Der Krieg, den das Gedicht gegen den Frieden führt, fordert keine Gefallenen, aber Helden

G

Gelöschtes Mitglied 22614

Gast
Hallo Patrick,

Ich bewundere deine Vielfältigkeit und Kreativität. Du überrascht immer wieder.
Hier weiß ich aber nicht so recht, was ich damit anfangen soll/kann. (?)

Wieso sollte ausgerechnet ein Gedicht einen Krieg gegen den Frieden führen sollte, der noch dazu statt Toten Helden hervorbringen könnte? Und dann endet es in so einer kleinmütigen Überlegung vom "Wert der Poesie für das Leben"?
Was hab ich falsch verstanden?

LG
atira
 

Outymier

Mitglied
also, verstehe zwar die meisten Text hier nicht, diesen glaube habe ich schon.. dass die letzte Zeile sagt was gemeint ist. (Ähnliche Texte habe ich ein paar geschrieben, naja vielleicht deshalb meine Vermutung, kann auch falsch sein, bin kein Lyrikprofi, wollte halt im Rahmen meiner Möglichkeiten mal zum Diskurs was beitragen) mfG
 

Ralf Langer

Mitglied
Der Krieg, den das Gedicht gegen den Frieden führt, fordert keine Gefallenen, aber Helden

SCHREIB, schreit er (der Tote)
SCHREIBE ÜBER MICH. (den Toten)
Bestürzt von solch einer Hingabe
(Obwohl ich es lange geahnt hatte)
Überfiel mich jäh das Problem
Vom Wert der Poesie für das Leben.


Hallo Patrick,

ich frage mich des öfteren nach welchen Kriterien ein Autor seine Gedichte unter „experimentelle Lyrik“ veröffentlicht. Ich glaube hier bei dir, ist der Grund, das es für dich als Autor ein Experiment

im Schaffensprozess der eigenen Lyrik ist.


Was solls !


Der Titel ist entweder großartig oder etwas anderes. Habe ich in der form aber noch nicht zu sehen bekommen. Es ist ja ein Aussagesatz im Gewand einer Behauptung, und er operiert mit überdimensional großen und wertekritischen Wörtern, deren Bedeutung ja eigentlich der Determinierung bedarf:


Krieg – Frieden – Gefallene – Helden.

Wow, das ist „heftig“
Ich könnte mir vorstellen das du bei der Niederschreibung dieses Stückes einen real existierenden Dichter vor Augen hattest. SO geht es zumindest mir. Einen Lyriker der im Krieg gefallen sein könnte:
Ich dachte direkt an Trakl,der ja 1914 eingezogen wurde und sich nach einem Nervenzusammenbruch das Leben nahm.So einer Person traute ich die ersten beiden Zeilen deines Gedichtes zu.Wohingegen der Titel und der Rest eher von dir selbst zu stammen scheint.
Der Aufruf über den Toten zu schreiben – wahrscheinlich ein Gedicht- steht hier: Also der Wunsch nach Überdauern, nach Erinnerung und vielleicht nach Sinn?
Und die Frage nach dem Wert der Poesie. Die Frage ist fulminant. Denn sie stellt ja die fRage nach dem Wert von Kunst (in Zeiten des Krieges) überhaupt.

Hm, Wert also. Ich stelle mal die Worte Wert und Preis nebeneinander.
Viele kennen den Preis einer „Sache“ aber nicht deren Wert.

Werte zielen eher nach dem qualitativen, und nach der Bedeutung, denn nach dem meßbar pekunieren. Und wenn man die Frage nach dem Wert mit dem Tod verknüpft wird deren Beantwortung nicht einfacher.

Na, und da bin ich dann schon bei Nietzsche und seiner Frage nach dem Wert der Historie (eigenen Lebensgeschichte) für das (eigene) Leben.

Zitat:

„ Das heißt, wir brauchen sie zum Leben und zur Tat, nicht zur bequemen Abkehr vom Leben und von der Tat, oder gar zur Beschönigung des selbstsüchtigen Lebens und der feigen und schlechten Tat. Nur soweit die Historie dem Leben dient, wollen wir ihr dienen“


Nietzsche


Das erfordert eine Heldentat ?( oder Ausrufezeichen)


Du antwortes t(trefflich), aber darüber muß man streiten schon mit deinem Titel.

Schwere Kost.

Lg
Ralf
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo ihr lieben!

ich sehe, es gibt aufklärungsbedarf. ich werde den text aber noch nicht erklären, weil ich schauen möchte, ob noch jm. in die nähe meiner intention findet. falls nicht, erkläre ich das stück gerne :)

also, bis bald :)
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo elke?

ist der kommentar so gewollt? wenn ja, dann denke ich kommt auch nichts mehr und ich löse den text auf.

lg
patrick
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo lieber Patrick,

oh, das ist mein neuer Kardinalfehler ich muss mich entschuldigen; weil ich mich beim Versuch einer interpretatorischen Annäherung an das Gedicht total verlaufen habe. Beim Tilgen der Spuren vergaß ich dann das Zitat ... Es war aber ein sehr abenteuerlicher Flaniergang.

Ich bin auch sehr gespannt!
Liebe Grüße!
 

ENachtigall

Mitglied
Vielleicht geht es um die Herkunft des Begriffs "Poesie" aus dem Altgriechischen ("Erschaffung") mit Bezug auf Aristoteles und seine Kategorisierung von Texten in die Bereiche Drama, Epos, lyrische Gattungen und das Hineinwirken ins Hier und Heute.

So gesehen ist der LyrTote" immer noch DER Archtyp schlechthin im Gedicht, der am lautesteten danach schreit, "beschrieben" zu werden. Und das LyrIch, ein bisschen altklug bemerkend, das "lange geahnt" zu haben wird überfallen.
Vom Problem vom Wert der Poesie für das Leben.

Das Stück ist sozusagen Drama, Epos und Lyrik in Einem; grotesk, frech, aber auch die tatsächliche Verletzlichkeit der menschlichen Psyche und Physis in ihren Spielarten in Szene setzend.

"Der Krieg, den das Gedicht gegen den Frieden führt" (miss)braucht den/die Toten als Hauptdarsteller; gegenwärtig (Tempus der betreffenden Zeile) und untod agiler als der Alles ausagierende SchreiberIch, der (Imperfekt) eher zurückhaltend reflektierend beisteuert.

Keine Helden in Sichtweite. Keine Augenhöhe. Helden sind eigentlich immer Komplizen. So wie Dub Spencer & Trance Hill. Oder Pech und Schwefel.

Haben wir es hier mit zwei Gefallenen zu tun?
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Der Krieg, den das Gedicht gegen den Frieden führt, fordert keine Gefallenen, aber Helden
SCHREIB, schreit er (der Tote)
SCHREIBE ÜBER MICH. (den Toten)
Bestürzt von solch einer Hingabe
(Obwohl ich es lange geahnt hatte)
Überfiel mich jäh das Problem
Vom Wert der Poesie für das Leben.
Der Anfang greift den alten Grundgedanken auf, daß eine Menge Literatur, von den großen Epen (Ilias, Mahabharata), mit denen das unsterbliche Heldensterbenlied seine Basis breit ausbaut und sich über Jahrtausende fortschreibt, bis in den Gedichtkonzentratgipfel des Horaz "dulc' et decórumst pro patriá morí" - daß also diese Wertschöpfungskette des Todes ein Problem für die Wortkunst darstellt:

1. Welchen Wert für das Leben hat das Besingen dessen, der das Lied nicht mehr hört?

2. Wenn schon nicht für den Gestorbenen oder Getöteten selbst, dann: welchen Wert für das Leben hat das ewige alte Lied über den besungenen Toten in der Erinnerung der Überlebenden, Spätergeborenen und unschuldig Ahnungslosen?

Kurz: Welchen Wert hat die Poesie des Opfertodes für das Leben?

Sowohl als rhetorisch verneinte Frage (in der Moderne, nach zwei Weltkriegen)
als auch im Nachdenken einer literarischen Epen-Reflektion denkbar.

grusz, hansz
 

Tula

Mitglied
Hallo Patrick

Ganz ehrlich, gefällt mir nicht so. Als gedankliches Experiment vielleicht, aber viel mehr ist es in lyrisch-sprachlicher Sicht wohl nicht.

Titel hin Titel her, es geht um Leben und Tod und den Wert darüber zu schreiben. Eigentlich kennen wir das aus den täglichen Nachrichten: der Tod verkauft sich als Sensation besser als die Erhaltung des Lebens.

In der Poesie? - Romantik ist démodé, daran erfreuen sich höchstens die Gänseblümchendichter.
Wenn es um den Frieden geht, dann wirken auch im Gedicht die Schreckensbilder des Krieges. Das widerspräche aber deinem Titel. Ein toter Lyrich ist ein guter Lyrich ;)

Wie dem auch sei, ich ziehe den Hut vor dir und deinem experimentellen Drang, immer wieder etwas Neues zu versuchen.

LG
Tula
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo in die runde

ja, mondnein hat es doch (überraschend klar) getroffen. mensch, das freut mich! man kann es noch spezifizieren; warum hat das vorhandensein des todes, in so vielen gedichten, in der allgemeinen rezension der gedichte, nie den vorwurf der lebensfeindlichkeit, also der hinwendung zum toten, destruktiven, das leben abbauenden und einreißenden wirkung bekommen?

von dieser frage geht der text aus, beantwortet sie aber nicht. ich bin auch nicht dieser meinung. (ich teile als meinung selten, was ich schreibe) die nächste frage, zu der der text führen soll, ist doch diese; warum bewirkt die ästhetische kryptifizierung des todes, ein so tröstendes, gar nicht abbauendes und einreißendes gefühl, bei einem sensiblen leser?

ich müsste mir aus erfahrung also widersprechen, dennoch werde ich, bei mir und einigen anderen dichtern, das gefühl nicht los, es herrscht so etwas, wie ein todesfetisch vor. warum eigentlich? warum gibt sich der tod, als thema, so anschmiegsam, so hingebungsvoll dem gedicht hin?

fragende grüße
patrick
 



 
Oben Unten