Der Große Wurf

5,00 Stern(e) 1 Stimme

James Blond

Mitglied
Zwar von Herkunft das Geblüt
und um Sternenglanz bemüht,
führte er des Lebens Pflicht,
eine Kür gelang ihm nicht.

Des Geschickes Zufallsbahnen,
deren Lauf die Zeit ersinnt,
lassen sich nur schwer erahnen,
selbst, wo sich der Mensch bestimmt.

Großes hat er schaffen wollen,
manches ward ihm prophezeit,
was wir im Geheimen sollen,
stolz war er dazu bereit.

Statt sich öffentlich zu brüsten,
wo der Mensch nach Sternen greift,
sollte er sich schweigend rüsten,
dass sein Werk im Stillen reift.

Was zu früh der Nacht entbunden
aller Welt wird offenbart,
kann im Lichte nicht gesunden,
dafür ist es noch zu zart.

Morgenstrahlen, Schleier lichtend,
treiben Illusionen fort,
und der Geist, das Neue sichtend,
prüft es nach dem eignen Wort.

Ordnet seine Denkanlagen,
jagt das Hirngespinst vom Feld,
duldet keine Zwischenfragen,
sucht den Nutzen, schaut aufs Geld.

Und verwirft, was unplausibel,
spottet, was ihm lächerlich,
fleddert seine Schülerfibel,
tilgt das Werk in einem Strich.

Schwer gezüchtigt schweigt die Muse,
flieht erzürnt mit Schwanenblick,
und in hohler Künstlerpose
bleibt ein leerer Geist zurück.

Mochte der auch weiter ringen,
sollt' kein Werk ihm je gelingen,
mühte sich in Hof und Haus –
doch der große Wurf blieb aus.
 
G

Gelöschtes Mitglied 21900

Gast
Fünf Sterne, JB, du kannst sie mir ja zurückgeben, wenn sie dir nicht in den Kram passen. Dass du elegant gemachte Strophen hinbekommst, weiß man. Auch, dass dir kein Reim zu schade ist, wenn er sich anbietet, verschenkt zu werden. Aber bei diesem Gedicht, wie ich finde, ist dir ein Extrakunststück gelungen: Du hast inhaltlich aus einer Trivialität eine wie neu klingende und wirkende Erkenntnis gemacht. Und was für ein erheiterndes Bild: Die schwer erzürnte Muse flieht mit Schwanenblick (ein verschollen geblaubtes Rubensgemälde?).
Gruß Klaus
 

James Blond

Mitglied
Lieber klauskuckuck,

wo kluge Worte sie begleiten,
sind Sterne gar kein Grund zum Streiten!


Zumal hier unser Biografierter ja selbst, wenn auch erfolglos, um reichlich Sternenglanz bemüht war. In der Tat ist das ein recht geläufiger und trivialer Topos, den ich hier in Reime zu packen versucht habe. Es müssen ja nicht immer schwergewichtige Themen voll sozialer Relevanz sein, die lyrisch aufbereitet werden wollen, im Gegenteil: Hier war es der reine Spaß an der bildlichen Sprache, die Lust an den Worten, die mich für zehn Strophen mit ausreichender Energie versorgte. Ich kann jedem Dichtenden derartige 'Schwurbeleien' nur anraten, die Lyrik gewinnt nicht durch das Gewicht ihrer Themen, im Gegenteil: Sie leidet darunter und wird oft davon erdrückt.

Für den indignierten Schwanenblick ist hier kein Gott oder Maler verantwortlich, sondern die Hamburger Alster, die genügend Exemplare zur freien Beobachtung vorrätig hält. :)

Grüße
JB
 



 
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