Dem Schweinehund ist heiß

Du seufzt leise. Es ist heiß. 28° Grad im Wohnzimmer und kein Ende der Hitzewelle in Sicht. Ein Schweißtropfen läuft dir langsam am Ohr entlang und fällt mit einem feuchten Plupp! auf deine Schulter. Dein Schweinehund macht es dir auch nicht leichter. Seit Tagen schleicht er wie ein zusammengesunkener Topflappen durch die Wohnung und weigert sich, nach draußen zu gehen. Sein anfangs lautstarker Protest gegen die Hitze (das geht doch nicht! Es darf doch nicht so heiß sein! Warum werden Wohnungen so gebaut! Wir wollen als Ausgleich einen Pool im Hof!) ist einem wehleidigen Gejammer gewichen, das nicht weniger entnervend ist. Du lehnst dich zurück und gleich wieder nach vorn, das Sitzpolster ist viel zu warm. Es ist still in der Wohnung, nur aus dem Bad kommt ein gleichförmiges Surren. Du hebst den Kopf. Was ist das? Neugierig gehst du zum Bad und drückst die Klinke nach unten. Die Tür ist verschlossen.
„Was machst du da drin?“ rufst du. Das Surren verstummt.
„Nichts!“ sagt dein Schweinehund.
„Quatsch, ich hör dich doch. Lass mich rein!“
„Nein!“
„Willst du ein kaltes Bad nehmen?“
Dein Schweinehund stöhnt. „Wie du weißt, haben wir keine Badewanne!“
Du zuckst zusammen. Stimmt. Böser Fehler bei der Wohnungswahl. „Ach komm“, sagst du, „die meiste Zeit brauchen wir ja auch keine.“
„Tja, die meiste Zeit“, hörst du deinen Schweinehund murmeln, dann geht das Surren wieder los.
„Muss ich mir Sorgen machen?“ fragst du.
„Du bist einfach zu ungeduldig“, sagt dein Schweinehund hinter der Tür, „man muss auch mal…“ Ein jämmerliches Geheul ertönt und geht nahtlos in detailreiche Flüche über.
„Was tust du da drin?“ brüllst du.
Der Schlüssel dreht sich im Schloss und die Tür wird aufgestossen. Dein Schweinehund steht krumm vor dir und bewegt sich nicht. „Hilf mir!“ zischt er, eine Pfote am Türrahmen, die andere im Bauchfell vergraben. Eine Seite seines Körpers ist fast kahlgeschoren. Auf dem Rücken steht eine Fellreihe hoch wie ein Irokesenschnitt und im dichten Bauchfell hängt die Haarschneidemaschine, hoffnungslos verheddert. Sie surrt vor sich hin wie ein kleiner Hornissenschwarm. Du brauchst ein paar Sekunden, um zu begreifen, was du siehst, dann greifst du beherzt in die Fellmasse und schaltest die Maschine aus. Dein Schweinehund atmet auf. Dann betrachtet ihr beide die verhedderten Fellbüschel, aus denen die Haarschneidemaschine wie ein seltsamer Griff hervorragt.
„Tja“, sagst du, und verkneifst dir mit fast übermenschlicher Anstrengung das Lachen, „da müssen wir wohl mit der Schere ran.“
„Verdammt“, sagt dein Schweinehund missmutig, „und es ging so gut voran. Ich wollte dich überraschen.“
„Das ist dir gelungen“, sagst du.
„Wie findest du es?“ fragt dein Schweinehund und dreht sich zum Spiegel. „Nicht übel, oder?“
„Doch,“ sagst du, „doch, ganz ok.“
„Nur ok?“ sagt dein Schweinehund gekränkt. „Ich bin doch gut in Form, oder?“ Er posiert mit erhobenen Armen vor dem Spiegel. Die Haarschneidemaschine in seinem Fell zittert ein wenig.
„So?“ sagst du und piekst ihm in das Fellbüschel am Bauch, „und was ist das hier?“
„Ach“, er wedelt mit einer Pfote, „das ist doch nur Fell!“
„Soso“, sagst du. Während du nach der Nagelschere angelst, guckt du ihn nachdenklich an. „Sag mal, willst du auf dem Rücken eigentlich das Fell stehen lassen?“ Vorsichtig schneidest du um die Haarschneidemaschine herum, bis sie wie ein reifer Apfel zu Boden fällt.
„Nö“, sagt dein Schweinehund, „warum sollte ich? Wenn schon, denn schon! Alles muss weg, du kannst dir nicht vorstellen, wie heiß es da drunter ist!“
„Ich dachte ja nur… das würde vielleicht ganz gut aussehen. Es betont deinen Rücken, weißt du?“ Du zupfst Fell aus den Zähnen der Haarschneidemaschine.
Dein Schweinehund starrt dich an. Dann dreht und wendet er sich vor dem Spiegel. Er streicht das Fell von vorn nach hinten, dann von links nach rechts. Dann starrt er dich wieder an. „Manchmal hast du erschreckend gute Ideen. Los, los, lass uns weitermachen, du rasierst und ich halte das Fell straff, und auf dem Rücken kürzen wir es ein bisschen, dann steht es hoch!“ Er sieht begeistert aus, das erste Mal seit Beginn der Hitzewelle.
Du holst tief Atem. Was tut man nicht alles, um seinen Schweinehund bei Laune zu halten. Die Haarschneidemaschine surrt unternehmungslustig los.
„He!“ ruft dein Schweinehund und starrt dich im Spiegel an. „Warum grinst du so?“
„Weil du guter Laune bist“, sagst du.
„Weil du eine gute Idee hattest!“ sagt er und grinst auch.
Du senkst die Zacken der Haarschneidemaschine ins erste Fellbüschel. Mal sehen. Vielleicht bringst du ihn auch noch dazu, sich das Rückenfall grün färben zu lassen. Oder blau?
 



 
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