Der Fluch / 2 – Kapitel 1/3

jon

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„Jonathan war in meinen Vorstellungen?“, fragte Sam.
[ 3]Fallon nickte. „Ja. Bei jeder Show, soweit ich das beurteilen kann. Immer wenn … na ja … es abwärts ging.“
[ 3]„Und dann kommt er zu Ihnen und erzählt … Was? Irgendwas über ein traumatisches Kindheitserlebnis? Ich glaube kaum, dass er etwas über meine Kindheit weiß. Nicht mal ich weiß etwas über meine Kindheit.“
[ 3]Fallon staunte. „Wie meinen Sie das?“
[ 3]„Ich meine, ich weiß nichts aus der Zeit vor meinem siebzehnten Lebensjahr.“
[ 3]„Ach je! Wie kam denn das?“
[ 3]„Keine Ahnung. Vielleicht ein Unfall. Ich weiß es nicht. Was…“, Sam räusperte sich, „… hat John Ihnen denn nun genau erzählt?“
[ 3]„Nicht nur mir, nicht nur mir. Ich glaube, die Geschichte kennen inzwischen alle. Ich habe von meinem lieben Freund Finningworth gehört, dass Tricker wohl in jedem Theater, in dem Sie auftreten, irgendwann gegen Ende der Spielzeit beim Direktor auftaucht und diese Geschichte erzählt. Bei mir“, Fallon setzte wieder seine Verschwörermiene auf, „war er schon vorher da. Vorgestern, um genau zu sein. Er gab sich als Vertreter einer Casting-Agentur aus, aber …“, er lehnte sich zurück und winkte schelmisch ab, „… das hab ich natürlich sofort durchschaut! Schließlich kannte ich ihn ja von Ihren Shows, ich wusste gleich, dass er wegen Ihnen hier war, da konnte er so tun, als kämen wir zufällig auf Sie, so viel wie er wollte. Natürlich hat er wieder diese nebulöse Geschichte erzählt, offenbar um mich abzuschrecken. Aber sehen Sie,“ Fallon beugte sich leutselig vor, „ich erkenne ein Talent, wenn ich es sehe und Sie sind mehr als das. Natürlich ist Ihr Ruf ein wenig lädiert, aber …“
[ 3]„Haben Sie seine Adresse?“, unterbrach ihn Sam. „Oder eine Telefonnummer?“
[ 3]„Von Tricker? Neeeein. Ach was! Was soll ich denn damit? Nein nein, darauf geb ich doch nichts. Ich glaube eher …“, er senkte die Stimme, „… es ist sogar ein gutes Zeichen für uns beide. Ich meine, wenn er jetzt schon vor der Vertragsunterzeichnung auftaucht, da ist doch was im Busch! Stimmt's?“
[ 3]„Keine Ahnung …“ Sam beschäftigte im Moment etwas ganz anderes: Was wusste Jonathan von ihm, was er ihm nicht sagen wollte? Ihr Verhältnis zueinander war in den drei Jahren, die Sam bei ihm gewohnt hatte, kein wirklich familiäres gewesen, aber Sam hatte seinen Ziehvater immer für ungewöhnlich aufrichtig gehalten. Bis heute jedenfalls.
[ 3]„Soll ich Ihnen sagen, was ich glaube, Sam? Ich glaube, Tricker weiß ganz genau, dass Ihr Zukunft im Filmgeschäft liegt. Ist ja auch ideal: Immer wo anders, immer andere Leute, nicht ein halbes Jahr lang das immer gleiche Stück runterleiern … Ich weiß nicht, warum er Ihnen Ihre Karriere verderben will, aber ich versichere Ihnen, mein Freund, mit meiner Hilfe tricksen Sie ihn aus, diesen Tricker.“ Er lachte. „Den Tricker austricksen, das ist doch gut, oder?“
[ 3]Sam lächelte matt.
[ 3]Es klopfte an der Tür und Lizzy steckte den Kopf ins Zimmer. „Gretchen ist da“, sagte sie.
[ 3]Fallon sprang auf. „Herein mit ihr!“
[ 3]Eine junge Frau trat ein. Sie nickte Fallon zu und sah zu Sam. Einen Moment lang starrte sie ihn an, dann sagte sie in Fallons Richtung. „Toni lässt ausrichten, er kann Sie morgen Nachmittag einschieben. Ab vier.“
[ 3]„Sehr gut. Sehen Sie, Sam?“ Er wies mit dem Kopf zu Gretchen. „Antonio Bartolini hat schon einen Termin für Sie reserviert.“
[ 3]„Wer ist das?“
[ 3]„Der beste Fotograf, den ein Künstler sich wünschen kann.“ Fallon legte Gretchen den Arm um die Schultern. „Mit einer bezaubernden Assistentin, wenn ich das ergänzen darf.“
[ 3]Sam lächelte. „Das zumindest kann ich bestätigen. Nur … was soll ich dort?“
[ 3]„Mein liiieber Sam! Ich lasse all meine Künstler von Antonio Bartolini ablichten! Etwas Besseres gibt es nicht für die Mappe!“
[ 3]Sam runzelte die Stirn. „Ich bin nicht Ihr Künstler.“
[ 3]„Das ändert sich hoffentlich in den nächsten Stunden“, erwiderte Fallon, ließ Gretchen los und ging zum Schreibtisch. Er nahm ein paar Blätter von dort. Er reichte sie Sam. „Das wäre unser Standard-Vertrag, lesen Sie ihn sich in aller Ruhe durch. Wenn Sie ihn morgen mitbringen, reicht das.“
[ 3]Sam nahm das Papier und sah es an. „Und … eh … wenn ich mich nicht für Sie entscheide?“
[ 3]„Gretchen?“
[ 3]„Mr. Fallon?“
[ 3]„Sagen Sie Toni, Mr. Thompson kommt morgen pünktlich um vier.“
[ 3]Sie nickte, lächelte Sam noch einmal zu, und ging dann.
[ 3]Die Männer sahen ihr nach.
[ 3]„Ein süßes Ding“, seufzte Fallon. „Und sie hat Stil. Sie liebt Musicals.“
[ 3]„Ach“, sagte Sam, weil ihm nichts Besseres einfiel.
[ 3]„Ja. Sie steht auf diesen Mike Henson.“
[ 3]„Er soll gut sein, hab ich gelesen.“
[ 3]„Das habe ich auch gelesen. Er spielt derzeit in Cop Two.“
[ 3]„Ach.“ Das war echt. „Dafür hatte ich auch vorgesungen.“
[ 3]„So? Seltsam.“ Er musterte Sam. „Ich hätte erwartet, dass man Sie nimmt.““
[ 3]„Vielleicht war Henson besser?“, versuchte Sam zu scherzen, obwohl er eher vermutete, dass seine „Macke“ ihn den Job gekostet hatte.
[ 3]„Unwahrscheinlich“, behauptete Fallon. „Besser als Sie ist unmöglich. Nun ja, was auch immer.“ Er reichte Sam die Hand. „Wir sehen uns morgen. Sagen wir gegen drei?
[ 3]Sam stand vom Sofa auf, rollte den Vertrag zusammen und steckte ihn in die Jackettasche. „Ok. Also morgen.“

„Wow!“, entfuhr es Sam, als er die Fotos durchblätterte. Er sah zu Gretchen auf. Die strahlte ihn aus ihren blaugrauen Augen begeistert an. Sam wies auf den Stuhl neben sich und sagte, schelmisch mit dem Finger drohend: „Sie haben retuschiert!“
[ 3]Gretchen setzte sich zu ihm an den Caféhaustisch. Ein Kellner stellte ungefragt eine Tasse Kakao vor sie hin. Sie lächelte ihm kurz zu. Sie kannten sich wohl.
[ 3]„Nein, im Ernst“, sagte Sam und tippt auf die Bilder. „Mit den Fotos würde ich mich sogar selbst engagieren. Ihr Chef ist wirklich gut.“
[ 3]„Nur das Beste für die Herren Künstler, sagt er immer“, kicherte Gretchen und ließ ihren Blick über Sams Oberarme gleiten.
[ 3]Ihm entging der Blick nicht, aber er ignorierte ihn.
[ 3]„Mein Chef will Fallon vorschlagen, ein Video von Ihnen zu machen. Weil Sie sich so toll bewegen.“
[ 3]Sam schmunzelte. „Sagt er das?“
[ 3]„Oh ja! Sie sind …“ Röte schoss ihr ins Gesicht. „Sie bewegen sich ganz toll!“ Sie griff hastig nach ihrer Tasse und trank einen großen Schluck. Dann sagte sie: „Sie sind bestimmt ein toller Tänzer“, blinzelte Sam von der Seite her an und trank erneut.
[ 3]„Es geht schon, denke ich“, erwiderte er.
[ 3]Sie stellte die Tasse ab. „Sagen Sie, Samuel“, sie sah in ihren Kakao, als stünde dort ihr Text, „meine Freundin feiert heute eine kleine Party und da kommen jede Menge Pärchen und ich dachte, ich könnte ja vielleicht … ich meine, ich könnte Sie …“ Sie sah ihn fragend an.
[ 3]„…bitten, Sie zu begleiten?“, vermutete er.
[ 3]Sie nickte. Ihr fiel plötzlich etwas ein, sie hob die Hände. „Nicht, dass Sie jetzt denken … Ich meine, nur für die Party … Weil Sie doch bestimmt ganz gern tanzen und so.“
[ 3]„Und so“, wiederholte er schmunzelnd und tat, als überlege er.
[ 3]„Och bitte, Sam, ich bin doch die einzige, die im Moment solo ist, da brauch ich doch jemanden, mit dem ich tanzen kann.“ Sie stockte. „Oder haben Sie eine Freundin? Wenn Sie eine Freundin haben und die dann wütend wird, dann will ich Sie natürlich nicht in Schwierigkeiten bringen.“
[ 3]„Nein, natürlich nicht.“
[ 3]„Und? Haben Sie eine?“
[ 3]„Nein, habe ich nicht.“
[ 3]Sie strahlte.
[ 3]„Ich hoffe nur, ich bin nicht schon zu alt für Ihren Freundeskreis.“
[ 3]Sie schlug scherzhaft nach ihm „Na Sie! Sie sind doch erst 30!“
[ 3]Er lachte leise auf. „Sie sind ja gut informiert.“
[ 3]„Na klar, ich mache doch auch die Mappen für Fallons Künstler fertig. Die Lebensläufe und so.“
[ 3]Sie fand offenbar nichts bei ihrem Geständnis, sich über ihn informiert zu haben. Sam allerdings fühlte sich plötzlich unbehaglich.
[ 3]Gretchen bemerkte es nicht. Sie stand auf und trank ihren Kakao aus. „Ich komme gegen sieben bei Ihnen vorbei und hole Sie ab“, sagte sie. „Ihre Wohnung liegt sowieso auf dem Weg.“ Sie kramte in ihrer Handtasche.
[ 3]„Ich übernehme das“, sagte Sam.
[ 3]Sie verstand nicht.
[ 3]„Den Kakao“, erklärte er.
[ 3]Sie winkte ab. „Ach was! Das Café gehört meinem Schwager, ich krieg hier den Kakao immer umsonst.“
[ 3]„Aha.“
[ 3]Sie war in den Tiefen ihrer Taschen endlich fündig geworden und überreichte Sam einen Briefumschlag. „Hier, das soll ich dir von Fallon geben. Er sagt, er kann nicht hingehen. Keine Ahnung, vielleicht sind es Kinokarten oder so. Also dann! Bis heute Abend! Ich freu mich schon!“
[ 3]„Ja. Bis heute Abend.“ Er sah ihr nach, wie sie durch die Drehtür verschwand. Er versuchte sich zu erinnern, wann er sich das letzte mal so jung gefühlt hatte, wie sie wirkte. Es musste irgendwann vor dem Pal-Joey-Desaster gewesen sein, vielleicht sogar noch vor dem großen Black-Out.
[ 3]Der Kellner kam und trug das Gedeck ab.
[ 3]Sam schrak auf. „Wie viel bekommen Sie?“, fragte er.
[ 3]„Geht auf's Haus.“
[ 3]„Warum das?“
[ 3]„Gretchen“, sagte der Kellner obenhin, als erkläre das alles.
[ 3]Sam fragte nicht nach. Er griff nach seinem Mantel, warf ihn sich über den Arm und verließ das Café. Draußen öffnete er den Briefumschlag von Fallon. Er enthielt zwei Karten für die morgige Vorstellung von „Cop Two“ und eine Visitenkarte des Agenten. Mit schwungvoller Schrift hatte er etwas auf deren Rückseite geschrieben. „Viel Spaß mit Gretchen!“, entzifferte Sam. Er lächelte, steckte die Karten in die Manteltasche und ging nach Hause.
 

jon

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„Jonathan war in meinen Vorstellungen?“, fragte Sam.
[ 3]Fallon nickte. „Ja. Bei jeder Show, soweit ich das beurteilen kann. Immer wenn … na ja … es abwärts ging.“
[ 3]„Und dann kommt er zu Ihnen und erzählt … Was? Irgendwas über ein traumatisches Kindheitserlebnis? Ich glaube kaum, dass er etwas über meine Kindheit weiß. Nicht mal ich weiß etwas über meine Kindheit.“
[ 3]Fallon staunte. „Wie meinen Sie das?“
[ 3]„Ich meine, ich weiß nichts aus der Zeit vor meinem siebzehnten Lebensjahr.“
[ 3]„Ach je! Wie kam denn das?“
[ 3]„Keine Ahnung. Vielleicht ein Unfall. Ich weiß es nicht. Was…“, Sam räusperte sich, „… hat John Ihnen denn nun genau erzählt?“
[ 3]„Nicht nur mir, nicht nur mir. Ich glaube, die Geschichte kennen inzwischen alle. Ich habe von meinem lieben Freund Finningworth gehört, dass Tricker wohl in jedem Theater, in dem Sie auftreten, irgendwann gegen Ende der Spielzeit beim Direktor auftaucht und diese Geschichte erzählt. Bei mir“, Fallon setzte wieder seine Verschwörermiene auf, „war er schon vorher da. Vorgestern, um genau zu sein. Er gab sich als Vertreter einer Casting-Agentur aus, aber …“, er lehnte sich zurück und winkte schelmisch ab, „… das hab ich natürlich sofort durchschaut! Schließlich kannte ich ihn ja von Ihren Shows, ich wusste gleich, dass er wegen Ihnen hier war, da konnte er so tun, als kämen wir zufällig auf Sie, so viel wie er wollte. Natürlich hat er wieder diese nebulöse Geschichte erzählt, offenbar um mich abzuschrecken. Aber sehen Sie,“ Fallon beugte sich leutselig vor, „ich erkenne ein Talent, wenn ich es sehe und Sie sind mehr als das. Natürlich ist Ihr Ruf ein wenig lädiert, aber …“
[ 3]„Haben Sie seine Adresse?“, unterbrach ihn Sam. „Oder eine Telefonnummer?“
[ 3]„Von Tricker? Neeeein. Ach was! Was soll ich denn damit? Nein nein, darauf geb ich doch nichts. Ich glaube eher …“, er senkte die Stimme, „… es ist sogar ein gutes Zeichen für uns beide. Ich meine, wenn er jetzt schon vor der Vertragsunterzeichnung auftaucht, da ist doch was im Busch! Stimmt's?“
[ 3]„Keine Ahnung …“ Sam beschäftigte im Moment etwas ganz anderes: Was wusste Jonathan von ihm, was er ihm nicht sagen wollte? Ihr Verhältnis zueinander war in den drei Jahren, die Sam bei ihm gewohnt hatte, kein wirklich familiäres gewesen, aber Sam hatte seinen Ziehvater immer für ungewöhnlich aufrichtig gehalten. Bis heute jedenfalls.
[ 3]„Soll ich Ihnen sagen, was ich glaube, Sam? Ich glaube, Tricker weiß ganz genau, dass Ihr Zukunft im Filmgeschäft liegt. Ist ja auch ideal: Immer wo anders, immer andere Leute, nicht ein halbes Jahr lang das immer gleiche Stück runterleiern … Ich weiß nicht, warum er Ihnen Ihre Karriere verderben will, aber ich versichere Ihnen, mein Freund, mit meiner Hilfe tricksen Sie ihn aus, diesen Tricker.“ Er lachte. „Den Tricker austricksen, das ist doch gut, oder?“
[ 3]Sam lächelte matt.
[ 3]Es klopfte an der Tür und Lizzy steckte den Kopf ins Zimmer. „Gretchen ist da“, sagte sie.
[ 3]Fallon sprang auf. „Herein mit ihr!“
[ 3]Eine junge Frau trat ein. Sie nickte Fallon zu und sah zu Sam. Einen Moment lang starrte sie ihn an, dann sagte sie in Fallons Richtung. „Toni lässt ausrichten, er kann Sie morgen Nachmittag einschieben. Ab vier.“
[ 3]„Sehr gut. Sehen Sie, Sam?“ Er wies mit dem Kopf zu Gretchen. „Antonio Bartolini hat schon einen Termin für Sie reserviert.“
[ 3]„Wer ist das?“
[ 3]„Der beste Fotograf, den ein Künstler sich wünschen kann.“ Fallon legte Gretchen den Arm um die Schultern. „Mit einer bezaubernden Assistentin, wenn ich das ergänzen darf.“
[ 3]Sam lächelte. „Das zumindest kann ich bestätigen. Nur … was soll ich dort?“
[ 3]„Mein liiieber Sam! Ich lasse all meine Künstler von Antonio Bartolini ablichten! Etwas Besseres gibt es nicht für die Mappe!“
[ 3]Sam runzelte die Stirn. „Ich bin nicht Ihr Künstler.“
[ 3]„Das ändert sich hoffentlich in den nächsten Stunden“, erwiderte Fallon, ließ Gretchen los und ging zum Schreibtisch. Er nahm ein paar Blätter von dort. Er reichte sie Sam. „Das wäre unser Standard-Vertrag, lesen Sie ihn sich in aller Ruhe durch. Wenn Sie ihn morgen mitbringen, reicht das.“
[ 3]Sam nahm das Papier und sah es an. „Und … eh … wenn ich mich nicht für Sie entscheide?“
[ 3]„Gretchen?“
[ 3]„Mr. Fallon?“
[ 3]„Sagen Sie Toni, Mr. Thompson kommt morgen pünktlich um vier.“
[ 3]Sie nickte, lächelte Sam noch einmal zu, und ging dann.
[ 3]Die Männer sahen ihr nach.
[ 3]„Ein süßes Ding“, seufzte Fallon. „Und sie hat Stil. Sie liebt Musicals.“
[ 3]„Ach“, sagte Sam, weil ihm nichts Besseres einfiel.
[ 3]„Ja. Sie steht auf diesen Mike Henson.“
[ 3]„Er soll gut sein, hab ich gelesen.“
[ 3]„Das habe ich auch gelesen. Er spielt derzeit in Cop Two.“
[ 3]„Ach.“ Das war echt. „Dafür hatte ich auch vorgesungen.“
[ 3]„So? Seltsam.“ Er musterte Sam. „Ich hätte erwartet, dass man Sie nimmt.““
[ 3]„Vielleicht war Henson besser?“, versuchte Sam zu scherzen, obwohl er eher vermutete, dass seine „Macke“ ihn den Job gekostet hatte.
[ 3]„Unwahrscheinlich“, behauptete Fallon. „Besser als Sie ist unmöglich. Nun ja, was auch immer.“ Er reichte Sam die Hand. „Wir sehen uns morgen. Sagen wir gegen drei?
[ 3]Sam stand vom Sofa auf, rollte den Vertrag zusammen und steckte ihn in die Jackettasche. „Ok. Also morgen.“

„Wow!“, entfuhr es Sam, als er die Fotos durchblätterte. Er sah zu Gretchen auf. Die strahlte ihn aus ihren blaugrauen Augen begeistert an. Sam wies auf den Stuhl neben sich und sagte, schelmisch mit dem Finger drohend: „Sie haben retuschiert!“
[ 3]Gretchen setzte sich zu ihm an den Caféhaustisch. Ein Kellner stellte ungefragt eine Tasse Kakao vor sie hin. Sie lächelte ihm kurz zu. Sie kannten sich wohl.
[ 3]„Nein, im Ernst“, sagte Sam und tippt auf die Bilder. „Mit den Fotos würde ich mich sogar selbst engagieren. Ihr Chef ist wirklich gut.“
[ 3]„Nur das Beste für die Herren Künstler, sagt er immer“, kicherte Gretchen und ließ ihren Blick über Sams Oberarme gleiten.
[ 3]Ihm entging der Blick nicht, aber er ignorierte ihn.
[ 3]„Mein Chef will Fallon vorschlagen, ein Video von Ihnen zu machen. Weil Sie sich so toll bewegen.“
[ 3]Sam schmunzelte. „Sagt er das?“
[ 3]„Oh ja! Sie sind …“ Röte schoss ihr ins Gesicht. „Sie bewegen sich ganz toll!“ Sie griff hastig nach ihrer Tasse und trank einen großen Schluck. Dann sagte sie: „Sie sind bestimmt ein toller Tänzer“, blinzelte Sam von der Seite her an und trank erneut.
[ 3]„Es geht schon, denke ich“, erwiderte er.
[ 3]Sie stellte die Tasse ab. „Sagen Sie, Samuel“, sie sah in ihren Kakao, als stünde dort ihr Text, „meine Freundin feiert heute eine kleine Party und da kommen jede Menge Pärchen und ich dachte, ich könnte ja vielleicht … ich meine, ich könnte Sie …“ Sie sah ihn fragend an.
[ 3]„…bitten, Sie zu begleiten?“, vermutete er.
[ 3]Sie nickte. Ihr fiel plötzlich etwas ein, sie hob die Hände. „Nicht, dass Sie jetzt denken … Ich meine, nur für die Party … Weil Sie doch bestimmt ganz gern tanzen und so.“
[ 3]„Und so“, wiederholte er schmunzelnd und tat, als überlege er.
[ 3]„Och bitte, Sam, ich bin doch die einzige, die im Moment solo ist, da brauch ich doch jemanden, mit dem ich tanzen kann.“ Sie stockte. „Oder haben Sie eine Freundin? Wenn Sie eine Freundin haben und die dann wütend wird, dann will ich Sie natürlich nicht in Schwierigkeiten bringen.“
[ 3]„Nein, natürlich nicht.“
[ 3]„Und? Haben Sie eine?“
[ 3]„Nein, habe ich nicht.“
[ 3]Sie strahlte.
[ 3]„Ich hoffe nur, ich bin nicht schon zu alt für Ihren Freundeskreis.“
[ 3]Sie schlug scherzhaft nach ihm „Na Sie! Sie sind doch erst 30!“
[ 3]Er lachte leise auf. „Sie sind ja gut informiert.“
[ 3]„Na klar, ich mache doch auch die Mappen für Fallons Künstler fertig. Die Lebensläufe und so.“
[ 3]Sie fand offenbar nichts bei ihrem Geständnis, sich über ihn informiert zu haben. Sam allerdings fühlte sich plötzlich unbehaglich.
[ 3]Gretchen bemerkte es nicht. Sie stand auf und trank ihren Kakao aus. „Ich komme gegen sieben bei Ihnen vorbei und hole Sie ab“, sagte sie. „Ihre Wohnung liegt sowieso auf dem Weg.“ Sie kramte in ihrer Handtasche.
[ 3]„Ich übernehme das“, sagte Sam.
[ 3]Sie verstand nicht.
[ 3]„Den Kakao“, erklärte er.
[ 3]Sie winkte ab. „Ach was! Das Café gehört meinem Schwager, ich krieg hier den Kakao immer umsonst.“
[ 3]„Aha.“
[ 3]Sie war in den Tiefen ihrer Taschen endlich fündig geworden und überreichte Sam einen Briefumschlag. „Hier, das soll ich dir von Fallon geben. Er sagt, er kann nicht hingehen. Keine Ahnung, vielleicht sind es Kinokarten oder so. Also dann! Bis heute Abend! Ich freu mich schon!“
[ 3]„Ja. Bis heute Abend.“ Er sah ihr nach, wie sie durch die Drehtür verschwand. Er versuchte sich zu erinnern, wann er sich das letzte mal so jung gefühlt hatte, wie sie wirkte. Es musste irgendwann vor dem Pal-Joey-Desaster gewesen sein, vielleicht sogar noch vor dem großen Black-Out.
[ 3]Der Kellner kam und trug das Gedeck ab.
[ 3]Sam schrak auf. „Wie viel bekommen Sie?“, fragte er.
[ 3]„Geht auf's Haus.“
[ 3]„Warum das?“
[ 3]„Gretchen“, sagte der Kellner obenhin, als erkläre das alles.
[ 3]Sam fragte nicht nach. Er griff nach seinem Mantel, warf ihn sich über den Arm und verließ das Café. Draußen öffnete er den Briefumschlag von Fallon. Er enthielt zwei Karten für die morgige Vorstellung von „Cop Two“ und eine Visitenkarte des Agenten. Mit schwungvoller Schrift hatte er etwas auf deren Rückseite geschrieben. „Viel Spaß mit Gretchen!“, entzifferte Sam. Er lächelte, steckte die Karten in die Manteltasche und ging nach Hause.



(Weiter bei Kapitel 1 Teil 4)
 



 
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