Der Drachenorden

Der Drachenorden

Vor 8 Jahren hörte ich von Abenteurern, die sich in Orden organisierten. Das schien mir eine gute Idee zu sein, also wog ich ab, wo ich einzutreten gedachte. Der "Ritterorden vom Schwert Garros" schien mir das Richtige. Wie mir allerdings mitgeteilt wurde, konnte nicht jeder Dahergelaufene, der wusste, an welchem Ende ein Schwert anzufassen war, aufgenommen werden, daher musste jeder Aspirant zuerst eine Prüfung bestehen. Meine bestand darin, einen Drachen zu erschlagen und sein Herz als Beweis zurückzubringen. Meine moralischen Bedenken behielt ich für mich und zog los. Um nicht mehr als nötig aufzufallen, trug ich das Elfenkettenhemd, welches mir vor einem Jahr geschenkt wurde, nur, wenn ich allein war. Bei meinen Mitmenschen hätte es zu unnötigen Diskussionen geführt.

Die Drachenhöhle roch ich viel eher, als das ich sie sah; der Gestank von verbranntem und verwesendem Fleisch liess mich würgen und es dauerte nicht lange, bis ich an einem Baum lehnte um meinen Magen zu entleeren. Auch heute passiert mir das noch, vielleicht der Grund, warum ich nichts oder nur sehr selten Gebratenes esse. Mein Lager schlug ich etwa 100 Fuss vor dem Höhleneingang auf und begann mit meinen Vorbereitungen: Ich zog das Elfenkettenhemd über, prüfte Schwert und Schild und steckte das Ausweidemesser ein. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken, ein Geschöpf zu töten, auf dem ich in meiner Heimat geritten bin, aber was blieb mir übrig, wenn ich in den Orden aufgenommen werden wollte? Ich atmete noch einmal tief durch und stürmte los. Etwa auf halber Strecke begann der Boden unter meinen Füssen zu beben, und das konnte nur Eines bedeuten: Ein oder mehrere Drachen verliessen die Höhle! Abrupt blieb ich stehen; mein Atem ging schneller, mein Puls raste. Dann sah ich es. Zuerst den riesigen Kopf, dann den gewaltigen Körper und letztendlich den imposanten Schwanz, mit dessen winziger Bewegung ein Drache imstande war Häuser zu zertrümmern. Die Flügel hatte er eng an den Körper angelegt, was mir bedeuten sollte, das er misstrauisch und angriffsbereit war. Wir standen einige Augenblicke, die mir wie eine Ewigkeit erschienen, da und schauten uns an. Es hatte keinen Zweck, ich würde ihn nicht töten können, selbst, wenn er unterlegen sein sollte.

Seufzend warf ich Schwert und Schild beiseite, drehte mich um und ging. "Was soll das werden, Mensch?" dröhnte eine gewaltige Stimme hinter mir. Woher er meine Sprache beherrschte, war unbedeutend; Drachen gab es seit Anbeginn der Zeit. Meine Knie zitterten leicht als ich mich umdrehte und rief "Ich gehe! Wonach sieht es denn für Euch aus, Drache?!" "Du willst nicht gegen mich kämpfen? Was tust du dann hier, Mensch?" Ja, diese Frage war berechtigt, wenn ich nicht kämpfte, was wollte ich dann hier? "Ich weiss es nicht. Ich wollte Ritter werden, und..." stammelte ich. "Und Ritter töten nun einmal Drachen, nicht wahr?" Der ironische Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. Hilflos stand ich da. Er konnte mich jederzeit töten und das wusste er auch, warum also dieses Spiel? Plötzlich drehte der Drache sich um und sagte "Folg mir, Mensch!" Widerwillig, da ich nicht wusste, was mich erwartete, trottete ich hinterher. In der Höhle angekommen, sah ich mich schon vor meinem geistigen Auge als Mittagessen möglicher Welpen. Vor Angst und Aufregung war mir elend zumute, immerhin konnte ich, so ich dieses Abenteuer überleben sollte, allen erzählen, ein Drache habe mir seine Höhle gezeigt. Aus Erzählungen anderer Abenteurer glaubte ich Drachenhorte zu kennen und daher fiel mir ein fehlendes Detail sofort auf. "Wo sind denn Eure Schätze, Drache?" Wenn wir mal davon ausgehen, dass Drachen lachen können, lachte dieser mich gerade aus! "Glaubst du alles, was man dir erzählt, Mensch?" Nun war ich vollkommen verwirrt; Drachen horten doch haufenweise Schätze, um... Ich wurde in meinen Gedanken unterbrochen. "Was würde es reizvoll machen, einen Drachen zu töten? Ruhm? Nein, es gibt genug da draussen, die behaupten, schon einmal einen Drachen erschlagen zu haben! Aber Schätze, womöglich noch magisch! Drachenmagie ist die stärkste, die es gibt!" Da hatte er recht, die Gier eines Menschen trieb ihn zu Höchstleistungen an.

"Ich glaube nicht, dass du herkamst, um mich zu töten. Das entspricht nicht deinem Naturell!" Wie bitte? Woher wollte ER das denn wissen? "Hier, nimm dieses Amulett!" Auf einmal, ich schwöre, es lag vor wenigen Augenblicken noch nicht dort, lag in der Pranke des Drachen ein Amulett, dessen Anhänger einen Drachen in Miniaturform zeigte, gerade so, als habe man einen echten verkleinert und erstarren lassen. "Trag das Amulett, Dorahn Mavelius! Und stell keine Fragen! Suche die anderen Menschen, die ein ähnliches tragen und sie werden dich unsere Gesetze lehren! - Und nun musst du mich verlassen!" Er wusste genau, wer ich bin! Da ich keine Fragen stellen durfte und sicher war, sowieso keine Antworten zu erhalten, verliess ich Drachen und Höhle. Glücklicherweise hatte ich mein Hab und Gut bei mir, so dass mir eine Ausrede vor dem Ordenmeister erspart blieb; für ihn war ich tot, gestorben im erfolglosen Kampf gegen einen Drachen.

Eines Abends, einige Monde später, kehrte ich müde von einem Auftrag in einer Schenke am Wegesrand ein und setzte mich aus Platzmangel zu vier, in edle Rüstungen gewandete, Rittern. Eigentlich wollte ich nur was essen und ungestört bleiben, aber dann sah ich ein Drachenamulett bei einem der vier. Schnell fingerte ich das Meinige unter dem Hemd hervor und trug es sichtbar. Es dauerte nicht lange, bis es bemerkt wurde und ich musste berichten, wie ich in den Besitz gelangte. Man schaute mich misstrauisch an und mein erster Gedanke war, das sie mich für verrückt halten würden. Zu meiner grossen Überraschung war das Gegenteil der Fall, man klopfte mir sogar anerkennend auf die Schulter und ich wurde gefragt, ob ich Mitglied des "Drachenorden" werden möchte. Und ob ich das wollte! Den Regeln zufolge, die mir als Neuling erklärt wurden, kämpfte der Orden gegen alle, die Drachen jagten oder töteten! Es sei allerdings nicht einfach, da der Orden mächtige Feinde habe, vor allem Adlige, die Drachenjagd als eine Passion sähen. Aus diesem Grund arbeiteten die Ordensmitglieder auch im Geheimen, und ich musste bei meinem Leben schwören, das ich nie, auch nicht nach einem eventuellen Austritt, etwas über den Orden berichte, das diesem schadet! Von da an war das sorglose Leben vorbei. Gelegentliche Kontakte zu fremden Kämpfern, Abenteurern und Rittern wurden danach abgeklopft, ob sie selbst Drachen zu jagen beabsichtigten oder jemanden kannten, der es in absehbarer Zeit vorhatte. Die Fragerei verlief weitaus friedlicher, als ich gedacht hätte, vermutlich, da kein Mensch ernsthaft damit rechnete, es könne einen Haufen Verrückter geben, die für anstatt gegen Drachen kämpfen. Potenzielle "Kunden" wurden nicht sofort getötet, sondern wir versuchten, sie durch geschicktes Zureden auf unsere Seite zu ziehen und für die schwierige Aufgabe zu gewinnen. Manchmal klappte es, meist jedoch nicht. Auf diese Weise kamen sehr viele Ritter ums Leben, und das nur, weil sie sich beim besten Willen nicht vorstellen konnten, auf der Seite der Drachen zu kämpfen!

Der Drachenorden existiert noch heute, genau, wie dank seiner Arbeit, noch Drachen existieren. Das Ritual ist in all den Jahren gleich geblieben. Wen der älteste Drache für würdig erachtet, bekommt ein Amulett und muss andere Ordensmitglieder finden, die den Erwählten lehren, Drachenritter zu sein. Und das Eine kann ich Euch sagen: Drachenritter ist keine blosse Aufgabe, es ist eine Berufung! Wer nicht mit ganzem Herzen für Drachen einsteht, hat im Orden nichts verloren. Nach einigen Jahren verliess ich den Orden, meine Gesinnung gegenüber Drachen ist unverändert. Ebenso jage ich immer noch alle, die aus purem Vergnügen Drachen zu töten beabsichtigen. Ich hoffe, es ist mir wieder einmal gelungen, Euch mit einer meiner Erzählungen die Langeweile zu vertreiben.

So gehabt Euch nun wohl, werter Leser!

© by Dorahn Mavelius
 



 
Oben Unten