Der Faustkämpfer vom Quirinal

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Seltsam gepeinigt ruht der Kopf
auf Schultern, die zurückgefallen sind
aus ihrem Gleichgewicht
ins Nichts der schweren Spannung

Der Lockenschopf verschwitzt, die Augenhöhlen hart
wie Marmorstelen; drin die
Murmelaugen, blind gegen das
Zärtelnde und Weiche seiner Schauerschaft

Und doch so seltsam zart im tiefsten seines Herzens angefasst
von der Idee des Alchemisten-Sein:
Der Wandlung

Die Lederbänder an den Fäusten sind noch blutgerafft
vom Kampf am Quirinal
Und von der schieren Zahl der alten Narben her zu schließen,
dort wo schon manche neue Wunde klafft,
und aus der Art wie sie ihn riefen
- als wenn man einen Gott begafft-
bleibt ihm trotz all dem Golde, das sie in ihm sehen
von allen Farben, die er sich einstmals so trotzig angeschafft,
allein das Dunkelrot von Blut.

Und, dass er daran selber dunkelt und verflucht,
das werden sie niemals verstehen.

Sie wollen ihn nicht altersmild, nicht weise, ausgesöhnt, nicht gut, nicht leise
Sie wollen ihn nur wild, wie einen fürchterlichen Riesen
Doch er kämpft zwergenhaft im Zorn und ohne Wut
lässt er die Fäuste testen, suchen, fliegen.

Klug weicht er aus und kalt, geplant, stößt er nach vorn,
selbst wenn dort Ströme in die Augen fließen
und schiere Angst den Gegner weit nach vorne treibt,
schlägt er den rechten Haken einen Augenblick zu weit
und auch zu weich, dass er den Gegner nicht entzweit,
nur grad so stört in seinem Schlag

Er weiß doch, dass sie Waren sind die man beliebig kauft,
verschenkt
Selbst treueste Anhängerschaft
Die Liebe, die man ihnen gibt und nimmt,
ist eine ausgeliehene Kraft
und nicht für sie,
nur für die Liebenden
bestimmt

Von all dem Fremden aufgeladen,
im nächsten Augenblick entladen,
hingesunken in den Staub des Quirinal,
nichts als Gelenk und
endlich nur noch
ausgerenkt

Da kniet er nun auf seinem Gegner ,
der halb zu Tod geschlagen wankt
und während er die tödlich Linke spannt,
taumelt der Gegner in dem Sand.

Er weiß, er hat ja keine Wahl
Und während sie sein Zögern als Genuss des Totschlages umjohlen
blinzelt er Tränen fort, verstohlen, nach der Tempelwand:

Wag es, mein Gott! Ach wag es endlich!
Brich diese seelenlose
Hand!
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Petra freue mich sehr das dir meine Interpretation gefallen hat. Jede mal wenn ich in Rom bin mache ich einen Abstecher zu ihm und halte kurz Zwiesprache

Compliments

Dio
 

petrasmiles

Mitglied
Ich habe nicht gewusst, dass es sich um eine real existierende Bronzestatue handelt - hab' ich mal gegoogelt - und Du hast Ihr wunderbar Leben eingehaucht!
Dein Gedicht bestätigt für mich den Wert dieser Art der Kunst, wenn sie uns inspiriert, etwas Untergegangenes zu begreifen - und zu transportieren. So gibt man der Vergangenheit ihre Vielschichtigkeit zurück.

Das ist meine Lieblingsstelle:

Er weiß doch, dass sie Waren sind die man beliebig kauft,
verschenkt
Selbst treueste Anhängerschaft
Die Liebe, die man ihnen gibt und nimmt,
ist eine ausgeliehene Kraft
und nicht für sie,
nur für die Liebenden
bestimmt
Ist das nicht die Krux bei jedem Starkult?
Man wünscht den Heutigen: Haltet Euer Herz fest, handelt besonnen und dann nehmt das Geld und bringt Euch in Sicherheit.

Grüß ihn beim nächsten Mal von mir!

Liebe Grüße
Petra
 
Man wünscht den Heutigen: Haltet Euer Herz fest, handelt besonnen
Das ist sehr schön. Das gefällt mir sehr. Es hat etwas so behutsam Loslassendes und weist zurück ins Eigene. Ich lese daraus auch die Aufforderung, bei allem immer bewusst zu bleiben und zu werden. Ich denke, dass dies auch der Grund sein wird, warum unser Faustkämpfer im Gedicht am Ende seinen letzten Kampf gewinnen wird. Die seelenlose Hand ist nur so lange seelenlos, bis man sie als das erkennt, was sie ist.
 



 
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