Der Fluch (7)

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jon

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Das Wasser auf seiner Haut war längst getrocknet und er hatte sich die Shorts angezogen.
[ 3]„Ich verstehe das nicht“, wiederholte Dean und sah flehend zu Carola auf. „Was denn für eine Zeitmaschine?“
[ 3]„Loch, Dean, es war ein Zeitloch. Das sind … eben wie Löcher im Raum-Zeit-Gefüge. Manchmal stolpert einer rein, das passiert.“
[ 3]„Aber du hast gesagt, die Löcher führen in die Vergangenheit …“
[ 3]„Die, in die ich gestolpert bin, die führten in die Vergangenheit. Du hast eins erwischt, das in die Zukunft führt.“
[ 3]„Und wie kommt man zurück?“
[ 3]„In der Vergangenheit wartet man einfach bis die Gegenwart da ist und der Zukunft … naja, da wird es schwieriger.“
[ 3]Er runzelte die Stirn. „Was?“
[ 3]„Wenn man in die Vergangenheit geraten ist, dann lebt man eben so weiter, bis der Moment gekommen ist, an dem man in das Loch reingestolpert ist, und macht dann da weiter, wo man … nun ja … rausgerissen wurde. Wenn man in die Zukunft gerät, geht das natürlich nicht, dort ist dieser Moment ja schon vorbei.“
[ 3]„Das …“, er überlegte. „Das heißt, ich kann nicht zurück??“
[ 3]Carola hob die Brauen.
[ 3]„Ich muss hierbleiben?“
[ 3]„Naja …“
[ 3]Ihm fiel plötzlich etwas ein. „Leben meine Eltern noch?“
[ 3]„Ich weiß nicht. Zwanzig Jahre …“
[ 3]„Ich muss sie anrufen!“ Er sah sich um, offenbar auf der Suche nach einem Telefon.
[ 3]„Dean!“, bremste sie ihn. „Sie können sonstwohin gezogen sein! Und selbst wenn …“ Sie rieb sich die Stirn. „Du kannst sie nicht anrufen. Du darfst nicht.“
[ 3]„Wieso nicht?“
[ 3]„Dean, wenn … Für sie bist du seit zwanzig Jahren verschollen. Sie halten dich sicher für tot.“
[ 3]Er sprang auf. „Ich muss sie anrufen!“
[ 3]Carola ergriff seine Hand und zog ihn auf die Couch zurück. „Dean!“
[ 3]Er sah sie irritiert an. „Was? Sie müssen doch wissen, dass ich noch lebe!“
[ 3]Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
[ 3]„Warum nicht??“
[ 3]„Weil niemand erfahren darf, dass es die Zeitlöcher gibt.“
[ 3]„Aber du weißt es doch auch.“
[ 3]„Weil ich es erlebt habe.“
[ 3]„Aber…“
[ 3]„Dean!“ Seine Verzweiflung war steinerweichend. Sie nahm seine Hand. „Dean, bitte hör mir zu! Diese Zeitlöcher entstehen nicht zufällig. Wenn jemand die Formel findet, dann kann er sie berechnen. Oder schlimmer noch, er kann welche erzeugen. Stell dir das Chaos vor, das dann entsteht! Wenn jemand, der ein bisschen was von Raumzeitgleichungen versteht, die Parameter von ein paar solcher Löcher in die Hand bekommt, kann er diese Formel finden. Deshalb darf nie jemand erfahren, wann und wo solche Löcher auftauchen. Und wohin sie fürhen. Verstehst du das?“
[ 3]„Ich würde es nicht verraten…“
[ 3]Sie lächelte. „Ich weiß. Aber es dürfte nicht schwer sein, in einem Polizeibericht von damals zu finden, wann und wo du verschwunden bist, und wenn du dich jetzt meldest, ist auch klar, wann und wo du wieder aufgetaucht bist.“
[ 3]Er begriff.
[ 3]„Allerdings …“ Sie merkte, wie er zitterte. Sie stand auf und reichte ihm das Big-Shirt. Er streifte es über.
[ 3]„Allerdings“, fuhr Carola fort, „kannst du auch nicht hierbleiben. Solange man außerhalb seiner eigenen Zeit ist, altert man nämlich nicht. Du wärst ewig 17 und selbst mit der besten Tarnung wurde das irgendwann auffallen.“
[ 3]„Ewig 17?“ Er versuchte offenbar, sich das vorzustellen.
[ 3]„Ich muss dich zurück bringen.“
[ 3]Er sah sie groß an. „Du sagtest doch, das geht nicht.“
[ 3]„Ich sagte, wir können nicht warten, bis es von selbst passiert, weil es nicht von selbst passieren wird.“
[ 3]„Ich verstehe nicht…“
[ 3]„Das ist die Stelle mit der Zeitmaschine.“
[ 3]„Die …“ Er verstand noch immer nicht.
[ 3]„Ich habe keine, nicht hier jedenfalls, aber ich weiß, wo eine ist.“
[ 3]„Wo eine …“
[ 3]Sie nickte.
[ 3]„Und wo?“
[ 3]„New York.“

„… beamen?“, vollendete Dean den Satz, als er im hinteren Teil des Shuttles materialisiert war. Er strauchelte.
[ 3]Carola fing ihn auf. „Hey! Vorsicht!“
[ 3]Er sah sie mit großen Augen an.
[ 3]„Alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt.
[ 3]Er nickte und löste sich von ihr. Dann sah er sich um. „Ist das Star Trek?“
[ 3]„Was?“ Sie schmunzelte. „Nicht wirklich. Der Transporter funktioniert anders."
[ 3]„Wie?“
[ 3]„Wie?“ Sie sah ihn über einen imaginären Brillenrand hinweg an. „„Du erwartest jetzt nicht, dass ich dir einen Vortrag über kontrollierte Raumverwerfung halte …“
[ 3]Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Dann sagte er: „Nein.“
[ 3]Er trat nach vorn in den Steuerbereich und machte Anstalten, sich in den Pilotensessel zu setzen.
[ 3]„Hey!“, hielt Carola ihn zurück.
[ 3]Er drehte sich um.
[ 3]Sie wies mit dem Kopf auf den Platz des Copiloten. „Aber Finger weg, ok?“
[ 3]„Ok.“ Er setzte sich.
[ 3]Sie nahm am Steuer Platz. Aus den Augenwinkeln beobachtet sie, wie er alles musterte. Auf seinem Gesicht glänzte eine Mischung aus Neugier, Unglaube und Amüsiertheit. Carola lächelte. Sie aktivierte die Konsole und ließ das Shuttle aufsteigen. Deans Blick schnellte erst runter, dann nach oben. Er beugte sich etwas vor, damit er die Decke des Raumes sehen konnte. Staunend beobachtete er, wie sich die scheinbaren Betonplatten wie Torflügel zur Seite schoben und das Shuttle nach oben hindurchglitt. In der Garage, die über dem Versteck lag, ging das Licht an, und Carola öffnete das Tor. Draußen war Nacht, die Laterne vor dem Haus war defekt. Das Shuttle glitt die Auffahrt hinunter und bog auf die Straße ein.
[ 3]Dean drehte sich nach dem Haus um und musterte es. „Wem gehört das?“
[ 3]„Es gehörte meinem Mann.“
[ 3]Er fuhr herum. „Du bist doch verheiratet?“
[ 3]„Er ist tot.“
[ 3]„Was ist passiert?“
[ 3]„Autounfall.“
[ 3]Er schwieg irritiert. Sie ignorierte es. Es war noch immer nicht leicht, die Lücke zu spüren, die mit Ton'As Tod in ihrem Ich entstanden war. Inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt, sandte nicht mehr automatisch telepatische Fragen an ihn, wenn sie über ein Problem nachdachte. Dennoch vermisste sie nicht nur sein enormes Wissen sondern vor allem die Sicherheit, die er immer ausgestrahlt hatte.
[ 3]„Achtung jetzt“, warnte Carola, ließ die Garagentür wieder zufahren und prüfte, ob der Tarnmodus exakt funktionierte. Nicht dass das nötig gewesen wäre, die meisten Ortungseinrichtungen, gegen die der Schild schützen sollte, war noch nicht mal erfunden, aber sicher war sicher. „Wir steigen jetzt gleich, wenn du Höhenangst hast, solltest du lieber nicht raussehen.“
[ 3]Dean kniff die Augen zu und rutschte in seinem Sessel zusammen.
[ 3]Carola grinste. „Ich sag dir Bescheid, wenn es vorbei ist, ok?“
[ 3]„Ok“, presste er hervor, ohne die Augen zu öffnen.
[ 3]Carola lenkte das Shuttle aus der Atmosphäre. Es fühlte sich so vertraut an, als sei sie gestern erst aus der Zukunft zurückgekommen, dabei war das bereits vier Jahre her. Sie hatten vorher sieben Jahre in Ton'As Zeit zugebracht. Eigentlich hatten sie Jonathan mitnehmen wollen, aber der Junge hatte sich gerade in Dimensionsfeldtheorie verbissen und war nicht zu einem Ausflug zu bewegen gewesen. Sie hatten sich nicht einmal richtig verabschiedet.
[ 3]Sie schüttelte die Erinnerungen ab und parkte das Shuttle im äußeren Orbit. Weit unter ihnen lag die ISS wie ein stachliger Fremdkörper auf der Aura der Erde.
[ 3]„Du kannst gucken“, sagte Carola und schaltete den Bordcomputer auf Tastaturbetrieb. Sie tippte ihre Identifikationsdaten ein und aktivierte das Zeitreiseprogramm, dass Ton'A in den Datenbänken des Rechners versteckt hatte.
[ 3]„Wow!“, stieß Dean aus und Carola sah zu ihm. Fasziniert und sichtbar atemlos schaute der Junge zur Erde hinunter, betrachtete die Raumstation, schaute dann hinaus zu den Sternen. Sein Mund war geöffnet, ein Lächeln umspielte ihn und seine Augen waren so weit aufgerissen, als wollten sie alle Bilder der Welt auf einmal aufnehmen. Carola beobachtete ihn lächelnd, es tat gut, so viel unbefangenes Staunen zu sehen.
[ 3]Eine Meldung vom Computer lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Steuerung. „Minimalinvasiver Modus?“, las sie. „Was zum …“
[ 3]„Gibt es ein Problem?“, fragte Dean.
[ 3]„Ich weiß nicht …“
[ 3]„Ist irgendwas kaputt?“
[ 3]Carola tippte die Frage ein, was dieser Modus bewirkte. Auf dem Monitor erschien das Gesicht eines Mannes. Carola kannte ihn nicht, aber er hatte mit irgendwem Ähnlichkeit - mit wem, fiel ihr nicht ein.
[ 3]„Hallo Mum“, erschien auf einem Schriftband unter dem Bild. „Bitte entschuldige, dass ich dich nicht besuchte, als ich …“ Carola tippt auf Audiowiedergabe. „… dort war“, erklang jetzt seine Stimme. Sie hatte Ähnlichkeit mit der von Ton'A. „Als ihr nicht wiederkamt, war mir schnell klar, dass Dad etwas zugestoßen sein musste, ich richtete meine Forschungen also auf das Gebiet der Zeitsprünge.“ Jonathans Bild auf dem Monitor lächelte, etwas, was Carola an ihrem Sohn vorher nie gesehen hatte. Er war mit all dem Wissen, das sie und Ton'A zu diesem Zeitpunkt hatten, geboren worden - es gab keinen Grund zu lächeln.
[ 3]„Dad?“, fragte Dean und sah Carola an.
[ 3]Sie schaute zu ihm, brauchte etwas Zeit, um ihn wahrzunehmen. Dann nickte sie. „Ja. Er ist … unser Sohn. Er war sechs, als … Er war sechs.“
[ 3]„Wow!“
[ 3]„Naja, das ist … nicht ganz das richtige Wort, aber …" Sie versuchte zu lächeln. „Ja.“ Sie atmete tief durch. „Wow.“
[ 3]Dean fragte nicht weiter.
[ 3]„Da du mich gelehrt hast“, fuhr Jonathan fort, „dass man mit den Zeitläufen und Kausalitäten nicht spielen darf, suchte ich einen Weg, die natürlichen Gegebenheiten zu nutzen und statt, wie Vater es mangels anderer Möglichkeiten tat, Zeittunel zu schaffen, die vorhandenen zu nutzen. Langer Rede kurzer Sinn: Ich habe Vaters Programm einen Modus zugefügt, der das Raum-Zeit-Gefüge lediglich durch den Durchgang durch den Tunnel beansprucht, ansonsten aber weitgehend frei von zusätzlichen Wechselwirkung ist. Du kannst wie gewohnt die Zieldaten angeben, das Programm ermittelt dann die nächstliegende Passage, die dich so nah wie möglich an diesen Zeit-Raum-Ort bringt.“ Jonathan lächelte erneut. „Ich hoffe, ich werde einmal Gelegenheit haben, dich zu besuchen. Falls nicht, sollst du wissen, dass es mir gut geht. Und …“, sein Gesicht wurde ernst, „… dass ich die Zeit im Auge behalte. Sorge dich also nicht. Und nun …“, er lächelte wieder, „… wünsche ich dir eine gute Reise und eine glückliche Heimkehr.“ Dann erlosch sein Bild.
[ 3]Carola starrte auf den Monitor. Die Begegnung, so man es so nennen konnte, war unerwartet gekommen, und hatte alte Gefühle geweckt. Sie versuchte, sie zurück zu drängen. Es gelang nicht.
[ 3]Eine Berührung holte sie zurück. Dean hatte ihr seine Hand auf den Arm gelegt und sah besorgt zu ihr.
[ 3]„Schon gut“, schniefte Carola und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Es … es geht schon.“ Sie straffte sich. „Also, mal sehen, was John uns da Schönes gebacken hat …“

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Der Fluch (8)
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
einfach

hinreißend.
kleiner zeitfehler: Aus den Augenwinkeln beobachtet sie, wie er alles musterte - beobachtete.
. . .vermisste sie nicht nur sein enormes Wissen sondern vor allem die Sicherheit . . . - vor sondern kommt n komma.
. . .die meisten Ortungseinrichtungen, . . . war noch nicht mal erfunden - waren.
am anfang scheint mir n stück gespräch zu fehlen, die zeitmaschine kommt zu plötzlich.
lg
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Fehlernachlese:

Sie hob die Schultern. "Wie überall. Manchmal gut, manchmal schlecht. Meistens anstregend. - anstrengend.
"Hast du berühmte Leute geroffen - getroffen.
Sie lachte lesie auf - leise.
lg
 



 
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