Der Kanonier

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Er ging. Der Tag war lang gewesen
Und die Nacht, die ihn erwartete,
würde noch länger werden

Er hatte über sich gelesen
in einem Magazin
Er sei von dieser Art von Wesen,
die nie zur Ruhe kommen können
und es schien

ihm, dass es stimmte,
als er den Louis XIII schwenkte

Der Nachhall kam, ihn anzuziehen
und durch das blumige Gewitter
der Synapsen zwang ihn der
Blitzschlag seiner Fratze in dem Spiegel
des Getränkes zu jener alten Front
zu fliehen

Der er doch nie entkommen
würde. Von der er längst geflohen war,
doch jede Nacht noch darin hockte
Unter anderem Namen zwar,
doch immer noch ganz ohne Würde,
ohne Selbstvertrauen

Und die am Tage ihn so urgewaltig auf der Bühne
schauen, die brauchten gar nichts zu verstehen,
die brauchten ihn nur anzusehen:
Die dunkelblauen Augen eines Kanoniers;
und ganz in ihnen untergehen

Was wissen sie von seinem Grauen,
wenn die schwarze Schlacht aufzieht,
der Vorhang fällt,
die Bühne schließt,
wenn er den Cognac in den Schwenker
gießt, das Glas zitternd in Händen hält,
bereit für immer an die Front zu ziehen
und sich nie wieder
umzudrehen

Sie brauchten niemals zu verstehen,
es reichte ja ihn anzusehen:
Die dunkelblauen Augen eines
Kanoniers

 
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Mitglied
Mensch, mensch, Dio,

du haust die Hammerteile zur Zeit aber auch einfach raus....ich bin schon wieder begeistert!

Nur hier
Und die Nacht, die ihn erwartete,
würde noch länger werden
würde ich persönlich mir einen Sprachfluss wünschen, der zum Rest des Textes passt und lyrischer ist. Das ist doch seeeehr Alltagssprache und will sich nicht so recht ins Ganze einfügen. Aber danach nehmen Sprachrhythmus und -melodie richtig schön Fahrt auf und reißen - parallel zur Erzählung - schön mit!

Sehr gerne gelesen!
LG,
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Mitglied
was genau empfindest du daran als "Alltagssprache"?
Hi, Dio!

Den ganzen Satz - so, wie er ist.

Der Tag war lang gewesen
Und die Nacht, die ihn erwartete,
würde noch länger werden
Der Tag war lang gewesen, und die Nacht, die ihn erwartete, würde noch länger werden.

Ich kann ihn nur als Prosa lesen - also so, wie ich ihn in der Zeile unter dem Zitat zum Vergleich formatiert habe. Du hast zwar Umbrüche gesetzt, doch die Art, wie dieser Satz formuliert ist, verhindert für mich eine andere, lyrischere Betonung, die diesen Umbrüchen entspräche. So empfinde ich das beim Lesen. Es sind sozusagen verwendete (Alltags-)Sprache und Sprachmelodie zu dominant, um ein anderes als prosa-mäßiges Klangbild bei mir zu erzeugen. Da stoßen auch von Hebungen und Senkungen her zu viele gleiche aneinander und bilden keinen flüssigen Klang.

Ich x-e dir das mal zur Veranschaulichung.

Der Tag war lang gewesen, und die Nacht, die ihn erwartete, würde noch länger werden.
x X x X xXx x x X X X x Xxx Xx X Xx Xx

Viele Hebungen in Reihe, und auch viele Senkungen. Aber ohne Rhythmus bzw. schönen Fluss. Klar?

Manchmal macht schon eine Umstellung oder minimal elegantere Umformulierung einen entscheidenden Unterschied, habe ich beobachtet. Zum Beispiel:

Der Tag war lang gewesen.
Noch länger aber war die Nacht,
die ihn erwartete.

oder

Länger noch als dieser lange Tag
war nun die Nacht,
die ihn erwartete.

Der Unterschied zu deiner Version liegt aber auch in dem Betonungsrhythmus, der in meinen Vorschlägen mehr "tanzt", wenn du verstehst, was ich meine.
Da deine Texte ja irgendwie alle "tanzen", fällt diese Strophe bzw. dieser Satz für mein Empfinden doch stark heraus. Der ist auch nicht "du", sondern eben Alltagssprache, wie man sie überall und zu jeder Zeit so formuliert antreffen kann. Für Lyrik muss Sprache aber mehr liefern. Und daher stört mich dieser eine "Ausreißer" irgendwie. Da ich deine für dich so typische Sprache ja kenne und schätze, habe ich hier den Eindruck, dass du beim Einstieg in den Text noch nicht im Flow warst. Oder diese Strophe nicht die Aufmerksamkeit oder das "Gespür" bekommen hat, den sie aber verdient - ja, als Einstieg umso mehr bräuchte.

Hilft dir das weiter?

LG,
fee
 
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