Der Fluch / 2 – Kapitel 2/1

jon

Mitglied
Teammitglied
*** Kapitel 2 / 2003 ***
Als Carola Brauer das Kino verließ, schlug ihr kühle Feuchtigkeit entgegen. Sie schloss ihren Blazer, schlang die Arme um sich und eilte zu ihrem Auto. Der Film, den sie gesehen hatte, begann schon zu verblassen. Dieses „Ich geh jeden Montag ins Kino“-Prinzip hatte ihr bisher mehr Enttäuschungen als Entdeckungen eingebracht, aber so hatte sie immerhin das Gefühl, ab und zu mal etwas Neues zu erleben.
[ 3]Auf dem Parkplatz stand eine schmale Gestalt und fror sichtlich. Carola vermutete, dass es ein junger Mann war. Er hatte die Schultern hochgezogen und das Gesicht halb im Kragen der seltsam altmodisch wirkenden Jacke versteckt. So im Dämmer dieses niesligen Juniabends wirkte er etwas suspekt. Er schien Carola zu bemerken, hörte auf, von einem Bein aufs andere zu treten und sah in ihre Richtung. Sie tat, als gelte der Blick nicht ihr, und schlängelte sich durch die Reihen der parkenden Fahrzeuge. Dabei kramte sie in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel und fand einen erledigten Einkaufszettel, den sie zusammenknüllte und wieder einsteckte. Dann war sie an ihrem Auto, schloss auf und …
[ 3]… schrak auf. Neben ihr stand der junge Mann. „Sorry, I lost my way …“
[ 3]„Was? Oh!“ Sie wechselte zu Englisch. „Wo willst du denn hin?“
[ 3]„Candela Farm.“
[ 3]„Wo ist das denn?!“
[ 3]„Südlich von Creston. Das hier ist nicht Creston, oder?“
[ 3]Carola hob die Brauen. „Das ist Dresden.“
[ 3]„Dresden?“
[ 3]„Sachsen?“, bot sie an. „Deutschland?“
[ 3]„Deu…“ Er wurde bleich und wankte.
[ 3]Streckte die Hand aus. „Hey hey hey! Kipp mir hier nicht um!“
[ 3]Er starrte Carola an. „Das ist nicht Iowa?“
[ 3]„Iowa?“ Sie lachte auf. „Falscher Kontinent, Junge.“
[ 3]Er wankte erneut.
[ 3]Carola legte ihre Hand auf seinen Arm. „Hey! Sieh mich an!“
[ 3]Er gehorchte.
[ 3]Sie bohrte ihren Blick in seinen. „Das wird schon, ok? Du bist … ein bisschen durcheinander, wir finden … schon eine Lösung, ok?“
[ 3]Er nickte ergeben.
[ 3]„Bist du … high oder so? Drogen, Alkohol?“
[ 3]„Nein!“, fuhr er empört auf.
[ 3]Sie musterte ihn, schnupperte. „Nein, sieht wirklich nicht so aus. Komm!“ Sie öffnete ihm die Beifahrertür. „Ich bring dich erstmal ins Warme.“
[ 3]Er zögerte.
[ 3]„Oder willst du hier bleiben?“
[ 3]Er schüttelte den Kopf und stieg ein.
[ 3]Sie setzte sich auf den Fahrersitz und wandte sich ihm zu. „Also. Du … hast keine Ahnung, wie du hergekommen bist.“
[ 3]„Nein.
[ 3]Sie überlegte. Es gab nicht viele Möglichkeiten dafür, plötzlich irgendwo anders zu sein.. Keine war angenehm. „Woran erinnerst du dich?“
[ 3]„Wir haben einen Ausflug gemacht…“
[ 3]„Wer wir?“
[ 3]„Meine Familie. Mum, Dad, meine Geschwister …“
[ 3]„Wie viele sind das?“, versuchte sie, seine Gedanken auf sicheres Terrain zu lenken.
[ 3]„Geschwister? Zwei. Und meine beiden Cousins und meine Cousine. Sie leben bei uns.“
[ 3]„Wow! 'ne große Familie!“
[ 3]Er lächelte. „Ja. Ich bin der jüngste.“
[ 3]„Das Nesthäkchen also.“
[ 3]Er zog die Brauen zusammen. Diese Bezeichnung gefiel ihm offenbar nicht.
[ 3]„Ok“, lenkte Carola ab. „Also der Ausflug …“
[ 3]Seine Gedanken kehrten zurück. „Also … Ich wollte Holz für das Lagerfeuer holen und bin über eine Wurzel oder so gestolpert …“ Er ließ den Satz in der Schwebe.
[ 3]Eine Idee schoss heiß in Carola hoch. „Und dann?“
[ 3]„Dann war ich hier.“
[ 3]„Einfach so?“
[ 3]„Ich bin in einem Gebüsch aufgewacht, da hinten irgendwo.“ Er zeigte Richtung Naturschutzgebiet.
[ 3]„In der Heide.“
[ 3]„Und dann bin ich zur Straße und hierher gelaufen.“
[ 3]„Wann war das?“
[ 3]„Ich weiß nicht, vor …“ sah auf seine Uhr, „… gegen sechs.“
[ 3]„Du bist vier Stunden gelaufen?“
[ 3]„Vier?“ Er sah sie an. „Nein, es … es ist doch erst halb sieben.“
[ 3]Carola deutete auf die Uhr im Auto. „Es ist nach zehn.“
[ 3]„Aber …“. Er sah auf seine Armbanduhr.
[ 3]„Iowa-Zeit?“, schlug sie lächelnd vor und versuchte sich zu erinnern, wie groß die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und den USA war. Es waren mit Sicherheit mehr als viereinhalb Stunden. „Ok“, sagte sie und startete den Motor. Sie legte den Gurt um. „Schnall dich an.“ Dann fuhr sie los.
[ 3]„Wo fahren wir hin?“
[ 3]„Zu mir.“
[ 3]Er sah sie halb fragend, halb misstrauisch an.
[ 3]Sie lächelte. „Keine Panik, ok? Die Alternative ist die nächste Polizeistation, und dort ist es garantiert ungemütlicher als bei mir.“ Sie rollte vom Parkplatz, ein Motorrad überholte sie brummend. „Wie heißt du eigentlich?“
[ 3]Er zögerte.
[ 3]Sie sah ihn an. „Hast du deinen Namen vergessen?“
[ 3]„Dean. Ich heiße Dean.
[ 3]„Dean, aha. Schöner Name.“ Sie reichte ihm die Hand. „Ich bin Caro.“
[ 3]Sein Händedruck war angenehm.
[ 3]„Wann bist du eigentlich geboren?“, erkundigte sie sich.
[ 3]„Ich bin 17“, antwortete er.
[ 3]Das war nicht das, was sie wissen wollte, aber sie fragte nicht nach.
[ 3]„Hast du Hunger, Dean?“
[ 3]Er nickte.
[ 3]Sie langte nach hinten und holte eine Einkaufstüte vor. Sie reichte sie ihm. „Ist nicht viel, aber in 10 Minuten sind wir zu Hause, da mach ich dir was Richtiges.“
[ 3]Dean griff in die Tüte und holte die angefangene Keksschachtel raus. „Cocos?“
[ 3]„Magst du nicht?“
[ 3]„Doch! Sehr sogar.“ Er begann zu futtern.
[ 3]Zwei Minuten später war die Schachtel leer. Dean steckte sie zurück in die Tüte und knüllte alles auf seinem Schoß zusammen. Er sah wieder nach vorn.
[ 3]„Kriegst du nicht Ärger, wenn du einfach jemanden mitbringst?“, fragte er, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
[ 3]Carola lachte. „Mit wem?“
[ 3]„Ich weiß nicht.“ Jetzt sah er sie an. „Mit deinem Mann oder so.“
[ 3]„Ich habe keinen Mann. Und auch keinen oder so.“
[ 3]„Warum nicht?“
[ 3]„Wa…“ Sie sah ihn an und runzelte die Stirn. „Muss es dafür einen Grund geben?“
[ 3]Er zuckte die Achseln. „Kann ja sein.“
[ 3]„Nein, es gibt keinen Grund. Ich … Es gibt eben grade keinen Mann in meinem Leben.“
[ 3]„Bist du geschieden?“
[ 3]Sie lachte auf. „Also du kannst Probleme haben …“
[ 3]„Entschuldige, ich wollte nicht unhöflich sein. Ich dachte eben, dass du vielleicht geschieden bist.“
[ 3]Sie fragte nicht nach dem Warum.
[ 3]Eine Weile fuhren sie schweigend. Dean sah nach vorn, manchmal aus dem Seitenfenster. Mitunter schaute er zu ihr herüber, wenn sich ihre Blicke trafen, wandte er sich ab. Einmal glitt sein Blick über die Mittelkonsole und blieb am Kassettendeck hängen, aus dem eine Kassette halb eingelegt herausragte. Carola sah, dass Deans Brauen nach oben zuckten, konnte die Geste aber nicht deuten.
[ 3]„Erzähl mir was von dir“, bat sie, in de Hoffnung, auf eine Spur zu stoßen.
[ 3]„Was denn?“
[ 3]„Ich weiß nicht. Hobbys, Familie. Schule von mir aus.“
[ 3]„Ich mache Sport.“
[ 3]„Sport. Was denn?“
[ 3]„Crickett.“
[ 3]„Crickett? In Iowa? Da hätte ich eher Baseball vermutet.“
[ 3]„Hab ich auch mal gemacht.“
[ 3]„Und warum hast du aufgehört?“
[ 3]„Ich war nicht gut genug“, sagte er obenhin.
[ 3]Sie sah ihn an. „Du bist also rausgeflogen.“
[ 3]Er schaute zu ihr, zog die Brauen zusammen. „Nein. Ich hab nur aufgehört.“
[ 3]„Weil du nicht gut genug warst? Ich dachte man hört auf, wenn es keinen Spaß mehr macht.“
[ 3]Die steile Falte über seiner Nasenwurzel vertiefte sich. „Es macht keinen Spaß, wenn man nicht gut ist.“
[ 3]Sie musterte ihn. „Das ist Blödsinn, Dean.“
[ 3]Er schniefte, antwortete aber nicht. Statt dessen sah er wieder aus dem Fenster.
[ 3]„Entschuldige, aber das ist wirklich Blödsinn. Natürlich macht es mehr Spaß, wenn man auch noch gut ist und andere einen deswegen anerkennen, aber glaub einer alten Frau, das ist nicht das Maß. Du musst nur wissen, wie gut du bist und die Ansprüche entsprechend ausrichten.“
[ 3]Er sah sie an. „Wie alt bist du?“
[ 3]„Was?“ Der Bursche war wirklich irrtierend.
[ 3]„Du sagtest alte Frau …“
[ 3]Sie lachte auf. „Das war symbolisch gemeint! Ich … habe einfach ein bisschen mehr Lebenserfahrung als du, das ist alles.“
[ 3]Er schien enttäuscht. „Ach so.“
[ 3]„Ach so?“ Sie schüttelte den Kopf. „Was soll das bitte heißen?“
[ 3]Die Falte kehrte auf seine Stirn zurück. „Nichts. Wieso?“
[ 3]Sie winkte ab. „Schon gut! - Wir sind gleich da.“
 

jon

Mitglied
Teammitglied
*** Kapitel 2 / 2003 ***

Als Carola Brauer das Kino verließ, schlug ihr kühle Feuchtigkeit entgegen. Sie schloss ihren Blazer, schlang die Arme um sich und eilte zu ihrem Auto. Der Film, den sie gesehen hatte, begann schon zu verblassen. Dieses „Ich geh jeden Montag ins Kino“-Prinzip hatte ihr bisher mehr Enttäuschungen als Entdeckungen eingebracht, aber so hatte sie immerhin das Gefühl, ab und zu mal etwas Neues zu erleben.
[ 3]Auf dem Parkplatz stand eine schmale Gestalt und fror sichtlich. Carola vermutete, dass es ein junger Mann war. Er hatte die Schultern hochgezogen und das Gesicht halb im Kragen der seltsam altmodisch wirkenden Jacke versteckt. So im Dämmer dieses niesligen Juniabends wirkte er etwas suspekt. Er schien Carola zu bemerken, hörte auf, von einem Bein aufs andere zu treten und sah in ihre Richtung. Sie tat, als gelte der Blick nicht ihr, und schlängelte sich durch die Reihen der parkenden Fahrzeuge. Dabei kramte sie in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel und fand einen erledigten Einkaufszettel, den sie zusammenknüllte und wieder einsteckte. Dann war sie an ihrem Auto, schloss auf und …
[ 3]… schrak auf. Neben ihr stand der junge Mann. „Sorry, I lost my way …“
[ 3]„Was? Oh!“ Sie wechselte zu Englisch. „Wo willst du denn hin?“
[ 3]„Candela Farm.“
[ 3]„Wo ist das denn?!“
[ 3]„Südlich von Creston. Das hier ist nicht Creston, oder?“
[ 3]Carola hob die Brauen. „Das ist Dresden.“
[ 3]„Dresden?“
[ 3]„Sachsen?“, bot sie an. „Deutschland?“
[ 3]„Deu…“ Er wurde bleich und wankte.
[ 3]Streckte die Hand aus. „Hey hey hey! Kipp mir hier nicht um!“
[ 3]Er starrte Carola an. „Das ist nicht Iowa?“
[ 3]„Iowa?“ Sie lachte auf. „Falscher Kontinent, Junge.“
[ 3]Er wankte erneut.
[ 3]Carola legte ihre Hand auf seinen Arm. „Hey! Sieh mich an!“
[ 3]Er gehorchte.
[ 3]Sie bohrte ihren Blick in seinen. „Das wird schon, ok? Du bist … ein bisschen durcheinander, wir finden … schon eine Lösung, ok?“
[ 3]Er nickte ergeben.
[ 3]„Bist du … high oder so? Drogen, Alkohol?“
[ 3]„Nein!“, fuhr er empört auf.
[ 3]Sie musterte ihn, schnupperte. „Nein, sieht wirklich nicht so aus. Komm!“ Sie öffnete ihm die Beifahrertür. „Ich bring dich erstmal ins Warme.“
[ 3]Er zögerte.
[ 3]„Oder willst du hier bleiben?“
[ 3]Er schüttelte den Kopf und stieg ein.
[ 3]Sie setzte sich auf den Fahrersitz und wandte sich ihm zu. „Also. Du … hast keine Ahnung, wie du hergekommen bist.“
[ 3]„Nein.
[ 3]Sie überlegte. Es gab nicht viele Möglichkeiten dafür, plötzlich irgendwo anders zu sein.. Keine war angenehm. „Woran erinnerst du dich?“
[ 3]„Wir haben einen Ausflug gemacht…“
[ 3]„Wer wir?“
[ 3]„Meine Familie. Mum, Dad, meine Geschwister …“
[ 3]„Wie viele sind das?“, versuchte sie, seine Gedanken auf sicheres Terrain zu lenken.
[ 3]„Geschwister? Zwei. Und meine beiden Cousins und meine Cousine. Sie leben bei uns.“
[ 3]„Wow! 'ne große Familie!“
[ 3]Er lächelte. „Ja. Ich bin der jüngste.“
[ 3]„Das Nesthäkchen also.“
[ 3]Er zog die Brauen zusammen. Diese Bezeichnung gefiel ihm offenbar nicht.
[ 3]„Ok“, lenkte Carola ab. „Also der Ausflug …“
[ 3]Seine Gedanken kehrten zurück. „Also … Ich wollte Holz für das Lagerfeuer holen und bin über eine Wurzel oder so gestolpert …“ Er ließ den Satz in der Schwebe.
[ 3]Eine Idee schoss heiß in Carola hoch. „Und dann?“
[ 3]„Dann war ich hier.“
[ 3]„Einfach so?“
[ 3]„Ich bin in einem Gebüsch aufgewacht, da hinten irgendwo.“ Er zeigte Richtung Naturschutzgebiet.
[ 3]„In der Heide.“
[ 3]„Und dann bin ich zur Straße und hierher gelaufen.“
[ 3]„Wann war das?“
[ 3]„Ich weiß nicht, vor …“ sah auf seine Uhr, „… gegen sechs.“
[ 3]„Du bist vier Stunden gelaufen?“
[ 3]„Vier?“ Er sah sie an. „Nein, es … es ist doch erst halb sieben.“
[ 3]Carola deutete auf die Uhr im Auto. „Es ist nach zehn.“
[ 3]„Aber …“. Er sah auf seine Armbanduhr.
[ 3]„Iowa-Zeit?“, schlug sie lächelnd vor und versuchte sich zu erinnern, wie groß die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und den USA war. Es waren mit Sicherheit mehr als viereinhalb Stunden. „Ok“, sagte sie und startete den Motor. Sie legte den Gurt um. „Schnall dich an.“ Dann fuhr sie los.
[ 3]„Wo fahren wir hin?“
[ 3]„Zu mir.“
[ 3]Er sah sie halb fragend, halb misstrauisch an.
[ 3]Sie lächelte. „Keine Panik, ok? Die Alternative ist die nächste Polizeistation, und dort ist es garantiert ungemütlicher als bei mir.“ Sie rollte vom Parkplatz, ein Motorrad überholte sie brummend. „Wie heißt du eigentlich?“
[ 3]Er zögerte.
[ 3]Sie sah ihn an. „Hast du deinen Namen vergessen?“
[ 3]„Dean. Ich heiße Dean.
[ 3]„Dean, aha. Schöner Name.“ Sie reichte ihm die Hand. „Ich bin Caro.“
[ 3]Sein Händedruck war angenehm.
[ 3]„Wann bist du eigentlich geboren?“, erkundigte sie sich.
[ 3]„Ich bin 17“, antwortete er.
[ 3]Das war nicht das, was sie wissen wollte, aber sie fragte nicht nach.
[ 3]„Hast du Hunger, Dean?“
[ 3]Er nickte.
[ 3]Sie langte nach hinten und holte eine Einkaufstüte vor. Sie reichte sie ihm. „Ist nicht viel, aber in 10 Minuten sind wir zu Hause, da mach ich dir was Richtiges.“
[ 3]Dean griff in die Tüte und holte die angefangene Keksschachtel raus. „Cocos?“
[ 3]„Magst du nicht?“
[ 3]„Doch! Sehr sogar.“ Er begann zu futtern.
[ 3]Zwei Minuten später war die Schachtel leer. Dean steckte sie zurück in die Tüte und knüllte alles auf seinem Schoß zusammen. Er sah wieder nach vorn.
[ 3]„Kriegst du nicht Ärger, wenn du einfach jemanden mitbringst?“, fragte er, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
[ 3]Carola lachte. „Mit wem?“
[ 3]„Ich weiß nicht.“ Jetzt sah er sie an. „Mit deinem Mann oder so.“
[ 3]„Ich habe keinen Mann. Und auch keinen oder so.“
[ 3]„Warum nicht?“
[ 3]„Wa…“ Sie sah ihn an und runzelte die Stirn. „Muss es dafür einen Grund geben?“
[ 3]Er zuckte die Achseln. „Kann ja sein.“
[ 3]„Nein, es gibt keinen Grund. Ich … Es gibt eben grade keinen Mann in meinem Leben.“
[ 3]„Bist du geschieden?“
[ 3]Sie lachte auf. „Also du kannst Probleme haben …“
[ 3]„Entschuldige, ich wollte nicht unhöflich sein. Ich dachte eben, dass du vielleicht geschieden bist.“
[ 3]Sie fragte nicht nach dem Warum.
[ 3]Eine Weile fuhren sie schweigend. Dean sah nach vorn, manchmal aus dem Seitenfenster. Mitunter schaute er zu ihr herüber, wenn sich ihre Blicke trafen, wandte er sich ab. Einmal glitt sein Blick über die Mittelkonsole und blieb am Kassettendeck hängen, aus dem eine Kassette halb eingelegt herausragte. Carola sah, dass Deans Brauen nach oben zuckten, konnte die Geste aber nicht deuten.
[ 3]„Erzähl mir was von dir“, bat sie, in de Hoffnung, auf eine Spur zu stoßen.
[ 3]„Was denn?“
[ 3]„Ich weiß nicht. Hobbys, Familie. Schule von mir aus.“
[ 3]„Ich mache Sport.“
[ 3]„Sport. Was denn?“
[ 3]„Crickett.“
[ 3]„Crickett? In Iowa? Da hätte ich eher Baseball vermutet.“
[ 3]„Hab ich auch mal gemacht.“
[ 3]„Und warum hast du aufgehört?“
[ 3]„Ich war nicht gut genug“, sagte er obenhin.
[ 3]Sie sah ihn an. „Du bist also rausgeflogen.“
[ 3]Er schaute zu ihr, zog die Brauen zusammen. „Nein. Ich hab nur aufgehört.“
[ 3]„Weil du nicht gut genug warst? Ich dachte man hört auf, wenn es keinen Spaß mehr macht.“
[ 3]Die steile Falte über seiner Nasenwurzel vertiefte sich. „Es macht keinen Spaß, wenn man nicht gut ist.“
[ 3]Sie musterte ihn. „Das ist Blödsinn, Dean.“
[ 3]Er schniefte, antwortete aber nicht. Statt dessen sah er wieder aus dem Fenster.
[ 3]„Entschuldige, aber das ist wirklich Blödsinn. Natürlich macht es mehr Spaß, wenn man auch noch gut ist und andere einen deswegen anerkennen, aber glaub einer alten Frau, das ist nicht das Maß. Du musst nur wissen, wie gut du bist und die Ansprüche entsprechend ausrichten.“
[ 3]Er sah sie an. „Wie alt bist du?“
[ 3]„Was?“ Der Bursche war wirklich irrtierend.
[ 3]„Du sagtest alte Frau …“
[ 3]Sie lachte auf. „Das war symbolisch gemeint! Ich … habe einfach ein bisschen mehr Lebenserfahrung als du, das ist alles.“
[ 3]Er schien enttäuscht. „Ach so.“
[ 3]„Ach so?“ Sie schüttelte den Kopf. „Was soll das bitte heißen?“
[ 3]Die Falte kehrte auf seine Stirn zurück. „Nichts. Wieso?“
[ 3]Sie winkte ab. „Schon gut! - Wir sind gleich da.“


(Weiter bei Teil 2)
 



 
Oben Unten