Der kleine Hase, der keine Eier bemalen will

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VeraL

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Henry sollte Eier bemalen. Als kleiner Osterhase tat man quasi den ganzen Winter über nichts anderes. Blaue Eier, grüne Eier, Eier mit Blumen, Streifen und Punkten. Henry konnte keine Eier mehr sehen. Sehnsüchtig schaute er aus dem Fenster. Draußen lag feinster weißer Schnee. Es klopfte an der Tür. Henry ließ den Pinsel fallen und öffnete. Draußen stand seine beste Freundin Fabi, ein kleiner Fuchs.
„Henry, du musst rauskommen. Wir machen eine große Schneeballschlacht gegen die Tiere aus dem Stadtwald. Wir brauchen deine Hilfe.“
„Klar. Da bin ich dabei. Ich ziehe mir nur schnell meine Handschuhe an.“
Die Schneeballschlacht dauerte den ganzen Tag. Das Team von Fabi und Henry gewann und feierte danach mit Kakao und Keksen, die Fabis Mutter für sie gebacken hatte.
„Morgen machen wir ein Schlittenrennen. Bist du auch wieder dabei?“
Henry überlegte kurz. Da standen noch viele Kartons mit Eiern in seinem Wohnzimmer, die alle bemalt werden mussten. Doch eigentlich wollte er lieber spielen.
„Sicher. Die blöden Eier kann ich auch später bemalen.“
So verging ein Tag nach dem anderen. Henry spielte mit seinen Freunden, baute Schneemänner, röstete Esskastanien, saß mit Fabi am Kamin und dachte irgendwann gar nicht mehr an Ostern.

Dann wurde es Frühling. Henry hatte kein einziges Ei bemalt. Zwischendurch hatte er kurz ein schlechtes Gewissen, aber dann dachte er: Ach, die blöden Menschen. Wenn sie unbedingt bunte Eier haben wollen, können sie die doch auch selbst bemalen. Er hoppelte fröhlich durch das Dorf, für das er zuständig war. Überall blühten Osterglocken und Hyazinthen und die Sonne schien. Ein prächtiger Tag für das Fußballspiel, dass er mit Fabi geplant hatte. Da kamen zwei Kinder aus dem Dorf über die Wiese gelaufen. Schnell versteckte Henry sich hinter einem hohen Grasbüschel.
„Morgen ist schon Ostern. Freust du dich?“
„Ja, klar. Ich liebe Ostereier. Ich hoffe, der Osterhase versteckt uns viele. Meine kleine Schwester ist doch dieses Jahr zum ersten Mal alt genug, um mit zu suchen.“
Henry schaute den beiden Kindern betroffen hinter her. Er bekam ein furchtbar schlechtes Gewissen. Er hatte keine Eier bemalt. Keines der Kinder im Dorf würde in diesem Jahr bunte Eier bekommen. Er stellte sich vor, wie sie suchten und suchten und nichts fanden und dann ganz traurig und enttäuscht sein würden. Henry lief nach Hause. Die Kartons mit den Eiern standen dort noch, aber die Farben waren ganz eingetrocknet. Aber selbst wenn er Farben hätte und die ganze Nacht malen würde, würde er bis morgen nie genug Eier fertig bekommen. Er setzte sich aufs Sofa und dicke Tränen liefen ihm über das Gesicht.

Henry hörte nicht, dass Fabi an die Tür klopfte und erschrak, als sie plötzlich vor ihm stand.
„Henry, was ist los? Wo bleibst du denn? Heute ist doch das große Fußballturnier.“
„Auf Fußball habe ich keine Lust. Ich bin schuld, dass die Kinder im Dorf in diesem Jahr keine Eier bekommen, weil ich den ganzen Winter mit euch gespielt habe, statt sie zu bemalen.“
Fabi sah sich um. „Das sind wirklich viele Eier. Die müssen alle bemalt werden?“
„Ja, das schaffen wir nie. Außerdem ist meine Farbe eingetrocknet.“
„Wir könnten die anderen aus dem Team fragen, ob sie dir helfen.“
„Ach Quatsch. Wer will denn blöde Eier bemalen, wenn er stattdessen Fußball spielen kann? Das macht doch keiner.“
„Ich versuche es trotzdem.“ Fabi machte sich auf den Weg zum Fußballplatz, aber Henry glaubte nicht, dass jemand kommen würde.

Henry hatte sich getäuscht. Eine halbe Stunde später stand nicht nur sein eigenes Team vor der Tür, sondern auch die Tiere vom Stadtwald. Alle hatten ihre Farbkästen dabei. Fabis Mutter brachte Limonade und Sandwiches. Henry konnte es kaum glauben. Noch erstaunter war er, dass alle wirklich großen Spaß beim Malen hatten. Schnell füllten sich die Kartons mit bunten Eiern in allen Farben. Dann schnappen sich alle Tiere Taschenlampen und machten sich dran, die Ostereier im Dorf zu verstecken.
„Das macht fast noch mehr Spaß als das Fußballturnier“, meinte Fabi.
 
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