Der Gänsetraum vom Weihnachsbaum

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Ironbiber

Foren-Redakteur
„Olga schau! Der Bauer hat Besuch bekommen. Ein Auto ist auf den Hof gefahren.“

„Die sind aus der Stadt. Das sieht man gleich. Mama, Papa und die beiden Kleinen. Typisch Städter - wollen wohl mal ein wenig Landluft schnuppern, mit uns spielen und uns streicheln. Drück die Brust raus, Erna! Machen wir ihnen eine Freude zum Fest und marschieren etwas näher ran. Dann können wir auch hören, wovon sie sprechen.“

„Verstehst du was sie sagen?“

„Der Vati sagt gerade, dass du Erna recht stattlich und nicht zu fett bist. Die Mutti hätte aber lieber eine von den blöden Enten. Die wären leichter zu machen und eine Ente würde schließlich allen reichen. Weis der Gänsegott, was sie damit meint.“

„Wie auch immer - stell dir vor, dass eine von uns beiden dieses Jahr mit den Kindern unterm Weihnachtsbaum spielen darf, im Warmen ist und Körner bis zum Abwinken bekommt!“

„Ach Erna, da hat sich doch gelohnt, dass wir das ganze Jahr kräftig gefuttert haben, dem blöden Hofhund Hektor aus dem Weg gegangen sind und unsere Babies Kalinka und Katinka über die Runden gebracht haben. Jetzt kommt für dich die Belohnung. Weihnachten bei einer netten Gastfamilie im Warmen. Mit den Kindern spielen und fröhlich Schnattern. Letztes Jahr wurde meine Mama auch geholt. Die lieben Leute hatten sie dann aber wohl so in ihr Herz geschlossen, dass sie sie nach den Festtagen gleich behalten haben.“

„Der Bauer hat gerade gesagt, dass deren Papi morgen vorbeikommen kann. Olga ich bin ja so glücklich. Heute Nachmittag wird mich die Bäuerin dann wohl noch beiseite nehmen, mein Federkleid vom Wiesenschmutz befreien und mich zum Abschied feste drücken. Ich werde stattlich in der Sonne glänzen und den lieben Leuten die heiligsten Tage des Jahres verschönern helfen.“

„Na vielleicht kommt ja noch so ein Auto mit anderen Stadtmenschen und holt mich auch. Wenn sie uns dann nach den Festtagen wieder hier abliefern, haben wir uns sicherlich eine ganze Menge zu erzählen. Und im nächsten Jahr darf unser Nachwuchs an Weihnachten auch mit so netten Stadtmenschen feiern.“

„Aber sag mal, Erna: Warum weint denn das kleine Mädchen jetzt so? Vorhin hat sie mir mit leuchtenden Augen beim Marschieren zugeschaut, war ganz nahe und hat mich gelobt. Ich will doch alles dafür tun, dass es ihr in der Stille der Weihnachtszeit unterm Christbaum nicht langweilig wird! Aber ich glaube, dass das Freudentränen sind. Sie hat mich eben schon jetzt in ihr Herz geschlossen.“
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

dazu fällt mir eine postkarte ein, die ich vor jahren einmal sah. da waren zwei gänse drauf und die eine fragte die andere: "Glaubst du an ein Leben nach Weihnachten?"
sehr lebendig, deine geschichte.
lg
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Liebe flammarion,

danke für deinen Kommentar. Leider mag auch ich den Geschmack von Gänsekeulen im eigenen Fett, lecker mit Rotkohl und Klößen verfeinert. Er erinnert eben an die Kindheit, wo ich mich auf diese kulinarische Köstlichkeit am ersten Feiertag riesig gefreut habe.

Die Inspiration für diese böse Satire habe ich aus dem Fernsehen, wo kürzlich freilaufende Gänse nach Geschmack und Belastung mit polnischen Importen und Discounterprodukten verglichen wurden.

Wir Menschen sind evolutionstechnisch nun eben mal Raubtiere und leben seit zweihunderttausend Jahren vom Fleisch unserer Beute. Trotzdem bewundere ich Veganer und Vegetarier, die den Verzehr von tierischen Produkten ablehnen. Ich kann das nicht und werde auf meine alten Tage wohl auch nicht mehr umschwenken. Als Jäger und Sammler werde ich nach wie vor im Dschungel der Supermarktregale auf Beutezug gehen und meine Jagdtrophäen zuhause in die Pfanne hauen.

Es grüßt der Ironbiber
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

in diesem sinne ein frohes und gesundes weihnachtsfest!
bei mir gibbet kaninchen bzw ente, jeden tach wat andret.
lg
 



 
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