Deine Flügel

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Pennywise77

Mitglied
Du hast mich im Dunkeln alleine gelassen,
nahmst heimlich und still deinen Hut.
Auch heute stell ich auf den Tisch uns zwei Tassen
mit Kaffee, Vergessen braucht Mut.

Du fehlst mir besonders im grauen November,
erst recht wenn es regnet bei Nacht.
Denn damals im Herbst hat sich alles verändert,
da hast du dich dünne gemacht.

Ich würde dir gern meine Leiden vergeben,
die Trauer samt Wut und Ballast.
Du bist meine fehlende Strophe im Leben
und jedes Wort nach dir verblasst.

Dein Mantel hängt hier an der Holzgarderobe,
ich frage mich, ob du ihn brauchst.
Der Kaffee wird kalt und weiß Gott ich gelobe,
am morgigen Tag wart ich auch.

Die schneeweißen Tassen, der Mantel am Bügel,
das alles bleibt mein Ritual.
Ich hoffe, sie geben dir bald deine Flügel
und irgendwann holst du mich mal.
 

anbas

Mitglied
Moin Pennywise,

schön, mal wieder etwas von Dir zu lesen.

Dieses Gedicht über Abschiedsschmerz, Sehnsucht, Hoffen aber auch das nicht loslassen können gefällt mir gut.

Allerdings würde ich in dem Gedicht dem LyrIch ein Ende folgender Art wünschen:
Ich hoffe, sie finden schon bald ihre Flügel
und bald schon, da kannst du mich mal.
;)

Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, wie leicht so etwas gesagt und wie schwer es tatsächlich umzusetzen ist.

Liebe Grüße

Andreas
 

Pennywise77

Mitglied
Moin Andreas,
ehrlich gesagt verstehe ich deinen Vorschlag nicht. Wessen Flügel meinst du mit "ihre Flügel"?
Na ja und in so einem Text, der sich ja mit Trauer befasst (es geht um einen Sterbefall) "kannst du mich mal"?
Kann es sein, dass du mir bei der Wortwahl der ersten Strophen auf den Leim gegangen bist? Dünne machen, den Hut nehmen.
Ich wollte es erst wie das handelsübliche Verlassen aussehen lassen. Aber mit den Flügeln sollte es eigentlich zur Auflösung führen.

Gruß

Pennywise
 

anbas

Mitglied
Upps, da bin ich Dir tatsächlich auf den Leim gegangen - ich hielt es wirklich für das Ende einer Beziehung, wo sich jemand "dünne" gemacht hat.

Da ziehe ich natürlich meine Anmerkungen komplett zurück. Sorry!

Liebe Grüße

Andreas
 

fee_reloaded

Mitglied
Servus, Pennywise!

Ich habe jetzt sicher schon das fünfte Mal dein unheimlich berührendes Gedicht gelesen und war kurz - nach Andreas Kommentar - irritiert. Jetzt aber weiß ich, dass ich es schon intuitiv richtig gelesen habe oder anders gesagt: das Thema des Trauerfalls war schon ausreichend da. Und ich fand eben so besonders berührend, dass es nicht zu dick aufgetragen war (aber ev. rührt von da her die andere Nöglichkeit der Auslegung, die Andreas gelesen hat...).

Ich mag's gar nicht zerreden, dein wunderbares Gedicht - also tu ich's auch nicht. Ich finde, da ist dir ein ganz großer Wurf gelungen mit diesem Text. Der wird mich noch lange und immer wieder beschäftigen - nicht zuletzt, weil ich unter und zwischen den Worten diese Grundstimmung von Trauer gefunden habe, die schon über den ersten, großen Schmerz hinweg ist und die daher bleiben kann oder darf, solange man das für sich "braucht". Die Trauer sozusagen als Verbindung zur vermissten Person.

Sehr, sehr schön! Danke!!!!

LG,
fee
 

Pennywise77

Mitglied
Ihr Beiden, ich danke Euch. Und die Fehlinterpretation ist vollkommen in Ordnung Andreas. Sowas passiert mir ständig. Ich hab ja auch diese Spur gelegt.
Fee, vielen Dank für das wirklich tolle Kompliment.

Gruß

Pennywise
 

molly

Mitglied
"Auch heute stell ich auf den Tisch uns zwei Tassen
mit Kaffee, Vergessen braucht Mut."


Hallo Pennywise,
Dein Gedicht spricht mich sehr an. Abschied nehmen dauert eine Weile und jeder bewältigt das auf seine Art.
Nur, ich möchte nicht vergessen, sondern mich erinnern.

Viele Grüße
molly
 
G

Gelöschtes Mitglied 24194

Gast
Upps, da bin ich Dir tatsächlich auf den Leim gegangen - ich hielt es wirklich für das Ende einer Beziehung, wo sich jemand "dünne" gemacht hat.

Da ziehe ich natürlich meine Anmerkungen komplett zurück. Sorry!

Liebe Grüße

Andreas
Ich bin wohl viel zu sensibel für die auserlesene Lupe; der Text hier von Pennywise77 zeigt auf, worum es geht --> Trauer & Einsamkeit.

(Blicken Poeten noch auf das lyrische Ich von Mitmenschen oder verharren sie im eigenen Sumpf?)
 



 
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