Der Fluch (9)

jon

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*** KAPITEL 3***

Mike Henson wirbelte als Vampirjäger über den Bildschirm und bediente fast jedes Klischee, das man in so einem Film erwarten konnte. Sam drehte den Ton leiser und schüttelte den Kopf. Der Mann war zu gut für sowas. Aber was sollte es, er, Sam, war auch zu gut für das Stück, das er grade spielte. Irgendeine obskure Historienklamotte über den Boudicca-Aufstand. Nun ja, dem Publikum gefiel's und es war ja nur noch für anderthalb Monate. Für danach hatte Sam schon den Vertrag für einen kleineren Fernsehfilm und da John, anders als bei dem Angebot für die Serien-Rolle, noch nicht interveniert hatte, ging Sam davon aus, dass es dabei bleiben würde.
[ 3]Sam setzte sich im Schneidersitz auf seine Couch und nahm den Laptop auf den Schoß. Er hatte eine e-Mail von Carola bekommen, die er noch einmal lesen und dann beantworten wollte.
[ 3]Vor etwa einem Monat waren sie in Kontakt miteinander gekommen, als sie im Internet eine Frage zu Boudicca stellte und damit einen alten Thread wieder aktivierte, mit dem er im Vorfeld seiner jetzigen Rolle Recherchen angestellt hatte. Die Frage hatte ihn überrascht, denn die meisten der im Thread Diskutierenden hatten sich mit dem Aufstand selbst, mit dem Ausbruch und den Folgen beschäftigt. Sie, Carola, hatte nach der Königin gefragt. Boudicca sei, so habe sie gehört, gar keine Britin sondern Römerin gewesen und sie sei auch nicht gestorben, sondern sei wieder aufden Kontinent zurück gegangen. Woher sie das habe, wollte man im Forum wissen. Sie erinnere sich nicht, behauptete Carola, und fragte, wo sie sowas nachlesen könnte. Man hatte ihr einige Quellen genannt, jedoch keine, die halbwegs sicher gewesen wäre.
[ 3]„Hallo, Sam“, schrieb Carola. „danke für die Tipps, aber diese Texte basieren am Ende auch nur auf Tacitus und Cassius Dio. Ich glaube, meine Suche wird erfolglos bleiben müssen, was mir in gewissem Sinne sogar sehr angenehm ist. So kann ich, sollte ich je das Verlangen danach verspüren, einen historischen Roman über die Königin schreiben, ohne dass mir jemand nachweisen kann, dass ich mich irre. Nicht dass sie es nicht versuchen würde, ich meine, mir Irrtümer nachzuweisen, denn was ich schreiben würde, würde eher nach Fantasy als nach erwiesener Geschichte klingen. Der Gedanke, dass die Königin sich gar nicht entschieden hatte, den Aufstand zu führen, dass sie vielmehr, wissend, dass sie letztlich chancenlos bleiben mussten, den Kelten sogar davon abriet und nur um noch Schlimmeres zu verhindern die Führung übernahm, muss unter den Fachleuten auf Naserümpfen stoßen. (*Ich hoffe, dieser Satz war verständlich. Mein englisch ist etwas abgestumpft.*) Vielleicht, so denke ich gelegentlich, war Boudiccas Entscheidung falsch. Wie viele Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn sie zum Beispiel die Rädelsführer geopfert hätte. Am Ende, und das war ihr klar, konnten die Kelten nur unterliegen. Sie hätte den Preis dafür niedrig halten können. Ich höre dich denken, dass die Kelten um ihre Ehre, um ihren Stolz, um ihre Freiheit gekämpft haben und dies diese Anstrengung wert gewesen sei. Ich habe doch recht, das denkst du gerade?“
[ 3]Sam nickte lächelnd.
[ 3]„Siehst du! Obwohl ich dich nicht kenne, weiß ich, dass du das denkst, denn das zu denken wird uns allenthalben nahegelegt. Aber was, wenn es um das Überleben selbst geht? Mag sein, dass der Einzelne entscheiden kann, wofür er zu sterben bereit ist. Was aber ist mit jenen, die diese Entscheidung für andere treffen müssen? Die ein Heer führen zum Beispiel oder die aus anderen Gründen die Macht dazu haben. Ich weiß, das hat mit deiner Rolle, die du gerade spielst, nicht viel zu tun, aber früher oder später musst du bestimmt mal eine Figur mit so einem Problem darstellen. Es würde mich jedenfalls für dich freuen, denn ich glaube, dich interessiert so etwas. Aber genug für heute! Ich will dir mein verstaubtes Englisch nicht länger zumuten! Es grüßt dich Carola.“
[ 3]Sam atmete tief durch, rückte sich zurecht und begann, seine Antwort zu tippen. „Liebe Carola, mach dir keine Sorgen wegen deines Englisch' - es ist perfekt, fast schon literarisch. Ja, du hast Recht, ich würde gern mal eine Figur spielen, die solch eine Verantwortung trägt. Es ist wohl neben „Wofür lohnt sich zu sterben?“ eine der ältesten Fragen der Menschheit. Wofür lohnt sich zu töten? Man ist so schnell bei der Hand mit der Antwort, dass nichts Mord rechtfertigt. Und auch mir fällt keine andere Antwort ein. Dennoch ist nicht nur der Zweifel in mir, dass ich selbst nicht ebenfalls zu töten fähig wäre, sondern auch das unbestimmte Gefühl, dass es tatsächlich objektive Gründe geben könnte. Obwohl sich alles in mir sträubt …“
[ 3]Die Türglocke unterbrach ihn. Er speicherte den Entwurf und ging öffnen. „Weller!“
[ 3]Douglas Weller, Sams Bühnenkollege im aktuellen Stück, musterte ihn. „Hey, du bist ja noch nicht mal umgezogen. Wir müssen uns beeilen.“ Er trat an Sam vorbei ein und macht eine antreibende Handbewegung. „Na los, na los, ein bisschen fix jetzt!“
[ 3]„Wieso, wo wollen wir hin?“
[ 3]Weller nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. „Premierenparty?“, bot er an.
[ 3]„Ich hasse Comic-Verfilmungen“, erwiderte Sam und schloss die Wohnungstür.
[ 3]„Tust du nicht. Und außerdem …“, das Bier zischte beim Öffnen, Weller hielt es so weit von sich weg, wie er konnte, „… sollst du dir den Streifen nicht ansehen, du sollst nur mit zur Party kommen.“
[ 3]„Das ist pervers“, meinte Sam und ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen.
[ 3]„Ich weiß“, rief ihm Weller hinterher, „deshalb müssen wir auch jetzt schon los. Die Show beginnt pünktlich um acht.“ Er ließ sich auf die Couch fallen und klappte den Laptop auf.
[ 3]„Finger weg“, rief Sam durch die offene Tür.
[ 3]„Was denn? Ich mach doch gar nichts!“
[ 3]„Finger weg vom Rechner“, wiederholte Sam.
[ 3]Weller schob den Laptop auf die Mitte des Tisches. „Ich hab übrigens bei Fallon unterschrieben“, rief er.
[ 3]„Francis Fallon? Glückwunsch!“
[ 3]„Du solltest zu ihm wechseln, er hat gute Kontakte zum Film.“
[ 3]„Ich weiß. Ich bin zufrieden, dort wo ich bin.“
[ 3]„Quatsch! Niemand ist zufrieden bei Masterson. Der tut sowenig, dass man allein besser da steht.“
[ 3]„Ich weiß.“ Sam kam ins Wohnzimmer zurück.
[ 3]Weller runzelte die Stirn. „So willst du gehen?“
[ 3]Sam sah an sich herunter. Er trug seine neue Desigernjeans, ein stahlblaues Hemd und ein schwarzes Jackett. „Was stimmt damit nicht?“
[ 3]„Das ist eine Premierenfeier.“
[ 3]„Und?“
[ 3]„Du siehst aus wie der Typ aus der Provinz. Wann wirst du es lernen, Eindruck zu schinden?“
[ 3]Sam grinste und klopfte Weller auf die Schulter. „Wenn ich es mal nötig habe, Alter. Also: Gehn wir?“

Es gab Standing Ovations, die Sam nur zum Teil nachvollziehen konnte. Zum Glück saßen sie sehr weit hinten und sehr weit außen, so dass es nicht weiter auffiel, dass Sam den Kinosaal schon verließ. Draußen atmete erst einmal kräftig durch und versuchte, die in ihm gärende Wut unter Kontrolle zu bringen. Der Film mochte gehobene Mittelklasse sein, Henson war brillant gewesen.
[ 3]„Hey Alter“, sprach ihn Weller von hinten an und kam herum. Er sah Sam ins Gesicht. „Alles in Ordnung?“
[ 3]Sam nickte. Er kämpfte noch immer.
[ 3]Weller grinste. „Weißt du, wie du grade aussiehst? Wie Henson, als er diesem Typen … diesem … na wie hieß der noch? … na dem Schurken eben eine reingehauen hat.“
[ 3]Sam versuchte, nicht zu explodieren.
[ 3]„Cool Mann!“, freute sich Weller. „Du hast das echt drauf! Hey, du willst Henson doch nicht etwa Konkurrenz machen?“
[ 3]Sam starrte Weller an. Der fand offenbar, dass er einen guten Witz gemachte hatte, und grinste. Die Situation war so absurd, dass Sam ebenfalls grinsen musste. Seine Wut verrauchte und er klopfte Weller auf die Schulter. „Klar! Aber verrate es niemandem, ich bin nämlich schon für die Fortsetzung gebucht.“
[ 3]Weller lachte meckernd. Die Premierengäste, die eben aus dem Saal zu strömen begannen, warfen ihm missbilligende Blicke zu. Vielleicht lag es auch daran, weil sie sich um die beiden herumschlängeln musste.
[ 3]„Ich glaube, wir stehen im Weg“, stellte Sam fest und trat zur Seite. „Komm, lass uns mal schauen, was die Bar zu bieten hat. Du hast mir übrigens noch immer nicht verraten, wer dir die Karten besorgt hat und warum ich unbedingt mitkommen musste.“
[ 3]Weller sah sich aufmerksam die Getränkeliste an.
[ 3]„Muss ich erst ein Bittgesuch an dich schreiben, damit du es mir verrätst?“
[ 3]Weller schaute gequält auf.
[ 3]„Ok, du solltest mich herbringen, ich bin hier. Du kannst es mir also ruhig sagen. Oder denkst du, ich laufe schreiend weg?“
[ 3]Weller lächelte matt. „Schon möglich.“
[ 3]„Mach es nicht so spannend!“
[ 3]„Fallon.“
[ 3]„Fallon …“
[ 3]„Fallon. Er will dich.“
[ 3]„Mich? Wozu? Er hat doch Henson.“
[ 3]Jemand rempelte Sam von hinten an. Er fuhr herum. „Was?!“
[ 3]Weller zog ihn zur Seite. „Junge“, raunte er, „ich weiß nicht, was du für ein Problem mit Fallon hast, aber er ist so scharf auf dich, dass du alles von ihm kriegen kannst.“
[ 3]„Scharf?“
[ 3]„Du weißt, was ich meine, Mann. Du bist verrückt, wenn du sein Angebot ablehnst! Das weißt du doch, oder?“
[ 3]„Douglas, du hast keine Ahnung, worum es geht!“
[ 3]„Dann sag's mir, Mann!“
[ 3]Sam setzte zu einer Antwort an, wandte sich dann aber ab und ging. Weller folgte ihm. „Thompson, wenn ich dein Talent hätte, würde ich Fallon um einen Vertrag anbetteln!“
[ 3]Sam warf ihm einen müden Blick zu.
[ 3]„Ok, wenn ich dein Talent hätte, würde er mich anbetteln“, räumte Weller ein. „Aber ich würde ja sagen. Kino, Thompson! Hollywood!“
[ 3]Sam blieb stehen und drehte sich zu Weller um. „Es würde nicht funktionieren.“
[ 3]„Warum nicht?“
[ 3]„Weil …“ Er winkte ab. „Lass es einfach, ok?“
[ 3]„Hat es was mit Tricker zu tun?“
[ 3]Sam erstarrte. „Mit wem?“
[ 3]Weller war über die Reaktion offensichtlich überrascht. „Tricker?“, wiederholte er vorsichtig.
[ 3]„Was ist mit ihm?“
[ 3]„Eh…“ Weller hob die Schultern. „Keine Ahnung. Der Name fiel irgendwie.“
[ 3]„Bei Fallon?“
[ 3]Weller nickte.
[ 3]„Was hat er gesagt?“
[ 3]„Wer?“
[ 3]„Fallon! Was hat er über Tricker gesagt?“
[ 3]„Eh … ich weiß nicht mehr. Der Name fiel eben irgendwie.“
[ 3]Sam packte Weller wie aus Spaß am Kragen. „Der Name Tricker fällt nicht irgendwie, also was zum Teufel hat Fallon gesagt?!“
[ 3]„Dass es Trickers Idee ist?“, bot Weller an.
[ 3]Sam ließ ihn los. „Was? Mich unter Vertrag zu nehmen?“
[ 3]Weller nickte. „Hab ich so verstanden.“
[ 3]Sam streckte erneut die Hand aus, Weller wich zurück. Sam atmete tief durch und strich Wellers zerknautschten Kragen glatt. „Weißt du, Douglas, so eben läuft das nicht. Wenn Tricker diese Idee hat, dann spricht er mit mir darüber, nicht mit Fallon.“
[ 3]„Offenbar nicht immer, mein lieber Samuel“, kam ein Stimme von hinten.
[ 3]Sam drehte sich um.
[ 3]„Guten Abend, Mr. Fallon“, sagte Weller.
[ 3]Fallon nickte ihm kurz zu und wandte sich sofort wieder an Sam. „Er vermutete schon, dass Sie mir nicht glauben würden, also gab er mir das hier für Sie.“ Er fingerte einen kleinen Briefumschlag aus seiner Tasche.
[ 3]Sam öffnete den Brief. Er enthielt einen Zettel. Sam entfaltete ihn. „Zwei verschiedene Personen“, las er. „Das ist von John?“, fragte er und sah Fallon an.
[ 3]„Ja natüüürlich! Ich werde Sie doch nicht belügen! Warten Sie, er sagte noch …“, Fallon starrte in die Luft, „… wie war das doch gleich? Ach ja!“ Er tippte Sam auf die Brust. „Ich soll Ihnen noch ausrichten, dass auch das mit dem Erbe jetzt geklärt ist.“
[ 3]Sam verstand nicht. „Mit dem Erbe?“
[ 3]„Erbe? Ach nein, er sagte Vererbung. Oder? Nein, nein es war noch was anderes. Gene? Kann es das sein? Gene?“
[ 3]„Gene …“, wiederholte Sam.
[ 3]„Nicht? Doch. Doch, er sagte Gene. Das mit den Genen ist geklärt. Sie wüssten dann schon.“

„Hallo Sam“, schrieb Carola, „das sind ja tolle Neuigkeiten. Wann kommt denn der Film ins Fernsehen? Ach je, ich vergaß, dass ich ja gar kein britisches Fernsehen schauen kann. Da musst du mir wohl eine DVD schicken * zwinker* . Der nächste Schritt ist dann Kino, oder? Aber vielleicht willst du das ja gar nicht, es gibt ja ganz verschiedene Typen von Schauspielern. Solche, die die Feinheiten lieben, die Film und Fernsehen bieten, und solche mit großer Geste, die auch um nichts auf der Welt auf die unmittelbare Reaktion des Publikums verzichten möchten.
[ 3]Wie kommst du eigentlich aufs Klonen? Geht es in deinem Film um dieses Thema? Soweit ich weiß ist das Klonen von Menschen noch Science Fiction, weil alle Versuche, höhere Tiere zu klonen, bisher immer wieder unberechenbare Erbgutschäden und Missbildungen verursachten. Bei einem Lebewesen ein paar Gene auszutauschen ist sogar noch illusorischer, man weiß heute einfach zu wenig über die komplexen Zusammenhänge. Von der technischen Machbarkeit ganz zu schweigen, man müsste ja jede einzelne Zelle manipulieren. Die bei Star Trek könnten das natürlich: Ab in den Transporter, Typ entmaterialisieren, an den Daten drehen, Typ wieder zusammensetzen, fertig. Wenn man die Datenmanipulation einmal programmiert hat, würde Vorgang selbst sehr schnell gehen. Wenn derjenige gerade schläft, würde er es nicht mal merken. Er würde sich vielleicht nur wundern, dass seine Haare plötzlich eine andere Farbe haben. * kicher *
[ 3]Ach übrigens: Katharina lässt dich schön grüßen. Sie sitzt grade auf meinem Schoß und will unbedingt auch etwas schreiben. Also lass ich sie mal …lo,uil msdmpo,kw ,mndwöä. Kjx v … Ich hoffe, du hast alles verstanden, es scheint jedenfalls etwas Lustiges zu sein, denn sie lacht ganz vergnügt. Sie weiß wahrscheinlich, dass wir gleich zur Oma fahren und sie einen ganzen Abend lang mit Tante Anne spielen kann, weil die Oma und die Mama ins Kino gehen werden. Deshalb mach ich auch mal Schluss für heute. Ich hänge dir noch einen kleinen Filmclip aus meiner neuen Digitalkamera an, auf dem dir Katharina zuwinkt. Die, die aufpasst, dass sie dabei nicht aus dem Stühlchen kippt, bin übrigens ich. Es grüßen dich ganz lieb, Carola und Katja.“
[ 3]Sam fühlte, dass er schmunzelte, und musste darüber noch mehr lächeln. Er genoss es einfach, Carolas E-Mails zu lesen, und wie sie von ihrer kleinen Tochter sprach, erzeugte ein warmes Gefühl in ihm. Trotzdem oder vielleicht auch deshalb zögerte er ein wenig, auf den Anhang zu klicken, denn auch wenn er sich kein konkretes Bild von Carola gemacht hatte, so fürchtete er doch ein bisschen, dass sie nicht dem entsprach, was er erwartete.
[ 3]Sie entsprach nicht dem, was er erwartet hatte. Sie wirkte ganz alltäglich, durchschnittlich. Sehr durchschnittlich. Er hatte, das stellte er jetzt fest, sie sich eher als agile, auf immer perfekt sitzende Kleidung wert legende Powerfrau vorgestellt. Als jemanden, dem man seine Intelligenz und Weltgewandtheit ansieht. Jetzt, da Sam sie sah, bröckelte sowohl sein Eindruck von „Powerfrau“ als auch von „weltgewandt“. Sie war - Sam suchte nach Worten - mütterlich. Nicht behäbig, nein, fürsorglich. Ein sicherer Anlaufpunkt. Sie weckte ein Gefühl in ihm, das er lange schon vergessen hatte. Ein Gefühl wie Familie.
[ 3]Er bemerkte, wie das Gefühl ihn zu überschwemmen drohte, und atmete tief durch. Er spielte den Clip noch einmal ab und lächelte darüber, wie die Kleine vergnügt in ihrem Stühlchen auf und ab hopste und nach der Kamera grapschte. Sam hatte plötzlich den Eindruck, als ob er ihr flaumig lockiges Haar riechen konnte, und blickte auf Carolas Haar. Es war lang und fiel ihr in weichen Wellen über die Schulter. Sam spürte das Bedürfnis, es zu berühren.
[ 3]Abrupt klappte er den Laptop zu. Er musste zu Fallon. Der hatte offenbar ein Angebot für ihn, das etwas heikel war, denn er hatte darauf bestanden, nicht am Telefon darüber zu sprechen. Nicht zu Unrecht, wie Sam in der Agentur feststellte.
[ 3]„Ich soll was??“, entfuhr es ihm, während er in den Sessel plumpste.
[ 3]Fallon setzte sich ihm gegenüber und hob beschwichtigend die Hände. „Mein lieber Samuel, ich weiß ja von Ihrer Abneigung, aber das wäre eine unglaubliche Chance für Sie.“
[ 3]Sam schüttelte den Kopf. „Vergessen Sie's! Das ist die blödeste Idee, die ich je gehört habe.“
[ 3]Fallon blieb gelassen. „So blöd ist die Idee nicht, sonst würde ich sie Ihnen nicht unterbreiten. Sie könnten so auf ganz elegante Weise Aufmerksamkeit wecken.“
[ 3]Sam beugte sich beschwörend vor. „Francis, ich werde schon auf der Bühne so oft mit Henson verglichen, das hier kann nur schief gehen. Haben Sie die Kritiken mal gelesen? Ich meine wirklich gelesen? Selbst wenn es nicht so formuliert ist, es schwingt immer mit, dass ich nicht an ihn heranreiche. Und Sie wollen mich in einem Film direkt neben ihn stellen? Was soll das bringen?“
[ 3]„Publicity, Sam. Es ist egal, ob sie besser abschneiden als er, wichtig ist nur, dass man Sie wahrnimmt. Vertrauen Sie mir!“
[ 3]Sam lehnte sich zurück und schüttelte wieder und wieder den Kopf.
[ 3]„Doch, Sam, das geht!“
[ 3]„Das ist verrückt!“
[ 3]Fallon rückte mit seinem Sessel näher, lehnte sich vor und starrte Sam an, als wolle er ihn hypnotisieren. „Versuchen Sie sich das einfach mal vorzustellen! Also: In dem Film gibt es einen Doppelgänger der Hauptfigur. Jeder wird natürlich denken, dass die von Henson selbst dagestellt wird. Aber!“ Er hob beschwörend die Hände. „Voila! Wir haben einen echten Doppelgänger zu bieten! Ein Typ, der so gut ist, dass sich das Publikum irritiert fragt, wie es möglich ist, wie die diese Szenen gedreht haben, weil der Typ - Sie Sam - den anderen so perfekt nachmacht, dass jeder schwören würde, es ist derselbe! Die Leute werden bis zum Abspann sitzen bleiben, weil sie es einfach nicht glauben können, dass es zwei Darsteller sind.“
[ 3]Sam rieb sich die Stirn. „Mm. Nein. So läuft das nicht. Wenn …“, jetzt beugte er sich vor, so dass Fallon zurückweichen musste, „… wenn es im Film darum geht, dass es ein Doppelgänger ist, dann besteht der Witz darin, dass er trotz aller Ähnlichkeit ein anderer ist. Ich müsste also … Ich dürfte nicht versuchen, genauso so sein wie er, ich müsste versuchen, ganz anders zu sein. Und nur so aussehen. Verstehen Sie? Das Publikum muss den Doppelgänger sehen und Henson erwarten und dann völlig perplex sein, nicht Henson zu kriegen.“
[ 3]„Um so leichter für Sie.“
[ 3]„Um so… ?“ Sam lehnte sich zurück. „Oh Gott, Sie haben ja keine Ahnung!“
[ 3]Fallon schwieg irrtiert.
[ 3]Sam stand auf und trat ans Fenster. Er rückte eine der mickrigen Grünpflanzen beiseite und lehnte sich an die Fensterbank. „Wie kommt Henson eigentlich auf diese Idee? Ich an seiner Stelle würde mich eher selbst in dieser Doppelrolle spielen. Das ist eins von den Dingen, von denen jeder Schauspieler träumt.“
[ 3]Fallon rief nach Lizzy. „Wo bleibt der Kaffee?“
[ 3]Sam hob die Brauen. „Das ist nicht Ihr Ernst!“
[ 3]„Was?“
[ 3]Er lachte. „Es ist gar nicht Hensons Idee, es ist Ihre! Er weiß es noch gar nicht, richtig?“
[ 3]Fallon tat zerknirscht. „Nein. Ich wollte Sie erst überzeugen, das erschien mir schwieriger.“
[ 3]„Oh Gott, Francis!“ Sam lachte erneut. Er setzte sich wieder. „Sie sollten es besser wissen: Kein Schauspieler wird ohne driftigen Grund - und ich meine wirklich driftigen Grund - eine Doppelrolle freiwillig aufgeben. Vor allem nicht, wenn er als Produzent ein Wörtchen mitreden kann.“
[ 3]„Nun ja, ich …“
[ 3]Lizzy brachte den Kaffee.
[ 3]„… ich habe“, fuhr Fallon fort, „noch einen Gefallen gut bei Henson.“
[ 3]„Der müsste schon groß sein, dass er darauf eingeht.“
[ 3]Fallon lächelte viel sagend.
[ 3]„Sie müssten einen riesigen Gefallen gut haben“, präzisierte Sam.
[ 3]Fallon grinste. „Wollen wir es testen?“



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Der Fluch (10)
 

flammarion

Foren-Redakteur
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Korrekturvorschläge:

Der Fluch (9)
Veröffentlicht von jon am 02. 02. 2007 17:34
*** KAPITEL 3***

Mike Henson wirbelte als Vampirjäger über den Bildschirm und bediente fast jedes Klischee, das man in so einem Film erwarten konnte. Sam drehte den Ton leiser und schüttelte den Kopf. Der Mann war zu gut für sowas. Aber was sollte es, er, Sam, war auch zu gut für das Stück, das er grade spielte. Irgendeine obskure Historienklamotte über den Boudicca-Aufstand. Nun ja, dem Publikum gefiel's und es war ja nur noch für anderthalb Monate. Für danach hatte Sam schon den Vertrag für einen kleineren Fernsehfilm und da John, anders als bei dem Angebot für die Serien-Rolle, noch nicht interveniert hatte, ging Sam davon aus, dass es dabei bleiben würde.
Sam setzte sich im Schneidersitz auf seine Couch und nahm den Laptop auf den Schoß. Er hatte eine e-Mail von Carola bekommen, die er noch einmal lesen und dann beantworten wollte.
Vor etwa einem Monat waren sie in Kontakt miteinander gekommen, als sie im Internet eine Frage zu Boudicca stellte und damit einen alten Thread wieder aktivierte, mit dem er im Vorfeld seiner jetzigen Rolle Recherchen angestellt hatte. Die Frage hatte ihn überrascht, denn die meisten der im Thread Diskutierenden hatten sich mit dem Aufstand selbst, mit dem Ausbruch und den Folgen beschäftigt. Sie, Carola, hatte nach der Königin gefragt. Boudicca sei, so habe sie gehört, gar keine Britin(Komma) sondern Römerin gewesen und sie sei auch nicht gestorben, sondern sei wieder auf(Leerfeld)den Kontinent zurück gegangen. Woher sie das habe, wollte man im Forum wissen. Sie erinnere sich nicht, behauptete Carola, und fragte, wo sie sowas nachlesen könnte. Man hatte ihr einige Quellen genannt, jedoch keine, die halbwegs sicher gewesen wäre.
„Hallo, Sam“, schrieb Carola. „danke für die Tipps, aber diese Texte basieren am Ende auch nur auf Tacitus und Cassius Dio. Ich glaube, meine Suche wird erfolglos bleiben müssen, was mir in gewissem Sinne sogar sehr angenehm ist. So kann ich, sollte ich je das Verlangen danach verspüren, einen historischen Roman über die Königin schreiben, ohne dass mir jemand nachweisen kann, dass ich mich irre. Nicht(Komma) dass sie es nicht versuchen[red] würde[/red] (würden) , ich meine, mir Irrtümer nachzuweisen, denn was ich schreiben würde, würde eher nach Fantasy als nach erwiesener Geschichte klingen. Der Gedanke, dass die Königin sich gar nicht entschieden hatte, den Aufstand zu führen, dass sie vielmehr, wissend, dass sie letztlich chancenlos bleiben mussten, den Kelten sogar davon abriet und nur um noch Schlimmeres zu verhindern die Führung übernahm, muss unter den Fachleuten auf Naserümpfen stoßen. (*Ich hoffe, dieser Satz war verständlich. Mein englisch ist etwas abgestumpft.*) Vielleicht, so denke ich gelegentlich, war Boudiccas Entscheidung falsch. Wie viele Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn sie zum Beispiel die Rädelsführer geopfert hätte. Am Ende, und das war ihr klar, konnten die Kelten nur unterliegen. Sie hätte den Preis dafür niedrig halten können. Ich höre dich denken, dass die Kelten um ihre Ehre, um ihren Stolz, um ihre Freiheit gekämpft haben und dies diese Anstrengung wert gewesen sei. Ich habe doch recht, das denkst du gerade?“
Sam nickte lächelnd.
„Siehst du! Obwohl ich dich nicht kenne, weiß ich, dass du das denkst, denn das zu denken wird uns allenthalben nahe(getrennt)gelegt. Aber was, wenn es um das Überleben selbst geht? Mag sein, dass der Einzelne entscheiden kann, wofür er zu sterben bereit ist. Was aber ist mit jenen, die diese Entscheidung für andere treffen müssen? Die ein Heer führen zum Beispiel oder die aus anderen Gründen die Macht dazu haben. Ich weiß, das hat mit deiner Rolle, die du gerade spielst, nicht viel zu tun, aber früher oder später musst du bestimmt mal eine Figur mit so einem Problem darstellen. Es würde mich jedenfalls für dich freuen, denn ich glaube, dich interessiert so etwas. Aber genug für heute! Ich will dir mein verstaubtes Englisch nicht länger zumuten! Es grüßt dich Carola.“
Sam atmete tief durch, rückte sich zurecht und begann, seine Antwort zu tippen. „Liebe Carola, mach dir keine Sorgen wegen deines Englisch' - es ist perfekt, fast schon literarisch. Ja, du hast Recht, ich würde gern mal eine Figur spielen, die solch eine Verantwortung trägt. Es ist wohl neben „Wofür lohnt sich zu sterben?“ eine der ältesten Fragen der Menschheit. Wofür lohnt sich zu töten? Man ist so schnell bei der Hand mit der Antwort, dass nichts Mord rechtfertigt. Und auch mir fällt keine andere Antwort ein. Dennoch ist nicht nur der Zweifel in mir, dass ich selbst nicht ebenfalls zu töten fähig wäre, sondern auch das unbestimmte Gefühl, dass es tatsächlich objektive Gründe geben könnte. Obwohl sich alles in mir sträubt …“
Die Türglocke unterbrach ihn. Er speicherte den Entwurf und ging öffnen. „Weller!“
Douglas Weller, Sams Bühnenkollege im aktuellen Stück, musterte ihn. „Hey, du bist ja noch nicht mal umgezogen. Wir müssen uns beeilen.“ Er trat an Sam vorbei ein und [red] macht [/red] (machte) eine antreibende Handbewegung. „Na los, na los, ein bisschen fix jetzt!“
„Wieso, wo wollen wir hin?“
Weller nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. „Premierenparty?“, bot er an.
„Ich hasse Comic-Verfilmungen“, erwiderte Sam und schloss die Wohnungstür.
„Tust du nicht. Und außerdem …“, das Bier zischte beim Öffnen, Weller hielt es so weit von sich weg, wie er konnte, „… sollst du dir den Streifen nicht ansehen, du sollst nur mit zur Party kommen.“
„Das ist pervers“, meinte Sam und ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen.
„Ich weiß“, rief ihm Weller hinterher, „deshalb müssen wir auch jetzt schon los. Die Show beginnt pünktlich um acht.“ Er ließ sich auf die Couch fallen und klappte den Laptop auf.
„Finger weg“, rief Sam durch die offene Tür.
„Was denn? Ich mach doch gar nichts!“
„Finger weg vom Rechner“, wiederholte Sam.
Weller schob den Laptop auf die Mitte des Tisches. „Ich hab übrigens bei Fallon unterschrieben“, rief er.
„Francis Fallon? Glückwunsch!“
„Du solltest zu ihm wechseln, er hat gute Kontakte zum Film.“
„Ich weiß. Ich bin zufrieden, dort wo ich bin.“
„Quatsch! Niemand ist zufrieden bei Masterson. Der tut so(getrennt)wenig, dass man allein besser da steht.“
„Ich weiß.“ Sam kam ins Wohnzimmer zurück.
Weller runzelte die Stirn. „So willst du gehen?“
Sam sah an sich herunter. Er trug seine neue[red] Desigernjeans[/red] (Designerjeans), ein stahlblaues Hemd und ein schwarzes Jackett. „Was stimmt damit nicht?“
„Das ist eine Premierenfeier.“
„Und?“
„Du siehst aus wie der Typ aus der Provinz. Wann wirst du es lernen, Eindruck zu schinden?“
Sam grinste und klopfte Weller auf die Schulter. „Wenn ich es mal nötig habe, Alter. Also: Gehn wir?“

Es gab Standing Ovations, die Sam nur zum Teil nachvollziehen konnte. Zum Glück saßen sie sehr weit hinten und sehr weit außen, so dass es nicht weiter auffiel, dass Sam den Kinosaal schon verließ. Draußen atmete (er) erst einmal kräftig durch und versuchte, die in ihm gärende Wut unter Kontrolle zu bringen. Der Film mochte gehobene Mittelklasse sein, Henson war brillant gewesen.
„Hey Alter“, sprach ihn Weller von hinten an und kam herum. Er sah Sam ins Gesicht. „Alles in Ordnung?“
Sam nickte. Er kämpfte noch immer.
Weller grinste. „Weißt du, wie du grade aussiehst? Wie Henson, als er diesem Typen … diesem … na wie hieß der noch? … na dem Schurken eben eine rein(getrennt)gehauen hat.“
Sam versuchte, nicht zu explodieren.
„Cool Mann!“, freute sich Weller. „Du hast das echt drauf! Hey, du willst Henson doch nicht etwa Konkurrenz machen?“
Sam starrte Weller an. Der fand offenbar, dass er einen guten Witz gemachte hatte, und grinste. Die Situation war so absurd, dass Sam ebenfalls grinsen musste. Seine Wut verrauchte und er klopfte Weller auf die Schulter. „Klar! Aber verrate es niemandem, ich bin nämlich schon für die Fortsetzung gebucht.“
Weller lachte meckernd. Die Premierengäste, die eben aus dem Saal zu strömen begannen, warfen ihm missbilligende Blicke zu. Vielleicht lag es auch daran, weil sie sich um die beiden herumschlängeln[red] musste[/red] (mussten).
„Ich glaube, wir stehen im Weg“, stellte Sam fest und trat zur Seite. „Komm, lass uns mal schauen, was die Bar zu bieten hat. Du hast mir übrigens noch immer nicht verraten, wer dir die Karten besorgt hat und warum ich unbedingt mitkommen musste.“
Weller sah sich aufmerksam die Getränkeliste an.
„Muss ich erst ein Bittgesuch an dich schreiben, damit du es mir verrätst?“
Weller schaute gequält auf.
„Ok, du solltest mich herbringen, ich bin hier. Du kannst es mir also ruhig sagen. Oder denkst du, ich laufe schreiend weg?“
Weller lächelte matt. „Schon möglich.“
„Mach es nicht so spannend!“
„Fallon.“
„Fallon …“
„Fallon. Er will dich.“
„Mich? Wozu? Er hat doch Henson.“
Jemand rempelte Sam von hinten an. Er fuhr herum. „Was?!“
Weller zog ihn zur Seite. „Junge“, raunte er, „ich weiß nicht, was du für ein Problem mit Fallon hast, aber er ist so scharf auf dich, dass du alles von ihm kriegen kannst.“
„Scharf?“
„Du weißt, was ich meine, Mann. Du bist verrückt, wenn du sein Angebot ablehnst! Das weißt du doch, oder?“
„Douglas, du hast keine Ahnung, worum es geht!“
„Dann sag's mir, Mann!“
Sam setzte zu einer Antwort an, wandte sich dann aber ab und ging. Weller folgte ihm. „Thompson, wenn ich dein Talent hätte, würde ich Fallon um einen Vertrag anbetteln!“
Sam warf ihm einen müden Blick zu.
„Ok, wenn ich dein Talent hätte, würde er mich anbetteln“, räumte Weller ein. „Aber ich würde ja sagen. Kino, Thompson! Hollywood!“
Sam blieb stehen und drehte sich zu Weller um. „Es würde nicht funktionieren.“
„Warum nicht?“
„Weil …“ Er winkte ab. „Lass es einfach, ok?“
„Hat es was mit Tricker zu tun?“
Sam erstarrte. „Mit wem?“
Weller war über die Reaktion offensichtlich überrascht. „Tricker?“, wiederholte er vorsichtig.
„Was ist mit ihm?“
„Eh…“ Weller hob die Schultern. „Keine Ahnung. Der Name fiel irgendwie.“
„Bei Fallon?“
Weller nickte.
„Was hat er gesagt?“
„Wer?“
„Fallon! Was hat er über Tricker gesagt?“
„Eh … ich weiß nicht mehr. Der Name fiel eben irgendwie.“
Sam packte Weller wie aus Spaß am Kragen. „Der Name Tricker fällt nicht irgendwie, also was zum Teufel hat Fallon gesagt?!“
„Dass es Trickers Idee ist?“, bot Weller an.
Sam ließ ihn los. „Was? Mich unter Vertrag zu nehmen?“
Weller nickte. „Hab ich so verstanden.“
Sam streckte erneut die Hand aus, Weller wich zurück. Sam atmete tief durch und strich Wellers zerknautschten Kragen glatt. „Weißt du, Douglas, so eben läuft das nicht. Wenn Tricker diese Idee hat, dann spricht er mit mir darüber, nicht mit Fallon.“
„Offenbar nicht immer, mein lieber Samuel“, kam ein Stimme von hinten.
Sam drehte sich um.
„Guten Abend, Mr. Fallon“, sagte Weller.
Fallon nickte ihm kurz zu und wandte sich sofort wieder an Sam. „Er vermutete schon, dass Sie mir nicht glauben würden, also gab er mir das hier für Sie.“ Er fingerte einen kleinen Briefumschlag aus seiner Tasche.
Sam öffnete den Brief. Er enthielt einen Zettel. Sam entfaltete ihn. „Zwei verschiedene Personen“, las er. „Das ist von John?“, fragte er und sah Fallon an.
„Ja natüüürlich! Ich werde Sie doch nicht belügen! Warten Sie, er sagte noch …“, Fallon starrte in die Luft, „… wie war das doch gleich? Ach ja!“ Er tippte Sam auf die Brust. „Ich soll Ihnen noch ausrichten, dass auch das mit dem Erbe jetzt geklärt ist.“
Sam verstand nicht. „Mit dem Erbe?“
„Erbe? Ach nein, er sagte Vererbung. Oder? Nein, nein(Komma) es war noch was anderes. Gene? Kann es das sein? Gene?“
„Gene …“, wiederholte Sam.
„Nicht? Doch. Doch, er sagte Gene. Das mit den Genen ist geklärt. Sie wüssten dann schon.“

„Hallo Sam“, schrieb Carola, „das sind ja tolle Neuigkeiten. Wann kommt denn der Film ins Fernsehen? Ach je, ich vergaß, dass ich ja gar kein britisches Fernsehen schauen kann. Da musst du mir wohl eine DVD schicken * zwinker* . Der nächste Schritt ist dann Kino, oder? Aber vielleicht willst du das ja gar nicht, es gibt ja ganz verschiedene Typen von Schauspielern. Solche, die die Feinheiten lieben, die Film und Fernsehen bieten, und solche mit großer Geste, die auch um nichts auf der Welt auf die unmittelbare Reaktion des Publikums verzichten möchten.
Wie kommst du eigentlich aufs Klonen? Geht es in deinem Film um dieses Thema? Soweit ich weiß(Komma) ist das Klonen von Menschen noch Science Fiction, weil alle Versuche, höhere Tiere zu klonen, bisher immer wieder unberechenbare Erbgutschäden und Missbildungen verursachten. Bei einem Lebewesen ein paar Gene auszutauschen ist sogar noch illusorischer, man weiß heute einfach zu wenig über die komplexen Zusammenhänge. Von der technischen Machbarkeit ganz zu schweigen, man müsste ja jede einzelne Zelle manipulieren. Die bei Star Trek könnten das natürlich: Ab in den Transporter, Typ entmaterialisieren, an den Daten drehen, Typ wieder zusammensetzen, fertig. Wenn man die Datenmanipulation einmal programmiert hat, würde (der) Vorgang selbst sehr schnell gehen. Wenn derjenige gerade schläft, würde er es nicht mal merken. Er würde sich vielleicht nur wundern, dass seine Haare plötzlich eine andere Farbe haben. * kicher *
Ach übrigens: Katharina lässt dich schön grüßen. Sie sitzt grade auf meinem Schoß und will unbedingt auch etwas schreiben. Also lass ich sie mal …lo,uil msdmpo,kw ,mndwöä. Kjx v … Ich hoffe, du hast alles verstanden, es scheint jedenfalls etwas Lustiges zu sein, denn sie lacht ganz vergnügt. Sie weiß wahrscheinlich, dass wir gleich zur Oma fahren und sie einen ganzen Abend lang mit Tante Anne spielen kann, weil die Oma und die Mama ins Kino gehen werden. Deshalb mach ich auch mal Schluss für heute. Ich hänge dir noch einen kleinen Filmclip aus meiner neuen Digitalkamera an, auf dem dir Katharina zuwinkt. Die, die aufpasst, dass sie dabei nicht aus dem Stühlchen kippt, bin übrigens ich. Es grüßen dich ganz lieb, Carola und Katja.“
Sam fühlte, dass er schmunzelte, und musste darüber noch mehr lächeln. Er genoss es einfach, Carolas E-Mails zu lesen, und wie sie von ihrer kleinen Tochter sprach, erzeugte ein warmes Gefühl in ihm. Trotzdem oder vielleicht auch deshalb zögerte er ein wenig, auf den Anhang zu klicken, denn auch wenn er sich kein konkretes Bild von Carola gemacht hatte, so fürchtete er doch ein bisschen, dass sie nicht dem entsprach, was er erwartete.
Sie entsprach nicht dem, was er erwartet hatte. Sie wirkte ganz alltäglich, durchschnittlich. Sehr durchschnittlich. Er hatte, das stellte er jetzt fest, sie sich eher als agile, auf immer perfekt sitzende Kleidung wert legende Powerfrau vorgestellt. Als jemanden, dem man seine Intelligenz und Weltgewandtheit ansieht. Jetzt, da Sam sie sah, bröckelte sowohl sein Eindruck von „Powerfrau“ als auch von „weltgewandt“. Sie war - Sam suchte nach Worten - mütterlich. Nicht behäbig, nein, fürsorglich. Ein sicherer Anlaufpunkt. Sie weckte ein Gefühl in ihm, das er lange schon vergessen hatte. Ein Gefühl wie Familie.
Er bemerkte, wie das Gefühl ihn zu überschwemmen drohte, und atmete tief durch. Er spielte den Clip noch einmal ab und lächelte darüber, wie die Kleine vergnügt in ihrem Stühlchen auf und ab hopste und nach der Kamera grapschte. Sam hatte plötzlich den Eindruck, als ob er ihr flaumig lockiges Haar riechen konnte, und blickte auf Carolas Haar. Es war lang und fiel ihr in weichen Wellen über die Schulter. Sam spürte das Bedürfnis, es zu berühren.
Abrupt klappte er den Laptop zu. Er musste zu Fallon. Der hatte offenbar ein Angebot für ihn, das etwas heikel war, denn er hatte darauf bestanden, nicht am Telefon darüber zu sprechen. Nicht zu Unrecht, wie Sam in der Agentur feststellte.
„Ich soll was??“, entfuhr es ihm, während er in den Sessel plumpste.
Fallon setzte sich ihm gegenüber und hob beschwichtigend die Hände. „Mein lieber Samuel, ich weiß ja von Ihrer Abneigung, aber das wäre eine unglaubliche Chance für Sie.“
Sam schüttelte den Kopf. „Vergessen Sie's! Das ist die blödeste Idee, die ich je gehört habe.“
Fallon blieb gelassen. „So blöd ist die Idee nicht, sonst würde ich sie Ihnen nicht unterbreiten. Sie könnten so auf ganz elegante Weise Aufmerksamkeit wecken.“
Sam beugte sich beschwörend vor. „Francis, ich werde schon auf der Bühne so oft mit Henson verglichen, das hier kann nur schief gehen. Haben Sie die Kritiken mal gelesen? Ich meine(Komma) wirklich gelesen? Selbst wenn es nicht so formuliert ist, es schwingt immer mit, dass ich nicht an ihn heranreiche. Und Sie wollen mich in einem Film direkt neben ihn stellen? Was soll das bringen?“
„Publicity, Sam. Es ist egal, ob [red] sie [/red] besser abschneiden als er, wichtig ist nur, dass man Sie wahrnimmt. Vertrauen Sie mir!“
Sam lehnte sich zurück und schüttelte wieder und wieder den Kopf.
„Doch, Sam, das geht!“
„Das ist verrückt!“
Fallon rückte mit seinem Sessel näher, lehnte sich vor und starrte Sam an, als wolle er ihn hypnotisieren. „Versuchen Sie sich das einfach mal vorzustellen! Also: In dem Film gibt es einen Doppelgänger der Hauptfigur. Jeder wird natürlich denken, dass die von Henson selbst [red] dagestellt [/red] (dargestellt) wird. Aber!“ Er hob beschwörend die Hände. „Voila! Wir haben einen echten Doppelgänger zu bieten! Ein Typ, der so gut ist, dass sich das Publikum irritiert fragt, wie es möglich ist, wie die diese Szenen gedreht haben, weil der Typ – Sie(Komma) Sam - den anderen so perfekt nachmacht, dass jeder schwören würde, es ist derselbe! Die Leute werden bis zum Abspann sitzen bleiben, weil sie es einfach nicht glauben können, dass es zwei Darsteller sind.“
Sam rieb sich die Stirn. „Mm. Nein. So läuft das nicht. Wenn …“, jetzt beugte er sich vor, so dass Fallon zurückweichen musste, „… wenn es im Film darum geht, dass es ein Doppelgänger ist, dann besteht der Witz darin, dass er trotz aller Ähnlichkeit ein anderer ist. Ich müsste also … Ich dürfte nicht versuchen, genauso [red] so [/red] (zu) sein wie er, ich müsste versuchen, ganz anders zu sein. Und nur so aussehen. Verstehen Sie? Das Publikum muss den Doppelgänger sehen und Henson erwarten und dann völlig perplex sein, nicht Henson zu kriegen.“
„Um so leichter für Sie.“
„Um so… ?“ Sam lehnte sich zurück. „Oh Gott, Sie haben ja keine Ahnung!“
Fallon schwieg[red] irrtiert[/red] (irritiert) .
Sam stand auf und trat ans Fenster. Er rückte eine der mickrigen Grünpflanzen beiseite und lehnte sich an die Fensterbank. „Wie kommt Henson eigentlich auf diese Idee? Ich an seiner Stelle würde mich eher selbst in dieser Doppelrolle spielen. Das ist eins von den Dingen, von denen jeder Schauspieler träumt.“
Fallon rief nach Lizzy. „Wo bleibt der Kaffee?“
Sam hob die Brauen. „Das ist nicht Ihr Ernst!“
„Was?“
Er lachte. „Es ist gar nicht Hensons Idee, es ist Ihre! Er weiß es noch gar nicht, richtig?“
Fallon tat zerknirscht. „Nein. Ich wollte Sie erst überzeugen, das erschien mir schwieriger.“
„Oh Gott, Francis!“ Sam lachte erneut. Er setzte sich wieder. „Sie sollten es besser wissen: Kein Schauspieler wird ohne [red] driftigen [/red] (triftigen) Grund - und ich meine wirklich [red] driftigen [/red] Grund - eine Doppelrolle freiwillig aufgeben. Vor allem nicht, wenn er als Produzent ein Wörtchen mitreden kann.“
„Nun ja, ich …“
Lizzy brachte den Kaffee.
„… ich habe“, fuhr Fallon fort, „noch einen Gefallen gut bei Henson.“
„Der müsste schon groß sein, dass er darauf eingeht.“
Fallon lächelte viel sagend.
„Sie müssten einen riesigen Gefallen gut haben“, präzisierte Sam.
Fallon grinste. „Wollen wir es testen?“


lg
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
beim

rückgängig machen der markierungen fiel mir noch was auf: Der fand offenbar, dass er einen guten Witz gemachte hatte - gemacht.
lg
 



 
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