Der Knochenkrebs

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Cosi

Mitglied
Lieber Wachender über die auditiven Sinnesorgane,
in der Tat wohnt dem Teil was Geheimnisvolles inne.

Rhythmisch habe ich mich aber noch nicht an alles gewöhnt

Prolog

Aus Krako-Müll und struben Teilen
Schöbt er sich ganz wax empor;
Die dumpfen Kameraden weilen
Immer noch im Schlaf-Komfort.

Da regt sich schon im stoken Haufen
Unbeirrt der Knochenkrebs,
Indessen durcheinanderlaufen
Wieseldink und Arbeits-Plebs.

Die Schere zisst sich durch Metalle,
Schleichend wie durch Fleisch und Blut,
Sie teilt und schneidet sie noch alle:
Den Alsoschon, den Tunichtgut.

Akt

Es knackt die Zofel - ruck-da-wack!
Da kennt er kein Erbarmen!
[blue]Warum ab hier immer nur drei Betonungen in der Zweitzeile?
"Da kennt er ..." nimmt m.E. völlig den morbiden Pathos, von dem das Gedicht bislang lebte, heraus.
Irgendwie erwartet man bei diesem Rhythmus was vordergründig Witziges![/blue]
Der Knochenkrebs zerstäubt das Pack,
Hiebt Köpfe von den Armen

Da liegen sie, mit Schnitt und Loch,
Die ganzen Makrophille;
Nur einer klimmt an ihnen hoch
Und hinterlässt nur Stille.

Es ist der Knochenkrebs, ganz klar,
Mit Schweigen als Eskorte,
Verdeckt das Alte immerdar.
Der letzte seiner Sorte.

Epilog

Und an der Spitze angekommen,
Tut er, was nur ihm erlaubt
Sobald der letzte Berg erklommen,
Trennt er sich vom eignen Haupt.
Mir gefiele es viel besser, wenn erst im Epilog auf 4-3-4-3 umgestiegen würde.
Es fällt mir schwer, mein subjektives Gefühl zu begründen.
Dieses 4-4-4-4 des Prologes hat was sehr Feierliches, während 4-3-4-3 m.E. was Abzählreimartiges hat und eher für Kurzgedichte geeignet wäre.

Will sagen:
Es knackt die Zofel - ruck-da-wack!
[strike]Da kennt er[/strike] [blue](palapp-palapp)[/blue] [red]wohnt [/red]kein Erbarmen!
Der Knochenkrebs zerstäubt das Pack,
Hiebt [blue]lapp-pa[/blue] Köpfe von den Armen
gefiele mir persönlich wahrscheinlich besser1
 

Ohrenschützer

Mitglied
Hallo Cosi (mir fällt sicher auch mal was Originelles zu Deinem Nick ein :D),

eine interessante Rückmeldung. Ich verstehe, dass Du Deine subjektiven Assoziationen nur schwer begründen kannst; ich hab länger darüber nachgedacht und versuche es jetzt mal mit meiner Ansicht.

Grundsätzlich unterscheidet sich Akt von Prolog und Epilog im Aufbau. Letztere beiden sind jedoch gleich, womit sie den Hauptteil einklammern. Wenn ich mich richtig erinnerem, habe ich damals zur besseren Herausstreichung die Zwischentitel "Prolog", "Akt" und "Epilog" überhaupt erst eingefügt.

Prolog und Epilog könnte man jeweils zweizeilig von der Silbenbetonung her so darstellen (x = betont, - = unbetont):
Code:
-x-x-x-x-
 x-x-x-x
Im Akt ändert sich die Kadenz: Die erste Zeile endet männlich (betont), die zweite weiblich (unbetont) und noch dazu stumpf, also der letzte Takt ist nicht realisiert und es entsteht dadurch eine zwingende Atempause (hier mit einem Punkt dargestellt):
Code:
-x-x-x-x
-x-x-x-.
Genau diese Atempause fand ich für den Akt aus dramatischen Gründen sehr reizvoll - diesen Aspekt habe ich in der Hörtext-Variante noch auszuweiten versucht, indem ich den gesamten Text sehr langsam und intensiv gesprochen habe. Interessant ist ja, dass die Atempause eigentlich den einzigen Unterschied zwischen Pro-/Epilog und Akt ergibt, wenn man die zwei Zeilen auf eine verdichtet:

Code:
Prolog/Epilog: -x-x-x-x-x-x-x-x
Akt:           -x-x-x-x-x-x-x-.
Wenn man die Atempause - wie es gedacht ist - als unausgesprochene Betonung wahrnimmt, quasi wie eingestreute Rufzeichen, dann kann man den gesamten Text als durchgängige Abfolge von betonten/unbetonten Silben lesen, was ihn über die Strophen und Unter-Teile hinaus wiederum eint.

Um Dein Beispiel aufzugreifen:

Es knackt die Zofel - ruck-da-wack!
Da gibt's kein Zögern noch Erbarmen!
Der Knochenkrebs zerstäubt das Pack,
Hiebt schwere Köpfe von den Armen.

Merkst Du (vielleicht beim lauten Lesen), wie es zwischen Zeile 2 und 3 hakt? Das Problem ist die weibliche Kadenz in Zeile 2, die einen betonten Beginn von der dritten Zeile fordert. Ich bin normalerweise diesbezüglich nicht so kritisch, aber der Text lebt zum großen Teil von Klang und Rhythmus - der für Dich leider "flache" Assoziationen weckt -, der in sich schon sehr ausgewogen ist, wie ich meine. Ich hoffe, ich konnte das einigermaßen gut zeigen. War jedenfalls interessant, darüber nachzudenken. Danke für den anregenden Kommentar. :)

Schöne Grüße,
 

Cosi

Mitglied
Lieber Berufskollege meiner Geldbörse,

wie man jeweils betonen muß, war doch eh klar!

Natürlich haut dein Einwand durchaus hin:
Das Beispiel klänge runder, wäre jedoch sprachlich seltsam, nähme man dem Gliederfüßler seinen unbestimmten Artikel.

Ergo bleibt mir nur der Verweis auf ein Gedicht, wo m.E. der Rhythmus Deines Aktes vorzüglich zum Inhalt paßt:
Hier klicken










Sorry, ich meinte natürlich hier
 

Ohrenschützer

Mitglied
Gott zum Gruße.

Das ist sicher originell und sehr kleidsam, wenn Du Dir die Geldbörsen über die Ohren stülpst, Cosi. Das sollten fan tutte. :D

Ich wollte Deine sprachrhythmisch-analytischen Fähigkeiten durchaus nicht geringschätzen, indem ich so weit ausgeholt habe; vielmehr war es der Versuch, die eigenen wüsten Gedanken einigermaßen zu ordnen und darzustellen. Ich weiß, da werde ich als gelernter Klugscheißer immer ein wenig akademisch. :) Aber es scheint trotzdem angekommen zu sein, was mich freut.

Der gute alte Bruno ist natürlich ein tolles, unterstreichendes Beispiel für die bei Dir anklingende Linie. Vielleicht müssen Dir nur genügend gute unlustige Gedichte mit diesem Schema unter die Augen kommen, dass sich die Assoziation ein bisschen verwischt? Ich werde mal drauf achten, ob es wirklich signifikant ist, so auffällig war es für mich bis dato nicht. Interessant jedenfalls. Schönen Gruß,
 



 
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