Der Doppelgänger XI. endlich die Party

Hagen

Mitglied
Ich war gerade dabei etwas mit Satellitentrümmern zu träumen, als Vera mich wach machte. Nicht etwa erotisch, so mit Küsschen oder ähnlichem, nein sie rüttelte mich solange bis ich wach war und meinte dann: „Wir haben nichts zu frühstücken, außer dem Marzipankuchen, aber sowas mag ich nicht am frühen Morgen! Kannst du mal eben Brötchen holen und bring mir bitte Lachsschinken mit. Ich kann heute auf Lachsschinken.“
„Guten Morgen heißt das erst mal! Hast du gut geschlafen? Wie geht es dir? Hast du was Schönes geträumt?“
„Ja, ja. - Ich habe dir eine Einkaufsliste gemacht. Ich kann mich hier ja nicht sehen lassen, weil ich heute auch nicht zur Arbeit gegangen bin.“
Wenigstens war Vera noch nackt, sie bewegte sich ganz natürlich und widerlich ausgeschlafen in meiner Wohnung.
Ich ging erst mal zum Klo, dann Duschen und Zähne putzen, in der Hoffnung auf wenigstens einen Kuss, aber nichts dergleichen.
„Hast du keinen entkoffeinierten Kaffee?“
„Nein! Und sowas kommt mir auch nicht ins Haus! Entkoffeinierten Kaffee am frühen Morgen, bei dir piept’s wohl?“
Ich zündete mir ein Zigarette an und auf mich prasselte ein Vortrag ein, über entkoffeinierten Kaffee, schwarzen Kaffee und Zigarettenrauchen am frühen Morgen, und dass das alles gar nicht gut wäre.
Waren wir wirklich schon so weit, dass ich mir sowas anhören musste?
Waren wir nicht!
Aber weil Vera nackt war und mit wogendem Busen umher lief, blieb ich einfach am Tisch sitzen, schaltete auf Durchgang und betrachtete mir das Schauspiel. Meine Frau hatte sich immer erst komplett angezogen, und dann spielte sich stets das Gleiche ab; - irgendwelche Vorträge.
Das hier gefiel mir deutlich besser, nackt rumlaufen; - man müsste nur die Vorträge weglassen, aber irgendwie schienen alle Frauen in dieser Hinsicht gleich zu sein. Kitty würde ich schon entsprechend erziehen; - wenn sie wieder da wäre.
Egal.
Nachdem ich aufgeraucht hatte, zog ich mich an und ging einkaufen. Beim Bäcker fragte eine extrem dünne, flachbrüstige, ältere Frau nach meinen Wünschen.
„Sechs Dunkle, und ein Nussbrot. Was haben sie denn so an Schinken, Käse und Marmelade?“
Sie hatte tatsächlich Lachsschinken, Mettwurst, mittelalterlichen Gouda, Eier und Kirschmarmelade. Das sah schon mal gut aus, und ich fragte die Flachbrüstige nach dem Verbleib von Fräulein Vera.
„Die ist nicht gekommen, schon den zweiten Tag nicht. Wird wohl wieder mit irgendeinem Kerl im Bett liegen. Naja, eine Abmahnung hat sie schon, das gibt die Zweite. Ich weiß auch nicht, wie die jungen Leute sich das vorstellen! - Darf es sonst noch was sein?“
„Danke, nein.“
Ich zahlte und ging nach Hause.
Dort asteten Männe und Robert gerade einen Kasten Bier vor die Bank des Hauses.
„Morgen Hagen! Willste ein Bier? Ist noch kühl.“
„Nee, danke.“
„Der hat sicher noch Damenbesuch“, sagte Robert, „da darf er nicht.“
„Nicht deshalb“, sagte ich, „aber ich hatte heute noch keinen Kaffee! - Tschüss ihr Männer, wir sehen uns.“
Vera hatte tatsächlich schon Kaffee gekocht; - allerdings so dünn, dass man ihn aus der Kanne helfen musste. Aber das Schlimmste war, sie hatte sich schon angezogen, die weinrote Weste von dem Partyservice und die anderen Klamotten. Sah gut aus, aber nackt gefiel sie mir besser.
Das sagte ich ihr auch.
„Typisch Mann! - Wie sehe ich aus?" fragte sie.
"Phantastisch", murmelte ich und peppte den Kaffee noch etwas auf, indem ich Kaffeepulver hinzufügte und das Ganze nochmal durchlaufen ließ, "wie ein Mitglied des Direktionskollegiums der Rudolf Steiner-Schule. - Hast du eigentlich schon mal eine Geschiedenengruppe aufgesucht?"
"Wieso das denn?"
"Jede frisch geschiedene, oder verlassene Frau hat gewisse Ablösungsprozesse zu sublimieren. - Wie sublimierst du eigentlich?"
„Was?“
„Nimmst du ein oder zwei Eier? Zwei wären besser, weil es Unglück bringt, wenn man eine ungradzahlige Anzahl an Eiern im Kühlschrank hat. Ich nehme nämlich zwei!“
„Daran glaube ich ja gar nicht.“
Sie fragte irgendwas mit Eigenbluttherapie anstatt zu antworten, ich setzte vier Eier auf und deckte den Frühstückstisch fertig. Was Vera wohl gemacht hatte, außer sich anziehen und hektisch hin und her zu laufen, blieb mir ein Rätsel.
Aber Frauen sind sowieso rätselhafte Wesen, Vera setzte das hin und her gerenne während des Frühstücks fort, erzählte mir dabei irgendwas von einem Georg und wollte wissen, ob die keine Erdbeermarmelade hatten.
Ich gab einen Knurrlaut von mir und erwähnte, dass wir nach dem Frühstück los müssten, zog mir schon mal die weinrote Weste an und überlegte, ob ein Schlips oder eine Fliege angebracht wäre. Ich fragte Vera.
"Hagen! Bitte hör' mit den dämlichen Fragen auf. - Du hast selber gesagt, dass wir los müssen."
"In der Tat, es wäre ganz angebracht. - Äh, du hast nicht zufällig etwas Popcorn?"
"Nein, wieso?"
"Weil ich auf einmal Beat auf Popcorn habe. Na, egal. Gehen wir. - Ich hab' son blödes Gefühl, als ob heute doch nicht so alles nach Plan läuft", sagte ich als ich meine Verdauungszigarette ausdrückte, "immer wenn ich Appetit auf Popcorn bekomme, geht etwas schief."
"Dann lassen wir es doch einfach. Der 'Best Party Service' wird die Feier auch ohne dich ausrichten."
"Ach, Vera, die Fete ist doch nur der Vorwand, an den Hubschrauber zu kommen und ihn zu klauen.“
„Was?“
„Erklär‘ ich dir später. Jetzt müssen wir aber wirklich los.“
Während wir in Veras Twingo zum ‘Best Party Service‘ fuhren, schien sie angestrengt zu grübeln, auf alle Fälle hielt sie mir keine Vortrag und stellte auch keine Fragen.
Bei dem ‘Best Party Service‘ angekommen, lernte ich Herrn Schnacke kennen. Er war der andere Grillmeister, ein dürres, kleines Männchen mit einer großen Klappe. Ich stellte ihn mir mit seiner Frau im Bett vor und erschauerte, allerdings hatte ich kaum Zeit zum Erschaudern, denn er schimpfte mit mir, weil ich ohne Fliege erschienen war, gleichzeitig trieb er irgendwelche Leute an, die Transporter zu beladen, „wir hängen schon eine halbe Stunde hinter dem Zeitplan!“, kam mit einer Fliege angerannt und band sie mir um.
„Einsteigen! Herrgott muss das den alles ewig dauern?“
Der Tross aus drei Transportern setzte sich in Bewegung, glücklicherweise hatte Vera einen Platz neben mir und einem Mädel in weinroter Weste erwischt, die mit stoischem Gesichtsausdruck Kaugummi kaute.
Die Fahrt verlief ruhig und am Tor wurden wir von zwei Männern gründlich mit Metallsensoren untersucht.
Sie fanden nichts ich fragte: „Möchten sie schon mal einen Schluck? Noch haben wir jede Menge von dem guten Zeugs. Whisky, Cognac …"
Ich erntete von Herrn Schnacke eine Rüge und die Männer winkten grinsend ab.
Ich bestand aber darauf, dass sie nachher an seine Bar kommen sollten, möglichst bevor das Eis geschmolzen sei, was er mitführte, denn es könne eine
ganze Party ruinieren, wenn nicht genügend Eis für die Drinks da sei, um mal richtig einen zu trinken.
Die Wachleute ließen uns grinsend passieren.
"Da hinten, in dem Hangar steht der Hubschrauber", klärte ich Vera auf nachdem wir ausgestiegen waren, „darum geht es letztendlich. Weißt du, meine Liebe, der Hellinger sammelt nämlich historische Waffen und Militärfahrzeuge. Letztere stehen wahrscheinlich in jenem Hangar dort. Wo sollten sie auch sonst stehen? - Ich habe mir gedacht, dass wir die Combo in der Nähe der Hangartür placieren."
"Warum?"
"Damit wir einen Grund haben, des Hangars Tor etwas zu öffnen, denn die Verstärker der Combo brauchen ja Strom, und den Stromdraht führen wir denn durch des Hangars Tor hindurch. Unsere kleine Bar baue ich dann in des Swimmingpools Nähe auf, da haben wir den Hangar gut im Blick. Ich hoffe natürlich, dass des Hubschraubers richtiger Pilot dann außer Gefecht gesetzt ist."
"Wie soll das denn geschehen?"
"Du kümmerst dich ein bisschen um ihn und machst ihn betrunken, sonst muss ich ihn hinterrücks zusammenschlagen, und das möchte ich nicht so gerne. Er heißt Krüger, ich stelle ihn dir noch vor. - Aber jetzt müssen wir rein!"
Bevor ich weitersprechen konnte, erschien die restlichen Leute des Best Party Service und Frau Haigel versuchte die Hauptorganisation an sich zu reißen, aber ich schaffte es wieder, sie mit einigen Sprüchen anderweitig zu beschäftigen, nachdem ich Vera mit 'Fräulein Finkelbaum', meine Assistentin, vorgestellt hatte, und dann ich gab ich den Leuten vom Partyservice Anweisungen, wo sie was hinzustellen hatten und ließ es mir nicht nehmen, die kleine Bar in der Nähe des Swimmingpools selber aufzubauen.
Der leicht süffisante Barmixer, der eigentlich für diese Bar vorgesehen war, schien ganz froh zu sein, woanders Drinks mixen zu können, denn sie hatten eine zweite Bar mit Drinks und Cocktails vorgesehen.
Als ich aufbaute, bei mir sollte es nur Bier der unterschiedlichsten Sorten geben, und dabei zufällig in den Swimmingpool schaute, fuhr mir ein Schreck durch die Glieder, denn auf dem Grund lag ein totes Pferd!
Vera schrie auf, denn das Pferd hatte einen aufgeblähten Bauch und seine Zunge hing heraus. Sie war dick und rot.
"Das 's 'ne Attrappe", grinste ich, "vermutlich ein Werbegeschenk einer italienischen Firma, die Attrappen bauen, auch Panzerattrappen und so. Ausgerüstet mit einem kleinen Öfchen in der Attrappe Innerem, gibt solch eine Panzerattrappe ein gar täuschend echtes Wärmebild von sich."
"Und warum das?"
"Nun, wenn man solch ein Teil in die Wüste stellt, denkt der Feind, der in einem Flieger daher kommt: 'Oh, da steht ja ein Panzer!' und dann lädt der Feind seine sündhaft teuren Bomben auf das Plastikteil ab, fliegt wieder nach Hause und sagt zu seinem General: 'Du, General, ich hab' eben einen Panzer vernichtet!' Und dann sagt der General: 'Das hast du gut gemacht. Wenn du so weiter machst, habe ich den Krieg bald gewonnen.' Denn er weiß ja nicht, dass sein Feind, seine richtigen Panzer gar wohl getarnt irgendwo stehen hat und wartet, bis der andere keine Bomben mehr hat oder ganz arm ist, weil er immer neue kaufen muss. - Genial wäre natürlich, die eine Seite mit Attrappen zu beliefern, und die andere mit Bomben. - Willste 'n Bier?"
"Manchmal", sagte Vera und schüttelte den Kopf, "habe ich das Gefühl, als wenn du überhaupt nichts ernst nimmst."
"Ich hab' irgendwie das Gefühl", meinte ich, "als sei die Summe der Intelligenz auf diesem Planeten eine Konstante; - lediglich die Bevölkerung wächst! Die Frage, die sich daraus ergibt, ist ob es sich in diesem Leben und auf dieser Welt überhaupt lohnt, irgendwas oder irgendjemanden ernst zu nehmen; - dich natürlich ausgenommen, meine Liebe, - wenn du keine Fragen stellst."
"Wie darf ich das denn verstehen?"
"Och nur so. Wollen wir denn dann vielleicht anschließend auch mal ein bisschen tanzen gehen, wenn wir den Fall hier hinter uns gebracht haben, meine Liebe. Kannst du eigentlich Jitterbug tanzen?"
"Wie kommst du denn ausgerechnet auf Jitterbug?"
"Nur so. Das ist ein Scheißtag heute, kein Popcorn und kein Jitterbug! Oder meinst du, dass ich meine Erwartungen grundsätzlich zu hoch ansetze? - Gehen wir heute Abend wenigsten einen trinken?"
"Ich werd's mir überlegen", sagte Vera.
Als die Musiker kamen, gab es natürlich ein langes hin und her wegen des Standortes, aber ich schaffte es wieder, die Leute davon zu überzeugen, dass sich der betonierte Platz neben dem Hangar als Tanzfläche 'mehr als anbiederte'.
Frau Haigel rannte los, einen 'Krüger' suchen, weil der den Schlüssel für den Hangar hatte, während die Musiker ihre Instrumente und Verstärker aufbauten.
Dieser 'Krüger' sah tatsächlich so aus, wie man sich immer einen KZ-Wächter vorgestellt hatte: kalte Augen, einen schmalen Mund und einen gewaltigen Unterkiefer, ich hatte ihn mir damals nicht so genau angesehen.
"Na, mein Lieber", sagte ich, "damit sie sich nicht aufregen, habe ich meinen Kraftwagen heute draußen gelassen."
"Ist auch besser für sie", knurrte Krüger, "wieso muss die Band ausgerechnet da hin? Herr Hellinger hat es nicht gerne, wenn der Hangar vorzeitig geöffnet wird. Nachher werden wir die Fahrzeuge präsentieren."
"Die Band braucht aber Strom für die Verstärker. Bitte, Herr Krüger, wir haben nicht ewig Zeit."
"Auf ihre Verantwortung."
Der KZ-Wächter schob die Halle ein wenig auf.
"Mensch", rief ich, "das ist ja ein richtiger 'Huey', der mir dorten in die Pupille sticht! Ich werd' verrückt! Wo haben sie den denn her?"
Herr Krüger grinste nur, konnte aber nicht verhindern, dass ich zu dem Hubschrauber ging.
"Hey", ich winkte Vera, "komm' doch mal her! Da geht einem doch richtig das Herz auf, nicht wahr? - Genau den habe ich drüben geflogen."
"Wo drüben?" fragte Herr Krüger.
"Zuletzt bei der 1st Air Cavalry bei Chu Pong. - Fliegt der noch?"
"Worauf sie einen lassen können!"
Herr Krüger und ich fingen an, über Hubschrauber zu fachsimpeln, wie es sich für richtige Männer gehört. Aber auf Vera schien das Ding furchteinflößend wie ein riesiges, giftiges Insekt zu wirken, sie schien sich nicht vorstellen zu können,
dass man für so etwas Begeisterung empfinden konnte, ebenso wie für die Militärfahrzeuge, die weiter hinten in der Halle standen, ein Chieftain, ein Kampfpanzer 70, einen Patria AMV und etliche Jeeps und Kleinfahrzeuge.
Mitten in unserm Gespräch wurden wir von einem Musiker, der ein Kabel in der Hand hielt, unterbrochen.
"Wir brauchen Strom!"
"Sollt ihr haben", sagte ich und deutete auf eine Steckdose.
Der Musiker steckte den Stecker in die Dose und ging wieder, weil ein Verstärker Rückkopplungspfeifen von sich gab.
Wir traten wieder aus dem Hangar, und Herr Krüger schob das Tor so weit wie möglich zu.
„Das kommt später, warten sie noch“, grinste Herr Krüger.
Im Garten bauten sie inzwischen unter Anleitung von Frau Schnacke die Buffets und dem Grill auf. Frau Haigel ging mit zufriedenem Gesicht auf und ab.
Etwas später lernte Vera auch diesen Herrn Hellinger kennen, und ich stellte sie als meine beste Mitarbeiterin 'Fräulein Finkelbaum' vor. Die beiden plauderten gar munter, hoffentlich hielt Herr Hellinger Vera nicht für eins der ‘offenherzigen Mädels‘.
"Das lässt sich ja alles unheimlich gut an", sagte ich, als wir wieder mit Herrn Krüger alleine waren, "ich denke, wir können schon mal einen trinken. Möchtest du jetzt ein Bier, meine Liebe?"
"Aber wir können doch noch nicht einfach an die Getränke gehen!"
„Ach so, wir haben ja noch gar nicht richtig angefangen! Möchten sie denn vielleicht eins, Herr Krüger? Ich denke, wir sollten unsere kleinen Diskrepanzen vergessen, es ist solch ein schöner Tag."
"Aber immer! Vergessen wir's und trinken einen. - Wo sagten sie noch gleich, haben sie den Huey geflogen?"
"Bei der 1st Air Cavalry bei Chu Pong."
Vera kam wieder, beim Grill wollte Herr Schnacke aus irgendeinem Grund nicht haben.
Wir gingen zu der kleinen Bar am Swimmingpool und ich zog drei Flaschen Bier aus dem Eis.
"Nein, danke", sagte Vera, "ich möchte doch kein Bier."
Ich warf Herrn Krüger eine Flasche zu, die der gekonnt mit einer Hand auffing.
"Na, dann, auf den Huey!" sagte ich und hebelte die Flasche auf, Herr Krüger tat es mir gleich.
"Auf den Huey!"
Wir tranken aus der Flasche, und Vera schien leicht flau im Magen zu werden.
Als wir dann auch noch anfingen, uns gegenseitig Hubschraubergeschichten zu erzählen, begann sie ein wenig herumzuschlendern.
Die Feier ließ sich recht dynamisch an, die Vorbereitungen Frau Schnackes liefen so generalstabsmäßig ab, wie die 'Operation Linebacker', und Herr Krüger war schon halb hinüber; - hatte ich doch sein Bier in unbeobachteten Momenten stets mit Korn geimpft und die wildesten Fliegergeschichten aus dem Vietnamkrieg erzählt, als Hoffstett mit den Mädels aus der Schwarzen Orchidee eintraf.
Die Mädels, acht an der Zahl, quollen aus einem Kleinbus, zupften nochmal kurz an ihren Frisuren, fuhren glättend über die kurzen Röcke, reckten die Brüste unter den durchsichtigen Blusen vor und verteilten sich auf dem Gelände.
Jutta kam zu uns an den Pool, flötete "Haaaay" und schrie auf, als sie das tote Pferd auf des Pools Grund sah.
"Das ist eine Attrappe", sagte Herr Krüger.
"Ach so", Jutta legte erst ihre Bluse ab und dann sich selber mit dem Gesicht in die Sonne an den Pool.
Krüger fielen fast die Augen raus und ich sah, wie Hoffstett die Buffets entlang ging, und den großen Breiten machte, jedenfalls schien er so zu tun, als hätte er was zu sagen. Er trug einen Halsverband.
Als er zu der Bar am Pool kam, an der Krüger und ich biertrinkenderweise rumsaßen, und er uns sah, blieb er einen Moment wie erstarrt stehen und machte ein fassungsloses Gesicht.
"Tach auch", sagte ich, "wollen 'se 'n Bier?"
"Äh, nein."
Hoffstett guckte zunächst wie ein Frosch im Eimer, fing sich aber erstaunlich schnell.
„Sind sie von einer Straßenbahn gerammt worden, Herr Hoffstett?“
"Kleiner Unfall", Hoffstett sprach etwas mühsam, sicher lag es an der Verletzung an seinem Hals, "nix schlimmes."
"Ist das nicht schön? Möchten 'se denn jetzt ein Bier? Wodka habe ich leider noch nicht."
"Vielleicht später. Ich muss noch mal eben nach den Mädchen sehen.“
Hoffstett zog wieder ab, Krüger cremte der Jutta am Pool den Rücken ein und unterhielt sich mit ihr über Lichtschutzfaktoren.
Als er mit dem Cremen fertig war, und auch die Lichtschutzfaktoren nicht mehr viel hergaben, kam er wieder, und ich erzählte weiter Fliegergeschichten bis erst der Hellinger und dann die Gäste erschienen.
Die Party rollte an, die Gäste verwüsteten die kalten Buffets, die Ehepaare betrogen einander, und die Männer stellten den Mädchen nach. Mit zunehmender Dunkelheit und steigendem Alkoholpegel geschah dies immer offener. Eine zweite Dame gesellte sich zu der Jutta an den Pool, sie schien zu den Gästen zu gehören, zog sich aber trotzdem aus.
Ich blieb an meiner Bar, neben der hin und wieder mal Jemand ein Bier trank oder in den Swimmingpool fiel.
Zudem gingen mir langsam die Hubschraubergeschichten aus, und Vera, die hin und wieder mal vorbeischlenderte, kümmerte sich auch nicht um Herrn Krüger.
Ich dachte an die Feier vor zwei Jahren, als ich vierzig wurde.
Meine Freunde hatten sie für mich ausgerichtet, bei uns im Garten. Ich glaube, in der folgenden Nacht hatte ich das letzte Mal mit meiner Frau aus Liebe geschlafen.
Aber dann gingen wir auch bald getrennte Wege und ich musste feststellen, dass unsere und auch meine Freunde eigentlich die Freunde meiner Frau waren. Ich lebte alleine neben meiner Frau her; - manchmal auch verdammt alleine!
Komisch, dass ich gerade jetzt daran dachte.
Ich wollte nicht mehr dran denken, die Zeit war vorbei, mit Kitty war alles anders.
Ich konnte mir sogar vorstellen, mit Kitty im Urwald verirrt zu sein, oder ein Wochenende mit ihr in einem kaputten Lift eingesperrt zu verbringen.
Nun ja, ich ließ mich mit der Feier treiben, an der Bar am Swimmingpool, erzählte wilde Geschichten, trank den KZ-Wächter systematisch unter den Tisch und erzählte Hubschraubergeschichten: "... die Infanteristen hatten uns ein paar Bäume gefällt, so dass ich mit dem Hubschrauber drauf landen konnte. Aber plötzlich, Wumm, Wumm, zwei Granatwerfereinschläge, und zwei Bäume am Rand neigten sich über diese künstliche Lichtung und blieben mit den Kronen aneinander hängen. Da kam ich natürlich nicht mehr raus. Scheiße war's! Ich den Chopper etwas hochgenommen und zwischen den Stämmen durch. Sind sie schon mal unter den Baumkronen geflogen, Herr Krüger?"
Ich machte eine Pause und trank einen Schluck Bier aus der Flasche. Krüger setzte seine Dose auch an und schüttelte den Kopf.
"Und dann", fuhr ich fort, "tauchten plötzlich einige Vietcongs vor uns auf - ich kann ihnen sagen!"
"Und?"
Krüger klebte förmlich an meinen Lippen.
"Naja, Augen zu und mit Vollgas durch die Baumwipfel nach oben! Mann, ich hätte selber nicht geglaubt, dass der Huey das mitmacht …“
Ich war wieder schwer in Form, nur Vera wollte sich keine weiteren Schauergeschichten über Hubschrauber anhören.
Langsam schlenderte sie weiter.
Irgendwann später kam Mona an unseren Stand. Sie war halb betrunken und hatte ihre Bluse bis zum Bauchnabel aufgeknöpft.
"Hay", sagte sie, "amüsierst du dich auch ein bisschen, Elefantenmann?"
"Es geht so, und du?"
"Ich hab' 'n Produzenten kennengelernt, er will einen Star aus mir machen."
Dass diese uralte Masche immer noch zog, selbst bei einer Frau wie Mona, verwunderte mich.
"Bist du sicher, dass du da keinen Fehler machst?" fragte ich.
Mona nickte.
"Ganz sicher, du! - Aber vorher muss ich noch was erledigen!"
"Was denn?"
Mona blitzte mit ihren dunklen Augen und schlängelte sich an einen Mann mit offenem Hemd und Goldkettchen um den Hals.
Ein langweiliger, rundlicher Mann, der ein durchgeschwitztes Hemd und ein verrutschtes Toupet trug, kam zu uns an die Bar, wollte ein Bier zu seinem Steak und erzählte, dass Deutschlands Zukunft im Gewürzhandel läge. Krüger ergriff die Flucht.
Es folgte ein Vortrag über die Kunst des Würzens und Gewürzen, die in jedem Haus unbedingt vorhanden sein müssten. Der Vortrag endete mit der Frage, ob ich denn auch Oregano hätte.
"Das kann nicht sein", antwortete ich, "ich bin erst kürzlich beim Arzt gewesen, und der hätte es mir sicher gesagt."
Der gute Mann erklärte mir daraufhin, dass Oregano ein Gewürz ist, er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass man dieses edle Gewürz nicht kannte, und er schickte sich an, mir den gleichen Vortrag nochmal zu halten.
Glücklicherweise schob Krüger in diesem Moment die Halle auf und der Patria AMV kam heraus geprescht und drehte einige Runden auf dem Rasen. Die Panzer und der Hubschrauber wurden auch herausgefahren, die Panzer allerdings nur auf dem betonierten Teil vor dem Hangar, aber dann gurkten die Männer mit den Jeeps und dem Patria AMV herum, dass die Grasfetzen flogen.
Die Gärtner würden die nächsten Tage gut zu tun haben.
Die Party eskalierte völlig, die Band begann 'Big Spender' zu spielen, und eins der Mädchen aus der Orchidee begann sich hüftschwingend an den wenigen Kleidern zu zupfen.
Natürlich ließ der Gewürzemann sein Steak halb gegessen liegen und ging zuschauen.
Das taten alle - bis auf den Mann mit dem Verband um den Hals.
Der stand an einen Baum gelehnt und rauchte mit zufriedenem Gesicht einen Zigarillo.
Ich blieb als einziger an der Bar und angelte mir noch ein Steak vom Grill nebenan.
Die Musiker hatten die Anlage noch eine Spur lauter gedreht und aller Augen richteten sich auf die Frau, die sich mit lasziven Bewegungen auszog.
Und dann sah ich Mona!
Sie stand verdeckt neben der Statue eines Engels mit Füllhorn, und sie hatte eine Pistole in der Hand.
Während eines Trommelwirbels hob sie die Waffe und zielte, und als der Schlagzeuger den Wirbel mit einem kräftigen Schlag auf das Becken abschloss, zuckte eine Flamme aus der Mündung der Pistole, eine kleine Rauchfahne entstand und verwehte augenblicklich.
Im ersten Moment empfand ich das, was ich sah, wie einen Film im Fernsehen, bei dem man den Ton leise gedreht hatte, aber da war noch die laute, langsame, aufreizende Musik und der Mann mit dem Verband um den Hals, der seine Hände vors Gesicht schlug und langsam zusammensank.
Es war nicht wie im Fernsehen, denn Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Als er am Boden lag, verkrümmt und zuckend, breitete sich eine Blutlache unter ihm aus.
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich einen Menschen sterben sah, und selbst mir wurde übel.
Galliger, bitterer Geschmack füllte meinen Mund aus und ich griff nach dem erstbesten halbvollen Glas, das in der Nähe stand.
'Mein Gott', dachte ich, 'warum hat Mona das getan?'
Die Musik brach ruckartig ab und eine Frau schrie gellend auf.
Ich sah Mona wieder.
Sie lief mit den anderen zu dem Toten, alle liefen sie dort hin, nur einige Militärfahrzeuge fuhren noch auf dem Rasen umher. Die Musiker ließen ihre Instrumente liegen und auch die halb entkleidete Frau, die eben noch getanzt hatte, lief zu der Menschentraube und den Mann in der Blutlache.
Sowas wollte ich nie erleben, ich hatte mich nur auf Spannung und Abenteuer gefreut, meine Detektei nur zur Tarnung angemeldet.
Ich wollte nur selbst erleben, was abends im Fernsehen gezeigt wurde, aber ich konnte mir nicht vorstellen, wirklich jemanden sterben zu sehen.
Es war nicht so, wie im Film, wo die Leute einfach umfielen und reglos liegen blieben. Der Mann hier aber war wirklich tot, ein Leben vernichtet. Irgendwo mochte doch jemand sein, der um ihn trauerte.
Glücklicherweise nahmen mir die Partygäste die Sicht auf den Sterbenden. Ich konnte nicht sehen, ob ihm jemand half, ich konnte es mir auch nicht vorstellen, denn die Leute standen alle hilflos um den Mann herum.
Mein Blick glitt von ihm weg zu der Statue des Engels mit dem Füllhorn.
Der Hellinger hat einen Metallsensor in der Tür. Das hatte ich Mona auch gesagt, kurz bevor wir ins Haus gingen. Daraufhin war sie zu dem Füllhornengel gegangen. Sicher hat sie die Pistole darin deponiert - gar nicht so dumm, die Frau. Die Frage nach dem ‘Warum‘ blieb unbeantwortet, aber Mona wird schon ihre Gründe gehabt haben!
‚Jetzt oder nie‘, dachte ich. ‚Nie ist die Gelegenheit, den Hubschrauber zu klauen, günstiger‘.
Ich schlenderte einfach rüber und kroch in den Hubschrauber. Vera kam auch an.
"Da ist einer erschossen worden", sagte Vera, "mein Gott, wie schrecklich."
„Zick nicht rum, steig‘ einfach ein, oder ich fliege ohne dich los!“
Irgendwie gefiel mir diese Party nicht, obwohl ich quasi mitgeholfen hatte, sie zu organisieren.
Vera stieg tatsächlich ein, ich ließ die Wellenturbine an, sie lief mit schrillem Heulen hoch.
Keine Zeit, vor dem Flug etwas Treibstoff abzulassen, um zu sehen, ob sich nicht Schwitzwasser in den Tanks gesammelt hatte. Man kann nie wissen, und ich wusste nicht, wie lange der Chopper hier schon in der Wärme gestanden hatte. Keine Zeit den Heckrotor und die 'Jesus Nut', die Mutter oben auf der Rotornabe, an der der Hubschrauber praktisch hängt, wenn er in der Luft ist, die alles zusammenhält, zu prüfen Die Übertragungsbefestigungen und die Steuerstangen, keine Zeit. Ich warf noch einen Blick auf die Sicherungsdrähte, die sich an der Taumelscheibe, der Stoßstange, den Stabilisierungsschienen und Steuerungsdämpfern befinden.
Keine Zeit!
Ein Hubschrauber will eigentlich gar nicht fliegen, ich versuchte ihn trotzdem dazu zu bringen.
Ewigkeiten drängten sich zu mir ins Cockpit, bis die Turbine ihre volle Drehzahl erreicht hatte.
Meine linke Hand umfasste den kollektiven Steuerknuppel und zog den Anstellwinkel der Rotorblätter hoch.
Langsam bekam der Hubschrauber Auftrieb.
Ich erhöhte den Anstellwinkel weiter, bis die Maschine nur noch ganz leicht auf den Kufen stand. Hierfür, den kritischsten Flugzustand, gibt es kein Messgerät, keine Anzeige, man muss das Gefühl dafür 'im Hintern' haben, oder sonst wo. Ich hatte es fast verlernt, denn der Hubschrauber gierte um etliche Grade - ich konnte gerade noch mit dem Steuerknüppel zwischen den Beinen, der periodischen Blattsteuerung ausgleichen und korrigierte mit den Pedalen.
Ich ließ den Huey wenige Zentimeter abheben und neigte ihn etwas nach vorne. Er setzte nochmal leicht mit den vorderen Teilen der Kufen auf, kam wieder frei und schob sich langsam, knapp an den Verstärkern der Musiker vorbei, vorwärts.
Die Partygaste, die sich im Halbkreis um den Hangar gesammelt hatten, und unser Unternehmen für eine Flugvorführung hielten, wichen zurück.
Neben der Anlage der Combo standen der Hellinger drohte mit der Faust.
Ich zog den Huey knapp über Baumwipfelhöhe und ließ ihn nach vorne kippen. Er nahm Geschwindigkeit auf, kam wieder etwas tiefer und ich zog ihn mit leicht tänzelndem Heck knapp an dem Haus vorbei.
Gewohnheitsmäßig flog ich tief, etwa in Baumwipfelhöhe und nie länger als zwei Sekunden geradeaus - es war mir zur Gewohnheit geworden, und diese Gewohnheit kam selbst nach Jahren wieder durch, als ich die charakteristische Vibration des Zweiblattrotors im Rücken spürte.
Wir flogen durch silbernes Mondlicht, war alles ganz schön, fast romantisch, aber die Orientierung verlor ich trotzdem ein wenig.
Von oben, oder aus einer gewissen Hohe, sieht eben alles etwas anders aus, zudem hatte ich auch den Namen des Orts vergessen, an dessen Rand Frau Blomes Scheune stand und des Hubschraubers harrte.
"Äh, wo müssen wir noch hin?", fragte ich mit möglichst coolem Gesichtsausdruck. Vera verstand mich nicht, sie begann etwas argwöhnisch zu gucken, und abfällige Bemerkungen zu machen, als wenn sich nicht mehr so ganz das volle Vertrauen zu mir in ihr ausbreitete, zudem machte sie ein Gesicht, als würde sie jeden Moment anfangen, etwas zu hyperventilieren oder dezent hysterisch überzureagieren.
Ich flog eine Weile in etwa geradeaus bis sich eine Autobahn unter uns entlang räkelte. Dieser folgte ich in einigem Abstand bis zur nächsten Abfahrt. Dort flog ich dann so tief, dass die Hinweisschilder zu den nächstgelegenen Orten lesbar waren. Allzu sehr hatte ich mich doch nicht verfranzt und der Name der Ortschaft fiel mir wieder ein, als ich ihn las.
Nach kurzer Zeit landete ich den Huey vor Frau Blomes Scheune.
Ich stieg aus, ging in die Scheune und kam mit einer der Paletten wieder. Ich lege das Ding neben den Hubschrauber und ging wieder hinein. Vera stieg auch aus, mit noch etwas weichen Knien, und folgte mir. Ich hatte wieder solch eine Palette in der Hand.
"Lass' man, die Paletten kriege ich alleine raus", sagte ich, "ich bitte dich nur, mich gleich ein wenig einzuwinken."
Vera nickte, ich legte die Paletten neben die Maschine, startete erneut und Vera winkte mich so ein, dass ich den Hubschrauber haargenau und butterweich draufsetzte.
Ich stellte den Motor sofort ab, als der Chopper auf den Paletten stand und blieb noch eine Weile darin sitzen, bis sich die Rotorblätter nicht mehr drehten und zündete mir eine Zigarette an. Mit hohlen Wangen sog ich daran und stieg aus.
„Ich hätte nie gedacht, dass ein Hubschrauber so viel Krach und Wind machen würde“, sagte Vera, „aber jetzt, wo du neben dem Hubschrauber stehst, deine Hand dran legst und den Rauch ausbläst, siehst du aus wie der Hubschrauberpilot, den ich in diesem grauenhaften Film über Vietnam gesehen habe.“
„Da fühle ich mich aber geehrt.“
" Wough", sagte Vera, "das war irgendwie ganz toll. Warum bist du denn so tief geflogen und so wackelig?"
"Ich wollte nicht, dass uns irgend son Radar erwischt", sagte er, "nachher denken die, da kommt ein UFO entlang."
"Du bist gefechtsmäßig geflogen, mein Lieber! Das habe ich in dem Film gesehen. Hagen, wo hast du so fliegen gelernt? In Vietnam?"
"Merkt man das?"
Vera nickte.
"Tja, eigentlich wollte ich das nie wieder tun … aber naja …“
Ich zuckte die Achseln, "dann wollen wir den Chopper mal reinschieben, und das war's dann. - Mensch Vera, wir haben's geschafft!"
Ich trat neben Vera, ganz dicht.
Sie ließ es zu.
Ich legte meine Hand auf ihren Arm, die andere auch, ich zog sie sanft zu mir, sanft aber doch bestimmend, ich drückte mich an ihren Busen, meine Hände wanderten auf ihren Rücken.
Sie schloss die Augen und ließ kommen was kam - und meine Lippen kamen, ganz sanft auf ihre Lippen, ein wenig zaghaft und dann fester, meine Zunge folgte, tastete an ihren Schneidezähnen entlang - und damit kam auch meine Bierfahne.
Diese verdammten Bierfahnen!
Vera setzte den Kuss nicht fort, erwiderte ihn nicht und löste sich aus der Umarmung.
„Du stinkst nach Bier!“
"Entschuldige", murmelte ich, "aber ...", ich wandte sich ab, ging mit erschöpftem Gang in die Scheune und kam mit meinem Wagen wieder heraus. Ich fuhr noch eine Runde auf dem Hof und setzte die vordere Stoßstange meines Wagens behutsam an die hinteren Kanten der Paletten unter dem hinteren Teil des Hubschraubers. Mit heulendem Motor schob er die große Maschine in die Scheune und ich setzte den Wagen wieder zurück. Ich stieg aus, schloss die Scheunentore, wandte mich zu Vera und sagte: "So, und das war's jetzt endgültig! - Nimmst du, liebe Vera, denn wenigstens eine Einladung zum Essen von mir an? - Vielleicht können wir ja auch - ich meine - wir haben ja was zu feiern …“
"Vielleicht ergibt sich ja auch etwas mehr ...", nickte Vera.
"Los, weg hier, ein Wunder, dass Frau Blome noch nicht aufgetaucht ist."
Im Kino, bei James Bond zum Beispiel, ist es immer so, dass sich die Protagonisten anschließend in den Armen oder anderen weichen, angenehmen Plätzen liegen und die Nacharbeiten werden von anderen erledigt.
Nicht so im wahren Leben und schon lange nicht mit Vera!
Ich hatte mir eigentlich vorgestellt, mit ihr in irgendein romantisches Waldhotel in der Nähe zu fahren um daselbst eine romantisch-erotische Nacht zu verbringen; - sie zeigte sich dem zunächst nicht abgeneigt, aber vorher wollte sie sich noch umziehen.
Ich ließ es mir nicht nehmen, noch mal schnell beim Hellinger vorbeizufahren.
Einige Polizeiwagen standen vorm Tor und es war seltsam ruhig; - die Fete schien gestorben zu sein.
Schade drum, aber das Leben ist nicht anders.
Wir fuhren zu Vera und sie wollte sich umziehen, aber das Geschirr vom Vorvortage stand noch rum, und das musste erst mal rein, das dauerte. Vera zog sich endlich um und fragte mich dauernd, was sie anziehen sollte, aber schließlich schaffte sie es doch, nach über einer Stunde, und dann wollte sie ihr Auto abholen und die weinrote Weste und das andere Zeug zurückbringen.
Davon riet ich ihr dringend ab, denn die Aktion mit dem Hubschrauber, die wir durchgezogen hatten, war nicht so ganz legal und unsere richtigen Namen sind nirgends aufgetaucht, da hatte ich schon drauf geachtet.
Nun wollte Vera alles ganz genau wissen und brachte mich damit in eine arge Bedrängnis, denn was nun mit dem Hubschrauber passieren sollte wusste ich auch noch nicht, und das verknuckfiedelte ich ihr.
Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass unsere Beziehung ins Leere führen würde, und Vera zog derweil laufend andere Schuhe an und fragte mich dauernd nach meiner Meinung.
Es war sozusagen deserotisierend als wir ihr Auto holten, und dann war die Sache für mich endgültig durch, aber irgendwie hatte ich doch gehofft, dass sie mir mit tränennassem Spitzentüchlein nachwinken wurde, aber das tat sie nicht, als ich beim ‘Best Party Service‘ vom Hof fuhr und Vera in ihrem Twingo auch.
War auch besser so, denn schließlich hatte ich das alles für Kitty getan, damit es ihr gut ging.
Zwei Frauen konnte selbst ich nicht bewältigen, außerdem war Kitty mir wichtiger, aus dramaturgischer Sicht, und ich fuhr nach Hause wartete auf den Anruf der Motorradfahrer, aber der kam nicht.
Ob ich doch nochmal zu Vera ...?
Quatsch!
Die Zeit verrann und aus der Kneipe schräg gegenüber wehten Musikfetzen herüber, sentimentale Musik ‘help me make it through the night‘. Irgendjemand außer mir musste auch gerade eine verdammt sentimentale Phase durchleiden.
Ich zog mir meinen Ganovenanzug an, folgte der Musik und stand bald an der Theke, gelehnt an meine Einsamkeit.
Ich trank Bier und dachte an Kitty.
Honey, die Qualmgebadete gähnte mir ihre Amalgamfüllungen entgegen.
Im Hinterzimmer knallten Billardkugeln.
Endlich trat auch hier die Nacht ein und löschte die Musik der Juke-Box.
Ich trank mein Bier noch aus und ging ganz langsam wieder nach Hause; - keine Minute zu früh, denn das Telefon klingelte.
Ich stürzte hin und meldete mich.
„Haben sie unseren Auftrag ausgeführt?“
„Selbstverständlich! Der Hubschrauber ist entführt!“
„Gut. Wo steht er?“
„Das sage ich ihnen, wenn sie mir Kitty wiederbringen. Ich hoffe es geht ihr noch gut; - um nicht zu sagen ‘sehr gut‘!“
Anstatt einer Antwort erscholl Kittys Stimme aus dem Hörer: „Hagen, hol mich hier raus, bitte …“
 



 
Oben Unten