Hagen
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Im Gegensatz zu den Detektiven in den guten Filmen, die immer verkatert und gegen Mittag aufwachen, erwachte ich früh am Morgen, frisch und ausgeruht.
Erst mal Brötchen holen und ausgiebig frühstücken.
Ich hatte irgendwas von Affen geträumt, und dann zügelte ich die scheuenden Pferde unserer obskuren Beziehung, und dann war da noch was mit einer Trejo-Selbstladepistole.
Beim Frühstück schaute ich nochmal in die Unterlagen über den Hellinger. Da war was mit einer Trejo, auf die er übrigends sehr stolz war.
Egal, ich sah mir die Daten an und dachte an Kitty.
Wie es ihr wohl ging?
Sollte ich nicht lieber sie suchen, anstatt für irgendeinen Blödmann eine Feier zu organisieren während derer ich einen Hubschrauber klauen sollte?
Doch an der Feier war ich dichter dran, als nach Kitty zu suchen, was ungefähr der berühmten Suche nach der Büroklammer im Scheiterhaufen nahe kam, oder war es die Nadel im Heuhaufen?
Egal, ich war jedenfalls noch nicht ganz wach, aber das änderte sich bald. Ich sollte öfter ohne was zu trinken ins Bett gehen.
Ich nahm mir noch etwas Geld aus dem Flipper und fuhr los, zum Hellinger.
Dieser Hellinger hatte sich einen gewaltigen Landsitz an den Waldrand gebaut, so richtig mit Herrenhaus und allem drum und dran.
‘Alles durch Waffenhandel finanziert und mit dem Leben unzähliger Soldaten und Zivilisten erkauft‘, dachte ich.
Ich kniff die Augen kurz zusammen, während ich meinen Wagen vor dem gusseisernen Tor stoppte, mein Laguiole - Messer unter den Beifahrersitz legte, zur Uhr sah, den Schlips gerade zog und ausstieg.
Ich senkte meine Daumen auf den Klingelknopf und wartete. Das Objektiv einer Kamera surrte in meine Richtung.
"Ja, bitte?"
Eine Frauenstimme aus dem Lautsprecher im Torpfosten.
"Verweegen, Hartmut Verweegen. Ich habe einen Termin mit Herrn Hellinger."
"Moment bitte."
Etwa eine Minute zerrte sich dahin.
"Kommen sie bitte."
Das Tor schwang auf. Ich stieg wieder ein und fuhr langsam den Kiesweg entlang. Engel mit Rosen, Füllhörnern und Harfen standen längs des Weges. Zwischen den beiden marmornen Löwen links und rechts der Treppe vor dem Hauptportal hielt ich an, stellte den Motor und zog die Schlüssel ab, griff meine Aktentasche und stieg aus.
In der Tür erschien eine Frau. Seriöse, beige Bürokleidung, kurze Frisur, keinen Schmuck, dezent geschminkt.
Ich ging langsam, blieb eine Stufe unter ihr stehen, unsere Köpfe waren auf gleicher Hohe. Ich lächelte und wartete auf ihr Begrüßungslächeln.
Es kam.
"Hallo", sagte ich, "ist Herr Hellinger wohl zu sprechen?"
"Es dauert noch einen Moment. Kommen sie bitte mit."
Sie behielt ihr Lächeln bei, bis wir in die Empfangshalle traten. Ein leiser Gong ertönte.
"Sie führen Metall bei sich, Herr Verweegen. Darf ich bitten?"
Die Lächlerin hielt mir eine Schale vor. Ich legte meine Autoschlüssel, Portemonnaie und meine Uhr hinein.
"Würden sie nochmal durch die Tür treten?"
"Herzlich gerne."
Ich ging raus und kam wieder rein. Kein Gong. Ich steckte meine Sachen wieder ein.
Alles weiß, die Treppe, der Kamin, die Marmorstatue, eine Jungfrau, oder was auch immer, darstellend, die im Begriff ist, ins Bad zu steigen. Die Chippendalestühle und der Rahmen der Weltkarte an der Wand.
"Nehmen sie doch Platz!"
Die Lächlerin wies auf einen der Stühle.
"Wärmsten Dank."
Ich setzte mich, die Lächlerin entfernte sich und kam kurz darauf wieder:
"Dürfte ich schon mal ihre Karte haben?"
"Selbstverständlich."
Ich gab ihr eine meiner Partyservicekarten.
Sie ging wieder.
In die Weltkarte waren Nadeln gestochen, hübsch bunt, kleine, dünne, große, dicke, raue, blanke. Sicher war ein Mikrophon dabei.
Ein Teller war auf des Kamins Rauchabzug angebracht, Hochglanzmuster, unebener Boden, sicher war eine getarnte Kamera dahinter. Mit einem entsprechenden Weitwinkelobjektiv konnte man den ganzen Raum erfassen.
Na, gut.
Ich klappte meine Aktentasche auf, entnahm ihr den Katalog und blätterte mit wichtigem Gesicht darin herum.
Ich blätterte so lange, bis die Lächlerin wieder kam.
"Herr Hellinger lässt jetzt bitten."
Ich packte den Katalog wieder ein.
"Wenn sie mir bitte folgen wollen.“
"Ihnen folge ich wohin sie wollen, schöne Frau."
Ihr Lächeln vertiefte sich gequält, es blieb wie festgemeißelt bis sie an eine Tür klopfte, sie einen Lidschlag später öffnete und mich anmeldete.
Ich betrat des Hellingers Arbeitszimmer. Auch alles weiß. Einige Bilder an den Wänden, Leute, die irgendwelche Gewürze ernteten - und ein Gewehr hinter dem Hellinger an der Wand.
"Herr Hellinger."
"Herr Verweegen."
Geschäftsmäßiges Händeschütteln.
Stahlblaue Augen ruhten auf mir. Solarbräune, heller Haarkranz und Lippen mit leicht nach oben gebogenen Mundwinkeln.
Wir gingen zu der Sitzgruppe am Fenster, setzten uns.
Ganz locker.
Hellinger verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
Na, mein Junge, dann lass 'mal hören!
Er trug einen italienischen Anzug in konventionellem Schnitt, seiden glänzende, blaue Krawatte, unten dunkel, oben hell mit fließendem Übergang und unregelmäßigem Pünktchenmuster. Blau gestreiftes Hemd, goldene Cartier, goldener Siegelring.
Die Hand mit dem Siegelring spielte mit meiner Besucherkarte.
"Sie haben keine Adresse und keine Telefonnummer auf ihrer Karte, Herr Verweegen."
Ich blieb ihm gegenüber in neutraler Haltung sitzen:
"Stimmt. Meine Telefonnummer ist: 0421 5252525. - Sie haben also am Wochenende eine Feier mit fünfzig Personen oder so vor. Ich nehme an, im Garten. Das Wetter wird gut sein."
"Woher wissen sie das?"
Hellinger schrieb die Telefonnummer auf die Rückseite der Karte.
"Wir haben Verbindungen zu sehr zuverlässigen Meteorologen. Das gehört schließlich dazu. Sollte das Fest ins Wasser fallen, entstehen ihnen keine Kosten."
"Sie sind sich ja sehr sicher."
"Sonst wurde ich ihnen abraten, im Freien zu feiern. - Wollen wir mal eben kurz die Details besprechen?"
Ich legte den Katalog auf den Tisch.
"Sie machen das schon. Diese Details besprechen sie bitte mit Frau Haigel."
Hellinger legte die Hand auf den geschlossenen Katalog.
'Nerv' mich doch nicht mit diesem Kram.'
"Sie haben was von aufgeschlossenen Frauen gesagt, wie soll das aussehen?"
"Wir werden einige Damen in durchsichtigen Blusen mitbringen, die gelegentlich mal einen Strip machen oder zu gegebener Zeit in den Pool fallen."
"Was heißt zu gegebener Zeit?"
"Sehen sie mal, Herr Hellinger, jede Party hat gewisse, sagen wir mal, 'Tiefpunkte', die werden von unseren Damen dann auf ihre Weise überbrückt; - sie verstehen?"
Hellinger hob die Oberlippe, ich konnte die nackten Mädchen förmlich sehen, die er sich vorstellte.
"Kostet natürlich 'nen Euro mehr, als eine übliche Party", setzte ich einen in seine Vorstellungen.
Hellinger winkte ab:
"Kann ich die Damen vorher sehen?"
"Wird sich machen lassen. Sagen wir Donnerstag?"
"Warum nicht Morgen?"
"Morgen haben wir einen anderen Termin. Partys finden meistens, wenn nicht am Wochenende, an einem Mittwoch statt. Tut mir leid, Herr Hellinger."
"Naja, macht ja auch nichts. Dann eben Donnerstag. Sagen wir gegen 20 Uhr?"
"Ist mir recht."
Das war der klassische Zwischenabschluss.
Hellingers Hand legte sich auf die Sprechanlage.
"Sie trinken doch eine Kleinigkeit?!"
"Sehr gerne, danke schön."
Die Hand sackte auf den Sprechknopf:
"Frau Haigel, bitte Kaffee."
Eine Pause, eine peinliche Pause schien sich anzubahnen.
Die hatte ich jetzt zu überbrücken, bevor der Kunde auf dumme Gedanken kam. Am besten, man spricht aus der Situation heraus des Kunden Hobby an. Das Gewehr an der Wand drängte sich förmlich auf.
"Lee-Enfield?" fragte ich und deutete auf die Waffe.
"Genau", sagte Hellinger, "Original l907."
Hellinger stand auf, nahm die Waffe von der Wand und zeigte sie mir.
"Ah, ja. Das englische Standardgewehr im Weltkrieg eins. Kaliber .303 wenn ich mich nicht irre. Mk III mit oder ohne Sternchen?"
"Ich sehe, sie verstehen da was von. Das ist ein Modell No. I MkII1. Sie erkennen das an der Long Range-Visierung und der an der rechten Seite angebrachte Vorrichtung, mit der man die Patronenzufuhr aus dem Magazin Während des Repetiervorganges unterbrechen kann."
"Interessant."
"Nicht wahr?"
Die Lächlerin brachte Kaffee und Cognac. Sie schenkte ein und ging.
Hellinger hängte die Waffe wieder an die Wand. Wir setzten uns in die Sitzgruppe.
Pause.
Wir tranken.
"Haben sie noch mehr historische Waffen, Herr Hellinger?"
"Aber sicher. Sogar eine Kalaschnikow AK-74 und eine original Schmeisser MP 36. Hergestellt bei ERMA, C. G. Haenel in Suhl. - Aber schauen sie mal."
Hellinger sprang auf, ging zu seinem Schreibtisch, nahm etwas heraus und kam mit einer Pistole in der Hand wieder.
"Raten sie mal!"
Er legte die Waffe auf den Tisch, die rechte Seite nach oben.
Eine Pistole mit Perlmuttgriff.
Ich grübelte angestrengt, irgendetwas von der privaten Waffensammlung hatte in der Akte des Hellingers gestanden, auch etwas von einer seltenen, mexikanischen Pistole.
"Wenn sie mir den Hersteller nennen, haben sie den Auftrag."
Hellinger bleckte die Zähne.
In mir stieg ein Alptraum auf: Schule. Vokabelarbeit.
Trotz Paukens fielen mir einige Vokabeln immer erst hinterher wieder ein, wenn die kleinen, schwarzen Hefte abgegeben waren.
Am nächsten Tag pflegte mir die Englischlehrerin mit den zerknitterten Mundwinkeln zu erzählen, dass ich ja wohl stinkend faul sei. Sie kannte nur Extreme - sehr fleißig oder stinkend faul. Sie pflegte sogar später zu den Klassentreffen zu latschen und zu erzählen, wie stinkend faul wir doch damals alle gewesen waren, und die blöden Idioten, die mit mir die Schulbank gedrückt hatten, und aus denen trotzdem was geworden war, wie Anwalt oder Steuerberater, lachten auch noch.
"Na, was sagen sie?"
Hellingers Blick war lauernd.
"Eine mexikanische Waffe, ja?"
Er nickte langsam.
Ich hatte mir eine Eselsbrücke gebaut, Trio auf Trebe, ein 'j' war noch drin.
Die Sprechanlage summte, ein Mann wollte Herrn Hellinger sprechen.
"Entschuldigen sie mich einen Moment."
Hellinger ging raus.
Ich drehte die Pistole nicht um, möglicherweise war hier auch eine Kamera im Raum.
Langsam trank ich den Cognac. Warm und Weich floss er in mir herunter. Der Druck ließ etwas nach. Trio auf Trebe, und ein 'j‘ dabei.
'Trejo' fiel mir in dem Moment ein, in dem Hellinger wieder kam.
Er schaute etwas grimmig drein.
"Herr Verweegen", sagte er, "ich glaube kaum, dass wir ins Geschäft kommen."
"Unter Gentlemen sollte man sein Wort halten", sagte ich, "hier auf dem Tisch liegt eine Trejo-Selbstladepistole, Modelo 2 Especial in .22 L.R.", ich machte eine Pause und stieß meine Zunge von innen in die Wange, "richtig?"
"Richtig."
"Also habe ich den Auftrag."
Die Augen Hellingers verengten sich, irgendetwas musste draußen in Zusammenhang mit mir passiert sein, was ihm nicht gefallen hatte.
Ich setzte einen nach:
"Herr Hellinger, bei ihrem letzten Geschäft, und ich meine nicht die Sache mit dem Kümmel und dem grünen Pfeffer, haben sie sich auch sehr fair gezeigt.“
"Ich weiß nicht, wovon sie sprechen."
"Stichwort Maverick! Huges AGM 65K Maverick! Die AGM-65K ist mit einem TV-Zielsuchkopf im Bug und einem Hohlladungsgefechtskopf ausgestattet. - Manchmal ist allerdings schwer festzustellen, ob die Maverick nur auf dem Papier abgefeuert wurde, oder ob sie auch wirklich unter einer Grumman A-6B 'Intruder', oder einem ähnlichen Flieger, hing. Es gibt Leute, die benutzen die ‘papiermäßig‘ abgefeuerten Raketen als - sagen wir mal 'Handelsware'."
Hellingers Augen gingen auf, etwas mehr als normal, und fielen dann wieder in ihren normalen Öffnungswinkel zurück.
"Ich denke", fuhr ich fort, "wir sollten langsam zu einem zivilisierten Engagement kommen. Wir richten Partys als Plattform für lukrative Geschäfte aus; - für Leute, die sich fair verhalten und in der Lage sind, auch zu zahlen. – Nicht mehr und nicht weniger! Deshalb sind wir auch an sie herangetreten! Durch gewisse Informationen sind wir in der Lage, uns unsere Kundschaft aussuchen zu können; - sie verstehen?"
Ich legte ein geschäftsmäßiges Lächeln unter mein Bärtchen.
"Warum eigentlich nicht", sagte Hellinger.
"Sehr gut, Herr Hellinger", ich klemmte mir meine Aktentasche unter den linken Arm, "wir sehen uns dann also am Donnerstag, Details besprechen."
Geschäftsmäßiges Händeschütteln.
Ich ging wieder raus - mein Auto war weg.
Da stand ich nun zwischen den beiden Marmorlöwen und fluchte in mich hinein.
Verdammtes Scheißspiel!
Alles war bis jetzt so gut gelaufen, und jetzt klaute mir dieser verdammte Hellinger auch noch mein Auto - oder besser, er ließ klauen.
Ich stand da, wie der Mann mitten in der Wüste, der den letzten Tropfen Wasser aus seiner Feldflasche gekippt und den Kompass verloren hatte.
Ich überlegte mir, ob ich jetzt schon versuchen sollte, dem Hellinger den Hubschrauber zu entführen, aber der stand sicher in dem Hangar bei der Sammlung Militärfahrzeuge, ich hätte ihn unmöglich alleine herausbekommen und starten können.
Zudem wusste ich noch nicht, wohin damit.
Als ich denn da so stand und innerlich fluchte und grübelte näherten sich von hinten Schritte.
Ich drehte mich um.
Die Lächlerin.
Ich klimperte mit meinen Autoschlüsseln, hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
"Ach, entschuldigen sie", die Lächlerin wurde zur Grinserin, "Krüger wird ihnen den Wagen sicher gleich bringen. Herr Hellinger liebt es nicht sonderlich, wenn ungepflegte, ausländische Fahrzeuge vor der Eingangstreppe herumstehen."
"Ach so."
Mir fiel in diesem Moment kein dummer Spruch ein, und vor einem halben Jahr oder so war ich durch die Waschanlage gefahren.
Tatsächlich wurde mein Auto in diesem Moment vorgefahren.
Aus stieg ein Mann mit kurzen Haaren, feistem Grinsen und einer Chauffeuruniform, die in ihrem Schnitt verzweifelt an die Gewandung der Waffen-SS erinnerte.
Das war also Herr Krüger!
Irgendetwas über diesen Menschen stand auch in der ‘Akte Hellinger‘.
Krüger behielt das Grinsen bei, als er mir die Tür aufhielt.
"Guten Tag, Herr Krüger", sagte ich, "soweit ich mich erinnere, hatte ich den Schlüssel abgezogen."
"Wo liegt da das Problem?" fragte der Kurzhaarige, "ach, ehe ich es vergesse: Sie werden ein neues Lenkradschloss brauchen. - Mit einem deutschen Fabrikat wäre ihnen das sicher nicht passiert."
"Wieso? Sie fliegen doch auch einen amerikanischen Hubschrauber, einen Bell UH1 D 'Huey', wenn ich mich nicht irre."
"In der Tat. Ein ausgezeichnetes Gerät. Vietnamerprobt. Manchmal bringe ich ihn sogar in die Luft! - Hier, ihr Spielzeug."
Mit behandschuhter Hand reichte er mir mein Messer. Das war es also, was den Hellinger etwas gegen mich aufgebracht haben musste.
"Tausend und einen Dank, junger Mann", ich nahm die ‘Waffe‘ und stieg ein, "eine hübsche Frisur haben sie. Macht das der Gärtner?"
Während das Grinsen auf des Chauffeurs Gesicht nahtlos in einen grimmigen Ausdruck überging, fuhr ich los und zu einem Café, mein zweites Frühstück einnehmen.
Auch diese Nummer war glatt durchgegangen, naja, wenigstens relativ glatt.
Langsam wurde mir die ganze Sache unheimlich, und ebenso langsam fing die Nummer an mir Spaß zu machen.
Ich fuhr nach dem zweiten Frühstück eine Weile durch landschaftlich reizvolle Gegend, hielt bei einem Schreibwarenladen und ging hinein.
"Einen Mietvertrag möchte ich gerne, haben sie sowas?"
Ein bleicher Mann mit Kittel und Halbglatze nickte, öffnete einige Schubladen, schüttelte den Kopf und rief: "Helga! Wo haben wir die Mietverträge?"
"Zweitunterste links", antwortete eine Frauenstimme.
"Da sind sie nicht!"
"Natürlich sind die da."
"Hab' ich eben nachgeguckt, da sind sie nicht."
"Moment mal."
Eine Frau in rot geblümtem Haushaltskittel kam rein.
"Was kannst du denn wieder mal nicht finden?"
"Die Mietverträge."
"Ach, die Mietverträge. Die sind doch unten links."
"Da sind die nicht."
"Natürlich sind die da. Warte mal."
Die Frau bückte sich und kramte rum.
"Hab' ich dir doch gleich gesagt, dass die da nicht sind", sagte der Mann.
"Hier sind sie doch", die Frau hielt die Formulare hoch, "du musst wieder nachbestellen, habe ich dir auch schon hundertmal gesagt."
"Die lagen aber Rechts!"
"Das ist doch egal wo die lagen. - Wollen sie hier eine Wohnung mieten, junger Mann?"
"Ja, bei Meiers. Aber nur ein Zimmer."
"Welchen Meiers? Wir haben hier drei Meier. Aber dass einer davon vermietet?"
"Wie hieß die Dame denn noch mit Vornamen", ich klopfte mir an die Stirn, „ich habe den Kopf ein bisschen voll, der Umzug und die neue Arbeitsstelle und dann hat meine Frau auch noch die Scheidung eingereicht …"
"Annegret?"
"Ja, Annegret war es, glaube ich. Ja, richtig Annegret, eine nette Frau.“
"Ja, das stimmt. Mir hat sie aber nie erzählt, dass sie Zimmer vermietet. Groß genug ist ihr Haus ja, seit ihr Thorsten ausgezogen ist. Der hat eine Freundin und eine Arbeit in der Stadt gefunden, Paketzusteller, naja, das ist auch kein leichter Job."
"In der Tat. - Sagen sie, ist denn der Herr Lüdenscheid Bürgermeister geworden?"
"Lüdenscheid?"
"Ja, Lüder Lüdenscheid, er stammt von hier, ich bin mit ihm zur Gewerbeschule gegangen, spanabhebende Metallbearbeitung, er wollte noch den Schweißerbrief machen, vor zwei Jahren haben wir uns zufällig wieder getroffen, da hat er mir gesagt, dass er hier kandidieren wollte."
"Lüdenscheid? Nee, nie gehört. - Der Vossmeier ist hier Bürgermeister, schon immer, den kriegt auch keiner weg."
"Dann hat der Lüder wieder mal gesponnen. Naja, hat er schon immer getan. Was bekommen sie denn jetzt für den Vertrag?"
Ich zahlte und fuhr weiter, fand schließlich ein einsames Gehöft mit einer schönen, großen Scheune und fuhr vor das Wohngebäude.
Dort blieb ich eine Weile stehen, bis eine Frau mit Schürze und rotem Gesicht aus dem Haus trat.
"Guten Tag, schöne, junge Frau. Verweegen von der Air Force. - Ist der Besitzer dieses Anwesens denn wohl bitte grad mal zu sprechen?"
"Der Hof gehört mir, wieso?"
"Prächtig! Sie sind uns von Herrn Bürgermeister Vossmeier als sehr kooperativ empfohlen worden. Besteht die Möglichkeit, dass wir für circa vierzehn Tage ihre Scheune mieten?"
"Wieso?"
"Im Zuge unserer Übung 'Cool Linghting' müssen wir einen Hubschrauber für wenige Tage verschwinden lassen. Zu diesem Zweck würde ich ihre Scheune gerne mieten."
Ich fingerte meinen Air Force-Ausweis heraus und hielt ihn der Frau vor.
"Währen fünfhundert Euro für vierzehn Tage recht? Da sind sie mit Schokolade begossen, meine Liebe."
"Ich weiß nicht, aber wenn der Bürgermeister …“
"Brauchen sie die Scheune denn jetzt?"
"Eigentlich erst im Herbst."
"Na, ist doch fein. Der Chopper wird am Wochenende eingestellt, steht da eine Woche bis zehn Tage, und ist ruck-zuck wieder weg. Sie sind um fünfhundert Euro reicher, ist das nichts?"
"Ja, aber einen Hubschrauber …“
"Was haben sie gegen Hubschrauber? Mit Hubschraubern sind schon viele Menschen gerettet worden."
"Und wenn was kaputt geht? Wenn der abstürzt?"
„… wird ihnen die NATO den Schaden ersetzen, das wissen sie doch!"
"Na, gut. Aber nur für zwei Wochen!"
"Längstens. - Ich habe hier einen Mietvertrag mit.“
"Ist der auch nicht auf Englisch?"
"Möchten sie lieber einen auf Englisch? Ich habe extra einen ganz normalen, handelsüblichen Vertrag mitgebracht. Die Bürokratie der Übersetzerbüros verteuert die ganze Sachen ja nur. Und dann kommen die Bürgerinitiativen wieder entlang und erzählen einen von der Verschwendung von Steuermitteln - naja, irgendwie haben die ja auch recht, meinen sie nicht auch?"
"Das sagen sie?"
"Warum denn nicht? Wir sind ja gar nicht so. Wissen sie was? Der General hat mir erlaubt, bis siebenhundert Euro zu gehen, die tragen wir doch einfach mal ein! Bei 'Wohnung' schreiben wir 'Scheune wie gesehen' und der Fall hat sich, meinen sie nicht auch?"
"Wann kriege ich denn das Geld?"
"Sofort und in bar. Die Steuer brauch' auch nichts davon wissen, weil die Sache einer gewissen Geheimhaltung unterliegt - Sie verstehen? - Dass sie niemandem erzählen, auch nicht dem Bürgermeister, der darf offiziell nämlich auch von nichts wissen, dass die Air Force ihre Scheune gemietet hat, ganz einfach. Wenn‘s rauskommt, müssen sie das Geld auch versteuern, is' klar, nicht wahr?“
Ich zog die Scheine heraus, zählte siebenhundert Euro ab und reichte sie der Inhaberin des Hofs. Ich füllte den Mietvertrag auf der Haube meines Autos ganz
aus, drehte ihn herum und legte den Kuli drauf.
"Sie brauchen nur noch zu unterschreiben."
Die Frau mit dem roten Gesicht nahm erst die Scheine, hielt sie gegen das Licht, zählte nach, steckte sie in die Kitteltasche und unterschrieb.
"Vielen Dank, Frau …?“
"Blome! Kann man das denn nicht lesen?"
"Jetzt, wo sie's sagen."
Ich trug den Namen in den Vertrag ein und ließ mir ihre genaue Postadresse geben.
„So, das war’s eigentlich. Ich gucke mir die Scheune nochmal eben mal von innen an. Nicht dass sie vollgerummelt ist, dann hat der Chopper nämlich keinen Platz!“
Die Scheune gähnte mir tatsächlich leer entgegen.
Ich winkten Frau Blome noch zu und fuhr los, erst mal Kaffee trinken und nachdenken.
Da war noch eine Frau vom Hoffstett zu leihen, aber das konnte ich erst am Abend machen, vorher musste mir noch was einfallen, denn der Bell UH 1 hat Kufen!
Wie sollte ich den in die Scheune kriegen?
Ich trank Kaffee und fuhr zur nächsten Autobahnabfahrt. Dort war einer, der mit Paletten handelte, und ich kaufte vier gut erhaltene solche. Die vier Teile passten ganz knapp, nachdem ich die Rücksitze umgeklappt hatte, in meinen Wagen.
In dem nächsten Baumarkt wollte ich sechzehn massive Lenkrollen, vierundsechzig Schlossschrauben, einen Bohrer und einen neuen Akkuschrauber erwerben.
Langsam ging die Sache ins Geld, - aber Kitty war mir das wert.
Hoffentlich ging es ihr noch gut!
Als ich in dem Baumarkt meinen ersten Orientierungsblick in die Runde warf, traf dieser auf meinen ehemaligen Deutschlehrer, der mir mal eine Fünf verabreicht hatte, weil der feige, hinterhältige Meuchelmord eines gewissen Wilhelm Tell an einem braven Steuerbeamten namens Geßler nicht meine grenzenlose Begeisterung gefunden hatte.
Als ich dann auch noch mal kurz erwähnte, dass es selbst ein Ghostwriter der heutigen Zeit es als unter seiner Würde erachten würde, mit einer derartigen Story zu landen, verdonnerte mich dieser 'Liebhaber der klassischen Literatur' dazu, die 'Glocke' dreimal abzuschreiben, um endlich zu einer 'vernünftigen' Einstellung zur klassischen Literatur zu kommen.
Das gelang ihm insofern, als dass klassische Literatur auf mich fortan die gleiche Wirkung hat, wie eine Pinte Rizinus auf nüchternen Magen.
Dafür rächte ich mich furchtbar, indem ich ihm, während meines Einkaufes, in einem unbeobachteten Augenblick einige ebenso kleine wie teure Spezialfräsköpfe, die er nie würde gebrauchen können, in seinen Einkaufswagen zu einer Grundausstattung zum Laubsägen mit entzückenden fix und fertig vorgemalten Märchenmotiven, legte.
Ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass er ein neues Hobby gefunden hatte, nachdem sich Malen nach Zahlen als geistig zu anspruchsvoll für ihn erwiesen hatte.
Leider erkannte er mich, als ich mich an der Kasse hinter ihm anstellte und wollte lautstark wissen, was denn wohl so aus mir geworden sei, bei meinen schlechten Deutschleistungen.
Die Köpfe aller in der obligaten Schlange vor der Kasse Stehenden drehten sich zu uns.
"Ich bin Patrick Süßkinds Ghostwriter", sagte ich ohne rot zu werden, "außerdem schreibe ich Science-Fiction-Romane. Wie sie sicher wissen, nennt man mich in Fachkreisen inzwischen 'die deutsche Antwort auf Larry Niven'."
Er wusste nichts davon, auch nicht, wer Larry Niven ist, und ich erwähnte, dass es mehr eine Insiderinformation für Leute, die was von Literatur verstünden, sei.
Er bezeichnete Science-Fiction als Weltraumspinnerei, obwohl ich ihm erklärte, dass gute Science-Fiction ja wohl das Ganzheitliche begreifen, Zusammenhänge herstellen und konsequent weiterdenken würde, was hier und jetzt angefangen worden ist.
Der Deutschpauker lehnte Science-Fiction ab, weil keiner der beiden Herren Goethe und Schiller je sowas von sich gegeben hatten.
Als ich vermutete, dass diese sicher auch dazu zu blöde gewesen seien, weil man für Science-Fiction nun mal Geist, Phantasie und schöpferisches Denken braucht, war der Herr Lehrer etwas ungehalten.
Mittlerweile an der Kasse, versuchte er die Spezialfräskopfe verschwinden zu lassen, aber ich fragte ihn nicht minder lautstark, wie seine Erwähnung meiner schlechten Deutschleistungen, ob er sich derartige Teile nicht leisten könne, und bot ihm an, ihm doch mal mit hundert Euro auszuhelfen, schließlich könne man ja seinen ehemaligen Deutschprofessor ja nicht einfach so hängen lassen.
Als ich 'Professor' erwähnte, wurde der gute Mann ein Stückchen größer, murmelte "lächerlich" und steckte mit stolz geschwellter Brust seine Karte in das Lesegerät.
"Und grüßen sie dem Dativ", sagte ich zum Abschied.
Wieder zu mir nach Hause und die Paletten in den Keller tragen, die Rollen wollte ich nach dem Essen drunter schrauben, ich hatte ja noch zwei Steaks, die wollte ich mir zubereiten.
Unterwegs traf ich Männe, und der wollte wissen, was ich denn mit den Paletten
so vor hatte.
"Rollen dran schrauben“, sagte ich.
"Warum willst du denn da Rollen dran schrauben?"
"Ich will da mit einem Hubschrauber drauf landen und diesen dann auf den Paletten in eine Scheune hinein schieben."
"Warum das denn?"
"Weil der Huey, das ist nämlich des Hubschraubers Typ, Kufen hat und keine Räder. Wie soll ich diesen denn sonst wohl in die Scheune hinein kriegen? Beamen vielleicht?"
"Ich glaube, du siehst zu viel Science-Fiction."
"Science-Fiction kann man nicht genug sehen. Science-Fiction-Schreiber sind die großen Vordenker unserer Zeit. - Sag' mal, hast du denn vielleicht auch mal 'n Moment Zeit, mir zu helfen, diese blöden Rollen unter die doofen Paletten zu schrauben?"
"Klar", nickte Männe, ging weg und kam mit einem Damenfahrrad, einer Bohrmaschine, einem Bohrer und drei Dosen Bier wieder,
"Willst du auch eins?"
"Kein Bier vor vier", sagte ich.
"Willst du das Fahrrad haben? Achtzig Euro. Hab' ich von Robert, hat mal seiner Frau gehört, aber die ist ja nun weg, da braucht er das nicht mehr. Hier, hab' ein neues Tretlager eingebaut."
"Bin ich 'ne Frau?"
„Also brauchst du kein Fahrrad. Hätte ja sein können.“
„Eben.“
"Dann wollen wir mal", sagte Männe, riss eine Dose Bier auf, aktivierte die Bohrmaschine und stellte sie wieder aus.
"Ich hab' ja noch 'n Akkuschrauber, aber den hab` gerade Klaus Dieter geliehen, weißt ja, der aus dem fünften Stock. 'will Deckenpaneele anbringen, schon vor vierzehn Tagen, aber jetzt isser nach Wiesbaden runter, weil seine Firma …“
“Können wir denn mal", unterbrach ich, "ich stehe ein Wenig unter Zeitdruck. Zeit zum Quatschen zu haben, ist das Privileg der Frauen."
"Hast Recht", sagte Männe.
„Außerdem habe ich einen Akkuschrauber. Ist allerdings noch im Wagen, ich hol ihn mal eben.“
Männe bohrte, ich schraubte, und nach kurzer Zeit hatten wir je vier Lenkrollen pro Palette angebracht.
"So, kannst' wieder einladen", sagte Männe und zerdrückte die letzte, inzwischen leere Dose, "nun mal im Ernst, wofür brauchst du die Dinger?"
"Wir wollen einem beim Umzug helfen, und da wollen wir Kühltruhe, Schrankwand, Waschmaschine und so drauf entlang karren, du verstehst?"
"'türlich. Braucht ihr noch jemanden?"
"Ach, lass hängen, das schaffen wir schon. - So, jetzt sollten wir erst mal einen anständigen Kaffee trinken, und dann bringen wir die Teile weg."
Männe wollte keinen Kaffee, er hatte noch was zu erledigen, jemandem helfen, bei seiner Parzellenbude neue Fenster einsetzen, aber er half noch mit, die Paletten in den Wagen zu laden.
Im Grunde war er ja ein netter Kerl.
Und dann brachte ich die Paletten zu Frau Blome auf den Hof, stellte sie in die Scheune, ‘ich hätte die Dinger eigentlich noch NATO-Oliv streichen müssen und sie mit einer Versorgungsnummer versehen, aber egal jetzt‘, dachte ich, und machte die Scheune wieder zu.
Danach kurz tanken und wieder nach Hause.
Zuhause lief ich Männe, dem arbeitslosen Binnenschiffer in die Arme und der fragte mich, ob ich denn mal eben mithelfen würde, eine Bank rauftragen, sie ginge nicht in den Fahrstuhl. Er hätte ja eigentlich bei der Parzellenbude helfen wollen, aber der Typ war nicht gekommen.
Sowas passierte den Detektiven in normalen Krimis auch nie, aber was war denn schon normal bei mir?
Ehrensache unter Nachbarn, und wir asteten eine Gartenbank vier Treppen hoch, in Männes Wohnung, stellten sie ab und dann fest, dass sie nicht durch die Balkontür passte.
Männe wollte die Bank morgen auseinander bauen und auf dem Balkon neu verleimen.
"Willste 'n Bex?"
"Klar."
Zisch, Zisch.
"Prost", sagte Männe.
"Prost", sagte ich.
Das Bier lief wunderbar herunter. Eine Tür krachte zu.
Rein kam Mannes dicke Frau mit drei Kindern, eins auf dem Arm, eins am Rock und eins so, das lief gleich zum Fernseher und schaltete ein.
"Frau Renken will sich scheiden lassen", sagte Männes dicke Frau und parkte eins der Kinder auf dem Sessel, das andere ging in die Küche, donnerte mit dem Kühlschrank rum und kam mit einem Töpfchen Joghurt wieder, halb aufgerissen und bereits mit verschmiertem Mund.
"Ich hab's ja schon immer kommen sehen", sagte Männe und setzte die Bierdose wieder an, “Auslieferungsfahrer beim Fruchthof, um drei aufstehen, da muss die Ehe ja kaputt gehen!"
Das eine Kind begann, mit Joghurt rumzukleen, das andere wollte einen Schnuller oder sowas, der Fernseher dröhnte und Männes dicke Frau wollte die Bank aus dem Wohnzimmer haben, auf dem Balkon auch nicht und überhaupt nirgends, und ich sollte sie gefälligst wieder mitnehmen.
Männe verzog sich, ich stand da und konnte nicht weg, weil Männes dicke Frau in der Tür stand.
"Wieso, das ist doch nicht meine Bank", sagte ich und nahm noch einen Schluck Bier.
"Das ist mir doch egal, aber du hast sie doch hochgetragen."
"Ich hab' Männe nur geholfen."
"Wieso denn?"
"Wieso denn nicht? Männe hat mir doch auch geholfen und Möbel getragen, als ich hier einzog. Und dann hat er mir auch noch mit den Paletten geholfen."
"Aber du kannst doch hier deswegen nicht einfach deine Bank abstellen."
"Das ist doch gar nicht meine Bank."
"Wem gehört die denn?"
"Das weiß ich doch nicht. Ich nehme an, Männe."
„Wieso trägst du die denn dann hier rauf?"
"Weil Männe die hier rauf haben Wollte. Und da dachte ich: 'hilfste doch mal mit'."
"Wo hat Männe die Bank denn her?"
"Weiß ich nicht."
"Hat er die etwa gekauft?"
"Da bin ich schon wieder überfragt."
"Wo soll die denn überhaupt hin? Soll die hier stehen bleiben?"
"Weiß ich auch nicht. Männe hat gesagt, die soll auf den Balkon - glaube ich jedenfalls."
"Warum will er die denn überhaupt hierher haben? Die passt doch gar nicht durch die Tür, das sieht man doch so."
"Stimmt."
"Warum habt ihr die denn erst hochgetragen?"
"Weil die nicht in den Lift passte."
"Aber die ist doch ganz schäbig, die muss doch erst mal gestrichen werden."
"Finde ich nicht."
"Wieso nicht?"
"Ach, das ist mir doch egal."
Das Kind mit dem Joghurt kippte diesen auf das Kind im Sessel.
Männe kam wieder rein, er hatte eine Bohrmaschine in der Hand.
"Hast du den Bohrfutterschlüssel gesehen?", fragte er seine dicke Frau, die wollte wissen, was ein Bohrfutterschlüssel überhaupt ist.
"Du hast nicht zufällig einen Bohrfutterschlüssel für Black & Decker?"
"Nein, ich hab' 'ne Bosch."
„Vielleicht passt der ja auch", sagte Männe.
"Gehen wir mal nachsehen", schlug ich vor.
"Und was ist mit der Bank? Erst kommt die Bank hier weg", zeterte Männes dicke Frau, dabei bewegte sie sich etwas zur Seite.
Männe ging trotzdem durch und ich auch. Die angearbeitete Bierdose nahm ich mit.
"Weiber", sagte Männe, "da darfst du dir nichts draus machen. Sei' froh, dass du keine Frau hast."
"Kommt auf die Frau an", sagte ich und dachte an Kitty.
Ich hoffte, dass es ihr noch gut ging.
Der Bohrfutterschlüssel schien zu passen und Männe zog wieder ab, nicht ohne sich ein Bier aus meinem Kühlschrank geholt zu haben.
Ich saß erst mal eine Weile an meinem Schreibtisch und kam zur Ruhe. Dann suchte ich mir aus dem Internet die Telefonnummer der Schwarzen Orchidee heraus und rief an.
Hoffstett war dran, er konnte sich sogar an mich erinnern und sah kein Problem darin, mir die Mona morgigen Tages mal auszuleihen. Das war wahrscheinlich die übliche Vorgehensweise bei Transaktionen dieser Art, ich kannte mich da noch nicht aus.
War auch egal, und dann war auch dieser Tag für mich gelaufen.
Die Motorradfahrer wollten sich zwar zwischendurch nochmal melden, aber nix dergleichen.
Ich bereitete mir die Steaks zu, aß sie auf und wunderte mich, dass bisher alles relativ glatt gelaufen war, so glatt wie ein Aal aus der Wümme.
‘Eigentlich‘ dachte ich, ‘müsste das dicke Ende ja noch kommen‘!
Erst mal Brötchen holen und ausgiebig frühstücken.
Ich hatte irgendwas von Affen geträumt, und dann zügelte ich die scheuenden Pferde unserer obskuren Beziehung, und dann war da noch was mit einer Trejo-Selbstladepistole.
Beim Frühstück schaute ich nochmal in die Unterlagen über den Hellinger. Da war was mit einer Trejo, auf die er übrigends sehr stolz war.
Egal, ich sah mir die Daten an und dachte an Kitty.
Wie es ihr wohl ging?
Sollte ich nicht lieber sie suchen, anstatt für irgendeinen Blödmann eine Feier zu organisieren während derer ich einen Hubschrauber klauen sollte?
Doch an der Feier war ich dichter dran, als nach Kitty zu suchen, was ungefähr der berühmten Suche nach der Büroklammer im Scheiterhaufen nahe kam, oder war es die Nadel im Heuhaufen?
Egal, ich war jedenfalls noch nicht ganz wach, aber das änderte sich bald. Ich sollte öfter ohne was zu trinken ins Bett gehen.
Ich nahm mir noch etwas Geld aus dem Flipper und fuhr los, zum Hellinger.
Dieser Hellinger hatte sich einen gewaltigen Landsitz an den Waldrand gebaut, so richtig mit Herrenhaus und allem drum und dran.
‘Alles durch Waffenhandel finanziert und mit dem Leben unzähliger Soldaten und Zivilisten erkauft‘, dachte ich.
Ich kniff die Augen kurz zusammen, während ich meinen Wagen vor dem gusseisernen Tor stoppte, mein Laguiole - Messer unter den Beifahrersitz legte, zur Uhr sah, den Schlips gerade zog und ausstieg.
Ich senkte meine Daumen auf den Klingelknopf und wartete. Das Objektiv einer Kamera surrte in meine Richtung.
"Ja, bitte?"
Eine Frauenstimme aus dem Lautsprecher im Torpfosten.
"Verweegen, Hartmut Verweegen. Ich habe einen Termin mit Herrn Hellinger."
"Moment bitte."
Etwa eine Minute zerrte sich dahin.
"Kommen sie bitte."
Das Tor schwang auf. Ich stieg wieder ein und fuhr langsam den Kiesweg entlang. Engel mit Rosen, Füllhörnern und Harfen standen längs des Weges. Zwischen den beiden marmornen Löwen links und rechts der Treppe vor dem Hauptportal hielt ich an, stellte den Motor und zog die Schlüssel ab, griff meine Aktentasche und stieg aus.
In der Tür erschien eine Frau. Seriöse, beige Bürokleidung, kurze Frisur, keinen Schmuck, dezent geschminkt.
Ich ging langsam, blieb eine Stufe unter ihr stehen, unsere Köpfe waren auf gleicher Hohe. Ich lächelte und wartete auf ihr Begrüßungslächeln.
Es kam.
"Hallo", sagte ich, "ist Herr Hellinger wohl zu sprechen?"
"Es dauert noch einen Moment. Kommen sie bitte mit."
Sie behielt ihr Lächeln bei, bis wir in die Empfangshalle traten. Ein leiser Gong ertönte.
"Sie führen Metall bei sich, Herr Verweegen. Darf ich bitten?"
Die Lächlerin hielt mir eine Schale vor. Ich legte meine Autoschlüssel, Portemonnaie und meine Uhr hinein.
"Würden sie nochmal durch die Tür treten?"
"Herzlich gerne."
Ich ging raus und kam wieder rein. Kein Gong. Ich steckte meine Sachen wieder ein.
Alles weiß, die Treppe, der Kamin, die Marmorstatue, eine Jungfrau, oder was auch immer, darstellend, die im Begriff ist, ins Bad zu steigen. Die Chippendalestühle und der Rahmen der Weltkarte an der Wand.
"Nehmen sie doch Platz!"
Die Lächlerin wies auf einen der Stühle.
"Wärmsten Dank."
Ich setzte mich, die Lächlerin entfernte sich und kam kurz darauf wieder:
"Dürfte ich schon mal ihre Karte haben?"
"Selbstverständlich."
Ich gab ihr eine meiner Partyservicekarten.
Sie ging wieder.
In die Weltkarte waren Nadeln gestochen, hübsch bunt, kleine, dünne, große, dicke, raue, blanke. Sicher war ein Mikrophon dabei.
Ein Teller war auf des Kamins Rauchabzug angebracht, Hochglanzmuster, unebener Boden, sicher war eine getarnte Kamera dahinter. Mit einem entsprechenden Weitwinkelobjektiv konnte man den ganzen Raum erfassen.
Na, gut.
Ich klappte meine Aktentasche auf, entnahm ihr den Katalog und blätterte mit wichtigem Gesicht darin herum.
Ich blätterte so lange, bis die Lächlerin wieder kam.
"Herr Hellinger lässt jetzt bitten."
Ich packte den Katalog wieder ein.
"Wenn sie mir bitte folgen wollen.“
"Ihnen folge ich wohin sie wollen, schöne Frau."
Ihr Lächeln vertiefte sich gequält, es blieb wie festgemeißelt bis sie an eine Tür klopfte, sie einen Lidschlag später öffnete und mich anmeldete.
Ich betrat des Hellingers Arbeitszimmer. Auch alles weiß. Einige Bilder an den Wänden, Leute, die irgendwelche Gewürze ernteten - und ein Gewehr hinter dem Hellinger an der Wand.
"Herr Hellinger."
"Herr Verweegen."
Geschäftsmäßiges Händeschütteln.
Stahlblaue Augen ruhten auf mir. Solarbräune, heller Haarkranz und Lippen mit leicht nach oben gebogenen Mundwinkeln.
Wir gingen zu der Sitzgruppe am Fenster, setzten uns.
Ganz locker.
Hellinger verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
Na, mein Junge, dann lass 'mal hören!
Er trug einen italienischen Anzug in konventionellem Schnitt, seiden glänzende, blaue Krawatte, unten dunkel, oben hell mit fließendem Übergang und unregelmäßigem Pünktchenmuster. Blau gestreiftes Hemd, goldene Cartier, goldener Siegelring.
Die Hand mit dem Siegelring spielte mit meiner Besucherkarte.
"Sie haben keine Adresse und keine Telefonnummer auf ihrer Karte, Herr Verweegen."
Ich blieb ihm gegenüber in neutraler Haltung sitzen:
"Stimmt. Meine Telefonnummer ist: 0421 5252525. - Sie haben also am Wochenende eine Feier mit fünfzig Personen oder so vor. Ich nehme an, im Garten. Das Wetter wird gut sein."
"Woher wissen sie das?"
Hellinger schrieb die Telefonnummer auf die Rückseite der Karte.
"Wir haben Verbindungen zu sehr zuverlässigen Meteorologen. Das gehört schließlich dazu. Sollte das Fest ins Wasser fallen, entstehen ihnen keine Kosten."
"Sie sind sich ja sehr sicher."
"Sonst wurde ich ihnen abraten, im Freien zu feiern. - Wollen wir mal eben kurz die Details besprechen?"
Ich legte den Katalog auf den Tisch.
"Sie machen das schon. Diese Details besprechen sie bitte mit Frau Haigel."
Hellinger legte die Hand auf den geschlossenen Katalog.
'Nerv' mich doch nicht mit diesem Kram.'
"Sie haben was von aufgeschlossenen Frauen gesagt, wie soll das aussehen?"
"Wir werden einige Damen in durchsichtigen Blusen mitbringen, die gelegentlich mal einen Strip machen oder zu gegebener Zeit in den Pool fallen."
"Was heißt zu gegebener Zeit?"
"Sehen sie mal, Herr Hellinger, jede Party hat gewisse, sagen wir mal, 'Tiefpunkte', die werden von unseren Damen dann auf ihre Weise überbrückt; - sie verstehen?"
Hellinger hob die Oberlippe, ich konnte die nackten Mädchen förmlich sehen, die er sich vorstellte.
"Kostet natürlich 'nen Euro mehr, als eine übliche Party", setzte ich einen in seine Vorstellungen.
Hellinger winkte ab:
"Kann ich die Damen vorher sehen?"
"Wird sich machen lassen. Sagen wir Donnerstag?"
"Warum nicht Morgen?"
"Morgen haben wir einen anderen Termin. Partys finden meistens, wenn nicht am Wochenende, an einem Mittwoch statt. Tut mir leid, Herr Hellinger."
"Naja, macht ja auch nichts. Dann eben Donnerstag. Sagen wir gegen 20 Uhr?"
"Ist mir recht."
Das war der klassische Zwischenabschluss.
Hellingers Hand legte sich auf die Sprechanlage.
"Sie trinken doch eine Kleinigkeit?!"
"Sehr gerne, danke schön."
Die Hand sackte auf den Sprechknopf:
"Frau Haigel, bitte Kaffee."
Eine Pause, eine peinliche Pause schien sich anzubahnen.
Die hatte ich jetzt zu überbrücken, bevor der Kunde auf dumme Gedanken kam. Am besten, man spricht aus der Situation heraus des Kunden Hobby an. Das Gewehr an der Wand drängte sich förmlich auf.
"Lee-Enfield?" fragte ich und deutete auf die Waffe.
"Genau", sagte Hellinger, "Original l907."
Hellinger stand auf, nahm die Waffe von der Wand und zeigte sie mir.
"Ah, ja. Das englische Standardgewehr im Weltkrieg eins. Kaliber .303 wenn ich mich nicht irre. Mk III mit oder ohne Sternchen?"
"Ich sehe, sie verstehen da was von. Das ist ein Modell No. I MkII1. Sie erkennen das an der Long Range-Visierung und der an der rechten Seite angebrachte Vorrichtung, mit der man die Patronenzufuhr aus dem Magazin Während des Repetiervorganges unterbrechen kann."
"Interessant."
"Nicht wahr?"
Die Lächlerin brachte Kaffee und Cognac. Sie schenkte ein und ging.
Hellinger hängte die Waffe wieder an die Wand. Wir setzten uns in die Sitzgruppe.
Pause.
Wir tranken.
"Haben sie noch mehr historische Waffen, Herr Hellinger?"
"Aber sicher. Sogar eine Kalaschnikow AK-74 und eine original Schmeisser MP 36. Hergestellt bei ERMA, C. G. Haenel in Suhl. - Aber schauen sie mal."
Hellinger sprang auf, ging zu seinem Schreibtisch, nahm etwas heraus und kam mit einer Pistole in der Hand wieder.
"Raten sie mal!"
Er legte die Waffe auf den Tisch, die rechte Seite nach oben.
Eine Pistole mit Perlmuttgriff.
Ich grübelte angestrengt, irgendetwas von der privaten Waffensammlung hatte in der Akte des Hellingers gestanden, auch etwas von einer seltenen, mexikanischen Pistole.
"Wenn sie mir den Hersteller nennen, haben sie den Auftrag."
Hellinger bleckte die Zähne.
In mir stieg ein Alptraum auf: Schule. Vokabelarbeit.
Trotz Paukens fielen mir einige Vokabeln immer erst hinterher wieder ein, wenn die kleinen, schwarzen Hefte abgegeben waren.
Am nächsten Tag pflegte mir die Englischlehrerin mit den zerknitterten Mundwinkeln zu erzählen, dass ich ja wohl stinkend faul sei. Sie kannte nur Extreme - sehr fleißig oder stinkend faul. Sie pflegte sogar später zu den Klassentreffen zu latschen und zu erzählen, wie stinkend faul wir doch damals alle gewesen waren, und die blöden Idioten, die mit mir die Schulbank gedrückt hatten, und aus denen trotzdem was geworden war, wie Anwalt oder Steuerberater, lachten auch noch.
"Na, was sagen sie?"
Hellingers Blick war lauernd.
"Eine mexikanische Waffe, ja?"
Er nickte langsam.
Ich hatte mir eine Eselsbrücke gebaut, Trio auf Trebe, ein 'j' war noch drin.
Die Sprechanlage summte, ein Mann wollte Herrn Hellinger sprechen.
"Entschuldigen sie mich einen Moment."
Hellinger ging raus.
Ich drehte die Pistole nicht um, möglicherweise war hier auch eine Kamera im Raum.
Langsam trank ich den Cognac. Warm und Weich floss er in mir herunter. Der Druck ließ etwas nach. Trio auf Trebe, und ein 'j‘ dabei.
'Trejo' fiel mir in dem Moment ein, in dem Hellinger wieder kam.
Er schaute etwas grimmig drein.
"Herr Verweegen", sagte er, "ich glaube kaum, dass wir ins Geschäft kommen."
"Unter Gentlemen sollte man sein Wort halten", sagte ich, "hier auf dem Tisch liegt eine Trejo-Selbstladepistole, Modelo 2 Especial in .22 L.R.", ich machte eine Pause und stieß meine Zunge von innen in die Wange, "richtig?"
"Richtig."
"Also habe ich den Auftrag."
Die Augen Hellingers verengten sich, irgendetwas musste draußen in Zusammenhang mit mir passiert sein, was ihm nicht gefallen hatte.
Ich setzte einen nach:
"Herr Hellinger, bei ihrem letzten Geschäft, und ich meine nicht die Sache mit dem Kümmel und dem grünen Pfeffer, haben sie sich auch sehr fair gezeigt.“
"Ich weiß nicht, wovon sie sprechen."
"Stichwort Maverick! Huges AGM 65K Maverick! Die AGM-65K ist mit einem TV-Zielsuchkopf im Bug und einem Hohlladungsgefechtskopf ausgestattet. - Manchmal ist allerdings schwer festzustellen, ob die Maverick nur auf dem Papier abgefeuert wurde, oder ob sie auch wirklich unter einer Grumman A-6B 'Intruder', oder einem ähnlichen Flieger, hing. Es gibt Leute, die benutzen die ‘papiermäßig‘ abgefeuerten Raketen als - sagen wir mal 'Handelsware'."
Hellingers Augen gingen auf, etwas mehr als normal, und fielen dann wieder in ihren normalen Öffnungswinkel zurück.
"Ich denke", fuhr ich fort, "wir sollten langsam zu einem zivilisierten Engagement kommen. Wir richten Partys als Plattform für lukrative Geschäfte aus; - für Leute, die sich fair verhalten und in der Lage sind, auch zu zahlen. – Nicht mehr und nicht weniger! Deshalb sind wir auch an sie herangetreten! Durch gewisse Informationen sind wir in der Lage, uns unsere Kundschaft aussuchen zu können; - sie verstehen?"
Ich legte ein geschäftsmäßiges Lächeln unter mein Bärtchen.
"Warum eigentlich nicht", sagte Hellinger.
"Sehr gut, Herr Hellinger", ich klemmte mir meine Aktentasche unter den linken Arm, "wir sehen uns dann also am Donnerstag, Details besprechen."
Geschäftsmäßiges Händeschütteln.
Ich ging wieder raus - mein Auto war weg.
Da stand ich nun zwischen den beiden Marmorlöwen und fluchte in mich hinein.
Verdammtes Scheißspiel!
Alles war bis jetzt so gut gelaufen, und jetzt klaute mir dieser verdammte Hellinger auch noch mein Auto - oder besser, er ließ klauen.
Ich stand da, wie der Mann mitten in der Wüste, der den letzten Tropfen Wasser aus seiner Feldflasche gekippt und den Kompass verloren hatte.
Ich überlegte mir, ob ich jetzt schon versuchen sollte, dem Hellinger den Hubschrauber zu entführen, aber der stand sicher in dem Hangar bei der Sammlung Militärfahrzeuge, ich hätte ihn unmöglich alleine herausbekommen und starten können.
Zudem wusste ich noch nicht, wohin damit.
Als ich denn da so stand und innerlich fluchte und grübelte näherten sich von hinten Schritte.
Ich drehte mich um.
Die Lächlerin.
Ich klimperte mit meinen Autoschlüsseln, hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
"Ach, entschuldigen sie", die Lächlerin wurde zur Grinserin, "Krüger wird ihnen den Wagen sicher gleich bringen. Herr Hellinger liebt es nicht sonderlich, wenn ungepflegte, ausländische Fahrzeuge vor der Eingangstreppe herumstehen."
"Ach so."
Mir fiel in diesem Moment kein dummer Spruch ein, und vor einem halben Jahr oder so war ich durch die Waschanlage gefahren.
Tatsächlich wurde mein Auto in diesem Moment vorgefahren.
Aus stieg ein Mann mit kurzen Haaren, feistem Grinsen und einer Chauffeuruniform, die in ihrem Schnitt verzweifelt an die Gewandung der Waffen-SS erinnerte.
Das war also Herr Krüger!
Irgendetwas über diesen Menschen stand auch in der ‘Akte Hellinger‘.
Krüger behielt das Grinsen bei, als er mir die Tür aufhielt.
"Guten Tag, Herr Krüger", sagte ich, "soweit ich mich erinnere, hatte ich den Schlüssel abgezogen."
"Wo liegt da das Problem?" fragte der Kurzhaarige, "ach, ehe ich es vergesse: Sie werden ein neues Lenkradschloss brauchen. - Mit einem deutschen Fabrikat wäre ihnen das sicher nicht passiert."
"Wieso? Sie fliegen doch auch einen amerikanischen Hubschrauber, einen Bell UH1 D 'Huey', wenn ich mich nicht irre."
"In der Tat. Ein ausgezeichnetes Gerät. Vietnamerprobt. Manchmal bringe ich ihn sogar in die Luft! - Hier, ihr Spielzeug."
Mit behandschuhter Hand reichte er mir mein Messer. Das war es also, was den Hellinger etwas gegen mich aufgebracht haben musste.
"Tausend und einen Dank, junger Mann", ich nahm die ‘Waffe‘ und stieg ein, "eine hübsche Frisur haben sie. Macht das der Gärtner?"
Während das Grinsen auf des Chauffeurs Gesicht nahtlos in einen grimmigen Ausdruck überging, fuhr ich los und zu einem Café, mein zweites Frühstück einnehmen.
Auch diese Nummer war glatt durchgegangen, naja, wenigstens relativ glatt.
Langsam wurde mir die ganze Sache unheimlich, und ebenso langsam fing die Nummer an mir Spaß zu machen.
Ich fuhr nach dem zweiten Frühstück eine Weile durch landschaftlich reizvolle Gegend, hielt bei einem Schreibwarenladen und ging hinein.
"Einen Mietvertrag möchte ich gerne, haben sie sowas?"
Ein bleicher Mann mit Kittel und Halbglatze nickte, öffnete einige Schubladen, schüttelte den Kopf und rief: "Helga! Wo haben wir die Mietverträge?"
"Zweitunterste links", antwortete eine Frauenstimme.
"Da sind sie nicht!"
"Natürlich sind die da."
"Hab' ich eben nachgeguckt, da sind sie nicht."
"Moment mal."
Eine Frau in rot geblümtem Haushaltskittel kam rein.
"Was kannst du denn wieder mal nicht finden?"
"Die Mietverträge."
"Ach, die Mietverträge. Die sind doch unten links."
"Da sind die nicht."
"Natürlich sind die da. Warte mal."
Die Frau bückte sich und kramte rum.
"Hab' ich dir doch gleich gesagt, dass die da nicht sind", sagte der Mann.
"Hier sind sie doch", die Frau hielt die Formulare hoch, "du musst wieder nachbestellen, habe ich dir auch schon hundertmal gesagt."
"Die lagen aber Rechts!"
"Das ist doch egal wo die lagen. - Wollen sie hier eine Wohnung mieten, junger Mann?"
"Ja, bei Meiers. Aber nur ein Zimmer."
"Welchen Meiers? Wir haben hier drei Meier. Aber dass einer davon vermietet?"
"Wie hieß die Dame denn noch mit Vornamen", ich klopfte mir an die Stirn, „ich habe den Kopf ein bisschen voll, der Umzug und die neue Arbeitsstelle und dann hat meine Frau auch noch die Scheidung eingereicht …"
"Annegret?"
"Ja, Annegret war es, glaube ich. Ja, richtig Annegret, eine nette Frau.“
"Ja, das stimmt. Mir hat sie aber nie erzählt, dass sie Zimmer vermietet. Groß genug ist ihr Haus ja, seit ihr Thorsten ausgezogen ist. Der hat eine Freundin und eine Arbeit in der Stadt gefunden, Paketzusteller, naja, das ist auch kein leichter Job."
"In der Tat. - Sagen sie, ist denn der Herr Lüdenscheid Bürgermeister geworden?"
"Lüdenscheid?"
"Ja, Lüder Lüdenscheid, er stammt von hier, ich bin mit ihm zur Gewerbeschule gegangen, spanabhebende Metallbearbeitung, er wollte noch den Schweißerbrief machen, vor zwei Jahren haben wir uns zufällig wieder getroffen, da hat er mir gesagt, dass er hier kandidieren wollte."
"Lüdenscheid? Nee, nie gehört. - Der Vossmeier ist hier Bürgermeister, schon immer, den kriegt auch keiner weg."
"Dann hat der Lüder wieder mal gesponnen. Naja, hat er schon immer getan. Was bekommen sie denn jetzt für den Vertrag?"
Ich zahlte und fuhr weiter, fand schließlich ein einsames Gehöft mit einer schönen, großen Scheune und fuhr vor das Wohngebäude.
Dort blieb ich eine Weile stehen, bis eine Frau mit Schürze und rotem Gesicht aus dem Haus trat.
"Guten Tag, schöne, junge Frau. Verweegen von der Air Force. - Ist der Besitzer dieses Anwesens denn wohl bitte grad mal zu sprechen?"
"Der Hof gehört mir, wieso?"
"Prächtig! Sie sind uns von Herrn Bürgermeister Vossmeier als sehr kooperativ empfohlen worden. Besteht die Möglichkeit, dass wir für circa vierzehn Tage ihre Scheune mieten?"
"Wieso?"
"Im Zuge unserer Übung 'Cool Linghting' müssen wir einen Hubschrauber für wenige Tage verschwinden lassen. Zu diesem Zweck würde ich ihre Scheune gerne mieten."
Ich fingerte meinen Air Force-Ausweis heraus und hielt ihn der Frau vor.
"Währen fünfhundert Euro für vierzehn Tage recht? Da sind sie mit Schokolade begossen, meine Liebe."
"Ich weiß nicht, aber wenn der Bürgermeister …“
"Brauchen sie die Scheune denn jetzt?"
"Eigentlich erst im Herbst."
"Na, ist doch fein. Der Chopper wird am Wochenende eingestellt, steht da eine Woche bis zehn Tage, und ist ruck-zuck wieder weg. Sie sind um fünfhundert Euro reicher, ist das nichts?"
"Ja, aber einen Hubschrauber …“
"Was haben sie gegen Hubschrauber? Mit Hubschraubern sind schon viele Menschen gerettet worden."
"Und wenn was kaputt geht? Wenn der abstürzt?"
„… wird ihnen die NATO den Schaden ersetzen, das wissen sie doch!"
"Na, gut. Aber nur für zwei Wochen!"
"Längstens. - Ich habe hier einen Mietvertrag mit.“
"Ist der auch nicht auf Englisch?"
"Möchten sie lieber einen auf Englisch? Ich habe extra einen ganz normalen, handelsüblichen Vertrag mitgebracht. Die Bürokratie der Übersetzerbüros verteuert die ganze Sachen ja nur. Und dann kommen die Bürgerinitiativen wieder entlang und erzählen einen von der Verschwendung von Steuermitteln - naja, irgendwie haben die ja auch recht, meinen sie nicht auch?"
"Das sagen sie?"
"Warum denn nicht? Wir sind ja gar nicht so. Wissen sie was? Der General hat mir erlaubt, bis siebenhundert Euro zu gehen, die tragen wir doch einfach mal ein! Bei 'Wohnung' schreiben wir 'Scheune wie gesehen' und der Fall hat sich, meinen sie nicht auch?"
"Wann kriege ich denn das Geld?"
"Sofort und in bar. Die Steuer brauch' auch nichts davon wissen, weil die Sache einer gewissen Geheimhaltung unterliegt - Sie verstehen? - Dass sie niemandem erzählen, auch nicht dem Bürgermeister, der darf offiziell nämlich auch von nichts wissen, dass die Air Force ihre Scheune gemietet hat, ganz einfach. Wenn‘s rauskommt, müssen sie das Geld auch versteuern, is' klar, nicht wahr?“
Ich zog die Scheine heraus, zählte siebenhundert Euro ab und reichte sie der Inhaberin des Hofs. Ich füllte den Mietvertrag auf der Haube meines Autos ganz
aus, drehte ihn herum und legte den Kuli drauf.
"Sie brauchen nur noch zu unterschreiben."
Die Frau mit dem roten Gesicht nahm erst die Scheine, hielt sie gegen das Licht, zählte nach, steckte sie in die Kitteltasche und unterschrieb.
"Vielen Dank, Frau …?“
"Blome! Kann man das denn nicht lesen?"
"Jetzt, wo sie's sagen."
Ich trug den Namen in den Vertrag ein und ließ mir ihre genaue Postadresse geben.
„So, das war’s eigentlich. Ich gucke mir die Scheune nochmal eben mal von innen an. Nicht dass sie vollgerummelt ist, dann hat der Chopper nämlich keinen Platz!“
Die Scheune gähnte mir tatsächlich leer entgegen.
Ich winkten Frau Blome noch zu und fuhr los, erst mal Kaffee trinken und nachdenken.
Da war noch eine Frau vom Hoffstett zu leihen, aber das konnte ich erst am Abend machen, vorher musste mir noch was einfallen, denn der Bell UH 1 hat Kufen!
Wie sollte ich den in die Scheune kriegen?
Ich trank Kaffee und fuhr zur nächsten Autobahnabfahrt. Dort war einer, der mit Paletten handelte, und ich kaufte vier gut erhaltene solche. Die vier Teile passten ganz knapp, nachdem ich die Rücksitze umgeklappt hatte, in meinen Wagen.
In dem nächsten Baumarkt wollte ich sechzehn massive Lenkrollen, vierundsechzig Schlossschrauben, einen Bohrer und einen neuen Akkuschrauber erwerben.
Langsam ging die Sache ins Geld, - aber Kitty war mir das wert.
Hoffentlich ging es ihr noch gut!
Als ich in dem Baumarkt meinen ersten Orientierungsblick in die Runde warf, traf dieser auf meinen ehemaligen Deutschlehrer, der mir mal eine Fünf verabreicht hatte, weil der feige, hinterhältige Meuchelmord eines gewissen Wilhelm Tell an einem braven Steuerbeamten namens Geßler nicht meine grenzenlose Begeisterung gefunden hatte.
Als ich dann auch noch mal kurz erwähnte, dass es selbst ein Ghostwriter der heutigen Zeit es als unter seiner Würde erachten würde, mit einer derartigen Story zu landen, verdonnerte mich dieser 'Liebhaber der klassischen Literatur' dazu, die 'Glocke' dreimal abzuschreiben, um endlich zu einer 'vernünftigen' Einstellung zur klassischen Literatur zu kommen.
Das gelang ihm insofern, als dass klassische Literatur auf mich fortan die gleiche Wirkung hat, wie eine Pinte Rizinus auf nüchternen Magen.
Dafür rächte ich mich furchtbar, indem ich ihm, während meines Einkaufes, in einem unbeobachteten Augenblick einige ebenso kleine wie teure Spezialfräsköpfe, die er nie würde gebrauchen können, in seinen Einkaufswagen zu einer Grundausstattung zum Laubsägen mit entzückenden fix und fertig vorgemalten Märchenmotiven, legte.
Ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass er ein neues Hobby gefunden hatte, nachdem sich Malen nach Zahlen als geistig zu anspruchsvoll für ihn erwiesen hatte.
Leider erkannte er mich, als ich mich an der Kasse hinter ihm anstellte und wollte lautstark wissen, was denn wohl so aus mir geworden sei, bei meinen schlechten Deutschleistungen.
Die Köpfe aller in der obligaten Schlange vor der Kasse Stehenden drehten sich zu uns.
"Ich bin Patrick Süßkinds Ghostwriter", sagte ich ohne rot zu werden, "außerdem schreibe ich Science-Fiction-Romane. Wie sie sicher wissen, nennt man mich in Fachkreisen inzwischen 'die deutsche Antwort auf Larry Niven'."
Er wusste nichts davon, auch nicht, wer Larry Niven ist, und ich erwähnte, dass es mehr eine Insiderinformation für Leute, die was von Literatur verstünden, sei.
Er bezeichnete Science-Fiction als Weltraumspinnerei, obwohl ich ihm erklärte, dass gute Science-Fiction ja wohl das Ganzheitliche begreifen, Zusammenhänge herstellen und konsequent weiterdenken würde, was hier und jetzt angefangen worden ist.
Der Deutschpauker lehnte Science-Fiction ab, weil keiner der beiden Herren Goethe und Schiller je sowas von sich gegeben hatten.
Als ich vermutete, dass diese sicher auch dazu zu blöde gewesen seien, weil man für Science-Fiction nun mal Geist, Phantasie und schöpferisches Denken braucht, war der Herr Lehrer etwas ungehalten.
Mittlerweile an der Kasse, versuchte er die Spezialfräskopfe verschwinden zu lassen, aber ich fragte ihn nicht minder lautstark, wie seine Erwähnung meiner schlechten Deutschleistungen, ob er sich derartige Teile nicht leisten könne, und bot ihm an, ihm doch mal mit hundert Euro auszuhelfen, schließlich könne man ja seinen ehemaligen Deutschprofessor ja nicht einfach so hängen lassen.
Als ich 'Professor' erwähnte, wurde der gute Mann ein Stückchen größer, murmelte "lächerlich" und steckte mit stolz geschwellter Brust seine Karte in das Lesegerät.
"Und grüßen sie dem Dativ", sagte ich zum Abschied.
Wieder zu mir nach Hause und die Paletten in den Keller tragen, die Rollen wollte ich nach dem Essen drunter schrauben, ich hatte ja noch zwei Steaks, die wollte ich mir zubereiten.
Unterwegs traf ich Männe, und der wollte wissen, was ich denn mit den Paletten
so vor hatte.
"Rollen dran schrauben“, sagte ich.
"Warum willst du denn da Rollen dran schrauben?"
"Ich will da mit einem Hubschrauber drauf landen und diesen dann auf den Paletten in eine Scheune hinein schieben."
"Warum das denn?"
"Weil der Huey, das ist nämlich des Hubschraubers Typ, Kufen hat und keine Räder. Wie soll ich diesen denn sonst wohl in die Scheune hinein kriegen? Beamen vielleicht?"
"Ich glaube, du siehst zu viel Science-Fiction."
"Science-Fiction kann man nicht genug sehen. Science-Fiction-Schreiber sind die großen Vordenker unserer Zeit. - Sag' mal, hast du denn vielleicht auch mal 'n Moment Zeit, mir zu helfen, diese blöden Rollen unter die doofen Paletten zu schrauben?"
"Klar", nickte Männe, ging weg und kam mit einem Damenfahrrad, einer Bohrmaschine, einem Bohrer und drei Dosen Bier wieder,
"Willst du auch eins?"
"Kein Bier vor vier", sagte ich.
"Willst du das Fahrrad haben? Achtzig Euro. Hab' ich von Robert, hat mal seiner Frau gehört, aber die ist ja nun weg, da braucht er das nicht mehr. Hier, hab' ein neues Tretlager eingebaut."
"Bin ich 'ne Frau?"
„Also brauchst du kein Fahrrad. Hätte ja sein können.“
„Eben.“
"Dann wollen wir mal", sagte Männe, riss eine Dose Bier auf, aktivierte die Bohrmaschine und stellte sie wieder aus.
"Ich hab' ja noch 'n Akkuschrauber, aber den hab` gerade Klaus Dieter geliehen, weißt ja, der aus dem fünften Stock. 'will Deckenpaneele anbringen, schon vor vierzehn Tagen, aber jetzt isser nach Wiesbaden runter, weil seine Firma …“
“Können wir denn mal", unterbrach ich, "ich stehe ein Wenig unter Zeitdruck. Zeit zum Quatschen zu haben, ist das Privileg der Frauen."
"Hast Recht", sagte Männe.
„Außerdem habe ich einen Akkuschrauber. Ist allerdings noch im Wagen, ich hol ihn mal eben.“
Männe bohrte, ich schraubte, und nach kurzer Zeit hatten wir je vier Lenkrollen pro Palette angebracht.
"So, kannst' wieder einladen", sagte Männe und zerdrückte die letzte, inzwischen leere Dose, "nun mal im Ernst, wofür brauchst du die Dinger?"
"Wir wollen einem beim Umzug helfen, und da wollen wir Kühltruhe, Schrankwand, Waschmaschine und so drauf entlang karren, du verstehst?"
"'türlich. Braucht ihr noch jemanden?"
"Ach, lass hängen, das schaffen wir schon. - So, jetzt sollten wir erst mal einen anständigen Kaffee trinken, und dann bringen wir die Teile weg."
Männe wollte keinen Kaffee, er hatte noch was zu erledigen, jemandem helfen, bei seiner Parzellenbude neue Fenster einsetzen, aber er half noch mit, die Paletten in den Wagen zu laden.
Im Grunde war er ja ein netter Kerl.
Und dann brachte ich die Paletten zu Frau Blome auf den Hof, stellte sie in die Scheune, ‘ich hätte die Dinger eigentlich noch NATO-Oliv streichen müssen und sie mit einer Versorgungsnummer versehen, aber egal jetzt‘, dachte ich, und machte die Scheune wieder zu.
Danach kurz tanken und wieder nach Hause.
Zuhause lief ich Männe, dem arbeitslosen Binnenschiffer in die Arme und der fragte mich, ob ich denn mal eben mithelfen würde, eine Bank rauftragen, sie ginge nicht in den Fahrstuhl. Er hätte ja eigentlich bei der Parzellenbude helfen wollen, aber der Typ war nicht gekommen.
Sowas passierte den Detektiven in normalen Krimis auch nie, aber was war denn schon normal bei mir?
Ehrensache unter Nachbarn, und wir asteten eine Gartenbank vier Treppen hoch, in Männes Wohnung, stellten sie ab und dann fest, dass sie nicht durch die Balkontür passte.
Männe wollte die Bank morgen auseinander bauen und auf dem Balkon neu verleimen.
"Willste 'n Bex?"
"Klar."
Zisch, Zisch.
"Prost", sagte Männe.
"Prost", sagte ich.
Das Bier lief wunderbar herunter. Eine Tür krachte zu.
Rein kam Mannes dicke Frau mit drei Kindern, eins auf dem Arm, eins am Rock und eins so, das lief gleich zum Fernseher und schaltete ein.
"Frau Renken will sich scheiden lassen", sagte Männes dicke Frau und parkte eins der Kinder auf dem Sessel, das andere ging in die Küche, donnerte mit dem Kühlschrank rum und kam mit einem Töpfchen Joghurt wieder, halb aufgerissen und bereits mit verschmiertem Mund.
"Ich hab's ja schon immer kommen sehen", sagte Männe und setzte die Bierdose wieder an, “Auslieferungsfahrer beim Fruchthof, um drei aufstehen, da muss die Ehe ja kaputt gehen!"
Das eine Kind begann, mit Joghurt rumzukleen, das andere wollte einen Schnuller oder sowas, der Fernseher dröhnte und Männes dicke Frau wollte die Bank aus dem Wohnzimmer haben, auf dem Balkon auch nicht und überhaupt nirgends, und ich sollte sie gefälligst wieder mitnehmen.
Männe verzog sich, ich stand da und konnte nicht weg, weil Männes dicke Frau in der Tür stand.
"Wieso, das ist doch nicht meine Bank", sagte ich und nahm noch einen Schluck Bier.
"Das ist mir doch egal, aber du hast sie doch hochgetragen."
"Ich hab' Männe nur geholfen."
"Wieso denn?"
"Wieso denn nicht? Männe hat mir doch auch geholfen und Möbel getragen, als ich hier einzog. Und dann hat er mir auch noch mit den Paletten geholfen."
"Aber du kannst doch hier deswegen nicht einfach deine Bank abstellen."
"Das ist doch gar nicht meine Bank."
"Wem gehört die denn?"
"Das weiß ich doch nicht. Ich nehme an, Männe."
„Wieso trägst du die denn dann hier rauf?"
"Weil Männe die hier rauf haben Wollte. Und da dachte ich: 'hilfste doch mal mit'."
"Wo hat Männe die Bank denn her?"
"Weiß ich nicht."
"Hat er die etwa gekauft?"
"Da bin ich schon wieder überfragt."
"Wo soll die denn überhaupt hin? Soll die hier stehen bleiben?"
"Weiß ich auch nicht. Männe hat gesagt, die soll auf den Balkon - glaube ich jedenfalls."
"Warum will er die denn überhaupt hierher haben? Die passt doch gar nicht durch die Tür, das sieht man doch so."
"Stimmt."
"Warum habt ihr die denn erst hochgetragen?"
"Weil die nicht in den Lift passte."
"Aber die ist doch ganz schäbig, die muss doch erst mal gestrichen werden."
"Finde ich nicht."
"Wieso nicht?"
"Ach, das ist mir doch egal."
Das Kind mit dem Joghurt kippte diesen auf das Kind im Sessel.
Männe kam wieder rein, er hatte eine Bohrmaschine in der Hand.
"Hast du den Bohrfutterschlüssel gesehen?", fragte er seine dicke Frau, die wollte wissen, was ein Bohrfutterschlüssel überhaupt ist.
"Du hast nicht zufällig einen Bohrfutterschlüssel für Black & Decker?"
"Nein, ich hab' 'ne Bosch."
„Vielleicht passt der ja auch", sagte Männe.
"Gehen wir mal nachsehen", schlug ich vor.
"Und was ist mit der Bank? Erst kommt die Bank hier weg", zeterte Männes dicke Frau, dabei bewegte sie sich etwas zur Seite.
Männe ging trotzdem durch und ich auch. Die angearbeitete Bierdose nahm ich mit.
"Weiber", sagte Männe, "da darfst du dir nichts draus machen. Sei' froh, dass du keine Frau hast."
"Kommt auf die Frau an", sagte ich und dachte an Kitty.
Ich hoffte, dass es ihr noch gut ging.
Der Bohrfutterschlüssel schien zu passen und Männe zog wieder ab, nicht ohne sich ein Bier aus meinem Kühlschrank geholt zu haben.
Ich saß erst mal eine Weile an meinem Schreibtisch und kam zur Ruhe. Dann suchte ich mir aus dem Internet die Telefonnummer der Schwarzen Orchidee heraus und rief an.
Hoffstett war dran, er konnte sich sogar an mich erinnern und sah kein Problem darin, mir die Mona morgigen Tages mal auszuleihen. Das war wahrscheinlich die übliche Vorgehensweise bei Transaktionen dieser Art, ich kannte mich da noch nicht aus.
War auch egal, und dann war auch dieser Tag für mich gelaufen.
Die Motorradfahrer wollten sich zwar zwischendurch nochmal melden, aber nix dergleichen.
Ich bereitete mir die Steaks zu, aß sie auf und wunderte mich, dass bisher alles relativ glatt gelaufen war, so glatt wie ein Aal aus der Wümme.
‘Eigentlich‘ dachte ich, ‘müsste das dicke Ende ja noch kommen‘!