Der Fluch / 2 – Kapitel 1/1

jon

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*** Kapitel 1 / 1998 ***

Die Show war lausig gelaufen. Er war lausig gewesen, hatte gepatzt, was das Zeug hielt. Samuel Thompson war froh, dass das Stück mit dem Chor schloss, so konnte er kaschieren, dass seine Stimme zitterte. Vor Wut, vor Enttäuschung oder weil sie schon den ganzen Abend immer wieder den Dienst versagt hatte - es war egal. Er hatte alles verdorben. Die Reaktion des Publikums war entsprechend: Nur noch schiere Höflichkeit ließ die Leute sitzen bleiben und den letzten Ton abwarten, bevor sie, schon im Gehen, ein, zweimal in die Hände klatschten. Sam fühlte sich elend, weil er gewusst hatte, dass es so enden würde, wiedermal so enden würde, und dass er damit eine Verlängerung seines Engagements an diesem Theater in den Wind schreiben konnte.
[ 3]Der letzte Ton, Vorhang, Abgang. Noch einmal raus zum Verneigen, aber da strömte das Publikum bereits aus dem Saal.
[ 3]„Klasse Leistung, Thompson!“, zischte Douglas Weller, im Stück sein Gegenspieler. „War's zu viel oder zu wenig Koks?“
[ 3]„Leck mich!“, knurrte Sam und verschwand in seiner Garderobe. Erstaunlich eigentlich, dass er eine eigene Garderobe hatte, nach der fünften Aufführung hier hatte Direktor Finningworth sie ihm endlich zugestanden. Vor ein paar Jahren hatte Sam die eigene Garderobe noch vor der Unterzeichnung des Vertrages verlangen können. Das schien unendlich lange her zu sein. Damals stand er noch nicht in dem Ruf, drogenabhängig zu sein.
[ 3]„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Selma, seine Garderobiere, und nahm ihm die Anzugjacke ab.
[ 3]Sam zerrte wütend den Kragen auf.
[ 3]„War er zu fest?“
[ 3]„Nein nein“, beruhigte er Selma und versuchte, sie anzulächeln. „Alles saß perfekt wie immer.“
[ 3]Es erleichterte sie. Während sie die Jacke weghängte, setzte er sich vor den Spiegel, fuhr sich durchs Haar und nahm den Kragen ab. Dann begann er, sich abzuschminken.
[ 3]„Das Hemd!“, unterbrach ihn Selma. „Sie machen es ja ganz schmutzig!“
[ 3]Sam sah an sich herab. „Oh. Entschuldigung.“ Dann zog er das Rüschenhemd aus und hängte es über den zweiten Stuhl. „Das war's“, sagte er zu Selmas Spiegelbild.
[ 3]In Selmas Gesicht zog Kummer ein. Sie seufzte. „Ich weiß. Der Direktor war schon da, Sie sollen zu ihm kommen, sobald Sie hier fertig sind.“
[ 3]Sam nickte und fuhr mit dem Abschminken fort.
[ 3]„Mr. Thompson?“ Ihre Stimme klang gequält.
[ 3]Er drehte sich um „Was ist denn, Selma?“
[ 3]Sie räusperte sich, offenbar, um Mut zu schöpfen. „Ich werde hier bleiben.“
[ 3]„Was?“, fragte er und spürte dabei, dass er nicht wirklich überrascht war.
[ 3]„Der Direktor hat mir eine dauerhafte Stelle angeboten und … nun ja … Sie …“
[ 3]„… ich werde Sie in Zukunft kaum noch in meine Verträge aufnehmen können“, vollendete er den Satz. „Ich weiß. Die Zeit, in der ich Forderungen stellen konnte, sind vorbei.“
[ 3]„Ja, Mr. Thompson“, erwiderte sie mit so dünner Stimme, als würde sie jeden Moment weinen.
[ 3]Sam wies auf den zweiten Stuhl. „Setzen Sie sich, Selma.“
[ 3]„Es tut mir so leid!“
[ 3]Er stand auf, nahm sie in den Arm. Dann sah er sie an, lächelte. „Es ist in Ordnung, Selma. Sie waren immer meine gute Seele und ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. Sie haben es verdient, endlich eine gute Stelle zu finden. Ohne mich und mein Pech.“
[ 3]Sie schaute zu ihm auf. „Oh Mr. Thompson, warum denn nur?“
[ 3]Er verstand nicht. „Was warum?“
[ 3]„Warum machen Sie denn sowas immer wieder? Sie sind ein so guter Schauspieler, warum machen Sie sich Ihre Karriere denn so kaputt?“
[ 3]Er ließ sie los und wandte sich ab.
[ 3]„Ich weiß ja, dass Sie keine Drogen nehmen und nicht trinken, aber … Strengt Sie die Arbeit zu sehr an?“
[ 3]„Das ist es nicht“, sagte er.
[ 3]„Aber was denn dann? Es beginnt doch immer so gut: Sie sind brillant und charmant und einfach wunderbar. Alle sind begeistert und das Publikum liebt Sie. Und dann werden Sie unkonzentriert und machen Fehler und verderben alles. Und das spricht sich immer mehr herum, Sie wissen doch, unter Theaterleuten wissen alle alles von allen.“
[ 3]„Ich weiß“, sagte er und ließ sich auf den Stuhl fallen.
[ 3]„Vielleicht sollten Sie zu einem Arzt gehen?“
[ 3]„Das war ich schon, Selma. Mehr als einmal.“
[ 3]„Und?“
[ 3]„Ich bin kerngesund. Kein Alkohol, keine Drogen, keine Krankheiten oder Schwächen. Es dürfte eigentlich nicht passieren.“
[ 3]Sie sah ihn mit einer Mischung aus Mitleid und Skepsis an.
[ 3]„Ich weiß“, sagte er.
[ 3]„Vielleicht hat es mit Ihrer Kindheit zu tun?“, sagte Selma. „Haben Sie mal eine Rückführung versucht?“
[ 3]„Selma, bitte!“
[ 3]Sie schöpfte trotz der Zurechtweisung Hoffnung: „Das ist keine Spinnerei, Mr. Thompson, man kann das machen. Da werden sogar Erinnerungen hervorgeholt, die man längst verloren hatte! Meine Nachbarin …“
[ 3]„Selma!“
[ 3]„Ja?“
[ 3]„Ich habe es versucht.“
[ 3]Sie strahlte. „Und?“
[ 3]„Ich wäre fast drauf gegangen dabei! Dieser … Superdoktor hat schon bei der Hypnose versagt und mich fast ins Jenseits befördert!“
[ 3]„Aber …“, sie war fassungslos, „… das geht doch gar nicht.“
[ 3]„Oh doch! Es geht sehr wohl, wenn man die falschen Knöpfe drückt. Herzrasen, flatternder Atem - das sind alles nicht unübliche Nebeneffekte. Oh nein, danke!“ Er schüttelte den Kopf. „Das muss ich nicht noch mal haben.“
[ 3]„Ja aber … aber … Sie werden aufhören müssen, wenn das so weitergeht! Und dabei sind Sie doch noch so jung!“
[ 3]Er lächelte. „Danke. Aber vielleicht ist es ganz gut so. Mit 30 kann ich noch mal neu anfangen.“
[ 3]„Aber was denn, Mr. Thompson, Sie sind doch für die Bühne geboren!“
[ 3]„Vielleicht werde ich Seemann.“
[ 3]Sie riss entsetzt die Augen auf.
[ 3]Sam lachte und legte seinen Arm um sie. „Keine Angst, Selma, Seemann ist wahrscheinlich so ziemlich das Letzte, was ich machen würde!“
[ 3]„Ach Sie immer mit Ihren Scherzen!“ Aber sie war erleichtert. Sie legte Sam seine Straßenkleidung zurecht.
[ 3]Er zog sich um. Sie räumte inzwischen die Schminkkonsole auf und hängte dann das Kostüm auf.
[ 3]„Wo werden Sie hingehen?“, fragte sie.
[ 3]„Na ja.“ Er kam hinter dem Paravant hervor und atmete tief durch. „Erstmal gehe ich zu meinem bald ehemaligen Herrn Direktor und höre mir an, wie bedauerlich er das alles findet, und dann …“ Er zuckte die Achseln. „Mal sehen.“

1986
Es war kalt. Und dunkel. Sam öffnete die Augen. Diesig lag Nebel um ihn und nässte das Gras. Nässe, die der Junge an der Wange spürte. Und durch die Kleidung hindurch. Denn er lag in diesem nassen Gras, etwas, was er nicht tun sollte. Er richtete sich auf. Durch die Schleier hindurch sah er weiteres Gras und Sträucher. Und Bäume. Von fern klang Hundegebell. Noch weiter dahinter lag Straßenlärm. Er sah sich um. Das war kein Wald, das war ein Park. Im Nebel huschte ein Schatten vorbei. Ein Radfahrer. Sam folgte ihm mit den Augen, entdeckte dabei eine Gestalt, die still stand. Ab und an schien sie auf den Zehen zu wippen. Sam ging hin. Die Details, die sich nach und nah aus dem Nebel schälten, ließen Sam an einen Polizisten denken, aber eigentlich sahen Polizisten nicht so aus. Sam blieb stehen.
[ 3]Der Mann, den er für eine Polizisten hielt, drehte sich um. „Na, mein Junge?“, fragte er in einem seltsamen Tonfall. „Alles in Ordnung?“
[ 3]„Ich weiß nicht“, sagte Sam und sah an sich herab.
[ 3]Der Polizist trat näher und musterte ihn. „Nickerchen gemacht?“
[ 3]„Ich weiß nicht, ich…“ Er sah den Polizisten an. „Wo bin ich hier?“
[ 3]„Battersea Park.“
[ 3]Sam verstand nicht. „Wo ist das?“
[ 3]Der Polizist fasst Sam am Oberarm und musterte sein Gesicht. „Bist du high?“
[ 3]„Nein!“
[ 3]„Hauch mich mal an!“
[ 3]„Ich hab nicht getrunken!“
[ 3]„Du sollst mich anhauchen!“
[ 3]Sam tat es.
[ 3]„Wie heißt du, Junge?“
[ 3]„Samuel Thompson.“
[ 3]„Und wie alt bist du?“
[ 3]„17.“
[ 3]„Woher kommst du?“
[ 3]„Aus …“ Er stockte.
[ 3]„Also?“
[ 3]Sam sah den Polizisten an. „Ich weiß es nicht. Ich hab … es vergessen.“
[ 3]„Du klingst, als wärst du nicht aus London.“
[ 3]„Das bin ich auch nicht.“
[ 3]„Ertappt, Junge. Eben sagtest du, du weißt nicht, wo du herkommst.“
[ 3]„Das weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass ich nicht aus London bin.“
 

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*** Kapitel 1 / 1998 ***

Die Show war lausig gelaufen. Er war lausig gewesen, hatte gepatzt, was das Zeug hielt. Samuel Thompson war froh, dass das Stück mit dem Chor schloss, so konnte er kaschieren, dass seine Stimme zitterte. Vor Wut, vor Enttäuschung oder weil sie schon den ganzen Abend immer wieder den Dienst versagt hatte - es war egal. Er hatte alles verdorben. Die Reaktion des Publikums war entsprechend: Nur noch schiere Höflichkeit ließ die Leute sitzen bleiben und den letzten Ton abwarten, bevor sie, schon im Gehen, ein, zweimal in die Hände klatschten. Sam fühlte sich elend, weil er gewusst hatte, dass es so enden würde, wiedermal so enden würde, und dass er damit eine Verlängerung seines Engagements an diesem Theater in den Wind schreiben konnte.
[ 3]Der letzte Ton, Vorhang, Abgang. Noch einmal raus zum Verneigen, aber da strömte das Publikum bereits aus dem Saal.
[ 3]„Klasse Leistung, Thompson!“, zischte Douglas Weller, im Stück sein Gegenspieler. „War's zu viel oder zu wenig Koks?“
[ 3]„Leck mich!“, knurrte Sam und verschwand in seiner Garderobe. Erstaunlich eigentlich, dass er eine eigene Garderobe hatte, nach der fünften Aufführung hier hatte Direktor Finningworth sie ihm endlich zugestanden. Vor ein paar Jahren hatte Sam die eigene Garderobe noch vor der Unterzeichnung des Vertrages verlangen können. Das schien unendlich lange her zu sein. Damals stand er noch nicht in dem Ruf, drogenabhängig zu sein.
[ 3]„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Selma, seine Garderobiere, und nahm ihm die Anzugjacke ab.
[ 3]Sam zerrte wütend den Kragen auf.
[ 3]„War er zu fest?“
[ 3]„Nein nein“, beruhigte er Selma und versuchte, sie anzulächeln. „Alles saß perfekt wie immer.“
[ 3]Es erleichterte sie. Während sie die Jacke weghängte, setzte er sich vor den Spiegel, fuhr sich durchs Haar und nahm den Kragen ab. Dann begann er, sich abzuschminken.
[ 3]„Das Hemd!“, unterbrach ihn Selma. „Sie machen es ja ganz schmutzig!“
[ 3]Sam sah an sich herab. „Oh. Entschuldigung.“ Dann zog er das Rüschenhemd aus und hängte es über den zweiten Stuhl. „Das war's“, sagte er zu Selmas Spiegelbild.
[ 3]In Selmas Gesicht zog Kummer ein. Sie seufzte. „Ich weiß. Der Direktor war schon da, Sie sollen zu ihm kommen, sobald Sie hier fertig sind.“
[ 3]Sam nickte und fuhr mit dem Abschminken fort.
[ 3]„Mr. Thompson?“ Ihre Stimme klang gequält.
[ 3]Er drehte sich um „Was ist denn, Selma?“
[ 3]Sie räusperte sich, offenbar, um Mut zu schöpfen. „Ich werde hier bleiben.“
[ 3]„Was?“, fragte er und spürte dabei, dass er nicht wirklich überrascht war.
[ 3]„Der Direktor hat mir eine dauerhafte Stelle angeboten und … nun ja … Sie …“
[ 3]„… ich werde Sie in Zukunft kaum noch in meine Verträge aufnehmen können“, vollendete er den Satz. „Ich weiß. Die Zeit, in der ich Forderungen stellen konnte, sind vorbei.“
[ 3]„Ja, Mr. Thompson“, erwiderte sie mit so dünner Stimme, als würde sie jeden Moment weinen.
[ 3]Sam wies auf den zweiten Stuhl. „Setzen Sie sich, Selma.“
[ 3]„Es tut mir so leid!“
[ 3]Er stand auf, nahm sie in den Arm. Dann sah er sie an, lächelte. „Es ist in Ordnung, Selma. Sie waren immer meine gute Seele und ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. Sie haben es verdient, endlich eine gute Stelle zu finden. Ohne mich und mein Pech.“
[ 3]Sie schaute zu ihm auf. „Oh Mr. Thompson, warum denn nur?“
[ 3]Er verstand nicht. „Was warum?“
[ 3]„Warum machen Sie denn sowas immer wieder? Sie sind ein so guter Schauspieler, warum machen Sie sich Ihre Karriere denn so kaputt?“
[ 3]Er ließ sie los und wandte sich ab.
[ 3]„Ich weiß ja, dass Sie keine Drogen nehmen und nicht trinken, aber … Strengt Sie die Arbeit zu sehr an?“
[ 3]„Das ist es nicht“, sagte er.
[ 3]„Aber was denn dann? Es beginnt doch immer so gut: Sie sind brillant und charmant und einfach wunderbar. Alle sind begeistert und das Publikum liebt Sie. Und dann werden Sie unkonzentriert und machen Fehler und verderben alles. Und das spricht sich immer mehr herum, Sie wissen doch, unter Theaterleuten wissen alle alles von allen.“
[ 3]„Ich weiß“, sagte er und ließ sich auf den Stuhl fallen.
[ 3]„Vielleicht sollten Sie zu einem Arzt gehen?“
[ 3]„Das war ich schon, Selma. Mehr als einmal.“
[ 3]„Und?“
[ 3]„Ich bin kerngesund. Kein Alkohol, keine Drogen, keine Krankheiten oder Schwächen. Es dürfte eigentlich nicht passieren.“
[ 3]Sie sah ihn mit einer Mischung aus Mitleid und Skepsis an.
[ 3]„Ich weiß“, sagte er.
[ 3]„Vielleicht hat es mit Ihrer Kindheit zu tun?“, sagte Selma. „Haben Sie mal eine Rückführung versucht?“
[ 3]„Selma, bitte!“
[ 3]Sie schöpfte trotz der Zurechtweisung Hoffnung: „Das ist keine Spinnerei, Mr. Thompson, man kann das machen. Da werden sogar Erinnerungen hervorgeholt, die man längst verloren hatte! Meine Nachbarin …“
[ 3]„Selma!“
[ 3]„Ja?“
[ 3]„Ich habe es versucht.“
[ 3]Sie strahlte. „Und?“
[ 3]„Ich wäre fast drauf gegangen dabei! Dieser … Superdoktor hat schon bei der Hypnose versagt und mich fast ins Jenseits befördert!“
[ 3]„Aber …“, sie war fassungslos, „… das geht doch gar nicht.“
[ 3]„Oh doch! Es geht sehr wohl, wenn man die falschen Knöpfe drückt. Herzrasen, flatternder Atem - das sind alles nicht unübliche Nebeneffekte. Oh nein, danke!“ Er schüttelte den Kopf. „Das muss ich nicht noch mal haben.“
[ 3]„Ja aber … aber … Sie werden aufhören müssen, wenn das so weitergeht! Und dabei sind Sie doch noch so jung!“
[ 3]Er lächelte. „Danke. Aber vielleicht ist es ganz gut so. Mit 30 kann ich noch mal neu anfangen.“
[ 3]„Aber was denn, Mr. Thompson, Sie sind doch für die Bühne geboren!“
[ 3]„Vielleicht werde ich Seemann.“
[ 3]Sie riss entsetzt die Augen auf.
[ 3]Sam lachte und legte seinen Arm um sie. „Keine Angst, Selma, Seemann ist wahrscheinlich so ziemlich das Letzte, was ich machen würde!“
[ 3]„Ach Sie immer mit Ihren Scherzen!“ Aber sie war erleichtert. Sie legte Sam seine Straßenkleidung zurecht.
[ 3]Er zog sich um. Sie räumte inzwischen die Schminkkonsole auf und hängte dann das Kostüm auf.
[ 3]„Wo werden Sie hingehen?“, fragte sie.
[ 3]„Na ja.“ Er kam hinter dem Paravant hervor und atmete tief durch. „Erstmal gehe ich zu meinem bald ehemaligen Herrn Direktor und höre mir an, wie bedauerlich er das alles findet, und dann …“ Er zuckte die Achseln. „Mal sehen.“

1986
Es war kalt. Und dunkel. Sam öffnete die Augen. Diesig lag Nebel um ihn und nässte das Gras. Nässe, die der Junge an der Wange spürte. Und durch die Kleidung hindurch. Denn er lag in diesem nassen Gras, etwas, was er nicht tun sollte. Er richtete sich auf. Durch die Schleier hindurch sah er weiteres Gras und Sträucher. Und Bäume. Von fern klang Hundegebell. Noch weiter dahinter lag Straßenlärm. Er sah sich um. Das war kein Wald, das war ein Park. Im Nebel huschte ein Schatten vorbei. Ein Radfahrer. Sam folgte ihm mit den Augen, entdeckte dabei eine Gestalt, die still stand. Ab und an schien sie auf den Zehen zu wippen. Sam ging hin. Die Details, die sich nach und nah aus dem Nebel schälten, ließen Sam an einen Polizisten denken, aber eigentlich sahen Polizisten nicht so aus. Sam blieb stehen.
[ 3]Der Mann, den er für eine Polizisten hielt, drehte sich um. „Na, mein Junge?“, fragte er in einem seltsamen Tonfall. „Alles in Ordnung?“
[ 3]„Ich weiß nicht“, sagte Sam und sah an sich herab.
[ 3]Der Polizist trat näher und musterte ihn. „Nickerchen gemacht?“
[ 3]„Ich weiß nicht, ich…“ Er sah den Polizisten an. „Wo bin ich hier?“
[ 3]„Battersea Park.“
[ 3]Sam verstand nicht. „Wo ist das?“
[ 3]Der Polizist fasst Sam am Oberarm und musterte sein Gesicht. „Bist du high?“
[ 3]„Nein!“
[ 3]„Hauch mich mal an!“
[ 3]„Ich hab nicht getrunken!“
[ 3]„Du sollst mich anhauchen!“
[ 3]Sam tat es.
[ 3]„Wie heißt du, Junge?“
[ 3]„Samuel Thompson.“
[ 3]„Und wie alt bist du?“
[ 3]„17.“
[ 3]„Woher kommst du?“
[ 3]„Aus …“ Er stockte.
[ 3]„Also?“
[ 3]Sam sah den Polizisten an. „Ich weiß es nicht. Ich hab … es vergessen.“
[ 3]„Du klingst, als wärst du nicht aus London.“
[ 3]„Das bin ich auch nicht.“
[ 3]„Ertappt, Junge. Eben sagtest du, du weißt nicht, wo du herkommst.“
[ 3]„Das weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass ich nicht aus London bin.“



(weiter bei Kapitel 1 Teil 2 )
 



 
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