Der bunte Lastwagen

Mitschie

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Der bunte Lastwagen

Ich steige die steinigen Stufen zu der Eingangstür eines alten Hauses, es muss wohl mein Zuhause sein, empor und dieser Weg scheint unendlich. Doch auch diese Anstrengung endet nach einer scheinbaren Ewigkeit. Angekommen und vollkommen ausser Atem vernehme ich plötzlich ein Geräusch, ein leises Klingeln, das an einen Eiswagen aus längst vergangenen Zeiten erinnert. Ich drehe mich um und da sehe ich ihn emporsteigen, den grossen bunten Lastwagen. Er ist so gross, dass er die Sonne mit einer nie zuvor gekannten Erscheinung verdeckt. Himmlische Melodien erklingen, Musik aus fernen Galaxien, und niemals zuvor in meinem Leben habe ich so ein schönes Farbenspiel gesehen.Der bunte Lastwagen gleicht einer knallig leuchtenden Luftballon, die sich um seine eigene Achse dreht. Verzückt vernehme ich, wie der bunte Lastwagen synchron zu der himmlischen Musik zu schaukeln beginnt, er tanzt für mich mit einer bewundernswerten und betörenden Leichtigkeit. Es ist wirklich ein erhabener, ja gottesgleicher Augenblick. Die Himmelspforten haben sich aufgetan und beglücken mich mit unvorstellbarer Freude und der himmlische Nektar ergiesst sich über meine, in diesem Moment so unbedeutende Existenz. Doch plötzlich, einen kurzen Moment, einen Atemzug später fängt der bunte Lastwagen zu ruckeln an, er verliert seinen Rhythmus und seine grossen runden Scheinwerfer scheinen nicht mehr, ein Licht nach dem anderen erlischt. Die Farben verblassen, die Musik verstummt, bis nicht mehr ein einziger Ton zu vernehmen ist und dann geschieht das Ungeheuerliche, aber in diesem Moment Unausweichliche. Das Gottesgeschöpf wird dunkler und dunkler, bis nur noch ein schwarzer Klumpen am Himmel zu sehen ist, ein schwarzes Etwas, dass mich mit seinen toten Augen anstarrt und zu seinem Totentanz auffordert.
Dann, in einem Bruchteil einer Sekunde, schiesst dieser Klumpen mit ungeheurer Geschwindigkeit in den Boden. Ein Ohren betäubender Knall, ein greller Lichtblitz und die Atmosphäre füllt sich mit Staub, so dass das Atmen nicht mehr möglich scheint. Mit geschlossenen Augen lange in an mein Ohr, spüre dort eine warme Flüssigkeit und als ich ich es endlich wage, meine Augen zu öffnen, sehe ich das Blut an meinen Fingern, meine Trommelfelle hielten dieser Gewalt nicht stand. Als ich meinen Blick aufrichte erfasst mich eine, noch nie zuvor gekannte Angst. Um mich herum ist alles schwarz, ich schwebe, auf der Steintreppe im Nichts, das Haus ist weg, Bäume und Pflanzen aufgelöst, so als hätten sie nie zuvor existiert. Alles ist verschwunden, nur Dunkelheit, Kälte und Verlorenheit. Meine Welt hat sich erschossen und liegt nun im Sterben und ich schwebe ein letztes Mal auf einer Steintreppe durch meine zerstörte Galaxie, ehemals ein Gott, doch letztendlich bin ich nur noch gefallen.
M.F.
 



 
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