Der Hai (RPG)

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Andrea

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Anmerkung: RPG ist eine Abkürzung für Rollenspiele.

Das Licht der Sonne drang nur noch als bläulicher Schatten zu den Korallen, die sich in den schönsten Rottönen an die Sandbank schmiegten. Zwischen ihnen schwammen kleine gelbe und grüne Fische, viel zu winzig, um für den Hai, der gelangweilt seine Bahnen zog, auch nur mehr als ein Appetitanreger zu sein. Angesichts der Leere, die er seit einigen Tagen in seinem Magen verspürte, konnte der Hai allerdings darauf verzichten, noch mehr Appetit auf zartes, saftiges Fleisch zu entwickeln. Es schien ihm Monate her zu sein, daß er einen anständigen Bissen zwischen den Zähnen gehabt hatte. Vielleicht wurde er langsam alt, oder die Fische wurden gewitzter.
Die Schönheit des Riffes füllte seinen Magen nicht, daher verschwendete er keine weitere Energie darauf, die kleinen Fischhappen bei ihrem blödsinnigen Treiben zu übersehen, sondern lenkte seinen Weg weiter hinaus ins Meer. Möglich, daß er heute einmal mehr Glück hatte.
Leer. Das verdammte Meer war vollkommen leer! Gut, da unten schwebte etwas Tang, und ein paar Muscheln hatten sich wahrscheinlich auch im Sand vergraben, aber wo im Namen seiner Zähne steckte das Mittagessen? Verärgert beschloß der Hai, sein Glück an der Oberfläche zu versuchen. Eine erste erschöpfte Möwe wäre ja ein netter Anfang, und wer wußte schon.. Ein großer, dunkler Schatten schob sich zwischen den Hai und die Sonne. Ein Wal? Nein, dafür war das Ding wiederum zu klein, und außerdem hatte es zu viele Ecken. Kein Fisch hatte solche Formen. Nein, das mußte etwas Künstliches sein, ein Schiff vielleicht. Und auf Schiffen saßen Menschen.
Der Hai entblößte vor Vorfreude die erste Reihe seiner Zähne. Warmes, leckeres Menschenfleisch. Oh, wie würde das seinem leeren Magen gut tun! Gut, er hätte einen Seelöwen vorgezogen, die hatten nicht die Angewohnheit, mit Harpunen nach ihm zu werfen, aber in der Not fraß der Hai eben Menschen.
Ein kleines silbernes Blinken zog das Interesse des Hais auf sich. Konnte es..? Er schwamm näher. Ja, es war ein Angelhaken. Hervorragend. Nun, dieser Mensch würde einen weit größeren Fisch an der Angel haben als erwünscht. Vorsichtig, um sich das Ding ja nicht ins Zahnfleisch zu rammen, nahm der Hai den Haken zwischen die Zähne und zog kräftig an der Leine.
Ein leises Platschen, ein kurzer Fluch und der Schatten eines Stockes an der Oberfläche verrieten dem Hai, daß es ihm zwar nicht gelungen war, den Angler zum Essen einzuladen, aber da Menschen die komische Angewohnheit hatten, lediglich ihren Unrat unbehelligt im Meer zu lassen und an anderem Eigentum ein hartnäckiges Interesse zu entwickeln, selbst wenn es seit Jahrzehnten auf dem Meeresboden verrottete, konnte es wohl kaum lange dauern, bis der Angler der Angel folgte. Und tatsächlich glitt wenig später ein appetitlicher Happen ins Wasser, etwas sehnig nach erstem Anschein, aber eine gute Mahlzeit gab er allemal ab.
Leb wohl, Hunger, dachte der Hai und schwamm zur Oberfläche. Die Tradition verlangte es, den Menschen durch die Flosse in Panik zu versetzen – außerdem hieß es, daß Furcht dem Fleisch ein besonderes Aroma verlieh.
Kaum spürte er den Seewind auf der Flosse, als auch schon die Rufe der Menschen zu ihm drangen.
„Ein Hai! Ein Hai!“ Sie hüpften auf dem Schiffding, das sich bei näherer Betrachtung eher als ein recht eilends zusammengezimmertes Floß entpuppte, auf und ab, und der Hai leckte sich die Lippen in Erwartung von ein bis zwei weiteren Freßchen, die bei dem Gehopse womöglich ins Wasser fallen könnten. Wenn ihm die Götter des Hungers und des Meeres hold waren, brach auch vielleicht das ganze Ding auseinander!
Der Hai lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den verhinderten Angler. Der war doch sicherlich mittlerweile in höchster Panik und auf dem Weg zu – zu seiner Angel? Ja, hatte der denn gar keinen Anstand, keinen Sinn für Tradition und keinen Respekt vor der Haiküche?
„Komm schon zurück! Da ist ein Hai!“ Wenigstens seine Kameraden hatten den Ernst der Situation erkannt.
„Keine Panik“, rief der Schwimmer zurück. Er hatte seine Angel erreicht und machte sich nun gemächlich auf den Rückweg. „Haie greifen nur an, wenn Blut im Wasser ist. Und ich habe keine Wunde, zumindest laut meiner LE.“
Was auch immer diese letzte Bemerkung bedeuten sollte, schon die Sache mit dem Blut reichte, um den Hai in Verwirrung zu stürzen. Blut? Mußte Blut im Wasser sein? Aber er hatte solchen Hunger!
„Bist du dir sicher?“ Die Floßmenschen teilten offensichtlich seine Bedenken.
„Klar bin ich mir sicher“, antwortete der Schwimmer. Mit der Angel gingen seine Bewegungen nicht mehr ganz so zügig, und sein breiter Rücken schwamm direkt im Blickfeld des Hais. Hmm, Rückensteak. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Verdammtes Blut, wenn er ihn erst einmal gebissen hatte, würde der Kerl schon bluten, und..
„Haie greifen nie an, ohne daß eines der Opfer blutet. Sie sind eigentlich ganz friedlich.“
Friedlich? Gut, das war ihm jetzt auch neu; er hatte sich eigentlich immer für hungrig gehalten, niemals für friedlich oder aggressiv oder blutrünstig.
„Echt wahr?“ Einer der Menschen auf dem Floß bückte sich und streckte dem Gefährten die Arme entgegen, um ihm zurück aufs Floß zu helfen. „Also sind wir sicher, solange wir nicht bluten?“
„Absolut.“ Der Klugscheißer krabbelte auf die nassen Planken und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Sonst würden ja viel mehr Taucher von Haien gefressen, oder?“
„Apropos Taucher – sag mal, wie weit sind wir eigentlich mit unserer Ausbildung von Kampftauchern?“
Das Gespräch der Menschen schweifte zu Themen, die dem Hai reichlich egal waren. Konnte dieses verlorene Freßchen wirklich recht haben? Mußte er wirklich darauf warten, daß seine Beute blutete, bevor er sie fraß? Er mußte das unbedingt herausfinden!
Der Hai ließ das Floß mit den Menschen zurück, während er nachdenklich wieder sein Riff ansteuerte. Erstens mußte er dringend einen anderen Hai finden, der ihm die Sache mit dem blutenden Opfer erklären konnte. Und zweitens mußte er nachsehen, ob sich nicht einer der kleinen Appetithäppchen die Flosse an den Korallen aufgeschlitzt hatte und ein kleines bißchen blutete.
 

Chinasky

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Und was lernt uns das? Man möge immer brav dem ersten Instinkt folgen und nicht die sich bietenden Gelegenheiten mit Reflektionen verbummeln... ;-)
Was an dem Text nun RPG-bezogen ist, verstehe ich nicht ganz, geht das weiter und kommen die Kampfschwimmer später zum Einsatz?

Woher versteht der Hai die menschische Sprache? Wie kommt er auf die Idee, ein anderer Hai könne ihm die Sache mit dem Bluten erklären? Warum sitzen die Menschen auf einem Floß? Handelt es sich um Schiffbrüchige? Um eine RPG-Runde?

So ohne Beantwortung derartiger sich aufdrängender Fragen wirkt der Text ein wenig wirr, aber die Gruddidee ist witzig.
 

Andrea

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Tja, also mich lehrt das, daß ich das nächste Mal ein bißchen erkläre, wo der RPG-Bezug liegt.. ;)

Der Hai ist unter dem Stichwort Meisterleiden entstanden, und die Diskussion unter den Spielern, ob denn der Hai jemanden angreift, bloß weil der ins Wasser gefallen ist, gab es wirklich. Spannung im A... Und da der Meister schließlich stets alle Rolle spielt, dürfte sich die Frage, woher der Hai denn die Sprache der Menschen versteht, wohl erledigt haben. :)
 

Chinasky

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Ah - jetzt wird das klarer! Aber warum kann der Meister nicht kurzerhand entscheiden: Diesmal beißt der Hai zu!?
Ob Blut oder nicht Blut im Wasser: Wenn da einer zappelt wie verrückt, dann beißt der Hai allein schon aus Langeweile zu. Blut lockt ihn über größere Strecken hin an (Geruchssinn), aber zubeißen tut er doch eher aufgrund visueller Reize und der Wellen, die bewegte Gegenstände im Wasser erzeugen (da gibt es so eine Art Radar bei Fischen): Nicht umsonst landen mehr leere Konservendosen als Menschenfüße in Haimägen.
Bei der nächsten RPG-Runde läßt Du Dich nicht mehr von lebensmüden Spielern an der Nase rumführen, gelle? ;)
 

jon

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Teammitglied
Fabelhaft

Man kann das Ganze ganz gut auch ohne RPG-Hintergrund lesen. Als Fabel. Mit der Quintessenz: Der Mensch (als Individum) ist blöd. (Als Menscheits-Symbol vielleicht auch.)

Als RPG gibt mir das nichts, als Fabel find ich's fabelhaft und bewerte es auch so…
 



 
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