dem deutschen vaterlande

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Hallo charlotte, es berührt mich tief, was da zu lesen ist. Bin mit diesem Thema auch arg verflochten.

Wie selbstsicher man doch noch mit dreißig oder so war, wenn man sagte: "Heiraten? Nie! Wozu?
Man liebt sich, lebt zusammen, hat Spaß und das ewige Leben, schöpft Kinder, baut Häuser, richtet
sich ein in der Welt, holt sich die nötigen Papiere und Stempel, damit die Behörden glauben, dass
Xund Y zusammengehören, man macht gemeinsam Wochenendeinkäufe, ganz nach den Wünschen,
was man gemeinsam essen will, und als das jüngste Kind achtzehn wird, wird einem bewusst, dass in
dessen Reifezeit - noch im Bauch - die Libido abhanden kam und nie wieder irgendwo auftauchte, so
nah man sich auch war, bis die Distanz der einzige Tanz war, der noch blieb ___________________________

Entschuldige, wenn ich jetzt nur eine Lesart deines Gedichts bewusst aufnahm.

Clown
 
lieber Clown, ich finde deine lesart sehr inspirierend. es ist immer wieder erstaunlich, was unsere kinder so ohne uns machen, wenn sie groß sind.
liebe grüße
charlotte
 

trivial

Mitglied
Liebe Charlotte,

mir gefällt (wie immer) die Melancholie, die Sehnsucht, die Tonalität deines Gedichts, nur mit dem Inhalt hadere ich diesmal. Es klingt nach Dysphorie ohne Lösung, nach Entfremdung und Abwehr, nach Unstimmigkeit zwischen Innen und Außen – nach dem Unbehagen im eigenen Bezugsrahmen.

Ich möchte keineswegs einen reaktionären Patriotismus vertreten, wohl aber das Gefühl von und Bedürfnis nach Verbundenheit, Zugehörigkeit, nach Heimat.

Hier klingt es endgültig und resignativ – nach Flucht vor der inneren Entfremdung, durch die starre Rolle eines Erwartungsapparates.

Keine Ambivalenz, keine Möglichkeit der Wandlung – die Flucht, der Übergang setzt ein Verlassen, ein Aufgeben voraus. Wo es mir nach Transformation wäre: einer Wandlung, die das Äußere durch das Innere wandelt, gestaltet und sich zueigen macht.

Doch der Riss, der Übergang von hier nach dort, schafft eine Dualität, die die Entfremdung und Vereinzelung erst konstituiert. Eine grenzenlose Identität ist eine zerfallende Identität. Ein Verlassen, ein Entkommen, eine Flucht ist nie ein Werden, sondern immer ein Gewesen-Sein. Kein Hinwenden, immer ein Abwenden. Kein Wir, ein Ich gegen das Vaterland.

Aber diesen einen Funken:

als gäb es einen anspruch
dass ich an deinen wintern
leide
den finde ich – in Breite wie Tiefe – einfach großartig. Es ist dieses Momentum, diese Möglichkeit, nach der ich mich sehnte – vielleicht nur ich persönlich, gerade eben –, doch wird sie nicht eingelöst.

Wie immer bringen mich deine Worte sehr zum Nachdenken :)

Liebe Grüße
Rufus
 
lieber Rufus,
vielleicht müssen wir hier eine unüberwindliche fremdheit feststellen.
ich habe kein vaterland und kann mit dem konstrukt deutschland nichts gutes verbinden.
und ich bin fremd dem deutschen wesen (und vielleicht deutscher, als ich will).
ich wohne in der sprache, aber nicht in der nation. jedem patriotismus bin ich feindin.
und für den deutschen schäme ich mich.
so ist es bei mir. und ja, es gibt keine vermittlung.
das sage ich für mich ohne ausschließlichkeit für andere.
liebe grüße
charlotte
 



 
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