Der blaue Drache an meiner Tür

Ava L. Ries

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Es klingelt an der Tür. Sturmläuten. Schnell stehe ich auf und laufe zum Eingang. Ich drücke auf den Summer und das Getöse hört auf. Stattdessen höre ich schnelle, klackende Schritte die Treppe hinaufeilen. Ich warte gespannt an der Eichenholztür, bis sie plötzlich vor mir steht. Sie trägt heute einen schwarzen engen Lederrock, ein purpurrotes Shirt mit dünnen Trägern und hohe lackierte Schuhe. Ihre Haare sind verwuschelt, sodass ihre Locken noch mehr auffallen als sonst. Sie sieht aus wie eine stolze Löwin. Mein Blick wandert wie gewohnt ihren Körper hinunter und die Künstlerin in mir ist immer noch fasziniert von ihrem Tattoo. Ein großer blau-weißer Wasserdrache schlängelt sich ihr Bein entlang nach oben und verschwindet unter ihrem Rock, sodass ich sein Gesicht nicht mehr sehen kann. Aber ich weiß, dass es da ist und mich anlächelt; wie am ersten Tag.
Ihre Augen sehen mich an, doch ihre Lippen bleiben geschlossen, formen nichts, was ich erkennen könnte. Ihre Gesichtszüge lassen mich nicht hinter die dicke Fassade blicken, die sie all die Jahre mühsam aufgebaut hat.
„Natalia“, flüstert sie und meine Ohren horchen auf. Ich warte, bis sie noch etwas sagt. Bis sie mir erklärt, wieso sie hier ist. Bis sie mir alles erklärt.
„Verzeih mir, dass ich gegangen bin. Verzeih mir bitte, dass ich falsche Entscheidungen getroffen habe. Verzeih mir meinen Egoismus und meine Zurückhaltung. Bitte, verzeih mir.“
… .. .
Kann ich das denn? Ihr verzeihen? Ihr Fortgehen, ihre Taten und dass sie sich monatelang nicht bei mir gemeldet hat? Dass ich in dieser Zeit krank vor Sorge war, während meine Familie mir eingeredet hat, ich solle sie loslassen? Kann ich das denn?

Mein Kopf senkt sich und mein Blick wandert zurück zu ihrem Tattoo. Beim ersten Mal dachte ich noch, es könnte auch eine Schlange sein, aber der buschige Schwanz hat mich an die Art Drachen erinnert, die es in der chinesischen Kultur gibt. Und heute kenne ich jede Facette, jede Faser und jede Schuppe dieses mystischen Wesens. Schon so oft habe ich mit meiner Hand über das Muster gestrichen, habe es bewundernd angesehen und mich verliebt; in ihn, in sie.

„Mara“, hauche ich und blicke hoch. Ihre Augen funkeln wie aufgeschäumtes Wasser, das rasend die Berge hinunterfließt. Wie eisige Kälte im warmen Türkisblau. Ich werde mich gleich in ihnen verlieren, das spüre ich. Sie hat diese Macht über mich, immer noch.
„Natalia“, formen ihre Lippen und ich spüre ihre Schuldgefühle. Tief in mir weiß ich, was ich jetzt tun will und was ich tun sollte. Aber was ist das Richtige? Sie loslassen, wie es mir alle monatelang geraten haben oder daran festhalten, dass sie nun mal die Eine für mich ist?

Mit dem letzten bisschen Kraft, was meinem Körper noch bleibt, mit der Sehnsucht, die ich verspüre, wenn ich sie ansehe, mit allem, was ich noch habe… „Ich vergebe dir.“
 

Blue Sky

Mitglied
mit allem, was ich noch habe… „Ich vergebe dir.“
Gut gemacht!:)

Es hört sich aber auch nach einem sehr spannenden Tattoo an. ;)
Allerdings meine ich, dass damit zu rechnen ist, dass so majestätische Drachen und Löwen die Freiheit über alles schätzen und auch eine gewisse Unberechenbarkeit in sich tragen. Das müsste man leben und verzeihen können.

Hatte nur ein paar unnötige Wortdoppelungen entdeckt und auch ob es nun eine Eichentür ist, fände ich belanglos.

LG
BS
 



 
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