Der Fight des Jahrzehnts

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Hera Klit

Mitglied
Der Fight des Jahrzehnts

Er wagte es wirklich, das war ein deutliches Zeichen für seinen Größenwahn. Ich hatte ihn zu einem Boxkampf nach international gültigen Regeln herausgefordert und nahm dabei an, er würde absagen. Aber er sagte zu. Er war mein größter Kritiker und ich brannte schon lange darauf, ihn nach Strich und Faden zu vermöbeln, für all seine Häme und seine unflätigen Tiraden, die er über meine besten Texte und Gedichte abgelassen hatte. Wenn es mir gelingen würde, meinen Hass in die Fäuste zu bekommen, würde er vollkommen chancenlos sein und wahrscheinlich nicht einmal die erste Runde überstehen.
Sicher ahnte er nichts von meinen Boxingskills, die ich seit frühester Jugend gepflegt und stetig weiterentwickelt hatte. Eigentlich war es unfair von mir so ein Greenhorn zu fordern, Amnesty hätte eingreifen müssen. Wenn er so kämpfte, wie er schrieb, konnte ich unmöglich Ko gehen, sein Jab würde nicht kommen und seine Rechte würde ohne Dampf sein.
Im Gegensatz zu meiner Rechten, die, wenn sie traf, jeden auf die Bretter schicken konnte. Ich war früh in der Halle, die Hände waren getaped und die Handschuhe saßen press. Bestimmt würde er kneifen, das war abzusehen.
Schon wollte ich zurück in die Kabine, da stieg er in den Ring. Hatte er die Handschuhe daheim angezogen? Natürlich war er nicht austrainiert, eine Fettwalze presste sich über seiner Hose heraus. Mein Körper hingegen war fettfrei, nur reine Muskelmasse.
Der Gong ertönte und ich tanzte wie Ali meine Beinarbeit war traumhaft elegant wie meine Gedichte. Nicht immer berechenbar, aber das waren auch meine Texte nie gewesen.
Er hingegen stolperte durch den Ring, wie er schrieb, jeder Schritt war lasch und vorausberechenbar. Von der ersten Sekunde an hatte ich das richtige Distanzgefühl und mein Jab kam ins Ziel. Ich trieb ihn mit meiner steifen Linken in die Ringecke, um ihn für meine Rechte in Position zu bringen. Flap, flap, flap und sein Gesicht schwoll bereits bedenklich an. Sein Glaskinn bot er mir schon zum finalen Uppercut oder Haken nach einsdreißig. Sie boxen, wie sie schreiben. An mir konnte man sehen, dass einer, der literarisch ein Genie ist, auch die Boxkunst aus dem FF beherrscht. Das war auch bei Hemingway und Bukowski der Fall. Meine Schläge kamen total präzise. Der linke Haken und der rechte Haken, die linke Gerade und die rechte Gerade, der linke Uppercut und der rechte Uppercut, der linke Heumacher und der rechte Heumacher.
Was ich dann in der Ringecke mit ihm durchzog, kam einer Hinrichtung gleich.
Fast schämte ich mich für meine Überlegenheit, aber das Publikum feuerte mich an, sie wollten scheinbar, dass ich ihn fertigmache. Solche Kritiker haben eben keine Freunde.
Unter tosendem Beifall hob ich die Arme und posierte für die Ränge. Ich fühlte mich schön und unbezwingbar.
Ich war so schön und technisch versiert, dass Muhammad Ali in seiner Prime neben mir wie ein buckliges Männlein mit Koordinationsschwierigkeiten gewirkt hätte.
Ich ließ meinen Blick über die Ränge gleiten, alles, was Rang und Namen hatte, war da alle meine Leser und Fans und die ganze Prominenz. Diese, meine kurze Ablenkung nutzte er schamlos aus. Ich sah seinen linken Haken nicht kommen. Er traf mich direkt auf der Ohrmuschel, sodass ich ziemlich angeknocked war. Wahrscheinlich platzte dabei mein Trommelfell, jedenfalls lief mir sofort Blut aus dem Ohr. Und dann schickte er seinen rechten Haken auf meinen Kinnwinkel.
Die Stimmung in der Halle kippte um, alle brüllten jetzt für ihn, so viel hörte ich noch, bevor mir die Lichter ausgingen. Ich habe den Ringrichter nicht zählen gehört, aber bestimmt zählte er zu schnell, deswegen hatte ich keine Zeit mehr, um wieder auf die Beine zu kommen.
Ko in der Ersten. Nicht er. Ich!
Bei der anschließenden Pressekonferenz hörte mir kaum einer zu, als ich den Verdacht äußerte, dieser Mistkerl müsse irgendetwas in seinen Handschuhen gehabt haben, seine Treffer waren wie Betonrammen. Aber die Pressefritzen feierten ihn und wollten mir nicht glauben.
Sie machten nur eifrig Fotos von meiner ramponierten Visage, um mich vollends zu demütigen. Dabei ist doch klar, dass Kritiker niemals fair kämpfen.
Ich habe die Rückkampfklausel im Vertrag, aber soll ich mich im Rückkampf wieder seinen faulen Tricks aussetzen? Gegen solche Ratten hat man keine Chance.
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Hera,

gut geschrieben und auch witzig.
Ich bin mir nur nicht sicher, ob die Paralle zu den Kritikern Deiner Texte dieser Erzählung hilft.
Für sich allein stehend wäre es ein Geschichte über Hybris - vielleicht sogar Uneinsichtigkeit, natürlich auch die Ungerechtigkeit dieser Welt, und dass nicht immer das 'Edle' siegt. Aber man liest sie nicht für sich allein stehend.

Liebe Grüße
Petra
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Hera,

Da ist dir eine sehr hübsche Geschichte mit einem vergnüglichen Ende gelungen. Ach was war ich froh als der maßlos überhebliche und natürlich von sich (und niemand anderem) komplett überzeugte Autor (und obendrein Adonis-Verschnitt) fürchterlich eins auf die Fresse bekommen hat.

Tja Hochmut kommt vor dem Fall. Das hast du präzise und sehr anschaulich heraus gearbeitet. Ein prächtiges Stück Literatur wider den Narzissmus, der ja im Kreise von nicht wenigen Möchtegern-Schriftstellern als nahezu unheilbare Krankheit angesehen werden muss. Ich fürchte, man wird in Zukunft nicht um eine Impfpflicht herumkommen.


Gruß Ralph
 

Hera Klit

Mitglied
Liebe Hera,

gut geschrieben und auch witzig.
Ich bin mir nur nicht sicher, ob die Paralle zu den Kritikern Deiner Texte dieser Erzählung hilft.
Für sich allein stehend wäre es ein Geschichte über Hybris - vielleicht sogar Uneinsichtigkeit, natürlich auch die Ungerechtigkeit dieser Welt, und dass nicht immer das 'Edle' siegt. Aber man liest sie nicht für sich allein stehend.

Liebe Grüße
Petra
Vielen Dank, liebe Petra.


Ich schrieb diesen Text in Erinnerung an eine Story von Charles Bukowski,
in der er Ernest Hemingway im Ring verdrosch.
Die Idee mit der Selbstironie steuerte ich selbst noch bei.

Liebe Grüße
Hera
 

Hera Klit

Mitglied
Hallo Hera,

Da ist dir eine sehr hübsche Geschichte mit einem vergnüglichen Ende gelungen. Ach was war ich froh als der maßlos überhebliche und natürlich von sich (und niemand anderem) komplett überzeugte Autor (und obendrein Adonis-Verschnitt) fürchterlich eins auf die Fresse bekommen hat.

Tja Hochmut kommt vor dem Fall. Das hast du präzise und sehr anschaulich heraus gearbeitet. Ein prächtiges Stück Literatur wider den Narzissmus, der ja im Kreise von nicht wenigen Möchtegern-Schriftstellern als nahezu unheilbare Krankheit angesehen werden muss. Ich fürchte, man wird in Zukunft nicht um eine Impfpflicht herumkommen.


Gruß Ralph
Vielen Dank für deine Kritik, lieber Ralph.
Wie sind eigentlich deine Boxing Skills?

Liebe Grüße
Hera
 

Hans Dotterich

Mitglied
Hallo Hera,

Tolle Geschichte, mit viel Dampf und Finesse knapp und präzise zu Papier gebracht. Gefällt mir!

Auch das eigene K.O. kann schön sein, wenn es gut geschildert ist. Das ist keine Niederlage.

Hans
 



 
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