Der abwesende Vater

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Max Neumann

Mitglied
ich muss nur was erledigen
ich muss nur was erledigen
sagte mein vater früher immer
dann verschwand er stundenlang

wie sonne in der nacht verblich er
er ging jeden abend fort
jahre schmolzen dahin
und er tat stets dasselbe:

mein vater spielte klavier
mein vater spielte gitarre
mein vater sang und trank
mein vater traf frauen

jahre zerschmolzen und ich wuchs
eine stunde hier, zwei jahre dort
peng, jetzt bist du achtzehn
ein gauner ohne vorbild

woosh, wie schnell die zeit verging
flüsse des vergessens in meines vaters augen
er schaute mich an wie ein spiegelbild
sprach mit mir und redete stets über sich

mein vater erzog mich nicht
ich bin ein löwe, weißt du, ich muss stark sein
fühl mich oder nicht; geh oder bleib; sei hetero oder gay
keine rolle spielt es: ich bin mein eigener papa

vaterschaft ist auslegungssache
jeder vater ist fehlerfrei und voller macken
mein vater war abwesend und blieb nicht
nun bin ich selbst vater, in meinen dämonen


 
G

Gelöschtes Mitglied 21296

Gast
ich musste an das lied denken - das hatten wir noch als schallplatte aus ddr-zeiten:
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Eine intelligente Sicht auf die Generationenfolge. Ach, das Ding mit der Einsicht ... Gut, Tissop.

Gruß, blackout
 

revilo

Mitglied
Gefällt mir auch sehr gut . Ich bin als Kind eines vom 2. Weltkrieg traumatisierten Vater aufgewachsen .... darüber habe ich ja hier ja auch etwas gepostet... es tut gut , solche Gedichte zu lesen und zu schreiben ....
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ja, die Väter bleiben einem ein Rätsel.
Ich selbst habe meinen Vater nie wirklich verstanden und versuche mich, jetzt selbst in fortgeschrittenem Alter, langsam anzunähern.

Liebe Grüße
Manfred
 

Ji Rina

Mitglied
Dein Gedicht geht einem nah...Mein Vater musste auch immer irgendwo hin - als ich neun war, kam er nicht mehr zurück.
Und an einen Abschied kann ich mich nicht erinnern.
Lieben Gruss, Ji
 



 
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