Der Bademeister

5,00 Stern(e) 1 Stimme

lietzensee

Mitglied
Der Bademeister

Unruhig standen die Leute um ihn und hörten seine Belehrungen. „Meister“, rief ein Junge und blickte zu ihm auf. Er kämpfte mit den Worten, „Meister, ich ha... hab Angst vor dem Wasser. Aber ich g… g... glaube, es könnte mein Stottern heilen.“
„Das glaubst du?“ Er strich dem Jungen über den Kopf. „Dann sage ich dir, das Wasser wird deine Sprache gesund machen. Was bin ich darum?“
„Du bist ein Idiot“, kam die Antwort von hinten aus der Menge. Die Leute begannen zu tuscheln. Was war das für ein Schwimmkurs? Frauen warfen sich Blicke zu und Männer schüttelten den Kopf.
„Meister“, rief die Mutter des Jungen und drückte ihn an sich. „Er kann doch noch gar nicht schwimmen. Wirst du ihn nicht unterrichten, bevor du ihn ins tiefe Wasser schickst?“
„Er soll die Badehose ausziehen und über den Rand ins Tiefe treten. Das ist meine Lehre.“ Er sah in ihre Gesichter. „Was macht mich das?“
„Zu einer Gefahr für unsere Kinder!“, rief ein Schlauer und trat aus der Menge hervor. Das Grollen der Leute machte ihm Mut. Er hielt alles für Unsinn und wollte den Meister mit einer Frage entlarven: „So sag uns denn, du Meister, wenn ein Nichtschwimmer ins tiefe Becken tritt, ertrinkt er dann nicht?“
Der Meister lachte, „Ich sage euch, das Wasser wird ihm nicht mehr als die Fußsohlen benetzen. Wer bin ich nun?“
„Dann bist du der Fürst der Lügen!“, die Stimme des Schlauen war so wütend, dass die Menge zusammen zucke. Er ballte seine Fäuste.
Der Meister aber stieg auf den Beckenrand und machte einen Schritt nach vorn. Kaum seine Fußnägel tauchten ins Wasser ein und er stand fest über dem tiefen Blau. Ein Raunen ging durch die Menge. Darauf wandte der Meister sich ihnen zu. Das stotternde Kind griff er mit seiner Rechten. Den Schlauen griff er mit seiner Linken und er zog sie zu sich über den Rand.
 
Zuletzt bearbeitet:



 
Oben Unten