Der entgleiste Gedanke

Einst unterlief ein im Rausch angedachter Gedanke
arglistig eines Mannes Bewusstseinsschranke,
und ist frech und unkontrolliert gewandert,
durch das wehrlose, verwinkelte Gehirn mäandert.

Rastlos irrend ist er über Rezeptoren geholpert,
und durch Unmengen hungriger Phagozyten gestolpert,
verfing mal sich in der Zirbeldrüse,
hielt Einkehr in der Hypophyse,
hat sich kurz in einer Arterie verhangen,
sich aber - gottlob! - sehr bald wieder gefangen,
ist öfters mal aus der Richtung geschlagen,
und einmal hat es ihn aus 'ner arg scharfen Windung getragen.

Wissensdurstig hat er den vorderen Stirnlappen bereist
und ist einige Runden über dem Hypothalamus gekreist.
Im Kleinhirn hat er sich unappetitlich geschuppt;
und im Hinterhauptlappen schlussendlich verpuppt.
Im Grunde ist jedoch nicht viel passiert,
außer, er ist jetzt konvertiert.

Und hinterlistig nun der freche Konvertit
dem willensschwachen Manne riet,
sich hier und heute zu verändern.
Und alsbald schon
begann an den Charakterrändern
die folgenschwere Erosion.

Lange bevor er's selber merkte,
den Leib sich noch mit Pilsner stärkte,
war die Verwandlung schon passiert:
Sein Mannestum hat ihn geniert!

Ich meine, das ist doch wirklich fies,
eben ein gestandnes Mannbild noch,
und nun plötzlich dies:
Vor den Weibern heult er Rotz und Wasser,
ist derart voller Verständnis, dass er
seine Lage nicht mehr überblickt
und die Kurve nie mehr kriegt,
und es wie seit jeher übertreibt,
und den Rest des Lebens enthaltsam bleibt.
 
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