Der Gesang des Spottvogels

Hagen

Mitglied
Der Gesang des Spottvogels

Als wir, meine Herzensdame, die Wunderbare Ulrike, und ich kürzlich mal wieder an unser Bar, der ScheinBAR, saßen, kamen wir bei dem Genuss eines ‘Listen to the Mockingbird‘, ein von mir kreierter Cocktail, welcher die Phantasie ungemein beflügelt, mal wieder auf unhaltbare, lokale Verschwörungstheorien, vermengt mit einer Prise Haselünner Heimatkunde, zu sprechen.

„Kaiser Friedrich II. hat Haselünne die Privilegien einer Stadt um 1230/1240 verliehen“, begann die Wunderbare Ulrike und nahm einen Schluck vom ‘Listen to the Mockingbird‘. „Seine Gemahlin Jutta, eine geborene Oldenburgerin“, fuhr sie fort, „erbte demnach unter anderem Haselünne, die Stadt der Engel. – Jutta fühlte sich allerdings mehr als Oldenburgerin und führte in Haselünne das fünffach geteilte oldenburgische Balkenwappen ein ...“

„Und ich dachte immer“, unterbrach ich und nahm auch einen Schluck von meinem ‘Listen to the Mockingbird‘, „die beiden roten Linien in dem Haselünner Wappen symbolisieren die beiden Startbahnen des stillgelegten Flugplatzes bei Haselünne.“

„Stimmt auch! – Teilweise! – Gewissermaßen!“

Die Wunderbare Ulrike nahm noch einen weiteren Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘, dachte kurz nach und fuhr fort: „Im Jahre 1252 verkaufte Jutta von Ravensberg jedenfalls die Stadt Haselünne an den Fürstbischof von Münster. Dieser bestätigte 1272 die Stadtrechte für Haselünne und befahl das Stadtwappen zu führen. – Diese Aktion nahm der Fremdenverkehrsverein zum Anlass das Führen des Stadtwappens zum siebenhundertfünfzigjährigen Gründungsfest Haselünnes zu erklären.“

Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘.

„Zum siebenhundertfünfzigjährigen Gründungsfest von Haselünne wurde der stillgelegte Flugplatz bei Haselünne, der Stadt der Engel, feierlich den Außerirdischen übergeben, da in dieser Zeit laufend von UFO-Sichtungen berichtet wurde.“ Die Wunderbare Ulrike nahm noch einen Schluck des die Phantasie beflügelnden ‘Listen to the Mockingbird‘ und fuhr fort: „Man hatte den stillgelegten Flugplatz zur ‘Haselünner Space-Base’ erklärt und wollte sie den Außerirdischen als Landefläche zur Verfügung stellen. Der Fremdenverkehrsverein stellte sogar zwei Eineurojobber ein, damit sie die ‘Haselünner Space-Base‘ betriebsbereit hielten.“

„Ah ja“, meinte ich. „Davon habe ich gehört! Die Aliens sollten freundlich empfangen werden, um interstellare Kriege zu vermeiden. Innerhalb von ein paar Jahren, zum siebenhundertfünfzigjährigen Gründungsfest – so hoffte man – wird man schon das eine oder andere UFO präsentieren können, und dann würde die Welt vermehrt auf Haselünne, die Stadt der Engel, blicken!“

Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘.

„Jep!”, fuhr die Wunderbare Ulrike fort. „Doch es passierte lange Zeit nichts. Bis sich eines Tages tatsächlich ein UFO auf der Haselünne Space-Base niederließ. Der eilig herbei gerufene Polizeihauptmeister August Wilhelm Schlegel sowie die Presse der näheren Umgebung identifizierten das ‘UFO’ jedoch als verirrten Wetterballon ähnlich dem, der im Juni 1947 in der Nähe der Kleinstadt Roswell im US-Bundesstaat New Mexico den legendären Roswell-Zwischenfall oder das Roswell-(UFO-)Ereignis hervorgerufen hatte. Die Reporter lachten höhnisch auf, der Polizeihauptmeister August Wilhelm Schlegel war sauer, und mahnte die Eineurojobber, die die ‘Haselünne Space-Base’ betriebsbereit halten sollten, mit besonders scharfen jedoch ebenso lyrischen Worten ab. Anschließend eilte er zur Wache um endlich mal wieder einen Bericht zu schreiben, denn der Polizeihauptmeister August Wilhelm Schlegel pflegte seine Berichte stets mit lyrischem Vokabular anzureichern, da er sich dem Namen ‘August Wilhelm Schlegel‘, einem Dichter der Romantik, verbunden fühlte und es als Ohmen sah, den gleichen Namen wie dieser Romantikdichter zu tragen. Die Vorgesetzten des Polizeihauptmeisters August Wilhelm Schlegels konnten allerdings mit dem romantisch verbrämten Vokabular der Polizeiberichte selten was anfangen.“

Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘.

„Wie dieser Wetterballon allerdings nach Haselünne gelangte, und ausgerechnet auf der Space-Base niederging, ist bis heute ungeklärt“, fuhr die Wunderbare Ulrike fort und nahm wieder einen Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘. „Lecker, der Cocktail! – Leider passierte wieder lange Zeit nichts, bis einige Studenten des ‘Weltraum Forschungszentrums’ des nahegelegenen Meppens ein rundes Objekt, ähnlich einer Drohne, von etwa zwei Metern Durchmesser auf der Unterseite mit ‘UFO’ beschrifteten und zum Fliegen brachten. Diese Scheibe ließen sie ferngesteuert eine Weile über Haselünne kreisen und brachten es schließlich auf der ‘Haselünne Space-Base’ unbeschädigt auf den Boden. Beim Polizeihauptmeister August Wilhelm Schlegel gingen zahlreiche Meldungen über die ‘UFO-Sichtung’ ein und er sah Handlungsbedarf. Sofort fuhr er zur ‘Haselünne Space-Base’, beschlagnahmte das ‘UFO’ und mahnte einige grinsende Studenten sowie die Eineurojobber mit ebenso lyrischen wie schroffen Worten ab. Anschließend eilte er zur Wache um einen Bericht zu schreiben, der vor Dichtkunst triefte.“

„Lass‘ mich raten!“, meinte ich und nahm auch einen Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘. „Wieder passierte lange Zeit gar nichts, außer dass der Wind einsame Prärieläufer über die Haselünne Space-Base trieb und der Polizeihauptmeister August Wilhelm Schlegel die ‘Polizeirevue‘ sorgsam studierte, die Artikel darin liedhaft umschrieb weil er sonst nichts zu tun hatte und niemanden mit lyrischen Worten maßregeln konnte.“

„Stimmt“, meinte die Wunderbare Ulrike. „Einige Hippies aus den USA erschienen daraufhin – inzwischen war Flower-Power angesagt – und pumpten die Space-Base voll mit positiver Energie und guten Vibrationen. Einer der Haselünner KFZ-Mechaniker installierte hinter seiner Werkstatt eine weitere Abschmiergrube, der Blumenladen Haselünnes eröffnete eine Filiale und spendete zur Eröffnung der Space-Base einen Strauß Veilchen, welcher auf der Haselünner Space-Base niedergelegt wurde. Die Bank Haselünnes wurde ausgeraubt und der Polizeihauptmeister August Wilhelm Schlegel sah vorläufig keinen Grund, irgendwelche Leute mit lyrischen Worten abzumahnen, sondern ermittelte in dem ‘Fall Bankraub‘.“

Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘.

„Dann landete tatsächlich ein ‘UFO’ auf der ‘Haselünne Space-Base’!“, fuhr die Wunderbare Ulrike fort. „Die beiden Eineurojobber, welche die ‘Haselünne Space-Base’ betriebsbereit hielten, fanden das UFO unbemannt vor, und informierten den Polizeihauptmeister August Wilhelm Schlegel. Der war gerade dabei, den vermutlichen Bankräuber mit den lyrischen Worten, ‘Aber sprich, ist nicht dein bebend Herz des Bankraubs Spott? Schwillt dein Busen nicht mit Beben dir von selbstgeschaffnem Leid? Bist du dir selbst ein Gott, zu raffen Geld, dass du nicht selbst verdientest?‘, zu verhören, was von dem Bankräuber nicht sonderlich ernst genommen wurde.

Polizeihauptmeister August Wilhelm Schlegel indes wies die Eineurojobber telefonisch an, das UFO in den Hangar zu schieben, diesen gut zu verschließen und die besiegelten Münder zu halten, schließlich hätte er noch einen Bericht zu schreiben, den er noch lyrisch auszufeilen gedachte.

Die Eineurojobber kamen dieser Aufforderung nach, weil sie Angst hatten mit lyrischen Worten gemaßregelt zu werden und dann in schallendes Gelächter auszubrechen. Sie schlugen die folgende Zeit mit Kartenspiel tot. – Irgendetwas sickerte aber doch durch, zumal die Eineurojobber geäußert haben sollten, dass unter der offensichtlich flüchtig aufgebrachten Bemalung des UFOs, welche an die legendären Reichsflugscheiben erinnerte, ein deutsches Hoheitsabzeichen durchgeschimmert sein soll. – Kann ich bitte noch einen ‘Listen to the Mockingbird‘ bekommen?“

„Aber sicher, Wunderbare Ulrike. – Gerüchten zufolge soll es die deutschen ‘Reichsflugscheiben‘ während des Krieges wirklich gegeben haben!“, meinte ich. „Einige Exemplare sollen nach dem Krieg in die USA überführt und auf der legendären ‘Area 51’ mit beeindruckenden Ergebnissen getestet worden sein. Während der Testflüge verschwand jedoch eine der Flugscheiben auf unerklärliche Weise; - habe ich früher mal recherchiert.“

Ich begann den ‘Listen to the Mockingbird‘ zu mixen und fuhr fort: „Wie diese ‘Reichsflugscheibe‘ von der ‘Area 51’ nach Haselünne, die Stadt der Engel, gekommen sein soll, ist bis heute ebenfalls ungeklärt, wie ich recherchiert habe. – Es wurden in Haselünne ferner Stimmen laut, die behaupteten, dass die ‘Reichsflugscheibe‘ aus Neuschwabenland stammt! – Ein Beweis dafür, dass in Neuschwabenland bis heute noch irgendwelche geheime Aktivitäten der Überlebenden sowie Nachkommen der Nazis stattfinden, um irgendwann doch noch die Weltherrschaft zu übernehmen. – Bitte schön, Wunderbare Ulrike. Dein, die Phantasie beflügelnder ‘Listen to the Mockingbird‘.“

„Dank dir mein Schatz.“

Die Wunderbare Ulrike nahm einen Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘ und fuhr fort: „Wie dem auch sei, der Polizeihauptmeister von Haselünne, August Wilhelm Schlegel ging in Rente und fragte einen befreundeten Anwalt, ob es möglich sei, seine Polizeiberichte als Buch zu veröffentlichen. Der Anwalt prüft die Herausgabe des ‘Buches‘ unter juristischen Gesichtspunkten. Da der Anwalt jedoch unter Metrophobie litt, dürfte sich eine juristisch haltbare Antwort dieses Juristen noch eine Weile hinziehen.“

Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘.

„Kann ich verstehen“, meinte ich. „Die eine oder andere Phobie hat jeder. Ich leide ja auch unter Cenosillicaphobie.“

„Ja“, meinte die Wunderbare Ulrike, „deshalb trinken wir ja auch deine wunderbaren Cocktails und kein Bier! – Aber lass mich fortfahren: Der neue Polizeihauptmeister Haselünnes, Hinrich Ohlsen hatte wichtigeres zu tun, als sich um die ‘Haselünne Space-Base’ zu kümmern und irgendwann mähte Irgendjemand obszöne Worte in das hoch gewachsene Gras auf der ‘Haselünne Space-Base’.“

Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘.

„Als sich der Jahrestag des siebenhundertfünfzigjährigen Gründungsfests der Gründung Haselünnes‘ bedrohlich näherte, und man noch immer keine Aliens vorweisen konnte, erinnerte sich der mittlerweile neue Polizeihauptmeister Hinrich Ohlsen des ‘UFOs’, welches in dem Hangar seinen Dornröschenschlaf absolvierte. Flugs suchte er die ‘Haselünne Space-Base’ auf und schreckte die beiden Eineurojobber, die noch auf der ‘Haselünne Space-Base’ Dienst taten, von ihrem Kartenspiel auf. Man öffnete den Hangar und fand in dessen Mitte lediglich ein mechanisches Klingeläffchen vor, welches sofort zu klingeln begann.“

Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘.

„Bis heute ist heftig umstritten, ob die Leute von der ‘Area 51’ oder irgendwelche Spezialagenten aus Neuschwabenland, die Flugscheibe heimlich zurückgeholt und mit dem Klingeläffchen feinsinnigen Humor bewiesen haben, oder ob es sich lediglich um den Gag eines japanischen Spielzeugherstellers gehandelt hatte“, fuhr die Wunderbare Ulrike fort. „Man weiß es nicht! – Wie dem auch sei, es war Eile geboten, den der ‘Tag des siebenhundertfünfzigjährigen Gründungsfests von Haselünnes‘ stand bevor. Eine eilig herbeigerufene Eurhythmiegruppe, welche ‘welcome Aliens’ in diversen Sprachen tanzte, brachte auch keinen Erfolg. Möglicherweise hatte sich die Eurhythmiegruppe in Kisuaheli etwas vertanzt, jedenfalls ließ sich kein Alien blicken.“

Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘.

„Schließlich kündigte man zum ‘Tag des siebenhundertfünfzigjährigen Gründungsfests der Gründung Haselünnes‘ aus lauter Verzweiflung ein Oldtimertreffen an. Tatsächlich fuhren am ‘Tag des siebenhundertfünfzigjährigen Jahres der Gründung Haselünnes‘ 1032 Oldtimer verschiedenster Hersteller auf die ‘Haselünne Space-Base’.“

„Ein beeindruckendes Ergebnis, zumal dieses Treffen kurzfristig angekündigt worden war“, meinte ich und nahm auch einen Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘.

„In der Tat!“, sagte die Wunderbare Ulrike und nahm noch einen Schluck ‘Listen to the Mockingbird‘. „Übrigens: Von vielen Teilnehmern des Treffens wurde ein bläulich phosphoreszierendes Objekt beobachtet, welches vergeblich versucht haben soll, auf der ‘Haselünne Space-Base’ zu landen. Es wurden auch einige der Teilnehmer des Treffens von dem ‘UFO‘ aufgesogen, untersucht und wieder abgesondert. – Haselünner Zeitzeugen vermuten in diesem Fall einen Zusammenhang mit den Haselünner Schnäpsen, welche von den drei namhaften Haselünner Brennereien anlässlich des ‘Tags des siebenhundertfünfzigjährigen Gründungsfests der Gründung Haselünnes‘ reichlich ausgeschenkt hatte, zumal sich die Leute, nach ihrer Ausnüchterung, an nichts mehr erinnern konnten ... Du verstehst, dass diese Geschichte von den Haselünner Bürgerinnen und Bürgern sowie der Presse und dem Fremdenverkehrsverein streng geheim gehalten wird!“

„Ich werde mich dran halten“, sagte ich, „bevor ich von dem Polizeihauptmeister in Rente, August Wilhelm Schlegel, lyrisch zugetextet werde. – Diese Geschichte glaubt ohnehin kein Mensch.“

Unsere Gläser klirrten aneinander. Wir tranken unsere ‘Listen to the Mockingbird‘ aus und gingen schlafen.


Für die geneigten Leser, die an niveauvollen Cocktails interessiert sind:

Der ‘Listen to the Mockingbird‘ besteht aus;

1 Tropfen Granatapfelsirup (damit im Glas ein schöner, roter Punkt entsteht)

2 cl Dry Gin

2 cl Blue Curacao

1 cl Angostura bitter

Auffüllen mit Soda

Eis

Deco Cocktailkirsche
 
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