Der Einkaufscoach

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Hagen

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Der Einkaufscoach

Da war ich mal mit meiner Frau einkaufen. Es gibt da von Otto Reutter ein Gedicht, das heißt „Der Blusenkauf“. Ist gar nicht so weit hergeholt, aber wenn ich mal ein neues Hemd brauche, gucke nach den Sonderposten, nehme mir ein schwarzes Hemd, Größe XL bezahle und die Sache hat sich. Zehn Minuten, und ich brauche nicht zu diskutieren oder nachzudenken, was ich Anziehen soll.
Henry Ford soll mal gesagt haben: „Mir ist jede Farbe Recht, solange sie schwarz ist!“ Er meinte Autos, das hatte aber einen anderen Grund, wie ich recherchiert habe, ich meine Hemden.
Ich kann mich dann wichtigeren Dingen widmen, für die Leselupe schreiben zum Beispiel, oder für meine Romane recherchieren, das kostet nämlich viel Zeit, oder mit meiner Frau Billard spielen, das macht mehr Spaß als irgendwo meine Zeit mit Warten zu verschwenden, aber das nebenbei.
Wie ich da also so am warten war, füllte ich aus lauter Langeweile zwei Preisausschreiben aus. Aus dem Grund, weil meine Frau immer die Kaffeemaschine gewinnt. Aber diesmal hatten die keine Kaffeemaschinen zu gewinnen, sondern nur Einkaufsgutscheine für den piekfeinen Klamottenladen; - in Begleitung eines Einkaufscoachs.
Ob Melpomene oder Thalia ihre Finger im Spiel hatten, kann ich nicht eindeutig klären, jedenfalls gewann ich den Einkaufsgutschein sowie den Einkaufscoach für diesen piekfeinen Laden.
Wir trafen uns in einem Café, der Coach und ich, und der meinte, ich sollte mir meinen Bart abnehmen, das trüge heute kein Mensch mehr.
„Sting hat auch einen Bart, genau wie ich“, sagte ich daraufhin. „Ein psychologisches Bedürfnis von mir ist es, mich einmal im Jahr zurückzuziehen und über den Sinn des Lebens nachzudenken. Durch die globale Erwärmung verliere ich sonst diese magischen Momente, mit Seemannsbart und schwarzem Rollkragenpulli geht das am besten!“
„Sowas macht doch heute kein Mensch mehr! – Es sei denn, Sie posten die Bilder davon bei Facebook.“
„Ich bin nicht bei Facebook, dafür verschwende ich keine Zeit, genau wie mit rasieren. Dann müsste ich mir nämlich einen Rasierapparat kaufen und mich täglich Barbieren. Das sind hochgerechnet zwei Jahre meines Lebens, vom Ändern der Passfotos mal abgesehen, das kostet nämlich auch mindestens einen Tag, und den kann ich sinnvoller verwenden. – Ist nicht, der Faulheitsbart bleibt dran, ich bin ein bekennender Faulpelz!“
„Aber Ihre langen Haare könnten sie ruhig mal abschneiden, wie sieht denn das aus, trägt heute doch kein Mensch mehr.“
„Dann müsste ich ja laufend zum Friseur gehen und da erst mal warten. Ich hasse warten! Also gehe ich nicht zum Friseur, die Zeit kann ich, wie gesagt, sinnvoller verwenden. – Äh, Frollein, kann ich bitte einen Pott Kaffee haben? Schwarz und stark?“, fragte ich die Bedienung, die gerade entlang kam, „und darf ich hier rauchen?“
„Nein!“
„Scheiße.“
„Rauchen ist ungesund und liegt auch nicht mehr im Trend“, meinte der Einkaufscoach und bestellte sich eine Latte macciato mit Sojamilch, „mit Ihnen werde ich noch mächtig zu tun haben! Es wird kompliziert werden.“
„Wieso, was ist denn kompliziert? Ich gehe in den Laden, suche mir was aus, einen schwarzen Rollkragenpullover zum Beispiel, denn schwarze Hemden habe ich genug, gebe den Gutschein ab und gehe wieder nach Hause. Ganz einfach.“
„Rollkragenpullover?“, der Coach schnappte nach Luft, „damit zeigen Sie der Umwelt, dass Sie noch Ihre Vorhaut haben! Wollen Sie das?“
So hochpsychologisch war ich die Sache bisher noch nicht angegangen, musste dem Coach aber Recht geben. Rollkragenpullover entfielen also, aber schwarze Hemden kann man ja nicht genug haben, ich brauchte nichts anderes.
Glücklicherweise kam mein Kaffee, sogar mit Keks, und der Latte macchiato des Coachs, und der beanstandete das Fehlen der Verzierung mit Kakaopulver oder Zimt. Mein Gott, die Zeit lief uns weg, für so einen Scheiß, ich war mit meiner Frau zum Billardspielen verabredet.
Ich hatte meinen Kaffee längst aus und war startbereit, als der ordentlich verzierte Latte macchiato endlich ankam. Also wieder warten und mir einen Vortrag über Kaffee anhören, und das Kaffee einfach nur so absolut „out“ war. Es sollte doch Latte macchiato sein, der wäre jetzt absolut „in“.
Das Latte macchiato häufig als Symbol für trendbewusste Neu-Großstädter der ‚kreativen‘ Mittelschicht und jungen Elterngeneration in Szenebezirken verwendet, und demzufolge auch als Modegetränk der Yuppies und als begleitendes Getränk von Gentrifizierungsprozessen betrachtet wird, dachte ich mir, sagte aber nix und wartete wieder.
Ich hatte ungefähr eine Stunde für die ganze Aktion eingeplant, und die war verbraucht, als der Coach seine Latte macchiato endlich aus hatte.
Nun denn, auf in den Laden, Klamotten aussuchen und gehen, aber der Coach coachte mich voll, von wegen erwartet wird von dem modebewussten Herren ein zwei- oder dreiteiliger, dunkler Anzug mit Hemd, Krawatte und glatten Lederschuhen. „Der Anzug“, fuhr der Coach fort, „kann neben den üblichen Nuancen auch Grau, Braun oder Cognac sein, allerdings sollten Sie insbesondere bei braunen Anzügen die Schuhe und den Gürtel farblich abstimmen. Achten Sie auf eine dezente Kombination der Stilmittel, sonst wirkt der Look schnell überladen. Sie werden allerdings noch eine Kleinigkeit drauflegen müssen, soviel gibt der Gutschein nicht her!“
Daher wehte also der Wind, und ein brauner Anzug kam für mich in keinem und keinstem Fall in Frage.
Der Einkaufscoach wollte mich jedenfalls in einen modischen Anzug in Trendfarben stecken und guckte etwas pikiert, als ich mir den letzten, mehrfach heruntergesetzten Nadelstreifenanzug im Al Capone-Look aussuchte und anprobierte. Er passte, und ich suchte mir noch einen schwarzen Hut dazu, sowie eine ebenso grelle wie geschmacklose Krawatte aus, die ich mir sogleich umband, ein schwarzes Hemd hatte ich sowieso schon an.
Der gute Mann schnappte nach Luft, und als ich ihn bat, doch bitte meine Hose und Jacke zu verpacken und alle Schildchen von dem Nadelstreifenanzug zu entfernen, wollte er mich zur Vernunft bringen und mir einen Juristenanzug verkaufen, wie er von den Frauen geschätzt wird, es wären nur zweihundert Euro Zuzahlung fällig.
Deutlich zu viel für einen simplen Anzug!
“Sie sehen ja aus wie ein Gangster aus dem Bilderbuch! Sowas liegt total neben dem Trend“, murmelte er fassungslos.
„Eben! Und jetzt hätte ich noch gerne formelle, Italienische Herrenschuhe, so in Weiß/Schwarz, Spitz und Geschnürt.“
„Natürlich, aber das geht nur, weil der Anzug mehrfach runter gesetzt ist. Sie müssen nur noch fünf Euro drauflegen!“
„Das ist es mir wert! Eine schwarze Ray Ban-Brille werde ich mir dann noch besorgen, ebenso wie das notwendige Utensil für die kleine Beule im Jackett, eine achtunddreißig er ‚Stubsnase‘. – Einen fröhlichen Tag noch.“
Was mich wunderte war, dass mich der Einkaufscoach durch den Hinterausgang raus komplimentierte.
Wahrscheinlich denkt er über einen Berufswechsel nach; - bei einer Latte macciato.
 

Vera S

Mitglied
"Anziehen" am Ende des ersten Absatzes müsste klein sein, "Barbieren" im oberen Teil der Mitte auch. Das "rasieren" kurz davor wiederum groß. Aber das sind Kleinigkeiten. Eine erfrischende Analyse blödsinniger Modetrends und eine gelungene Ode an den eigenen Geschmack. Meinst du am Ende eine "Achtunddreißiger"?
Gut, dass der Prot keine halbautomatische Kaffeemaschine mit Siebträger für den perfekten Latte Macchiato gewinnen konnte...
 

Hagen

Mitglied
Der Einkaufscoach

Da war ich mal mit meiner Frau einkaufen. Es gibt da von Otto Reutter ein Gedicht, das heißt „Der Blusenkauf“. Ist gar nicht so weit hergeholt, aber wenn ich mal ein neues Hemd brauche, gucke nach den Sonderposten, nehme mir ein schwarzes Hemd, Größe XL bezahle und die Sache hat sich. Zehn Minuten, und ich brauche nicht zu diskutieren oder nachzudenken, was ich anziehen soll.
Henry Ford soll mal gesagt haben: „Mir ist jede Farbe Recht, solange sie schwarz ist!“ Er meinte Autos, das hatte aber einen anderen Grund, wie ich recherchiert habe, ich meine Hemden.
Ich kann mich dann wichtigeren Dingen widmen, für die Leselupe schreiben zum Beispiel, oder für meine Romane recherchieren, das kostet nämlich viel Zeit, oder mit meiner Frau Billard spielen, das macht mehr Spaß als irgendwo meine Zeit mit Warten zu verschwenden, aber das nebenbei.
Wie ich da also so am warten war, füllte ich aus lauter Langeweile zwei Preisausschreiben aus. Aus dem Grund, weil meine Frau immer die Kaffeemaschine gewinnt. Aber diesmal hatten die keine Kaffeemaschinen zu gewinnen, sondern nur Einkaufsgutscheine für den piekfeinen Klamottenladen; - in Begleitung eines Einkaufscoachs.
Ob Melpomene oder Thalia ihre Finger im Spiel hatten, kann ich nicht eindeutig klären, jedenfalls gewann ich den Einkaufsgutschein sowie den Einkaufscoach für diesen piekfeinen Laden.
Wir trafen uns in einem Café, der Coach und ich, und der meinte, ich sollte mir meinen Bart abnehmen, das trüge heute kein Mensch mehr.
„Sting hat auch einen Bart, genau wie ich“, sagte ich daraufhin. „Ein psychologisches Bedürfnis von mir ist es, mich einmal im Jahr zurückzuziehen und über den Sinn des Lebens nachzudenken. Durch die globale Erwärmung verliere ich sonst diese magischen Momente, mit Seemannsbart und schwarzem Rollkragenpulli geht das am besten!“
„Sowas macht doch heute kein Mensch mehr! – Es sei denn, Sie posten die Bilder davon bei Facebook.“
„Ich bin nicht bei Facebook, dafür verschwende ich keine Zeit, genau wie mit Rasieren. Dann müsste ich mir nämlich einen Rasierapparat kaufen und mich täglich barbieren. Das sind hochgerechnet zwei Jahre meines Lebens, vom Ändern der Passfotos mal abgesehen, das kostet nämlich auch mindestens einen Tag, und den kann ich sinnvoller verwenden. – Ist nicht, der Faulheitsbart bleibt dran, ich bin ein bekennender Faulpelz!“
„Aber Ihre langen Haare könnten sie ruhig mal abschneiden, wie sieht denn das aus, trägt heute doch kein Mensch mehr.“
„Dann müsste ich ja laufend zum Friseur gehen und da erst mal warten. Ich hasse warten! Also gehe ich nicht zum Friseur, die Zeit kann ich, wie gesagt, sinnvoller verwenden. – Äh, Frollein, kann ich bitte einen Pott Kaffee haben? Schwarz und stark?“, fragte ich die Bedienung, die gerade entlang kam, „und darf ich hier rauchen?“
„Nein!“
„Scheiße.“
„Rauchen ist ungesund und liegt auch nicht mehr im Trend“, meinte der Einkaufscoach und bestellte sich eine Latte macciato mit Sojamilch, „mit Ihnen werde ich noch mächtig zu tun haben! Es wird kompliziert werden.“
„Wieso, was ist denn kompliziert? Ich gehe in den Laden, suche mir was aus, einen schwarzen Rollkragenpullover zum Beispiel, denn schwarze Hemden habe ich genug, gebe den Gutschein ab und gehe wieder nach Hause. Ganz einfach.“
„Rollkragenpullover?“, der Coach schnappte nach Luft, „damit zeigen Sie der Umwelt, dass Sie noch Ihre Vorhaut haben! Wollen Sie das?“
So hochpsychologisch war ich die Sache bisher noch nicht angegangen, musste dem Coach aber Recht geben. Rollkragenpullover entfielen also, aber schwarze Hemden kann man ja nicht genug haben, ich brauchte nichts anderes.
Glücklicherweise kam mein Kaffee, sogar mit Keks, und der Latte macchiato des Coachs, und der beanstandete das Fehlen der Verzierung mit Kakaopulver oder Zimt. Mein Gott, die Zeit lief uns weg, für so einen Scheiß, ich war mit meiner Frau zum Billardspielen verabredet.
Ich hatte meinen Kaffee längst aus und war startbereit, als der ordentlich verzierte Latte macchiato endlich ankam. Also wieder warten und mir einen Vortrag über Kaffee anhören, und das Kaffee einfach nur so absolut „out“ war. Es sollte doch Latte macchiato sein, der wäre jetzt absolut „in“.
Das Latte macchiato häufig als Symbol für trendbewusste Neu-Großstädter der ‚kreativen‘ Mittelschicht und jungen Elterngeneration in Szenebezirken verwendet, und demzufolge auch als Modegetränk der Yuppies und als begleitendes Getränk von Gentrifizierungsprozessen betrachtet wird, dachte ich mir, sagte aber nix und wartete wieder.
Ich hatte ungefähr eine Stunde für die ganze Aktion eingeplant, und die war verbraucht, als der Coach seine Latte macchiato endlich aus hatte.
Nun denn, auf in den Laden, Klamotten aussuchen und gehen, aber der Coach coachte mich voll, von wegen erwartet wird von dem modebewussten Herren ein zwei- oder dreiteiliger, dunkler Anzug mit Hemd, Krawatte und glatten Lederschuhen. „Der Anzug“, fuhr der Coach fort, „kann neben den üblichen Nuancen auch Grau, Braun oder Cognac sein, allerdings sollten Sie insbesondere bei braunen Anzügen die Schuhe und den Gürtel farblich abstimmen. Achten Sie auf eine dezente Kombination der Stilmittel, sonst wirkt der Look schnell überladen. Sie werden allerdings noch eine Kleinigkeit drauflegen müssen, soviel gibt der Gutschein nicht her!“
Daher wehte also der Wind, und ein brauner Anzug kam für mich in keinem und keinstem Fall in Frage.
Der Einkaufscoach wollte mich jedenfalls in einen modischen Anzug in Trendfarben stecken und guckte etwas pikiert, als ich mir den letzten, mehrfach heruntergesetzten Nadelstreifenanzug im Al Capone-Look aussuchte und anprobierte. Er passte, und ich suchte mir noch einen schwarzen Hut dazu, sowie eine ebenso grelle wie geschmacklose Krawatte aus, die ich mir sogleich umband, ein schwarzes Hemd hatte ich sowieso schon an.
Der gute Mann schnappte nach Luft, und als ich ihn bat, doch bitte meine Hose und Jacke zu verpacken und alle Schildchen von dem Nadelstreifenanzug zu entfernen, wollte er mich zur Vernunft bringen und mir einen Juristenanzug verkaufen, wie er von den Frauen geschätzt wird, es wären nur zweihundert Euro Zuzahlung fällig.
Deutlich zu viel für einen simplen Anzug!
“Sie sehen ja aus wie ein Gangster aus dem Bilderbuch! Sowas liegt total neben dem Trend“, murmelte er fassungslos.
„Eben! Und jetzt hätte ich noch gerne formelle, Italienische Herrenschuhe, so in Weiß/Schwarz, Spitz und Geschnürt.“
„Natürlich, aber das geht nur, weil der Anzug mehrfach runter gesetzt ist. Sie müssen nur noch fünf Euro drauflegen!“
„Das ist es mir wert! Eine schwarze Ray Ban-Brille werde ich mir dann noch besorgen, ebenso wie das notwendige Utensil für die kleine Beule im Jackett, eine achtunddreißiger ‚Stubsnase‘. – Einen fröhlichen Tag noch.“
Was mich wunderte war, dass mich der Einkaufscoach durch den Hinterausgang raus komplimentierte.
Wahrscheinlich denkt er über einen Berufswechsel nach; - bei einer Latte macciato.
 

Hagen

Mitglied
Hallo Vera,

Du bist sicherlich Lehrerin und musst wissen, dass ich hin und wieder einen pädagogischen Kniff anwende, um herauszubekommen, ob Du den Text auch wirklich liest. Da Du die Worte trotzdem erkannt hast, zeigt es dass dieser Kniff funktioniert hat. Er würde nicht funktionieren, wenn ich schwere Worte wie z.B. Latte macciato mit Sojamilch falsch geschrieben hätte. Das bitte ich zu beachten.
Diese Kleinigkeiten habe ich aber trotzdem Korrigiert und bedanke mich für die Hinweise und die Beschäftigung mit meinem Text.

Küss die Hand, gnädige Frau!

Viele Grüße
Yours Hagen
__________________
Wenn etwas schief gehen kann, dann geht es auch schief!
Egal was schief geht, tue so als wäre es Absicht.
 



 
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