Der depressive Adler

circle08

Mitglied
Ob Vögel wohl depressive Tage haben?

Einfach auf dem Ast sitzen und der Dunkelheit frönen, ihr Gefieder für glanzlos befinden, dem Wald den Rücken kehren, keinen Ton singen und sich beim Fliegen alle paar Meter auf den Boden fallen lassen.

Sich fragen, ob sie denn überhaupt in diesen Wald gehören, ob irgendwer überhaupt weiss, wie es ist, so ein Adler zu sein, obs überhaupt irgendwen kümmert!

Hmpf.

Ob sie dann wohl grummeln und um sich zu hypen ein bisschen in den nächsten Wildbach höckeln und mit dem Po wackeln.

Ob sie stundenlang irgendwo hinstarren und über ihre jungen Jahre nachdenken, ob sies wohl richtig gemacht haben, unbeholfen aus ihrem Nest zu hopsen und zu fliegen.
Sich fragen, ob die Eltern diesen Hops überhaupt gut fanden oder lieber einen anderen Hops, einen höheren und schnelleren gesehen hätten.

Ob sie blöde aufstellende Sprüche lesen, in die Bäume ritzen und sich trotzdem denken, das kack Vogelleben ist einfach kack und scheisse, Kackscheisse und lemon difficult difficult.

Ob sie sich einfach auf den Waldboden legen in raschelnde Blätter, seitwärts und schwer, bereit, von irgendeinem Fuchs verspeist zu werden. Tief seufzen.

Ich denke nicht.

Hast du mal Vögel beobachtet? Wie sie ein zwei Flügelschläge machen und dann ein wenig gleiten? Gelassen, als wäre alles was sie tun, das, was sie tun wollen und Sinn ergäbe? Als würden sie sich nicht quälen und unnötigen Sorgen aussetzen, die ihre Flügel schwer werden lassen.

Wird wohl schon nur menschliches Leid sein, dafür aber ziemlich universell, obwohl es sich doch so unsäglich individuell anfühlt. NIEMANDEM GEHT ES SO, DENN DIE ANDEREN WOLLEN GLÜCKLICH SEIN, DESHALB SIND SIE ES EINFACH!!!

Eine der grössten Illusionen, der ich immer wieder auf den Leim gehe.

Und die einzige Wahrheit ist, dass ich mit meinen Emotionen tanzen sollte, den Tanz den sie gerade für mich vorsehen.
Sie kommen zu mir, fordern mich händereichend zum Tanz auf, ich steh auf und geh auf die Tanzfläche (bleibt mir halt auch schon nichts anderes übrig).

Wenn ich mich dann aber zwinge, zu langsam gefühligen Klängen einen wilden Goatanz zu vollführen, werde ich wohl meiner Tanzperson und in diesem Fall meiner Emotion ziemlich auf die Füsse stampfen (und ich habe weder kleine Füsse noch bin ich ein Federgewicht).
Die ist dann gar nicht erfreut, denn sie fühlt sich nicht gehört oder besser nicht gespürt. Und stellt sich dann mit schmerzenden Zehen quer und beschimpft mich vielleicht auch eine ungspürige Bitch. Hat dann wohl auch keinen Bock mehr auf mich und erzählt den anderen Emos, was für ein Trampeltier ich bin.

Recht hat sie.

Empathie und Verständnis sollte ich ihr gegenüber bringen und im wunderbaren Tanz durch die Dunkelheit wirbeln, der loderndes Feuer in ihr, in mir entfacht und eine Kerze (die brennt ja dann nicht mehr lodernd, aber dafür länger) entzündet.

So.

Aber ich bin ja nun mal kein Vogel. Und würde fliegend ungefähr die graziöse Figur eines Walross im Tütü bieten.
Trotzdem.
Ich nehme die Sorgen und Ängste und Zweifel und Unsicherheiten und Cringe-Momente, all den scheiss Schmerz und bastle Papierflugzeuge draus.

Und dann lass ich sie fliegen.
 



 
Oben Unten