Der Fluch / 2 – Kapitel 4/3

jon

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Das Shuttle trieb hinter dem Neptun, der Tarnschild war auf Minimum gestellt. Carola hatte den Sessel herumgedreht und sah lächelnd Dean zu. Der spielte ihr eine Szene aus einer Schulaufführung vor. Er beanspruchte den ganzen hinteren Raum des Shuttles dafür, sprintete vor und zurück, machte weit ausholende Bewegungen und deklamierte dabei in einer Lautstärke, als müsste er eine Arena beschallen. Er spielte mit nicht vorhandenen Partnern, übernahm manchmal deren Rolle oder sprach direkt zu Carola, als sei sie Teil der Show. Er war wie Quecksilber. Es war wunderbar.
[ 3]Schließlich sank Dean vor Carola auf die Knie, streckte die Hände nach ihr aus. „Oh Holde, beraubst du mich deiner Gegenwart, so beraubst du mich des Lebens. Schwör mir, dass beides ich zurück erhalte!“ Sein flehender Blick ließ Carola automatisch Deans Hände ergreifen und sie hauchen: „Nichts auf der Welt könnte mich hindern, liebster … eh … Romeo.“
[ 3]Dean stutzte, lachte. Er ließ sich ganz nieder, schlug die Beine unter. „Das war nicht Romeo, das war Alfred.“
[ 3]„Alfred? Müsste ich wissen, wer das ist?“
[ 3]„Nein, wir haben ihn zusammengepuzzelt. Aus allen möglichen Stücken.“
[ 3]„Ah!“, machte sie. „Deshalb kam mir einiges so bekannt vor.“
[ 3]„Du magst Theater, oder?“
[ 3]„Na ja“, druckste sie. „Schon. Irgendwie. Aber ich bin eher der Film-Typ, weißt du.“
[ 3]„Gibt es in der Zukunft Filme?“
[ 3]Sie nickte. „Klar. 3D.“
[ 3]Er staunte. „Räumliche Bilder? Das ist doch dann wie Theater.“
[ 3]„Nein, eigentlich nicht.“
[ 3]„Und in der Vergangenheit?“
[ 3]Sie lachte: „Da gab es meistens gar keinen Film, nur jede Menge Theater.“
[ 3]„Bist du hingegangen?“
[ 3]„Manchmal. Gelegentlich ließ es sich nicht vermeiden.“
[ 3]Er schien enttäuscht.
[ 3]Sie lächelte. „Weißt du, es … Es gab damals nicht mehr gute Stücke als heute, aber viel mehr völlig blödsinniges Zeug. Theater war das Fernsehen von damals. Irgendwie jedenfalls.“
[ 3]„Wie war es in der Vergangenheit?“
[ 3]Sie hob die Schultern. „Wie überall. Manchmal gut, manchmal schlecht. Meistens anstrengend.“
[ 3]„Hast du berühmte Leute getroffen?“
[ 3]Sie lachte leise auf. „Ja. Ja auch.“
[ 3]„Wen?“
[ 3]„Das werde ich dir nicht sagen.“
[ 3]„Warum nicht?“
[ 3]„Warum sollte ich?“
[ 3]„Weil es mich interessiert.“
[ 3]Sie lächelte matt und wandte sich zur Steuerkonsole um. „In drei Stunden springen wir.“
[ 3]Dean stand auf und setzte sich auf die Passagierbank, die den hinteren Shuttleteil säumte. „Was machen wir, wenn wir da sind?“
[ 3]„Na ja. Wir … Wir kommen sechs Stunden früher an …“
[ 3]„Also noch mal warten.“
[ 3]Sie atmete tief durch.
[ 3]Er merkte es. „Nicht?“
[ 3]Sie wiegte den Kopf. „Es … Ich muss noch etwas erledigen, bevor du … zurück kannst.“
[ 3]Er zog die Brauen zusammen. „Was denn?“
[ 3]„Ich… eh …“, sie drehte sich zu ihm herum, „… muss dein Gedächtnis löschen.“
[ 3]Einige Sekunden lang war er wie erstarrt. „Alles?“
[ 3]Sie nickte.
[ 3]„Das … das kannst du nicht machen!“ Er fiel vor ihr auf die Knie. „Du kannst dich doch nicht einfach auslöschen!“
[ 3]Carola sah auf ihn hinunter und wusste nicht, was sie davon halten sollte.
[ 3]Er griff nach ihren Händen. „Caro, bitte! Ich … spreche auch mit niemandem darüber!“ Er zog den symbolischen Reißverschluss am Mund zu.
[ 3]Sie grinste. „Ach, Alfred, Ihr seid zu sehr auf Euch bedacht …“
[ 3]Er stutzte, stand auf. Die Falte auf seiner Stirn war wieder da. „Ich meine es ernst.“
[ 3]„Entschuldige“, bat sie. „Ich dachte …“
[ 3]Er setzte sich auf den Sessel neben Carola und beugte sich zu ihr vor. „Warum willst du mein Gedächtnis löschen?“
[ 3]„Ich hab es dir doch erklärt: Niemand darf von den Zeitlöchern erfahren.“
[ 3]„Ich erzähl doch niemandem davon. Und selbst wenn“, er breitete die Arme aus, „wer würde das schon glauben?!“
[ 3]„Es reicht einer, der es glaubt. Wenn er was mit den Daten anfangen kann.“
[ 3]„So wie Jonathan?“
[ 3]Sie fühlte sich ärgerlich werden. „Das ist was anderes.“
[ 3]Ihm fiel etwas ein: „Konditionier mich!“
[ 3]„Dean, das Thema hatten wir doch schon mal. Ich kann das nicht.“
[ 3]„Aber mein Gedächtnis kannst du löschen …“
[ 3]„Das ist einfacher, dafür muss man nicht so tief gehen.“
[ 3]„Ruf … den an, der das bei dir gemacht hat!“
[ 3]„Das war mein Mann.“
[ 3]„Dann … dann …“, er kämpfte um eine Lösung, „… dann ruf Jonathan an!“
[ 3]Carola lächelte mitleidig. „Wie denn? Es gibt keine Telefonverbindung zwischen den Zeiten.“
[ 3]Er sprang auf und begann mit langen Schritten auf und ab zu laufen. In dem kleinen Shuttle erinnerte das erst recht an ein gefangenes Tier. Er blieb stehen und boxte gegen die Rücklehne seines Sessels.
[ 3]„Hey! Das Shuttle kann nichts dafür!“
[ 3]Erneut fiel er vor ihr auf die Knie. „Caro, ich will dich nicht vergessen!“
[ 3]Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. „Das ist nett, aber … Übertreib bitte nicht. Ich … verstehe ja, dass du … dass es dir unangenehm ist, wenn ich in deinen Kopf eindringe, aber …“
[ 3]„Aber da bist du doch schon längst! Caro bitte! Ich muss dich doch wieder finden können!“
[ 3]„Wiederfinden“, wiederholte sie. Dann verstand sie endlich. Sie verdrehte die Augen. „Ach Gott, Dean! In … zwanzig Jahren bist du … wahrscheinlich längst glücklicher Familienvater und … Jesus, du bist 17!“
[ 3]„Fast 18“, präzisierte er.
[ 3]Sie lachte auf. „Und?“
[ 3]„Du bist die unglaublichste Frau, die mir je begegnet ist.“
[ 3]„Ich weiß und du wirst auch nie wieder jemanden wie mich treffen. Hoffe ich zumindest. Aber … Die Alternative wäre, dich zu töten.“
[ 3]„Dann töte mich!“
[ 3]Sie lachte.
[ 3]Er nicht.
[ 3]„Ich meinte es ernst, Dean. Es ist … zu gefährlich. Ich kann es nicht riskieren, dich mit diesem Wissen herumlaufen zu lassen.“
[ 3]„Ich weiß. Aber wenn ich …“, er senkte den Blick, schniefte kurz, sah wieder auf. „Die Vorstellung, dich zu vergessen ist … ist … Bitte! Bitte, tu das nicht!“
[ 3]„Oh Gott, Dean!“ Es erschütterte sie, ihn so leiden zu sehen.
[ 3]„Ich liebe dich“, sagte er. „Ich weiß, ich bin viel zu jung für dich, aber … deshalb will ich ja später …“
[ 3]„Dean!“, unterbrach sie ihn. „Bitte hör auf! Du kennst mich doch gar nicht.“
[ 3]„Doch. Ich weiß, dass du klug bist und stark und witzig und schön …“
[ 3]„Dean! Ich …“ Sie atmete tief durch. „Ich weiß eine Menge, das stimmt, und ich habe viel erlebt. Und Stärke - ok, das ist Ansichtssache. Aber ich bin weder witzig noch schön, sondern ich bin uralt.“
[ 3]„Das ist mir egal! Und wenn du 300 Jahre alt wärst!“
[ 3]Sie lachte leise auf und schüttelte den Kopf. „Oh Gott, Dean… Du bist … toll, wirklich, aber … “
[ 3]Er sprang auf sie zu und küsste sie. Sie war so überrascht, dass sie es geschehen ließ. Selbst als ihr bewusst wurde, was eben passierte, unterbrach sie ihn nicht, im Gegenteil. Denn es fühlt sich gut an, außerordentlich gut. Nach Leben.
 

jon

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Das Shuttle trieb hinter dem Neptun, der Tarnschild war auf Minimum gestellt. Carola hatte den Sessel herumgedreht und sah lächelnd Dean zu. Der spielte ihr eine Szene aus einer Schulaufführung vor. Er beanspruchte den ganzen hinteren Raum des Shuttles dafür, sprintete vor und zurück, machte weit ausholende Bewegungen und deklamierte dabei in einer Lautstärke, als müsste er eine Arena beschallen. Er spielte mit nicht vorhandenen Partnern, übernahm manchmal deren Rolle oder sprach direkt zu Carola, als sei sie Teil der Show. Er war wie Quecksilber. Es war wunderbar.
[ 3]Schließlich sank Dean vor Carola auf die Knie, streckte die Hände nach ihr aus. „Oh Holde, beraubst du mich deiner Gegenwart, so beraubst du mich des Lebens. Schwör mir, dass beides ich zurück erhalte!“ Sein flehender Blick ließ Carola automatisch Deans Hände ergreifen und sie hauchen: „Nichts auf der Welt könnte mich hindern, liebster … eh … Romeo.“
[ 3]Dean stutzte, lachte. Er ließ sich ganz nieder, schlug die Beine unter. „Das war nicht Romeo, das war Alfred.“
[ 3]„Alfred? Müsste ich wissen, wer das ist?“
[ 3]„Nein, wir haben ihn zusammengepuzzelt. Aus allen möglichen Stücken.“
[ 3]„Ah!“, machte sie. „Deshalb kam mir einiges so bekannt vor.“
[ 3]„Du magst Theater, oder?“
[ 3]„Na ja“, druckste sie. „Schon. Irgendwie. Aber ich bin eher der Film-Typ, weißt du.“
[ 3]„Gibt es in der Zukunft Filme?“
[ 3]Sie nickte. „Klar. 3D.“
[ 3]Er staunte. „Räumliche Bilder? Das ist doch dann wie Theater.“
[ 3]„Nein, eigentlich nicht.“
[ 3]„Und in der Vergangenheit?“
[ 3]Sie lachte: „Da gab es meistens gar keinen Film, nur jede Menge Theater.“
[ 3]„Bist du hingegangen?“
[ 3]„Manchmal. Gelegentlich ließ es sich nicht vermeiden.“
[ 3]Er schien enttäuscht.
[ 3]Sie lächelte. „Weißt du, es … Es gab damals nicht mehr gute Stücke als heute, aber viel mehr völlig blödsinniges Zeug. Theater war das Fernsehen von damals. Irgendwie jedenfalls.“
[ 3]„Wie war es in der Vergangenheit?“
[ 3]Sie hob die Schultern. „Wie überall. Manchmal gut, manchmal schlecht. Meistens anstrengend.“
[ 3]„Hast du berühmte Leute getroffen?“
[ 3]Sie lachte leise auf. „Ja. Ja auch.“
[ 3]„Wen?“
[ 3]„Das werde ich dir nicht sagen.“
[ 3]„Warum nicht?“
[ 3]„Warum sollte ich?“
[ 3]„Weil es mich interessiert.“
[ 3]Sie lächelte matt und wandte sich zur Steuerkonsole um. „In drei Stunden springen wir.“
[ 3]Dean stand auf und setzte sich auf die Passagierbank, die den hinteren Shuttleteil säumte. „Was machen wir, wenn wir da sind?“
[ 3]„Na ja. Wir … Wir kommen sechs Stunden früher an …“
[ 3]„Also noch mal warten.“
[ 3]Sie atmete tief durch.
[ 3]Er merkte es. „Nicht?“
[ 3]Sie wiegte den Kopf. „Es … Ich muss noch etwas erledigen, bevor du … zurück kannst.“
[ 3]Er zog die Brauen zusammen. „Was denn?“
[ 3]„Ich… eh …“, sie drehte sich zu ihm herum, „… muss dein Gedächtnis löschen.“
[ 3]Einige Sekunden lang war er wie erstarrt. „Alles?“
[ 3]Sie nickte.
[ 3]„Das … das kannst du nicht machen!“ Er fiel vor ihr auf die Knie. „Du kannst dich doch nicht einfach auslöschen!“
[ 3]Carola sah auf ihn hinunter und wusste nicht, was sie davon halten sollte.
[ 3]Er griff nach ihren Händen. „Caro, bitte! Ich … spreche auch mit niemandem darüber!“ Er zog den symbolischen Reißverschluss am Mund zu.
[ 3]Sie grinste. „Ach, Alfred, Ihr seid zu sehr auf Euch bedacht …“
[ 3]Er stutzte, stand auf. Die Falte auf seiner Stirn war wieder da. „Ich meine es ernst.“
[ 3]„Entschuldige“, bat sie. „Ich dachte …“
[ 3]Er setzte sich auf den Sessel neben Carola und beugte sich zu ihr vor. „Warum willst du mein Gedächtnis löschen?“
[ 3]„Ich hab es dir doch erklärt: Niemand darf von den Zeitlöchern erfahren.“
[ 3]„Ich erzähl doch niemandem davon. Und selbst wenn“, er breitete die Arme aus, „wer würde das schon glauben?!“
[ 3]„Es reicht einer, der es glaubt. Wenn er was mit den Daten anfangen kann.“
[ 3]„So wie Jonathan?“
[ 3]Sie fühlte sich ärgerlich werden. „Das ist was anderes.“
[ 3]Ihm fiel etwas ein: „Konditionier mich!“
[ 3]„Dean, das Thema hatten wir doch schon mal. Ich kann das nicht.“
[ 3]„Aber mein Gedächtnis kannst du löschen …“
[ 3]„Das ist einfacher, dafür muss man nicht so tief gehen.“
[ 3]„Ruf … den an, der das bei dir gemacht hat!“
[ 3]„Das war mein Mann.“
[ 3]„Dann … dann …“, er kämpfte um eine Lösung, „… dann ruf Jonathan an!“
[ 3]Carola lächelte mitleidig. „Wie denn? Es gibt keine Telefonverbindung zwischen den Zeiten.“
[ 3]Er sprang auf und begann mit langen Schritten auf und ab zu laufen. In dem kleinen Shuttle erinnerte das erst recht an ein gefangenes Tier. Er blieb stehen und boxte gegen die Rücklehne seines Sessels.
[ 3]„Hey! Das Shuttle kann nichts dafür!“
[ 3]Erneut fiel er vor ihr auf die Knie. „Caro, ich will dich nicht vergessen!“
[ 3]Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. „Das ist nett, aber … Übertreib bitte nicht. Ich … verstehe ja, dass du … dass es dir unangenehm ist, wenn ich in deinen Kopf eindringe, aber …“
[ 3]„Aber da bist du doch schon längst! Caro bitte! Ich muss dich doch wieder finden können!“
[ 3]„Wiederfinden“, wiederholte sie. Dann verstand sie endlich. Sie verdrehte die Augen. „Ach Gott, Dean! In … zwanzig Jahren bist du … wahrscheinlich längst glücklicher Familienvater und … Jesus, du bist 17!“
[ 3]„Fast 18“, präzisierte er.
[ 3]Sie lachte auf. „Und?“
[ 3]„Du bist die unglaublichste Frau, die mir je begegnet ist.“
[ 3]„Ich weiß und du wirst auch nie wieder jemanden wie mich treffen. Hoffe ich zumindest. Aber … Die Alternative wäre, dich zu töten.“
[ 3]„Dann töte mich!“
[ 3]Sie lachte.
[ 3]Er nicht.
[ 3]„Ich meinte es ernst, Dean. Es ist … zu gefährlich. Ich kann es nicht riskieren, dich mit diesem Wissen herumlaufen zu lassen.“
[ 3]„Ich weiß. Aber wenn ich …“, er senkte den Blick, schniefte kurz, sah wieder auf. „Die Vorstellung, dich zu vergessen ist … ist … Bitte! Bitte, tu das nicht!“
[ 3]„Oh Gott, Dean!“ Es erschütterte sie, ihn so leiden zu sehen.
[ 3]„Ich liebe dich“, sagte er. „Ich weiß, ich bin viel zu jung für dich, aber … deshalb will ich ja später …“
[ 3]„Dean!“, unterbrach sie ihn. „Bitte hör auf! Du kennst mich doch gar nicht.“
[ 3]„Doch. Ich weiß, dass du klug bist und stark und witzig und schön …“
[ 3]„Dean! Ich …“ Sie atmete tief durch. „Ich weiß eine Menge, das stimmt, und ich habe viel erlebt. Und Stärke - ok, das ist Ansichtssache. Aber ich bin weder witzig noch schön, sondern ich bin uralt.“
[ 3]„Das ist mir egal! Und wenn du 300 Jahre alt wärst!“
[ 3]Sie lachte leise auf und schüttelte den Kopf. „Oh Gott, Dean… Du bist … toll, wirklich, aber … “
[ 3]Er sprang auf sie zu und küsste sie. Sie war so überrascht, dass sie es geschehen ließ. Selbst als ihr bewusst wurde, was eben passierte, unterbrach sie ihn nicht, im Gegenteil. Denn es fühlt sich gut an, außerordentlich gut. Nach Leben.


(Weiter bei Kapitel 5 Teil 1)
 



 
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