Dichter Erdling
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Juni.
Du blasser Zwilling deines fast namensgleichen Nachfolgebruders: Nur ein Buchstabe unterscheidet euch, fast könnte man euch verwechseln, und dennoch…
Blass bist du im Vergleich, weil du noch nicht so kraftpulsierender Sommer bist.
Du bist ein Versprechen, das andere einlösen.
Schon säuselst du uns das Fernweh-Lied oder die Freiheits-Hymne ins Ohr, aber du bedeutest, dass man im Klassenzimmer hocken und vom Verreisen und vom Faulsein vorerst nur träumen darf. Du bedeutest Pflichtgetue und fürs Examen büffeln, ehe sich das Schuljahr abschließt – nach dir.
Die Mädchen tragen vielleicht schon mal Blümchenkleider mit Rückenausschnitt, sodass sich der Typ in der letzten Reihe endgültig nicht mehr auf Goethe oder auf Differentialgleichungen konzentrieren kann. Der Blick aus dem Fenster ist eine einzige Versuchung, aber die Lehrer schimpfen, wenn du ihr nachgibst.
‚Ob ich nicht besser für die Reifeprüfung lernen sollte?‘ - Das haben sie mich ernsthaft gefragt, nachdem sie mich mit diesem Körbchen voller Erdbeeren erwischt hatten. ‚Es wäre jetzt echt nicht die Zeit, im Erdbeerfeld nach süßen Schätzchen zu suchen!‘, haben sie in ihrer einmaligen Dummheit gemeint.
Gewiss ward ich daraufhin so rot wie die Beeren in meinem Korb und war aber nicht geistesgegenwärtig genug für eine Antwort. Gewiss hätte ich rezitieren können: „Pflückt Rosenknospen, solange es geht…“ und: „Die Zeit sehr schnell euch enteilt…“, denn das wären mal reife Antworten gewesen. Stattdessen habe ich meinen Lehrern am Schluss das klassenbeste Reifezeugnis hingelegt, das war doch auch eine Antwort.
Dass es nach der Schule nie wieder monatelange Freiheit geben soll, wird einem ja erst später klar, wenn es nicht mehr großzügig-gedehnt „Feeerien!“ heißt, sondern kurz und knapp: „Urlaubsanspruch“.
Wie schnell die Zeit uns enteilt!
Manchmal sind Gedichte sehr wahr und die besseren Lehrer.
Zu Beginn meiner Schulzeit hast auch du mich erstaunt, werter Juni. Du hast mir beigebracht, dass man ganz ohne Jacke in die frühe Morgenpflicht gehen kann oder nur mit einer lila-gestreiften Weste, welche die Oma gestrickt hat. Am Heimweg ist Omas Weste zum Auswinden nass geworden, weil sich auf den paar Metern die Wolken über mich erbrechen wollten. Heftig! Schlimmer als Omas Gartenschlauch. Da war ich verblüfft, was du wettermäßig draufhast.
Weil du sowieso nur vom Lernen ablenkst, haben die Lehrer am Ende oft nachgegeben und Ausflüge oder Wandertage auf den Stundenplan gesetzt. Nicht weit, ins nächste Museum, in die nächste Natur, aber raus aus der Schule. Die Apfelsaftpäckchen im Ranzen waren wunderlich warm und die Butter auf meinem Pausenbrot: geschmolzen.
Du blasser Zwilling deines fast namensgleichen Nachfolgebruders: Nur ein Buchstabe unterscheidet euch, fast könnte man euch verwechseln, und dennoch…
Blass bist du im Vergleich, weil du noch nicht so kraftpulsierender Sommer bist.
Du bist ein Versprechen, das andere einlösen.
Schon säuselst du uns das Fernweh-Lied oder die Freiheits-Hymne ins Ohr, aber du bedeutest, dass man im Klassenzimmer hocken und vom Verreisen und vom Faulsein vorerst nur träumen darf. Du bedeutest Pflichtgetue und fürs Examen büffeln, ehe sich das Schuljahr abschließt – nach dir.
Die Mädchen tragen vielleicht schon mal Blümchenkleider mit Rückenausschnitt, sodass sich der Typ in der letzten Reihe endgültig nicht mehr auf Goethe oder auf Differentialgleichungen konzentrieren kann. Der Blick aus dem Fenster ist eine einzige Versuchung, aber die Lehrer schimpfen, wenn du ihr nachgibst.
‚Ob ich nicht besser für die Reifeprüfung lernen sollte?‘ - Das haben sie mich ernsthaft gefragt, nachdem sie mich mit diesem Körbchen voller Erdbeeren erwischt hatten. ‚Es wäre jetzt echt nicht die Zeit, im Erdbeerfeld nach süßen Schätzchen zu suchen!‘, haben sie in ihrer einmaligen Dummheit gemeint.
Gewiss ward ich daraufhin so rot wie die Beeren in meinem Korb und war aber nicht geistesgegenwärtig genug für eine Antwort. Gewiss hätte ich rezitieren können: „Pflückt Rosenknospen, solange es geht…“ und: „Die Zeit sehr schnell euch enteilt…“, denn das wären mal reife Antworten gewesen. Stattdessen habe ich meinen Lehrern am Schluss das klassenbeste Reifezeugnis hingelegt, das war doch auch eine Antwort.
Dass es nach der Schule nie wieder monatelange Freiheit geben soll, wird einem ja erst später klar, wenn es nicht mehr großzügig-gedehnt „Feeerien!“ heißt, sondern kurz und knapp: „Urlaubsanspruch“.
Wie schnell die Zeit uns enteilt!
Manchmal sind Gedichte sehr wahr und die besseren Lehrer.
Zu Beginn meiner Schulzeit hast auch du mich erstaunt, werter Juni. Du hast mir beigebracht, dass man ganz ohne Jacke in die frühe Morgenpflicht gehen kann oder nur mit einer lila-gestreiften Weste, welche die Oma gestrickt hat. Am Heimweg ist Omas Weste zum Auswinden nass geworden, weil sich auf den paar Metern die Wolken über mich erbrechen wollten. Heftig! Schlimmer als Omas Gartenschlauch. Da war ich verblüfft, was du wettermäßig draufhast.
Weil du sowieso nur vom Lernen ablenkst, haben die Lehrer am Ende oft nachgegeben und Ausflüge oder Wandertage auf den Stundenplan gesetzt. Nicht weit, ins nächste Museum, in die nächste Natur, aber raus aus der Schule. Die Apfelsaftpäckchen im Ranzen waren wunderlich warm und die Butter auf meinem Pausenbrot: geschmolzen.