steyrer
Mitglied
Der Zeuge fragt: „Was halten Sie von meiner blauen Vision?“
„Das gibt Ärger“, antwortet der Berichterstatter, „Es wird heißen, Sie erzählen gefährliches Zeug.“
„Ich weiß. Das ist mein Risiko.“
„Aber wozu das alles? Mann, Sie waren tot!“
Eine Pause tritt ein. Um den Hotelblock zieht seit kurzem ein Demonstrationszug mit wehenden Fahnen, Spruchbändern, Tröten, Schellen,Trillerpfeifen und Gebrüll im Diskant: „Blau ist keine Farbe!“ Beinahe alle Hotelgäste und alles Personal haben sich ihm angeschlossen.
Der Zeuge nahm den Faden wieder auf: „So sagt man, aber ist das bedeutsam?“
„Natürlich! Was denken Sie, was in so einem Fall normalerweise kommt? Na? Eine Nahtoderfahrung mit allem Drumherum! So mit Schweben, Tunnel, Himmelslicht und lauter lieben Verstorbenen. Das ganze Programm halt mit Glücksgefühl und Geborgenheit, aber doch keine Träumerei mit ’ner Zombieparade. Himmel, Arsch und Zwirn, die Menschen sind doch aufgeklärt!“
„Also gut, erfinden Sie etwas Passendes für die aufgeklärten Menschen und ich sage Ja und Amen.“
Der Berichterstatter steht ruckartig auf: „Ihnen fehlt die Ernsthaftigkeit. Nun gut, dann eben nicht. Schönen Tag noch.“
„Blau ist ein Verbrechen!“, kreischt eine sich überschlagende Stimme in diesem Moment.
Das ist zu viel: „Nein, warten Sie. Alles Unsinn!“
„Ja, Unsinn“, erwidert der Berichterstatter, dann fällt die Tür hinter ihm zu.
Der Zeuge verstopft seine Ohren und erinnert sich an seine Vision mit der blauen Sonne. Ein Glas, unter ihrem Licht zerbrochen, setzte sich von selbst schöner neu zusammen, gefallene Wirtschaftswälder standen als Märchenwälder auf, ätzende Lügen wandelten sich in tiefsinnige Wahrheiten und er fühlte sich, als wäre er aus einem einzigen Stück. Fast alles war wunderbar, allerdings gab es da noch diese Demonstranten, die wie lebende Tote eine lange Straße hinabzogen. Einer trat einen gelblichen Fuchsbalg vor sich her und brach entkräftet zusammen, während sich der Balg erhob, straffte, und als strahlender weißer Fuchs davon sprang.
In diesem Augenblick kracht ein Pflasterstein durch die Fensterscheibe. Der Zeuge erhebt sich und wundert sich nicht über seine Ruhe, sondern über den Werfer, der es offenbar vier Stockwerke hinauf geschafft hatte. Durch das zerstörte Fenster weht ein betäubender Schwall Hitze. Der Stein ist in Spiegelschrift beschrieben und fühlt sich an wie Seife. Bevor er die Aufschrift entziffern kann, gleitet ihm der Stein aus der Hand; er hört keinen Aufschlag und findet ihn nicht wieder. Das Fenster ist wiederum unversehrt. Er ärgert sich über sich selbst: „Was kümmere ich mich?“ Der Flur ist leer, aber dafür schlagen ihm dort Gesänge entgegen. Er sieht aus einem Fenster und traut seinen Augen nicht: Die Demonstration ist plötzlich eine Art Karnevalsumzug mit einem Themenwagen, auf dem ein buntes Raumschiff steht; vom Hotelzimmer aus gesehen lärmt dagegen immer noch die alte Demonstration mit Tröten, Schellen, Pfeifen und dem Geschrei im Diskant.
„Es wird sich aufklären, wenn ich das Hotel verlasse.“ Er drückt einen Fahrstuhlknopf und die Tür gleitet beiseite, aber einen Sekundenbruchteil später rast die Kabine in den Keller und zerschellt. Der Zeuge bleibt wie betäubt stehen und schließt die Augen; als er sie wieder öffnet, steht die Kabine an ihrem Platz, dafür ertönen nun Geschrei und Gesänge gleichzeitig. Er eilt die Treppen hinunter ins Erdgeschoss. Hier ist nicht mehr taghell und sommerlich, sondern kalt und dunkel wie an einem Winterabend. Mattes Licht erhellt das leere Foyer und hinter der Glasfront stehen die Demonstranten diesmal etwas entfernt im Halbkreis als stumme reglose dunkle Menge. Irgendetwas muss sie zurückdrängen. Er fasst sich ein Herz und tritt durch das Portal, aber der Anblick bleibt gleich, erst als er zu seinen Füßen blickt, sieht er den schneeweißen, strahlenden Fuchs.
Hinter dem Zeugen kracht die Decke des Foyers hinab, doch als er sich umdreht ist auch dies ungeschehen. Der Fuchs wendet sich ab und jagt auf die eben noch erstarrte Menge zu, die ruckartig zurückweicht und eine breite Gasse bildet. Nun geht die blendende blaue Sonne über den Dächern auf. Dem Zeugen wird erst eiskalt, dann fühlt er einen brennenden Schmerz als würde er in zehntausend Stücke gerissen und besser wieder zusammengefügt.
„Teufel, großartig!“
„Das gibt Ärger“, antwortet der Berichterstatter, „Es wird heißen, Sie erzählen gefährliches Zeug.“
„Ich weiß. Das ist mein Risiko.“
„Aber wozu das alles? Mann, Sie waren tot!“
Eine Pause tritt ein. Um den Hotelblock zieht seit kurzem ein Demonstrationszug mit wehenden Fahnen, Spruchbändern, Tröten, Schellen,Trillerpfeifen und Gebrüll im Diskant: „Blau ist keine Farbe!“ Beinahe alle Hotelgäste und alles Personal haben sich ihm angeschlossen.
Der Zeuge nahm den Faden wieder auf: „So sagt man, aber ist das bedeutsam?“
„Natürlich! Was denken Sie, was in so einem Fall normalerweise kommt? Na? Eine Nahtoderfahrung mit allem Drumherum! So mit Schweben, Tunnel, Himmelslicht und lauter lieben Verstorbenen. Das ganze Programm halt mit Glücksgefühl und Geborgenheit, aber doch keine Träumerei mit ’ner Zombieparade. Himmel, Arsch und Zwirn, die Menschen sind doch aufgeklärt!“
„Also gut, erfinden Sie etwas Passendes für die aufgeklärten Menschen und ich sage Ja und Amen.“
Der Berichterstatter steht ruckartig auf: „Ihnen fehlt die Ernsthaftigkeit. Nun gut, dann eben nicht. Schönen Tag noch.“
„Blau ist ein Verbrechen!“, kreischt eine sich überschlagende Stimme in diesem Moment.
Das ist zu viel: „Nein, warten Sie. Alles Unsinn!“
„Ja, Unsinn“, erwidert der Berichterstatter, dann fällt die Tür hinter ihm zu.
Der Zeuge verstopft seine Ohren und erinnert sich an seine Vision mit der blauen Sonne. Ein Glas, unter ihrem Licht zerbrochen, setzte sich von selbst schöner neu zusammen, gefallene Wirtschaftswälder standen als Märchenwälder auf, ätzende Lügen wandelten sich in tiefsinnige Wahrheiten und er fühlte sich, als wäre er aus einem einzigen Stück. Fast alles war wunderbar, allerdings gab es da noch diese Demonstranten, die wie lebende Tote eine lange Straße hinabzogen. Einer trat einen gelblichen Fuchsbalg vor sich her und brach entkräftet zusammen, während sich der Balg erhob, straffte, und als strahlender weißer Fuchs davon sprang.
In diesem Augenblick kracht ein Pflasterstein durch die Fensterscheibe. Der Zeuge erhebt sich und wundert sich nicht über seine Ruhe, sondern über den Werfer, der es offenbar vier Stockwerke hinauf geschafft hatte. Durch das zerstörte Fenster weht ein betäubender Schwall Hitze. Der Stein ist in Spiegelschrift beschrieben und fühlt sich an wie Seife. Bevor er die Aufschrift entziffern kann, gleitet ihm der Stein aus der Hand; er hört keinen Aufschlag und findet ihn nicht wieder. Das Fenster ist wiederum unversehrt. Er ärgert sich über sich selbst: „Was kümmere ich mich?“ Der Flur ist leer, aber dafür schlagen ihm dort Gesänge entgegen. Er sieht aus einem Fenster und traut seinen Augen nicht: Die Demonstration ist plötzlich eine Art Karnevalsumzug mit einem Themenwagen, auf dem ein buntes Raumschiff steht; vom Hotelzimmer aus gesehen lärmt dagegen immer noch die alte Demonstration mit Tröten, Schellen, Pfeifen und dem Geschrei im Diskant.
„Es wird sich aufklären, wenn ich das Hotel verlasse.“ Er drückt einen Fahrstuhlknopf und die Tür gleitet beiseite, aber einen Sekundenbruchteil später rast die Kabine in den Keller und zerschellt. Der Zeuge bleibt wie betäubt stehen und schließt die Augen; als er sie wieder öffnet, steht die Kabine an ihrem Platz, dafür ertönen nun Geschrei und Gesänge gleichzeitig. Er eilt die Treppen hinunter ins Erdgeschoss. Hier ist nicht mehr taghell und sommerlich, sondern kalt und dunkel wie an einem Winterabend. Mattes Licht erhellt das leere Foyer und hinter der Glasfront stehen die Demonstranten diesmal etwas entfernt im Halbkreis als stumme reglose dunkle Menge. Irgendetwas muss sie zurückdrängen. Er fasst sich ein Herz und tritt durch das Portal, aber der Anblick bleibt gleich, erst als er zu seinen Füßen blickt, sieht er den schneeweißen, strahlenden Fuchs.
Hinter dem Zeugen kracht die Decke des Foyers hinab, doch als er sich umdreht ist auch dies ungeschehen. Der Fuchs wendet sich ab und jagt auf die eben noch erstarrte Menge zu, die ruckartig zurückweicht und eine breite Gasse bildet. Nun geht die blendende blaue Sonne über den Dächern auf. Dem Zeugen wird erst eiskalt, dann fühlt er einen brennenden Schmerz als würde er in zehntausend Stücke gerissen und besser wieder zusammengefügt.
„Teufel, großartig!“