Der Freund ihrer Tochter

Aledi

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Der Freund ihrer Tochter

Nachdem Claudia Bremer die letzte Kundin verabschiedet hatte, schloss sie die Eingangstür. Eine Weile blieb sie noch stehen und schaute nach draußen. Der Wind pfiff um die Häuser und es regnete. Sie reckte und streckte sich. „Na Claudia, hast du wieder Rückenschmerzen?“, fragte ihre langjährige Mitarbeiterin. Sie drehte sich um und entgegnete: „Ja. Nächste Woche habe ich einen Massagetermin. Das hat mir immer geholfen.“ Claudia war stolz auf ihren Friseursalon, den sie vor zwölf Jahren von ihrer Chefin übernommen hatte. Durch ihre freundliche und offene Art war sie bei den Kundinnen sehr beliebt. Sie schnappte sich die Kasse und ging rüber in den Aufenthaltsraum. Jetzt nur die Tageseinnahmen zählen, noch kurz in den Supermarkt und dann nach Hause. Nach Hause ... wie sich das anhörte. Dort zog es sie schon lange nichts mehr hin.

Bevor Claudia ihr Auto in die Garage fuhr, nahm sie ihre Einkaufstüten aus dem Kofferraum und stellte sie vor der Haustür ab. Schon draußen hörte sie die laute Musik, die aus dem Zimmer ihrer Tochter dröhnte. Genervt schloss sie die Tür auf, nahm die Einkäufe und blieb vor der offen stehenden Wohnzimmertür stehen. Was sie da sah, bereitete ihr die größten Sorgen. Nachdem ihr Mann arbeitslos geworden war, lag er jeden Nachmittag auf dem Sofa vor dem Fernseher. In der Küche stellte sie die Einkäufe ab. Das schmutzige Geschirr vom Frühstück stand noch immer auf dem Tisch. Verärgert betrat sie das Wohnzimmer. Der Fernseher lief. Max lag schnarchend auf dem Sofa. Der Tisch lag voller leerer Bierflaschen und der Aschenbecher quoll über. Der Raum stank nach Alkohol und Zigaretten. Zornig rüttelte sie ihren Mann wach. Er blinzelte ihr entgegen und lallte: „Du bist schon da?“ Ihre Stimme bebte: „Ja, ich bin schon da! Hast du wieder nur rumgehangen?! Wann bemühst du dich endlich mal um Arbeit?! So geht das nicht weiter!“ Wankend stand Max auf, brummte etwas vor sich hin und schlurfte ins Bad.

Ihre Tochter Tina war mittlerweile nach unten gekommen, setzte sich an den Esstisch im Wohnzimmer, legte ihre Füße auf den Tisch und lackierte sich die Fußnägel. Kopfschüttelnd sah Claudia ihr dabei zu und räumte die leeren Flaschen vom Couchtisch. Lustlos fragte die junge Frau: „Mama, kannst du mir Geld leihen? Ich gehe heute Abend mit Lilli in die Disco.“ „Von mir bekommst du keinen Cent mehr“, konterte Claudia gereizt. „Ich bekomme es doch nie zurück. Sieh endlich zu, dass du mit deinem Gehalt auskommst. Ich bin doch für euch keine Kuh, die man nach Lust und Laune melken kann.“ Entgeistert sah Tina ihre Mutter an: „Bist du schlecht gelaunt. Thomas hat ja keine Zeit mehr für mich. Wenn ich mit ihm ausgehen würde, dann bräuchte ich mir kein Geld von dir borgen.“ Claudia wischte den klebrigen Tisch ab. „Stell dir mal vor, Mama, der ist ständig auf Geschäftsreisen. Wenn ich ihn anrufe, läuft immer der AB. Ich glaube, da steckt eine andere Frau hinter.“ Mit dem Putzlappen in der Hand setzte sich Claudia zu ihrer Tochter an den Tisch. Mit einer hektischen Bewegung fuhr sie sich durchs Haar. Es fiel ihr nicht leicht, Tina ins Gesicht zu sehen. „Nimm die Füße vom Tisch! Ich muss mit dir reden.“„Ist ja schon gut. Man, was ist nur mit dir los?“ Hastig stand Claudia auf und ging an das offen stehende Fenster. „Es fällt mir schwer, aber du musst es erfahren. Ich habe mich in Thomas verliebt und er sich in mich. Wir sind ein Paar. So, jetzt ist es raus.“ Tina schmiss den Stuhl zur Seite und lief wütend auf ihre Mutter zu: „Du??? Ha, du bist doch viel zu alt für ihn.“ Claudia wandte sich ihrer Tochter zu: „Na und? Was sind denn schon sieben Jahre.“ „Das könnte dir so passen!“, schrie Tina, „mir meinen Freund auszuspannen. So `ne alte Frau wie du!“ „Wie bitte, ich alt?!“, entgegnete Claudia empört. „Was bildest du dir eigentlich ein!“Aufbrausend kreischte Tina: „Was sagt Papa eigentlich dazu?! Du betrügst ihn mit meinem Freund. Das ist ja mega peinlich!“ Heulend rannte sie aus dem Wohnzimmer und wäre fast mit ihrem Vater, der im Flur stand, zusammengestoßen. Sie lief die Treppe hinauf und schloss sich in ihrem Zimmer ein. Max, der den Streit der Frauen mit angehört hatte, kam mit hochrotem Kopf ins Wohnzimmer. Wankend ging er auf seine Frau zu und packte sie an den Schultern: „Was habe ich da eben gehört? Du gehst mit dem Freund unserer Tochter ins Bett? Schämst du dich denn gar nicht?!“ Claudia riss sich los. „Ich mich schämen? Wofür? Endlich bekomme ich Zärtlichkeiten und die Aufmerksamkeit von einem Mann, der nicht ständig betrunken ist und einer geregelten Arbeit nachgeht.“ Max ließ sich ins Sofa fallen, öffnete eine kleine Flasche Bier und trank sie in einem Zug leer. „Alles wäre nicht passiert, wenn es in unserer Beziehung stimmen würde. Komme ich abends nach Hause, liegst du hier angetrunken auf dem Sofa. Der ganze Haushalt bleibt an mir hängen.“ Wieder trat sie ans Fenster und schnappte nach Luft. Ihr wurde übel. „Unsere Tochter genießt in vollen Zügen ihr Hotel Mama. Das hat jetzt alles ein Ende. Ich kann und will nicht mehr.“ Sie wollte den Raum verlassen und stand schon an der Tür, als Max schrie: „Du kannst doch nach all den Jahren nicht einfach so gehen! Wovon sollen wir denn leben? Wir hatten doch auch schöne Zeiten zusammen!“ Claudia hielt inne, kam zurück ins Zimmer und setzte sich in den Sessel. „Doch Max, ich kann gehen. Hier hält mich schon lange nichts mehr. Ich werde doch nur von euch ausgenutzt. Damit ist es jetzt vorbei.“ Max setzte zu einer Erwiderung an, aber seine Frau kam ihm zuvor: „Immer wieder habe ich das Gespräch mit dir gesucht, aber du warst auf beiden Ohren taub. Ich habe dir vorgeschlagen einen Entzug zu machen. Nichts ist passieret.“ Wieder machte sie eine Pause. Krampfhaft hielt sie den Putzlappen fest in ihrer Hand. „Ich bin jetzt 38 Jahre alt, zu jung, dieses Leben weiterzuführen. Morgen werde ich meine Koffer packen und hier ausziehen.“ Max zog sich am Tisch hoch, aber seine Beine versagten. Schweißperlen liefen über sein gerötetes Gesicht. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie: „Geh doch, du alte Schlampe! Wir kommen auch ohne dich zurecht! Geh doch zu deinem jungen Lover! Irgendwann kommst du wieder angekrochen, das weiß ich!“ Mitleidig sah sie ihn an: „Ach Max, du tust mir nur noch leid. Was ist nur aus dir geworden.“
 



 
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