Der Geschlechts-Baukasten (enthält Werbung)

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Geschlechts-Baukasten

Eine Kurzgeschichte von Delta Minus


Delta Minus war schon immer überzeugt gewesen, dass Wissenschaft der Freiheit dienen müsse. Und welche Freiheit könnte größer sein, als die Freiheit, das eigene Selbst zu ändern? Nicht nur den Namen, nicht nur die Frisur, sondern das ganze Geschlecht – schnell, schmerzlos und elegant. Nicht nur als Schrift, wie im Gesetz, sondern echt und reversibel.


Delta rollte den silbernen Koffer auf die Bühne der Expo. Hinter ihm leuchtete ein Neonschild: „Sei, was du willst – heute schon, mit Delta Minus!“

Das Publikum murmelte. Unter ihnen saß Hutschi, ein stiller Mann mit weißem Vollbart und Notizbuch, und Bianka Venus, eine nie älter zu werden scheinende Dame, die mit dem Stuhl lässig an der Wand lehnte, als wüsste sie längst, wie das Ganze enden sollte.

Delta Minus breitete die Arme aus.
„Meine Damen, Herren, liebe Diverse, Triverse, Universe und andere Verse, – hier ist meine neueste Erfindung: der Geschlechts-Baukasten! Eine Revolution der persönlichen Wahl! Ein technischer Durchbruch, der es Ihnen zukünftig erlaubt, das Geschlecht zu wechseln wie heute die Schuhe. Schnell und schmerzlos – naja, ein bisschen teuer.“

„Wieviel teurer?“ fragte Hutschi dazwischen.

Delta Minus grinste. „Das Starterpaket, genannt Gender Changer, kostet nur zehntausend Möpse. Für Menschen mit Geschmack: die Luxusausgabe mit diamantenen Kupplungen und eingebauten Lockenwellen – hunderttausend. Und für das einfache Volk: die Volkslotterie – zwölf Euro das Los, fünf Treffer auf eine Million Teilnehmer.“

Gelächter rauschte durch den Saal.

Bianka Venus hob eine Augenbraue. „Ein echtes Schnäppchen ...“, sagte sie spöttelnd. „Aber was, wenn jemand nicht einfach nur männlich und weiblich tauschen will?“

Delta Minus beugte sich über den Koffer, streichelte ihn sacht, und drückte einen verborgenen Knopf. Mit einem Zischen öffnete sich der Deckel. Da glänzten Module in ordentlichen Reihen, jede Schublade sauber beschriftet.

„So, jetzt beginnt der wahre Spaß!“ rief er. „Das exquisite Modul Geschlechtsvariation enthält:
– Androgyn,
– Männlich,
– Männlich, aber schwul,
– Zwitter,
– Weiblich, aber lesbisch,
– Femogyn, Polygyn, Multigyn,
– Dronogyn, Alionym, Trigyn …


Und das ist erst der Anfang. Die Liste wächst schneller, als die Bürokratie Gesetze drucken kann!“

Stille.

Hutschi steckte den Stift in die Hemdtasche und blickte nachdenklich auf.

Bianka Venus lächelte schwach, als hätte sie schon zu viele Spiegel in ihrem Leben gesehen.
„Vielleicht, Delta, hast du gar keinen Baukasten erfunden, vielleicht nur einen Spiegel.“

Das Publikum lachte nicht mehr. Papier raschelte, Schuhe schlürften. Das Neonschild flackerte, der Koffer blinkte. Geduldig wartete er auf einen Käufer.
 
Zuletzt bearbeitet:

N. Valen

Mitglied
Lieber Bernd,

das liest sich wie eine Mini-Szene auf einer Bühne – Expo, Neonlicht, Figuren, Pointen. Besonders gelungen finde ich, wie du Delta Minus’ Verkaufsshow aufziehst: zwischen Marktschreierei und Zukunftsversprechen.
Der Humor sitzt („zehntausend Möpse“, „Luxusausgabe mit Lockenwelle“), aber das Stück bleibt nicht beim Lacher. Mit Bianka Venus’ Satz drehst du das Ganze plötzlich ins Nachdenkliche: Baukasten oder Spiegel? Das ist stark, weil es nachhallt.
Was man überlegen könnte: noch mehr Spannung zwischen den beiden Nebenfiguren. Hutschi und Bianka sind schon reizvoll, aber sie könnten noch schärfer als Gegenstimmen zu Delta Minus auftreten.

Alles in allem: eine pointierte Kurzgeschichte, die auf kleinem Raum viel aufmacht – Satire, SciFi und Gesellschaftskritik zugleich.

Viele Grüße
Nova
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke Nova. Ich habe tatsächlich auch eine Bühnenversion gemacht. Das hier ist sozusagen "das Buch zum Stück." Oder andersrum.
Hutschi und Bianka sind schon reizvoll, aber sie könnten noch schärfer als Gegenstimmen zu Delta Minus auftreten.
Das stimmt. Sie haben nur eine Nebenfunktion. Hutschi bin ich, da brauche ich mir nicht soviel Text zu merken ( ;) ), und Bianka dreht die Perspektive um.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hier ist die Sketch-Fassung:



Szene: Der Baukasten der Geschlechter


Ort: Ein leerer Ausstellungsraum. Auf einem Podest steht ein glänzender Koffer, daneben eine Leuchttafel mit Werbeslogan:
„Sei, was du willst – heute noch, mit Delta Minus!“


(Delta Minus tritt auf, trägt einen weißen Labormantel mit Regenbogenstreifen. Hutschi sitzt auf einem Stuhl, macht Notizen. Bianka Venus lehnt lässig am Rand, elegant gekleidet.)


Delta Minus:
Willkommen zur Präsentation meines neuesten Werkes:
Der Geschlechtsbaukasten!
Ein Wunder der Technik, ein Triumph der Freiheit!
Ab sofort kannst du dein Geschlecht wechseln wie ein Paar Schuhe.
Schnell, schmerzlos – nur etwas teuer.


Hutschi:
Wieviel?


Delta Minus:
Das Basis-Set, genannt Gender Changer, für schlappe 10 000 Euro.
Luxusausführung mit diamantenen Kupplungen und integrierten Lockenwellen: 100 000.
Und für die kleinen Leute: die Volksverlosung –
ein Los für 12 Euro, fünf Treffer pro Million.


Bianka Venus:
(ironisch)
Ein echtes Schnäppchen.
Aber was ist, wenn man nicht einfach nur Mann oder Frau sein will?


Delta Minus:
Ah! Da beginnt die wahre Kunst!
Mein Modul „Geschlechtsvariation“.
Darin enthalten:
– Androgyn,
– Männlich,
– Männlich, aber schwul,
– Zwitter,
– Weiblich, aber lesbisch,
– Femogyn, Polygyn, Multigyn,
– Dronogyn, Alionym, Trigyn …
und das ist nur der Anfang.
Die Liste wächst schneller als die Bürokratie Gesetze druckt!


Hutschi:
Und wer bestimmt die Grenzen?


Delta Minus:
Niemand.
Die Grenze ist nur der Preis.


(Schweigen. Hutschi blickt nachdenklich, Bianka Venus lächelt spöttisch.)


Bianka Venus:
Vielleicht, Delta,
hast du gar keinen Baukasten erfunden,
sondern nur einen Spiegel.


(Licht aus. Nur der Koffer bleibt beleuchtet, blinkend.)
 



 
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