deinetwegen lacht schwarz

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Venus

Mitglied
Liebe chrissieanne,

aufmerksam und gerne habe ich deine Anmerkungen gelesen – ich dank dir sehr dafür!

Ich lerne erneut aus deinem Kommentar, dass der Leser jene Art zu schreiben, mit mir verbindet – was soll ich sagen? – ich bin arg angetan, ich bin stolz – ich freu mich!

Bestimmt, liebe chrissieanne, ich gebe dir recht! Man muss nicht grundsätzlich, jedes Detail des Autors - in seinem Sinne - nachvollziehen können, um sein Werk zu schätzen. Mir werden viele Werke Paul Celans gerne ein Rätsel bleiben (obschon einige Interpretationen hilfreich sind); sie bergen so dicht, dass ich nicht müde werde, sie zu lösen oder simpel nur für mich (und mein wollendes Verständnis) zu interpretieren.

Wenn wir zunächst ein sehr komplexes Werk zu erfassen versuchen, benötigen wir ein hohes Maß an psychischer Wahrnehmungsenergie. In dem Augenblick aber, in dem wir seine Ordnung durchschauen, also seine Information entnehmen und damit subjektiv für uns seine Komplexität drastisch senken, vermindert sich sogleich der erforderliche Aufwand an Wahrnehmungsenergie.
Der freiwerdende Überschuss entlädt sich als ästhetische Lust, so wie sich beim Verstehen der Pointe eines Witzes, der plötzliche Überschuss an psychischer Energie als Lachen entlädt.

Deine Einstellung und Äußerung geht beinahe mit Kant einher, er proklamierte nämlich:
„(…) dass die Form eines schönen Gegenstands den Ordnungskategorien des Verstandes so sehr entspreche, dass sie sich diesem gleichsam freiwillig unterwerfe, ohne von ihm unter das Joch eines Begriffs gezwungen werden zu müssen. (…)“.

Somit mag es erst einmal sekundär sein, ob du die Lyrik (als Aufgabe) verstehst. Wichtig ist bestimmt, was sie auslöst! Bei Gott, ich bin ein miserabler Prosaschreiber – doch ich lese was das Zeug hält und – ich habe eine Meinung darüber! Ich verehre Schreiber, die ihr Handwerk verstehen, obschon ich jener Schreiberei nur müßig mächtig bin…

Liebe Kollegin, es muss nicht schlecht sein, wenn ein Lyriker sich erklärt. Mir tat und tut ein Versuch nicht weh. Ganz im Gegenteil! Jeder Schreiber möchte gehalten sein, für sich selbst zu entscheiden, was er für richtig und gut hält. Jeder Leser wird das entsprechend reklamieren oder begrüßen. Ein jeder, der mit seinen Gedanken in die Welt geht, muss damit rechnen, dass ein anderer sie widerlegt.
Die gelernte Kunst, liebe chrissieanne, möchte die Sphäre sein, in der der Mensch gänzlich frei ist. Frei von der Determinierung seiner Natur und der Nominierung durch die Moral. Die Erfahrung der nur dem Menschen eigenen Freiheit.

Fühl dich – bittschön! – auf ewig berührt.


Recht herzlich,
Gabriele
 
H

HFleiss

Gast
Himmel, hier werden ja soo gelehrte Sachen abgehandelt.
Da trau ich mich kaum, auch noch was von meinem Eindruck aufzuschreiben. Gabi, mich spricht dieses Gedicht an. Als ich es las, wusste ich nicht, warum du es geschrieben hast, aber klar war mir, es handelte sich um eine besondere Frau. Dann las ich, es ging um Hilde Domin, die kürzlich verstorben ist.
Ich habe mich nie intensiv mit ihren Gedichten beschäftigt, aber die ich kannte, berührten etwas in mir. Mich störte lediglich, dass Hilde Domin in einer Schreibwerkstatt als
d i e Dichterin hingestellt wurde, und bei Superlativen werde ich misstrauisch.

Aber nach dieser langen Vorrede nun zu deinem Gedicht. "Mutig setzte sie ihre Beine in die L u f t ": Versteh ich nicht. Die Gedichte, die ich kannte, hatten mehr mit Erde zu tun, waren sogar stark erdhaltig. Luft empfinde ich als Synonym für Traumtänzerei. Aber eine Traumtänzerin war sie auf keinen Fall.

"Jetzt schreiten andere auf t r o c k e n e r
Erde": Trocken, das könnte heißen, da ist niemand, der die Lücke, die sie reißt, auffüllt. Insofern ist das auch wieder ein Superlativ, denn es gibt etliche Lyrikerinnen, die durchaus in ihre Fußstapfen treten. Deshalb empfinde ich den Ausdruck "trocken" als ein bisschen zu unbedingt.

Das Wort "Übermut" würde ich bejahen, wenn ich Übermut mit bisher ungedachten Gedanken gleichsetze.

Alles in allem: Mir gefällt das Gedicht (ein wirklich blöder Ausdruck), es spricht mich an, und ich empfinde es als würdige Würdigung Hilde Domins.

Außerdem freut es mich, wenn ich ein wirkliches Gedicht hier lesen darf, und das ist eines, wie ich es liebe.

Lieben Gruß
Hanna
 

Venus

Mitglied
Liebe Hanna,

Himmel! – So gern hab ich gelacht!
Ganz herzlichen Dank für deine offene Nachricht!


Nein, liebe Hanna, hier werden keine „gelehrte Sachen abgehandelt“ und bitte: trau dich ruhig und immer und ständig!

Hanna, ehrlich, das Beste was sich ein Schreiber wünschen kann sind Nachrichten von Lesern, welche beginnen mit: „mich spricht dieses Gedicht (Werk/StückProsa etc.) an“.
Es spielt keine Rolle, wem ein Gedicht gewidmet ist. Nicht die geringste. Die einzige Rolle beim Lesen spielt der Leser.
Jede erdenkliche Rolle, Hanna, welche maßgeblich war, beim Entstehen von Geschriebenem ist sekundär.


Sicherlich wolltest du die vorausgegangene Diskussion nicht detailliert lesen, deshalb wiederhole ich sehr gerne noch einmal folgendes:

[blue]„Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug"[/blue]

Ergo von mir benannt:

[…] mutig
setzte sie ihre beine in
die luft […]


Dieser Gedankenstrom ist nicht mein Eigentum!

Er will Bezug sein, zu Hilde Domin. Deshalb musste und wollte ich auch Hilde Domin als Bezugsnehmerin erwähnt wissen.
Es ist nicht so, Hanna, dass der Leser Frau Domin dadurch erkennen muss – doch wenn: dann muss ich den Bezug erläutert haben!
Ich hätte, liebe Hanna, sonst massive Plagiatsprobleme. Ich würde sonst Gedanken stehlen.


Ich gestatte mir nur bedingt, besagten Satz von Hilde Domin zu interpretieren - doch Luft, welche trägt, ist jeden Gedanken wert!

Luft ist nicht nur Traumtänzerei. Nein. Luft ist lebensnotwendig.
Luft ist auch: gar nichts; wenn man so will.
Und wenn NICHTS trägt – bei Gott! – dann ist das allerhand! Wenn Mensch NICHTS ahnt und dennoch will, den Schritt dorthin zu wagen, und das NICHTS dann auch noch auffängt…

Hanna: Diese Frau erzählte von Mut. Von Übermut. Von gesteigertem Mut!

Diese Schreiberin lebte gesteigerten Mut. Sie erfuhr ihn.
Sie wusste, von was sie schrieb.


Ich wollte genau das wissen lassen.


Werd und bleib ruhig misstrauisch, Hanna. Vertrau dir beständig! Jedes auch noch so minder groß geschriebene Wort, sollst du für dich verstehen. Sonst hat es keinen Wert; für dich.


Bitte, lass mich noch rasch auf den Rest deiner Interpretationen eingehen. Sie habe mich so sehr gefreut!

Luft / luftig – verbinde ich mit Atmen. Mit Leichtigkeit.
Es fiel mir schwer, ein Antonym hierfür zu bestimmen. Dies wollte ich jedoch einerseits.
Luft ist: über.
Erde ist: unter.
Erde ist trocken, im Gegensatz zu Luft. Weithergeholt? Nein.
„trocken“ wollte kein Superlativ. Trocken meint etwas „stumpfes“, meinetwegen etwas „geregeltes“. Wir alle mussten „trockenen Stoff pauken“…

Für mich flog Hilde Domin.
Sie war uns über; mir allemal.

Natürlich wollte auch die trockene Friedhofserde gemeint sein.
Jene Erde welche andere beschritten, während sie ihren Sarg trugen.
Und jene (Denker) natürlich, die sie in Gedanken tragen. Beständig. „Dauernd“.

Dauernd. Andauernd. Langanhaltend.

Dauernd und andauernd. Langanhaltend nämlich, wird in besagten (und nicht nur jenen) ihr Übermut gelassen sein – belassen!
Den Gewünschten und Gewollten jedenfalls, wird er winken. Weniger ironisch, doch gewissentlich. Ihr Irrsinnsmut.
Der Übermut – so der Leser will…


Es ist nicht blöd, Hanna, zu behaupten, es gefiele etwas.
Es ist verflixt ehrlich, so eine Meinung laut zu formulieren. Manchmal sogar mutig.

Lass uns ruhig übermutig sein.


Ganz herzlich,
mein Danke
für deinen ausführlichen Eindruck,

Gabriele
 

Jongleur

Mitglied
Hallo Venus,

besonders angetan haben es mir mal wieder die durch Umbrüche nach zweierlei Lesweisen laufenden Zeilen, Wörter.

der zeit ist uns
wieder einmal eine voraus

der zeit ist uns
wieder einmal eine voraus
gegangen [ ... ]


die dich halten
in streunenden gedanken
dauernd [gelassen]


in streunenden gedanken
dauernd gelassen
winkt uns dein übermut


[ ... ] gelassen
winkt uns dein übermut


Was ich irritierend finde, ist der Perspektivwechsel.
Warum ist die benannte "sie" (Hilde Domin oder wem auch immer sonst wegen ähnlicher Haltung eine ähnliche Würdigung ausgesprochen und zuteil werden soll) im zweiten Teil zum "du" mutiert.
Man kann das machen, plötzlich eine direkte Ansprache.
Für mich aber ist es ein Bruch.

Einmal zur Probe, wie es sich liest, wenn die Perspektive durchgehalten wird:

der zeit ist uns
wieder einmal eine voraus
gegangen / mutig
setzte sie ihre beine in
die luft
benannte lücken
die das leben nie füllt

jetzt schreiten andere
auf trockener erde
hinter denen die sie halten
in streunenden gedanken
dauernd gelassen
winkt uns ihr übermut

?
Wobei, ich gesteh's, mir jetzt das nächste Problem auffällt: auch im Titel steht die direkte Ansprache.

Grüße vom Jongleur
 
@ Venus

Den Text würde ich als nur mittelmäßig gelungen werten, aber Hilde Domin!, das verzeiht in meinen Augen ALLES !

[setzte sie ihre beine in die luft ...]

oder: "ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug"

Es ist ja wohl ein himmelweiter Unterschied, ob man -vorsichtig tastend- zuerst einen Fuß setzt (Domin), oder -gottvertrauend- einfach gleich die Beine ("venus"), das ist sogar Sinn-entstellend bei Dir formuliert.
 

Venus

Mitglied
Lieber Jongleur,

herrschaft, das freut mich sehr, von dir zu lesen – herzlichen Dank für dein konstruktives Feedback!


Es ist für mich immer ein leicht berauschendes Gefühl (ehrlich!) erfahren zu dürfen, dass meine Hausaufgaben erkannt werden: geschätzt. Danke! Dies zum Einen.


Zum Anderen: deine Anmerkung hinsichtlich des Perspektivenwechsels.
Auch darüber bin ich hocherfreut!
Lass mich bitte versuchen zu erläutern:


Bei der Festlegung meiner Gedanken habe ich exakt mit deinem Vorschlag gearbeitet. Das Resultat ließ mich unbefriedigt zurück.
Das Werk erschien mir, ausschließlich in der indirekten Rede, zu distanziert.
Ich habe gelernt:
Innere Perspektiven besonderer Art ergeben sich, wenn ein Gedicht direkte Reden enthält. Die direkte Rede macht die Erzählung anschaulich und leiht ihr dramatische Lebendigkeit.

Nun habe ich in dieser Aufgabe das lyr. Ich ausgeschlossen - und es ist dennoch vorhanden (nicht wahr ;o) – es ist als strukturierende Instanz in das Gedicht eingegangen - weil ich versuchen wollte, eine strukturelle Dominanz der Personalpronomina herzustellen!
Eben weil es eine Widmung sein möchte. Eben weil es eine (unterschwellige) Empfängerdominanz will.

Insofern, lieber Jongleur, bin ich der Auffassung, dass der (von dir angemerkte) Perspektivenwechsel, so gravierend gar nicht ist.
Wenn wir Gedichte nicht als Produkte willkürlicher Kräfte oder übermenschlicher Mächte verstehen und die Verbindung zwischen dem Gedicht und dem Menschen, der es produziert hat, nicht ganz kappen wollen, müssen wir diese strukturierende Instanz als ein Subjekt denken, gleichsam als Platzhalter des empirischen Autors im Text. Nur so können wir Gedichten eine Mitteilungsintention unterstellen, die es in der Rezeption aufzunehmen gilt.
In der ersten Strophe (Gedichtanfang) ist das Textsubjekt ein analytisches Konstrukt. Es strukturiert die Perspektive des Gedichts und (er)setzt das Ich, ohne mit ihm identisch zu sein. Hier wird/wurde versucht, den Leser in den Text zu ziehen.

Innerhalb des Textes ist grundsätzlich von dem intendierten Leser der Adressat des artikulierten Ich abzuheben, der als artikuliertes Du zur Sprache kommen kann, aber nicht muss.
Die Unterscheidung ist relevant z.B. bei Widmungsgedichten: Soweit im Text ein Du angeredet wird, ist das Personalprodnomen zunächst auf den Widmungsadressaten zu beziehen. Dieser ist in den meisten Fällen auch als primärer Leser intendiert.

Wenn ich also so will (und das will ich in der Tat!) habe ich mein lyrisches Ich und mein lyrisches Du in ihrer entsprechender Wertigkeit platziert.

Der Bruch wird für mich zum Steg .


Darüber würde ich verflixt gerne mit dir weiter diskutieren!
Ist es wirklich so, dass der Leser, das lyrische Ich (vordergründig) nur intendiert, wenn er es wörtlich liest? Ist für dich deshalb ein Bruch spürbar?

Natürlich verstehe ich, wenn es den gegebenen Regeln widerspricht, jene Unterhaltung in diesem Faden fortzusetzen.
Deiner geschätzten Meinung – in Bezug auf mein Gedicht jedoch – sehe ich gerne entgegen!


Recht herzliche Grüße
und vielen Dank für deine Geduld hinsichtlich meiner Antwort – ich war verreist!

Gabi
 

Venus

Mitglied
Geschätzter Leser Waldemar Hammel,

recht herzlichen Dank für deinen objektiven Eindruck!

Natürlich unterstelle ich (interpretierender) Leser besagter Werke von Frau Domin meine eigene Intention.

Als ich die Worte [ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug…] für mich auf- und annahm, als das geistige Bild dessen für mich seinen gerechten Platz fand, wollte es mir schwer fallen anzunehmen, dass ein Mensch, innerhalb der Position eines Spagates, ein sog. „tragendes Gefühl“ empfinden will.
Ich gehe davon aus, dass ein vorsichtiger Wanderer, den ersten Fußtritt sorgsam wählt. Er versucht zu eruieren, ob der Boden trägt. Erst dann wird er in der Konsequenz und im Hinblick auf seine Zielerreichung und –setzung, den zweiten Fuß nach sich ziehen. Ich ging und gehe davon aus, dass das imaginäre Bild dessen, was Frau Domin (für mich Leser/Empfänger) schuf, nicht in der Bewegung (und nach dem ersten Schritt – ergo Fuß) erstarrt.
Natürlich möchte man intendieren, dass Frau Domins Leben einerseits ein Spagat zwischen den Welten blieb. Andererseits jedoch, hat sie ihre Schritte in der Konsequenz und im Endeffekt eben doch zu Ende gebracht.
Was immer sie trug - ich persönlich gehe davon aus, dass sie letztendlich dort mit beiden Beinen [blue]stand[/blue].


Zur Perspektive eines Gedichtes gehört nicht zuletzt das Verhältnis zum Hörer oder Leser. Ein solcher ist der Interpret zwar auch, aber da seine Interpretation so objektiv wie möglich sein soll, kann hier weder sein rein persönliches Verhältnis noch das gleichfalls subjektive eines anderen Hörers oder Lesers darstellen, sondern er muss den vom Gedicht intendierten „idealen“ Hörer oder Leser zu charakterisieren versuchen. Nicht zuletzt erwarten gerade moderne Gedichte von ihrem Leser Aktivitäten: Fragen zu beantworten, Gedanken aufzugreifen, Deutungen zu wagen, Angefangenes zu ergänzen und das Gedicht „weiterzudichten“ (mit einem Schmunzeln: Wo zum Kuckuck ist der zweite Fuß von Frau Domin!?!).


Ja, verehrter Waldemar Hammel, und nun frage ich mich selbst:
Habe ich nun Frau Domin zugesprochen, oder bin ich auf deinen Eindruck zu meinem Text eingegangen – ?

Bestimmt konnte ich weniger den Grund für die Beurteilung meiner Mittelmäßigkeit erlesen und bestimmt bin ich in der Solchen wohl gerne, und nach angemessener Arbeit an der Theorie der schreibenden Künste, in meiner ureigenen Zuversicht des Mittelmaßes nämlich, angesiedelt.


Recht freundliche Grüße
und erneuten Dank für den handwerklichen Austausch!

Gabriele
 
@ Venus

Nein, nein, das ist wohl (wieder mal) falsch rübergekommen. Ich habe nicht DICH besprochen, sondern den Text, also nicht "von Deiner Mittelmäßigkeit" oder sowas geredet.

Den Unterschied zwischen "vorsichtig einen Fuß in die Luft setzen" und "mit beiden Beinen darin" hab ich bereits genannt.
Du kannst nicht einfach -Hilde Domins Aussage verlängernd- (lediglich) behaupten, dass dies dann noch "authentisch" sei (Du müsstest es im Text dann per Darstellung dem Leser "beweisen").
ZB hatte Domin wohl einen Grund, dass sie genau ihre Formulierung wählte.
Deine Darstellung ist eine Variation des allgemeinen Themas "Füße als Pionier im Unbekannten", und hat dann, trotz der Ähnlichkeit des Bildes mit Domin, mit dieser/mit Domins Formulierung eigentlich nichts mehr zu tun, denn innerhalb der Bandbreite dieser Variation gibt es noch tausend andere Möglichkeiten (zB Hesse in Siddharta, wo dieser am Fluss sich umzubringen gedenkt und "zwischen Himmel und Erde" auch "in der Luft" hängt, die ihn dann zuletzt trägt).

Anders gesagt:
Dass Deine Variation des "Füße als Pionier im Unbekannten" in Form "Beine in der Luft" sich auf Domin beziehen soll, ist eine Behauptung, eine Setzung Deinerseits, die sich nicht aus sich heraus zwangsläufig ergibt.
Diese Verknüpfung wirkt daher ein wenig "gezwungen", was nichts mit der Eigenart "moderner Kunst" zu tun hat, aber mit einer ungenügenden Darstellungsweise, und daher beim verstehenden Lesen unnötig zum Holpern bringt.

Und sinnentstellend (fast) ist Deine Darstellung deshalb, weil Domin vorsichtig tastend zuerst einen Fuß in die Luft setzte. Sie hat sich, zweifellos als Pionierin, diese Luft, das Stehenkönnen, das Lebenkönnen in ihr erarbeitet, sie hat sich -von den Verhältnissen gezwungen- "ihrer Flügel entsonnen", und genau das drückt sie aus: den Probelauf dieser ihrer Flügel, denn ihr Lebensverlauf, der dieses "in der Luft leben" notwendig werden ließ, war alles andere als freiwillig. Sie musste oft unter dem Blinken ihrer Warnlampen "red alert" ausprobieren, ob und wie man in Luft leben kann.
In Deiner Darstellung aber springt jemand, und wie Du selbst schreibst "aus Übermut" mit beiden Beinen in die Luft, wie ein dummes Kind, und er hat dann lediglich Glück, dass diese Luft ihn in dem Fall auch trägt. Genau das war aber eben nicht Domin, sie hätte bestimmt gerne darauf verzichtet, in der Luft leben zu müssen.
"Domin" ist ja keine Kunstfigur, von irgendjemand erfunden, sondern sie war eine wirkliche Menschin.
In Deinem Text aber ist sie fleischlos und kann es sich daher leisten, "aus Übermut" ...
Du wärst Domin näher gekommen, wenn Du sie im Text als "eiskalte und rationale" Frau, dennoch Angst empfindend, nachgestaltet hättest, die dazu gezwungen war, statt "auf der Erde" lange Zeiten ihres Daseins "in der Luft" zu leben.
Domin hat ihren Verstand eingesetzt um ihr Leben zu bemeistern, nicht naiven kindlichen Übermut, mit dem sie sich selbst/ihre Existenz nur noch mehr gefährdet hätte.

Aber, nun gut, ich will Dir dieses Werk nicht madig machen.
 



 
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