Der Fluch / 2 – Kapitel 4/1

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jon

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*** Kapitel 4 / 2003 ***

Dean stand noch immer anklagend in der Schlafzimmertür und starrte Carola an. „Das ist doch Unsinn!“
[ 3]„Nicht wirklich“, erwiderte Carola und knöpfte ihre Bluse zu. „Es ist nur … etwas kompliziert.“ Sie ging an Dean vorbei ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. „Du bist in der Zukunft.“
[ 3]Ihm klappte der Mund auf.
[ 3]„Von dir aus gesehen jedenfalls.“
[ 3]„Ich verstehe nicht …“
[ 3]„Wir haben das Jahr 2003.“
[ 3]„2003“, echote er und kam herüber. Er setzte sich neben Carola und sah sie an. „Wieso?“
[ 3]„Wieso?“
[ 3]„Warum passiert mir so was?“
[ 3]„Purer Zufall.“
[ 3]Offensichtlich glaubte er das nicht. Wahrscheinlich glaubte er alles nicht und suchte nun verzweifelt nach einem Strohhalm, der ihn aus dieser absurden Situation weg helfen würde. Carola fühlte sich versuchte, ihm den Arm um die Schulter zu legen. Ein Blick auf das Handtuch, das sich vor Deans Schoß gefährlich weit geöffnet hatte, hielt sie davon ab. Sie stand auf.
[ 3]„Ich weiß, dass das alles verwirrend ist, aber …“ Sie breitete die Hände aus. „Es ist nun mal so.“
[ 3]Er sah flehend zu ihr auf. „Aber das ist doch verrückt! Das ist Science Fiction!“
[ 3]Sie lachte auf. „Ja. Das ist es. Und auch wieder nicht.“
[ 3]„Ich habe doch nie … eine … eine Zeitmaschine …“
[ 3]„Loch, Dean, Zeitloch“, unterbrach sie ihn. „Das sind … na ja … eben Löcher im Raum-Zeit-Gefüge. Manchmal stolpert einer rein, das passiert.“
[ 3]„Und fällt in die Zukunft?“
[ 3]„Das ist … eh…“, sie setzte sich auf den Schrankvorsprung. „Na ja die meisten führen wohl in die Vergangenheit.“
[ 3]„Woher weißt du das?“
[ 3]„Weil … Ich ein paarmal in … in die Vergangenheit gefallen bin.“
[ 3]„Du?“
[ 3]Sie nickte. „Richtig.“
[ 3]„Wie bist zu zurück gekommen?“
[ 3]Sie holte tief Luft. „Na ja. Es ist … Ich habe einfach gewartet, bis der … der Abreisepunkt wieder da war.“
[ 3]„Einfach so?“
[ 3]„Ja.“
[ 3]Dean schien sich zu entspannen.
[ 3]Sie ging zu ihm hinüber und setzte sich neben ihn. „Wenn man in die Zukunft gerät, geht das natürlich nicht, dort ist dieser Moment ja schon vorbei.“
[ 3]Er sah verwirrt auf.
[ 3]„Ja. Wenn du heute in ein Zeitloch fallen würdest und 1985 rauskommst, dann lebst du eben so lange vor dich hin, bis wieder 2003 ist. Wenn du aber 1985 in ein Zeitloch fällst und 2003 rauskommst …“
[ 3]Er begriff: „Das heißt, ich kann nicht zurück?“
[ 3]„Nicht so einfach.“
[ 3]„Ich muss hierbleiben?“
[ 3]„Na ja …“
[ 3]Ihm fiel plötzlich etwas ein. „Leben meine Eltern noch?“
[ 3]Carola war etwas irritiert über den Themenwechsel. „Ich weiß nicht. Zwanzig Jahre …“
[ 3]„Ich muss sie anrufen!“ Er sah sich um, offenbar auf der Suche nach einem Telefon.
[ 3]„Dean!“, bremste sie ihn. „Sie können sonstwohin gezogen sein! Und selbst wenn …“ Sie rieb sich die Stirn. „Du kannst sie nicht anrufen. Du darfst nicht.“
[ 3]„Wieso nicht?“
[ 3]„Dean, wenn … Für sie bist du seit zwanzig Jahren verschollen. Sie halten dich sicher für tot.“
[ 3]Er sprang auf. „Ich muss sie anrufen!“
[ 3]Carola ergriff seine Hand und zog ihn auf die Couch zurück. „Dean!“
[ 3]Er sah sie irritiert an. „Was? Sie müssen doch wissen, dass ich noch lebe!“
[ 3]Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
[ 3]„Warum nicht??“
[ 3]„Weil niemand erfahren darf, dass es die Zeitlöcher gibt.“
[ 3]„Aber du weißt es doch auch.“
[ 3]„Das ist was anderes, ich bin konditioniert.“
[ 3]„Kondi… Was ist das?“
[ 3]„Eine Manipulation in den unteren Bewusstseinsebenen.“
[ 3]Er war entsetzt. „Gehirnwäsche?!“
[ 3]Sie lachte leise auf. „Nein. Na gut, so was Ähnliches vielleicht. Es … sorgt einfach dafür, dass niemand an … an die sensiblen Informationen rankommt. Nicht mal mit Drogen oder Hypnose oder so.“
[ 3]„Aber …“
[ 3]„Dean!“ Sie nahm seine Hand. „Dean, bitte hör mir zu! Diese Zeitlöcher entstehen nicht zufällig. Wenn jemand die Formel findet, dann kann er sie berechnen. Oder schlimmer noch, er kann welche erzeugen. Stell dir das Chaos vor, das dann entsteht! Wenn jemand, der ein bisschen was von Raumzeitgleichungen versteht, die Parameter von ein paar solcher Löcher in die Hand bekommt, kann er diese Formel finden. Deshalb darf nie jemand erfahren, wann und wo solche Löcher auftauchen. Und wohin sie führen. Verstehst du das?“
[ 3]„Ich würde es nicht verraten. Du … du könntest mich doch kondi… konditionieren, oder wie das heißt.“
[ 3]Sie schüttelte den Kopf.
[ 3]„Wieso nicht?“
[ 3]„Weil ich so etwas nicht kann. Das ist sehr kompliziert, ich bin nicht gut genug dafür.“
[ 3]„Dann … dann … dann verspreche ich eben, dass ich nichts sage! Auf Ehrenwort!“
[ 3]Sie lächelte matt. „Das würde nichts bringen. Es dürfte nicht schwer sein, in einem Polizeibericht von damals zu finden, wann und wo du verschwunden bist, und wenn du dich jetzt meldest, ist auch klar, wann und wo du wieder aufgetaucht bist.“
[ 3]Er begriff. Man konnte es an der Blässe sehen, die ihn plötzlich überfiel. Er begann zu zittern. Carola stand auf und reichte ihm das Big-Shirt und Shorts. Er sah irritiert hin. Dann sah er auf das Handtuch um seine Hüften und wurde rot. Hastig griff er nach den Sachen. Carola drehte sich um, hoffte, dass er ihr Schmunzeln nicht bemerkt hatte.
[ 3]„Was …“, versuchte er das Gespräch beim Thema zu halten, während er die Shorts unter das Handtuch zog und dieses dann fallen ließ, „… heißt das denn nun? Ich kann nicht nach Hause?“
[ 3]„Nicht so einfach, nein.“
[ 3]„Aber wenn …“, er streifte das Shirt über, „… wenn ich hier bleiben muss, dann brauche ich doch sicher Papiere und sowas, oder?“ Er hob das Handtuch auf.
[ 3]„Das könnte man organisieren. - Fertig?“
[ 3]„Ja.“
[ 3]Sie drehte sich um und nahm ihm da Handtuch ab. Sie schaffte es in die Dusche. Als sie wiederkam, saß er auf dem Schrankvorsprung. „Das Problem“, fuhr sie fort, „ist, dass du siebzehn bist.“
[ 3]„Fast 18“, warf er ein.
[ 3]„Wie auch immer. Du siehst einfach zu jung aus. Niemand wird dir den 30-Jährigen abnehmen, du würdest ständig neue Papiere brauchen.“
[ 3]Er runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht …“
[ 3]„Die Sache ist die“, fuhr Carola fort. „Solange man außerhalb seiner eigenen Zeit ist, altert man nicht. Du wärst ewig 17 und selbst mit der besten Tarnung wurde das irgendwann auffallen.“
[ 3]Er schaute zu ihr hoch. „Ewig 17?“ Er versuchte offenbar, sich das vorzustellen.
[ 3]„Ja. So sieht's aus.“
[ 3]„Das ist Unsinn“, stellte er fest.
[ 3]„Ich wollte, das wär's.“
[ 3]„Wie kann man denn nicht altern?!“
[ 3]„Frag mich nicht. Ich weiß nur, dass es so ist.“
[ 3]„Heißt das, man ist unsterblich?“
[ 3]„Wenn du dich grade ermorden lässt …“
[ 3]Ihm schien der Gedanke plötzlich zu gefallen. „Unsterblich, ja?“
[ 3]Sie schwieg.
[ 3]Er lächelte. „Das wär …“
[ 3]„… ziemlich auffällig“, kann sie ihm zuvor.
[ 3]„Aber irgendwie cool, oder?“
[ 3]„Nicht wirklich.“
[ 3]Er ließ sich von der Kühle ihrer Stimme nicht beeindrucken. „Hey, ich könnte alles machen, was ich will. Alles Mögliche ausprobieren.“ Er sah sie strahlend an. „Wir könnten um die ganze Welt reisen und …“
[ 3]„Dean!“
[ 3]„Was?“
[ 3]„Ich werde dich zurück bringen.“
[ 3]Seine Begeisterung zerbrach. Er sah sie groß an. „Du sagtest doch, das geht nicht.“
[ 3]„Ich sagte, wir können nicht warten, bis es von selbst passiert, weil es nicht von selbst passieren wird.“
[ 3]„Ich verstehe nicht…“
[ 3]„Das ist die Stelle mit der Zeitmaschine.“
[ 3]„Die …“ Er verstand noch immer nicht.
[ 3]„Ich habe keine, nicht hier jedenfalls, aber ich weiß, wo eine ist.“
[ 3]„Wo eine …“
[ 3]Sie nickte.
[ 3]„Und wo?“
[ 3]„New York.“

2001
Sam schloss die Wohnungstür hinter sich, lehnte sich an die Tür und schloss die Augen. Er war fix und fertig. Die Proben hatten ihn geschafft, aber es war eine wohlige Art von Erschöpfung, die ihn jetzt durchflutete. Vielleicht lag es daran, weil er zum ersten Mal ein zweites Stück am selben Theater spielen würde. Es ging aufwärts.
[ 3]Er löste sich von der Tür, zog die Jacke aus und rollte die Schultern. Sein Blick fiel auf das Telefon, der Anrufbeantworter blinkte. Sam rief die Aufzeichnung ab.
[ 3]Es war Elsbeth, die Sekretärin seines Agenten. „Mr. Thompson“, piepste sie, „Mr. Masterson bittet Sie ganz dringend um Ihren Rückruf. Es gibt eine Anfrage wegen einer Rolle in einem Dribut-Konzert oder sowas. Sie sollen sich melden, sobald Sie da sind, sagt Mr. Masterson.“
[ 3]Sam starrte auf das Telefon. Elvin Masterson hatte ein Angebot für ihn aufgetan? Das war, gelinde gesagt, ungewöhnlich. In der Regel brachte er lediglich die Vertragsverhandlungen für die Angebote zu Ende, die Sam ihm auf den Tisch legte. Nur weil Masterson das wirklich gut machte und immer noch etwas herauszuholen verstand, war Sam noch bei ihm. Er wählte Mastersons Nummer.
[ 3]„Schön, dass Sie so schnell reagieren, Samuel“, sagte Masterson statt einer Begrüßung. „Ich bin wirklich etwas in der Zwickmühle, weil ich nicht sicher bin, ob ich Ihnen dieses Engagement empfehlen soll.“
[ 3]„Warum geht es denn? Elsbeth sagte etwas von einem Dribut-Konzert …“
[ 3]„Ja ja, für Rodgers und Hammerstein, Carousel.“
[ 3]„Kenn ich. Wo ist das Problem?“
[ 3]„Es ist nur für einen Abend aber mit dem ganzen Brimborium an Proben und so.“
[ 3]Sam runzelte sie Stirn. „Und?“
[ 3]„Ist das nicht zu viel Aufwand?“
[ 3]Sam lachte auf. „Man merkt, dass Sie kein Theatermann sind, Elvin. So was ist normal.“
[ 3]„Ja ja ich weiß, ich hätte meinem Bruder die Agentur überlassen sollen. Sie würden es also in Betracht ziehen?“
[ 3]„Mehr als das! Ein Ehrenshow für Rodgers und Hammerstein - haben Sie eine Vorstellung davon, wie viele Größen aus dem Bussiness da im Publikum sein werden?“
[ 3]„Daran habe ich gar nicht gedacht“, behauptete Masterson. „Aber Sie haben natürlich Recht, Samuel. Wenn man Sie dort sieht, kann das für Sie nur gut sein. - Kommen Sie doch morgen früh einfach zu mir. Sagen wir, gegen zehn?“
[ 3]„Klar. Ich bin da.“
[ 3]„Bis morgen also.“ Masterson legte auf.
[ 3]Sam sah noch eine Sekunde lang auf den Telefonhörer, dann legte auch er auf. Er ging in die Küche und goss sich einen Whisky ein. Er trank ihn in einem Zug aus. Dann lehnte er sich gegen die Abrietplatte und sagte „Wow“. Und noch einmal „Wow.“ Und dann begann er , zufrieden zu grinsen.
[ 3]Das Telefonklingeln unterbrach ihn dabei. Sam ging ran. „Thompson?“, meldete er sich.
[ 3]„Hallo Samuel.“
[ 3]Sam horchte auf. „John? Bist du das?“
[ 3]„Ja.“
[ 3]„Hey! Schön, dich zu hören! Wo … Wo bist du grade?“
[ 3]„Nicht in der Nähe“, sagte Jonathan
[ 3]Sam ließ sich von der Kühle nicht beeindrucken. „Hey, du hattest Recht, es läuft jetzt alles ganz prima.“
[ 3]„Ich weiß.“
[ 3]„Ich habe gerade einen Anruf bekommen, der …“
[ 3]„Sag ab“, unterbrach ihn Jonathan.
[ 3]Sam erstarrte. „Was?“
[ 3]„Nimm die Rolle nicht an.“
[ 3]„Das … Das ist …“ Er fühlte, wie Wut in ihm aufstieg. „Das ist dein Ernst! Das ist meine Chance!“
[ 3]„Du wirst andere Chancen bekommen.“
[ 3]„Wann, John, wann? Ich bin 35! Die …“ Er schlug mit der freien Hand gegen die Wand. „Verdammt, warum … Warum tötest du mich nicht einfach, das geht schneller!“
[ 3]„Das ist nicht deine Entscheidung.“
[ 3]„Ist es deine?“
[ 3]Jonthan schwieg.
[ 3]„Mit welchem …“, Sam atmete heftig ein und aus. „Mit welchem verdammten Recht bestimmst du über mein Leben?“
[ 3]Jonathan schwieg auch dazu.
[ 3]„Und wenn ich es tue?“, fragte Sam. „Ja“, nahm er den Kampf auf, „ja, was wenn ich die Rolle annehme?“
[ 3]„Du wirst es nicht bis zu Show schaffen.“
[ 3]„Ich kann es versuchen!“
[ 3]„Du wirst versagen. Und dabei gehen all die Türen zu, die du durch die Zusage eigentlich öffnen wolltest.“ Er sagte es ohne erkennbare Regung.
[ 3]„Du …“ Sam ließ den Hörer sinken. Er wusste, dass Jonathan seine Drohung wahr machen würde. Er wusste nicht wie und nicht warum, aber dass er es tun würde, stand fest. Sam hatte keine Chance. „Ich…“ Er nahm den Hörer wieder ans Ohr „Ich will dich treffen. Ich will, dass du es mir ins Gesicht sagst.“
[ 3]„Was würde das ändern?“
[ 3]Er hatte recht, es würde nichts ändern. Trotzdem beharrte Sam: „Sag es mir ins Gesicht! Einmal nur! Sag mir ins Gesicht, dass ich dir scheißegal bin! Dass du … mich nur benutzt, um deinen … deine Machtgelüste auszuleben! Komm her und sag es mir ins Gesicht!“
[ 3]Es blieb still am andern Ende der Leitung.
[ 3]Sam wartete. Und wartete. Und wartete. Dann sagte er:„Du bist ein Feigling, John. Ein hundsmisserabler Feigling.“ und legte auf. Er ging in die Küche und begann, sich volllaufen zu lassen.
 

jon

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*** Kapitel 4 / 2003 ***

Dean stand noch immer anklagend in der Schlafzimmertür und starrte Carola an. „Das ist doch Unsinn!“
[ 3]„Nicht wirklich“, erwiderte Carola und knöpfte ihre Bluse zu. „Es ist nur … etwas kompliziert.“ Sie ging an Dean vorbei ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. „Du bist in der Zukunft.“
[ 3]Ihm klappte der Mund auf.
[ 3]„Von dir aus gesehen jedenfalls.“
[ 3]„Ich verstehe nicht …“
[ 3]„Wir haben das Jahr 2003.“
[ 3]„2003“, echote er und kam herüber. Er setzte sich neben Carola und sah sie an. „Wieso?“
[ 3]„Wieso?“
[ 3]„Warum passiert mir so was?“
[ 3]„Purer Zufall.“
[ 3]Offensichtlich glaubte er das nicht. Wahrscheinlich glaubte er alles nicht und suchte nun verzweifelt nach einem Strohhalm, der ihn aus dieser absurden Situation weg helfen würde. Carola fühlte sich versuchte, ihm den Arm um die Schulter zu legen. Ein Blick auf das Handtuch, das sich vor Deans Schoß gefährlich weit geöffnet hatte, hielt sie davon ab. Sie stand auf.
[ 3]„Ich weiß, dass das alles verwirrend ist, aber …“ Sie breitete die Hände aus. „Es ist nun mal so.“
[ 3]Er sah flehend zu ihr auf. „Aber das ist doch verrückt! Das ist Science Fiction!“
[ 3]Sie lachte auf. „Ja. Das ist es. Und auch wieder nicht.“
[ 3]„Ich habe doch nie … eine … eine Zeitmaschine …“
[ 3]„Loch, Dean, Zeitloch“, unterbrach sie ihn. „Das sind … na ja … eben Löcher im Raum-Zeit-Gefüge. Manchmal stolpert einer rein, das passiert.“
[ 3]„Und fällt in die Zukunft?“
[ 3]„Das ist … eh…“, sie setzte sich auf den Schrankvorsprung. „Na ja die meisten führen wohl in die Vergangenheit.“
[ 3]„Woher weißt du das?“
[ 3]„Weil … Ich ein paarmal in … in die Vergangenheit gefallen bin.“
[ 3]„Du?“
[ 3]Sie nickte. „Richtig.“
[ 3]„Wie bist zu zurück gekommen?“
[ 3]Sie holte tief Luft. „Na ja. Es ist … Ich habe einfach gewartet, bis der … der Abreisepunkt wieder da war.“
[ 3]„Einfach so?“
[ 3]„Ja.“
[ 3]Dean schien sich zu entspannen.
[ 3]Sie ging zu ihm hinüber und setzte sich neben ihn. „Wenn man in die Zukunft gerät, geht das natürlich nicht, dort ist dieser Moment ja schon vorbei.“
[ 3]Er sah verwirrt auf.
[ 3]„Ja. Wenn du heute in ein Zeitloch fallen würdest und 1985 rauskommst, dann lebst du eben so lange vor dich hin, bis wieder 2003 ist. Wenn du aber 1985 in ein Zeitloch fällst und 2003 rauskommst …“
[ 3]Er begriff: „Das heißt, ich kann nicht zurück?“
[ 3]„Nicht so einfach.“
[ 3]„Ich muss hierbleiben?“
[ 3]„Na ja …“
[ 3]Ihm fiel plötzlich etwas ein. „Leben meine Eltern noch?“
[ 3]Carola war etwas irritiert über den Themenwechsel. „Ich weiß nicht. Zwanzig Jahre …“
[ 3]„Ich muss sie anrufen!“ Er sah sich um, offenbar auf der Suche nach einem Telefon.
[ 3]„Dean!“, bremste sie ihn. „Sie können sonstwohin gezogen sein! Und selbst wenn …“ Sie rieb sich die Stirn. „Du kannst sie nicht anrufen. Du darfst nicht.“
[ 3]„Wieso nicht?“
[ 3]„Dean, wenn … Für sie bist du seit zwanzig Jahren verschollen. Sie halten dich sicher für tot.“
[ 3]Er sprang auf. „Ich muss sie anrufen!“
[ 3]Carola ergriff seine Hand und zog ihn auf die Couch zurück. „Dean!“
[ 3]Er sah sie irritiert an. „Was? Sie müssen doch wissen, dass ich noch lebe!“
[ 3]Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
[ 3]„Warum nicht??“
[ 3]„Weil niemand erfahren darf, dass es die Zeitlöcher gibt.“
[ 3]„Aber du weißt es doch auch.“
[ 3]„Das ist was anderes, ich bin konditioniert.“
[ 3]„Kondi… Was ist das?“
[ 3]„Eine Manipulation in den unteren Bewusstseinsebenen.“
[ 3]Er war entsetzt. „Gehirnwäsche?!“
[ 3]Sie lachte leise auf. „Nein. Na gut, so was Ähnliches vielleicht. Es … sorgt einfach dafür, dass niemand an … an die sensiblen Informationen rankommt. Nicht mal mit Drogen oder Hypnose oder so.“
[ 3]„Aber …“
[ 3]„Dean!“ Sie nahm seine Hand. „Dean, bitte hör mir zu! Diese Zeitlöcher entstehen nicht zufällig. Wenn jemand die Formel findet, dann kann er sie berechnen. Oder schlimmer noch, er kann welche erzeugen. Stell dir das Chaos vor, das dann entsteht! Wenn jemand, der ein bisschen was von Raumzeitgleichungen versteht, die Parameter von ein paar solcher Löcher in die Hand bekommt, kann er diese Formel finden. Deshalb darf nie jemand erfahren, wann und wo solche Löcher auftauchen. Und wohin sie führen. Verstehst du das?“
[ 3]„Ich würde es nicht verraten. Du … du könntest mich doch kondi… konditionieren, oder wie das heißt.“
[ 3]Sie schüttelte den Kopf.
[ 3]„Wieso nicht?“
[ 3]„Weil ich so etwas nicht kann. Das ist sehr kompliziert, ich bin nicht gut genug dafür.“
[ 3]„Dann … dann … dann verspreche ich eben, dass ich nichts sage! Auf Ehrenwort!“
[ 3]Sie lächelte matt. „Das würde nichts bringen. Es dürfte nicht schwer sein, in einem Polizeibericht von damals zu finden, wann und wo du verschwunden bist, und wenn du dich jetzt meldest, ist auch klar, wann und wo du wieder aufgetaucht bist.“
[ 3]Er begriff. Man konnte es an der Blässe sehen, die ihn plötzlich überfiel. Er begann zu zittern. Carola stand auf und reichte ihm das Big-Shirt und Shorts. Er sah irritiert hin. Dann sah er auf das Handtuch um seine Hüften und wurde rot. Hastig griff er nach den Sachen. Carola drehte sich um, hoffte, dass er ihr Schmunzeln nicht bemerkt hatte.
[ 3]„Was …“, versuchte er das Gespräch beim Thema zu halten, während er die Shorts unter das Handtuch zog und dieses dann fallen ließ, „… heißt das denn nun? Ich kann nicht nach Hause?“
[ 3]„Nicht so einfach, nein.“
[ 3]„Aber wenn …“, er streifte das Shirt über, „… wenn ich hier bleiben muss, dann brauche ich doch sicher Papiere und sowas, oder?“ Er hob das Handtuch auf.
[ 3]„Das könnte man organisieren. - Fertig?“
[ 3]„Ja.“
[ 3]Sie drehte sich um und nahm ihm da Handtuch ab. Sie schaffte es in die Dusche. Als sie wiederkam, saß er auf dem Schrankvorsprung. „Das Problem“, fuhr sie fort, „ist, dass du siebzehn bist.“
[ 3]„Fast 18“, warf er ein.
[ 3]„Wie auch immer. Du siehst einfach zu jung aus. Niemand wird dir den 30-Jährigen abnehmen, du würdest ständig neue Papiere brauchen.“
[ 3]Er runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht …“
[ 3]„Die Sache ist die“, fuhr Carola fort. „Solange man außerhalb seiner eigenen Zeit ist, altert man nicht. Du wärst ewig 17 und selbst mit der besten Tarnung wurde das irgendwann auffallen.“
[ 3]Er schaute zu ihr hoch. „Ewig 17?“ Er versuchte offenbar, sich das vorzustellen.
[ 3]„Ja. So sieht's aus.“
[ 3]„Das ist Unsinn“, stellte er fest.
[ 3]„Ich wollte, das wär's.“
[ 3]„Wie kann man denn nicht altern?!“
[ 3]„Frag mich nicht. Ich weiß nur, dass es so ist.“
[ 3]„Heißt das, man ist unsterblich?“
[ 3]„Wenn du dich grade ermorden lässt …“
[ 3]Ihm schien der Gedanke plötzlich zu gefallen. „Unsterblich, ja?“
[ 3]Sie schwieg.
[ 3]Er lächelte. „Das wär …“
[ 3]„… ziemlich auffällig“, kann sie ihm zuvor.
[ 3]„Aber irgendwie cool, oder?“
[ 3]„Nicht wirklich.“
[ 3]Er ließ sich von der Kühle ihrer Stimme nicht beeindrucken. „Hey, ich könnte alles machen, was ich will. Alles Mögliche ausprobieren.“ Er sah sie strahlend an. „Wir könnten um die ganze Welt reisen und …“
[ 3]„Dean!“
[ 3]„Was?“
[ 3]„Ich werde dich zurück bringen.“
[ 3]Seine Begeisterung zerbrach. Er sah sie groß an. „Du sagtest doch, das geht nicht.“
[ 3]„Ich sagte, wir können nicht warten, bis es von selbst passiert, weil es nicht von selbst passieren wird.“
[ 3]„Ich verstehe nicht…“
[ 3]„Das ist die Stelle mit der Zeitmaschine.“
[ 3]„Die …“ Er verstand noch immer nicht.
[ 3]„Ich habe keine, nicht hier jedenfalls, aber ich weiß, wo eine ist.“
[ 3]„Wo eine …“
[ 3]Sie nickte.
[ 3]„Und wo?“
[ 3]„New York.“

2001
Sam schloss die Wohnungstür hinter sich, lehnte sich an die Tür und schloss die Augen. Er war fix und fertig. Die Proben hatten ihn geschafft, aber es war eine wohlige Art von Erschöpfung, die ihn jetzt durchflutete. Vielleicht lag es daran, weil er zum ersten Mal ein zweites Stück am selben Theater spielen würde. Es ging aufwärts.
[ 3]Er löste sich von der Tür, zog die Jacke aus und rollte die Schultern. Sein Blick fiel auf das Telefon, der Anrufbeantworter blinkte. Sam rief die Aufzeichnung ab.
[ 3]Es war Elsbeth, die Sekretärin seines Agenten. „Mr. Thompson“, piepste sie, „Mr. Masterson bittet Sie ganz dringend um Ihren Rückruf. Es gibt eine Anfrage wegen einer Rolle in einem Dribut-Konzert oder sowas. Sie sollen sich melden, sobald Sie da sind, sagt Mr. Masterson.“
[ 3]Sam starrte auf das Telefon. Elvin Masterson hatte ein Angebot für ihn aufgetan? Das war, gelinde gesagt, ungewöhnlich. In der Regel brachte er lediglich die Vertragsverhandlungen für die Angebote zu Ende, die Sam ihm auf den Tisch legte. Nur weil Masterson das wirklich gut machte und immer noch etwas herauszuholen verstand, war Sam noch bei ihm. Er wählte Mastersons Nummer.
[ 3]„Schön, dass Sie so schnell reagieren, Samuel“, sagte Masterson statt einer Begrüßung. „Ich bin wirklich etwas in der Zwickmühle, weil ich nicht sicher bin, ob ich Ihnen dieses Engagement empfehlen soll.“
[ 3]„Warum geht es denn? Elsbeth sagte etwas von einem Dribut-Konzert …“
[ 3]„Ja ja, für Rodgers und Hammerstein, Carousel.“
[ 3]„Kenn ich. Wo ist das Problem?“
[ 3]„Es ist nur für einen Abend aber mit dem ganzen Brimborium an Proben und so.“
[ 3]Sam runzelte sie Stirn. „Und?“
[ 3]„Ist das nicht zu viel Aufwand?“
[ 3]Sam lachte auf. „Man merkt, dass Sie kein Theatermann sind, Elvin. So was ist normal.“
[ 3]„Ja ja ich weiß, ich hätte meinem Bruder die Agentur überlassen sollen. Sie würden es also in Betracht ziehen?“
[ 3]„Mehr als das! Ein Ehrenshow für Rodgers und Hammerstein - haben Sie eine Vorstellung davon, wie viele Größen aus dem Bussiness da im Publikum sein werden?“
[ 3]„Daran habe ich gar nicht gedacht“, behauptete Masterson. „Aber Sie haben natürlich Recht, Samuel. Wenn man Sie dort sieht, kann das für Sie nur gut sein. - Kommen Sie doch morgen früh einfach zu mir. Sagen wir, gegen zehn?“
[ 3]„Klar. Ich bin da.“
[ 3]„Bis morgen also.“ Masterson legte auf.
[ 3]Sam sah noch eine Sekunde lang auf den Telefonhörer, dann legte auch er auf. Er ging in die Küche und goss sich einen Whisky ein. Er trank ihn in einem Zug aus. Dann lehnte er sich gegen die Abrietplatte und sagte „Wow“. Und noch einmal „Wow.“ Und dann begann er , zufrieden zu grinsen.
[ 3]Das Telefonklingeln unterbrach ihn dabei. Sam ging ran. „Thompson?“, meldete er sich.
[ 3]„Hallo Samuel.“
[ 3]Sam horchte auf. „John? Bist du das?“
[ 3]„Ja.“
[ 3]„Hey! Schön, dich zu hören! Wo … Wo bist du grade?“
[ 3]„Nicht in der Nähe“, sagte Jonathan
[ 3]Sam ließ sich von der Kühle nicht beeindrucken. „Hey, du hattest Recht, es läuft jetzt alles ganz prima.“
[ 3]„Ich weiß.“
[ 3]„Ich habe gerade einen Anruf bekommen, der …“
[ 3]„Sag ab“, unterbrach ihn Jonathan.
[ 3]Sam erstarrte. „Was?“
[ 3]„Nimm die Rolle nicht an.“
[ 3]„Das … Das ist …“ Er fühlte, wie Wut in ihm aufstieg. „Das ist dein Ernst! Das ist meine Chance!“
[ 3]„Du wirst andere Chancen bekommen.“
[ 3]„Wann, John, wann? Ich bin 35! Die …“ Er schlug mit der freien Hand gegen die Wand. „Verdammt, warum … Warum tötest du mich nicht einfach, das geht schneller!“
[ 3]„Das ist nicht deine Entscheidung.“
[ 3]„Ist es deine?“
[ 3]Jonthan schwieg.
[ 3]„Mit welchem …“, Sam atmete heftig ein und aus. „Mit welchem verdammten Recht bestimmst du über mein Leben?“
[ 3]Jonathan schwieg auch dazu.
[ 3]„Und wenn ich es tue?“, fragte Sam. „Ja“, nahm er den Kampf auf, „ja, was wenn ich die Rolle annehme?“
[ 3]„Du wirst es nicht bis zu Show schaffen.“
[ 3]„Ich kann es versuchen!“
[ 3]„Du wirst versagen. Und dabei gehen all die Türen zu, die du durch die Zusage eigentlich öffnen wolltest.“ Er sagte es ohne erkennbare Regung.
[ 3]„Du …“ Sam ließ den Hörer sinken. Er wusste, dass Jonathan seine Drohung wahr machen würde. Er wusste nicht wie und nicht warum, aber dass er es tun würde, stand fest. Sam hatte keine Chance. „Ich…“ Er nahm den Hörer wieder ans Ohr „Ich will dich treffen. Ich will, dass du es mir ins Gesicht sagst.“
[ 3]„Was würde das ändern?“
[ 3]Er hatte recht, es würde nichts ändern. Trotzdem beharrte Sam: „Sag es mir ins Gesicht! Einmal nur! Sag mir ins Gesicht, dass ich dir scheißegal bin! Dass du … mich nur benutzt, um deinen … deine Machtgelüste auszuleben! Komm her und sag es mir ins Gesicht!“
[ 3]Es blieb still am andern Ende der Leitung.
[ 3]Sam wartete. Und wartete. Und wartete. Dann sagte er:„Du bist ein Feigling, John. Ein hundsmisserabler Feigling.“ und legte auf. Er ging in die Küche und begann, sich volllaufen zu lassen.



(Weiter bei Kapitel 4 Teil 2)
 



 
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