmt. Den Leithengst, wie wir ihn aus unzähligen Büchern und Filmen kennen, gibt es nicht.
Wann die Herde, wohin und wie schnell zieht, bestimmt allein die Leitstute. Der Hengst, der die Herde begleitet, steht meist etwas abseits. Er darf sich der Herde nur dann nähern, wenn die Stuten rossig, also aufnahmebereit, werden.
Geschlechtsreife Junghengste folgen der Herde in sicherem Abstand, um gelegentlich den Hengst herauszufordern, oder ihm Stuten abzuwerben.
Warum aber folgen alle Tiere einer Herde ihrer Leitstute, dem sogenannten Alpha-Tier?
Was prädestiniert dieses Pferd, die Befehlsgewalt über die Herde zu übernehmen?
Es ist weder Kraft noch Größe oder Schnelligkeit, sondern die Erfahrung und sicheres Auftreten, das Charisma.
Es ist der Instinkt, im entscheidenden Augenblick das Richtige zu tun.
Das Herdentier will in der Regel nur zweiter in der Gemeinschaft werden. Es genießt damit sei-nen hohen Status über die anderen, sowie den Schutz des Anführers, aber es ist nicht bereit, dessen Pflichten zu übernehmen. Zum Chef wird es nur dann, wenn die Alpha-Stute ausfällt und es in die Führungsrolle gedrängt wird.
Beim gemächlichen Schlendern und Weiden treten Freund - Feind Beziehungen, Vorlieben und Abneigungen am ehesten zutage. Denn bei Bedrohung und Gefahr sind sich alle einig. Dann geht die Post ab.
Wann Bedrohung und Gefahr droht, bestimmt aber nicht irgendein Mitglied der Herde, sondern nur die Leitstute. Flüchtet die Herde zu früh oder unnötig, ist das vergeudete Kraft. Flüchtet die Herde zu spät, bedeutet das den sicheren Tod für zumindest ein Herdenmitglied.
Deshalb liegt die volle Verantwortung beim Alpha-Tier.
Punkt zwei: Der Reiter und seine Vorstellungen !
Du mußt dein Pferd irgendwo einstellen. Zu Hause klappt das nur in den seltensten Fällen. Also kommt es in den nächst gelegenen Reitstall. Natürlich mit Boxenhaltung. Zweimal Fütterung pro Tag, und einmal ausmisten. Vielleicht sogar im Sommer gelegentlich auf die Weide?
Es soll bei Bedarf zur Verfügung stehen. Das heißt du willst es putzen, satteln und reiten. So drei - viermal die Woche. Eine Stunde wenigstens. Zumindest nimmst du dir das anfangs vor. Und gelegentlich natürlich ins Gelände. In die Freiheit hinaus. Durch die Natur zu reiten, nur du und dein Pferd; mit dem Wind galoppieren, in der Sonne spazieren, den Alltag hinter dir lassen. Ausspannen und ein wenig Zeit für dich selbst finden; mit deinem Kamerad Pferd.
Natürlich möchtest du, daß dein Pferd dein Freund ist, es soll dir vertrauen und dich mögen; gleichzeitig aber es soll es dich auch akzeptieren und respektieren. Ja, du erwartest von deinem Pferd, daß es macht, was du von ihm verlangst. Wieso auch nicht, es gehört schließlich dir. Es ist sozusagen dein Spielzeug.
Du verbringst immerhin deine kostbare Freizeit mit ihm.
Es hat zu gehorchen. Es hat zu wissen was du von ihm willst, von ihm erwartest. Es hat ganz einfach zu funktionieren.
Und wenn nicht! Ärgerlich, aber du weißt dir sicherlich zu helfen.
Das werden wir ihm schon irgendwie abgewöhnen! Wozu gibt es schließlich Reitgerte und Spo-ren? Klappt noch immer nicht wirklich? Ein schärferes Gebiß muß her?
In der modernen Pferdehaltung ist das alles so einfach. Das Futter wird bereitgestellt, natürlich im ausgewogenen Verhältnis, Wasser ist ständig vorhanden, für Bewegung wird gesorgt, und sogar das Sexualleben wird geregelt.
Also braucht es nur mehr zu machen was, und vor allem wie wir das wollen.
Daß das Pferd ein Eigenleben hat, daß es Stimmungen und Launen unterworfen ist, daß es sei-ne eigenen Ängste und Sorgen hat, das bedenken nur die allerwenigsten Reiter.
Man soll bloß ein Tier nicht vermenschlichen. Und das Pferd ist nur ein Tier!
Oder etwa nicht?
Der am häufigsten zu beobachtende Fehler, den ich bei Menschen im Umgang mit Pferden fest-stelle, ist die Tatsache, daß sie versuchen, mittels eigener Körperkraft, sei es über Zügel, Ge-bisse, mittels Gerten oder Sporen etc., ein Pferd zu dirigieren, kontrollieren oder ihm die er-wünschten Verhaltensweisen beizubringen.
Schlichtweg absoluter Unsinn.
Das zweite Problem, das ich in dieser Hinsicht immer wieder beobachten kann, ist, daß Reiter ihren Alltagsfrust mit zum Pferd nehmen, oder für ihre Fehler das Pferd verantwortlich machen. Du machst einen Fehler beim Reiten, beim Umgang, das Pferd gehorcht, wie auch immer; und du bestrafst es dafür.
Ein reines Kommunikationsproblem, aber für die Pferd - Reiter Beziehung
eigentlich unverzeihlich.
Wie aber können wir die Instinkte, über die unsere Pferde verfügen, für uns nützen?
Wie können wir die Kommunikation mit unseren Pferden auf einen Level bringen, auf dem wir beide uns verstehen?
Du musst lernen zuzuhören, und zwar nicht nur mit den Oh-ren, sondern mit deinem Körper.
Du musst die natürlichen Verhaltensweisen des Pferdes berücksichtigen, um sie beim Umgang mit ihnen anzuwenden. Das heißt aber auch, du mußt dich mit einigen Eigenheiten von ihnen auseinandersetzen. Du mußt sie kennen, und gegebenenfalls akzeptieren; ihre individuellen Charaktereigenschaften in deinen Umgang mit ihnen, und eventuell in die Ausbildung mit einbe-ziehen.
Das Pferd ist ein Fluchttier und ein Herdentier. Um aber in der Herde jederzeit flüchten zu kön-nen, muß es sich eine gewisse Distanz zum Nachbarn bewahren. Es braucht Platz zum Wenden und zum Wegstarten. Deswegen hat jedes Pferd einen Individualbereich. Diesen Bereich, die Privatsphäre, darf - unaufgefordert - nur ein ranghöheres Tier betreten.
Um seine Stimmungen und Launen auszudrücken, hat das Pferd eine ausgeprägte Körperspra-che entwickelt, in der das Zusammenspiel von Ohren, Maul, Schweif und Hals auch auf weite Entfernung und sogar in der Dämmerung und in der Nacht ein unzweideutiges Signal für die Stimmung der Herdenmitglieder bildet.
Achte also auf die Ohrenstellung, die Halswölbung, das Tragen des Schweifes, die Stellung der Nüstern und Lippen. Achte auf die Mimik deines Pferdes, wie trägt es seinen Kopf?
Angelegte Ohren etwa bedeuten Ärger. "Komm mir bloß nicht zu nahe. Mit mir ist nicht zu spa-ßen." Ein eventuell entblößtes Gebiß ist eine absolute Drohung. Und auch als solche zu verste-hen.
Gelassene Zufriedenheit hingegen drücken Pferde mit seitwärts abgewinkelten Ohren aus, die ins Ungewisse gerichtet sind. Der Schweif hängt bewegungslos herab. Noch entspannter wirkt der Körper beim Dösen, wenn die Augen halb geschlossen sind und die Unterlippe herabsinkt.
Ähnlich die Demutsgeste, die Unterwerfung. Nur sind jetzt die Lippen geschlossen, die Nüstern klein, die Ohren stehen noch schräger, der Hals ist gerade, fast waagrecht.
Steil aufgestellte Ohren signalisieren Aufmerksamkeit, bis zur Erregung. Eventuell hoch geho-bener Hals, die Nüstern gebläht, der Kopf waagrecht, der Schweif schlägt hektisch hin und her. Der Körper vibriert förmlich. Das Pferd ist bereit, jeden Augenblick in jede Richtung davon zu stürmen.
Geblähte Nüstern und geöffnete, nach oben gestülpte Lippen nennt man 'Flehmen'. Unter der Oberlippe hat das Pferd zwei kleine Nasenlöcher mit denen es feinste Duftstoffe aufnehmen kann.
Mit stolz erhobenen Kopf und gebogene Hals versucht es zu imponieren. Die geblähten Nüstern verraten Erregung.
Behagen und Sicherheit verrät das wälzende Pferd. Das Wälzen ist eine Art Körperpflege.
Zum Kennenlernen beschnuppern sich die Pferde Nase an Nase. Sie blasen sich gegenseitig in die Nüstern und beriechen sich an den Ellenbogen. Um im Gegenzug sofort die Rangordnung klarzustellen.
Dies sind natürlich nur einige kleine Auszüge, grob umrissen, aus dem umfangreichen und reichhaltigen Repertoire der Körpersprache, mit denen Pferde sich untereinander und auch uns gegenüber verständigen.
Du darfst dich aber für den Anfang nicht an jedes kleine Detail klammern. Pferde sind wie alle Lebewesen, individuelle Charakter. Es gibt unter ihnen Ängstliche, wie Angeber, Stoiker wie Nervenbündel, gewitzte wie sture, Aufbrausende und Nachdenkliche.
Beobachte dein Pferd im Herdenverband auf der Weide oder im Auslauf. Dort wird es dir am ehesten über sich selbst erzählen.
Zum Abschluss dieses Kapitels noch ein Wort zum 'Loslassen'. Ein Ausdruck, den jeder Reitleh-rer in dem Maße liebt, wie ihn Reitschüler hassen.
Wer hört auch schon gerne: "Du mußt dich loslassen, sitz locker im Sattel, nicht verkrampfen" während Pferd und Fliehkraft dich in mindestens zwei verschiedene Richtungen tragen wollen, und die Schwerkraft dein schlimmster Feind zu sein scheint.
Losgelassenheit, das Zauberwort des Reitens. Du spürst sie erst wirklich, wenn du nicht mehr darüber nachdenken mußt.
Losgelassenheit ist aber nicht nur das Zauberwort des Reitens, sondern auch das Codewort im Umgang mit deinem Pferd.
Du musst versuchen dich selbst unter Kontrolle zu haben, bevor du versuchst dein Pferd unter Kontrolle zu bekom-men.
Losgelassenheit ist eines der wichtigsten Instrumente, in der Handhabung mit deinem Pferd. Denn du kommunizierst mit deinem Pferd in erster Linie über die Körpersprache und danach erst mit deiner Stimme, obwohl die Stimme eines unserer besten Argumente ist, ein Pferd zu über-zeugen.
Mit anderen Worten - don´t worry, be cool
Denn nur wenn dein Kopf frei ist von anderen Problemen, von Ärger und Ängsten, kannst du dich unbeschwert deinem Pferd nähern. Wenn du unter Zeitdruck stehst, oder mental nicht wirklich gut drauf bist, warum auch immer, laß es sein. Ich meine natürlich nicht, daß du dein Pferd in dieser Stimmung nicht sehen sollst. Oh nein, sondern bloß, daß du deine schlechte Laune nicht zu deinem Pferd bringen sollst. Schau bei ihm vorbei, begrüße es, sprich ein paar Worte mit ihm; und lade deinen Frust beim Stall ausmisten ab, oder putze erst deine Ausrü-stung. Du wirst sehen, wie gut sich das auf eure Freundschaft auswirkt.
Oh, du bist cool! Und du bist gut drauf! Na dann laß uns doch zu deinem Pferd gehen.
Noch ein Wort, bevor es ernst wird: Spuck deinen Kaugummi aus, steck die Zuckerstückchen weg und laß die Karotten bei deinen anderen Sachen, die du nicht zu deinem Pferd mitnimmst.
Kaugummi kauen beruhigt vielleicht dich, mag sein er schmeckt auch gut, aber für dein Pferd bist du ein Fohlen, das darum bittet, sich nähern zu dürfen.
Fohlen nähern sich anderen Pferden, besonders solche, die im Rang höher stehen als die Mut-terstute, heftig kauend. Eine Geste, die besagen soll: Ich bin klein, dumm und unschuldig. Ich mache keinen Ärger, ich bin bloß neugierig.
Sobald sie etwas älter sind und vorwitzig versuchen ältere Pferde zum Spielen herauszufordern, oder gar um ihre Rangordnung kämpfen, lassen sie auch das Kauen.
Mit dem Kaugummi im Mund bist du also nur ein geduldetes Wesen.
Zucker ist ein hochprozentiges Kraftfutter, das ein Pferd bereits in den geringsten Mengen zum Ausrasten bringen kann. Du gibst ihm zur Begrüßung eine Handvoll geballter Energie, bindest es an und erwartest dann, daß es zum Putzen und Satteln stillsteht?
Okay, wäre nur noch die Karotte als kleiner Leckerbissen, damit es sich freut, wenn du kommst. Eine nette Geste, aber nicht mehr. Viel besser wäre doch eine herzliche Begrüßung. Klopf ihm den Hals, kneif ihm in die Mähne, blase ihm sanft in die Nüstern; Begrüßung auf Pfer-deart. Und es wird sich freuen wenn du kommst. Sonst freut es sich nur über die Karotte, die da kommt, nicht aber über dich.
Gibt es sonst noch etwas zu sagen für den Augenblick?
Ja eine Menge, und zwar zu deinem Pferd. Sprich mit ihm. Nichts ist so faszinierend für ein Pferd, wie die menschliche Stimme.
Das heißt natürlich nicht, daß du es in einer Tour bequatschen sollst, sondern erzähl ihm, wie dein Tag war, sag ihm, was dich bedrückt und was du toll findest. Sag deinem Pferd, daß du es toll findest. Nicht etwa, daß es deine Worte versteht, aber du bringst damit wieder über die Körpersprache jede Menge Positives rüber. Außerdem hast du damit seine Aufmerksamkeit.
Die möchtest du doch, nicht wahr?
mehr, aber noch längst nicht alles gibts unter http://www.crosswinds.net/~mahatma/index.html
die site wird weiter aktualisiert sobald ich wieder zeit hab