Der Lauf der Dinge

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helmut ganze

Mitglied
Der Lauf der Dinge

Die Südseeinsel Vanu Ries
galt früher schon als Paradies
dort lebten Insulaner frei
vom Fischfang und der Angelei
doch das entdeckte wie noch nie
Europas Fischfangindustrie
und fing mit Netzen groß und schwer
den Fischbestand der Insel leer
so kam es, wie es kommen muss
mit Fisch war auf der Insel Schluss
und für die Insulaner dann
brach eine Zeit des Fastens an.

Inzwischen hatte man entdeckt
was sonst noch in der Insel steckt
und der Touristenindustrie
kam der Gedanke, schnell wie nie
da wurden dann ganz ungelogen
viel Europäer hingeflogen
um sich, man kann es kaum noch fassen
vom Inselvolk verwöhnen lassen
so hatte es nach der großer Not
nun wieder auch sein täglich Brot.

Doch zwischenzeitlich hat beim Kunden
Umweltbewustsein stattgefunden
die Erderwärmung macht sie bange
denn sie verspüren schon sehr lange
und das nicht nur ganz nebenbei
dran Schuld sei nur das CO2
das wir mit vielen andren Gasen
hoch in die Atmosphäre blasen
drum heißt es jetzt, sich selbst besiegen
nicht mehr in ferne Länder fliegen
und Urlaub jetzt vor allen Dingen
daheim, zu Hause zu verbringen.

Das freut, stellt sich das wirklich ein
die Umweltschützer allgemein
doch fern von uns im Südseeleben
wird es dann wieder Hunger geben
die Fische weg, Touristen auch
das füllt dann keinen leeren Bauch
wie soll man jetzt vor allen Dingen
der Insel schnellstens Rettung bringen
doch weil der Meeresspiegel steigt
wird das, was andere vergeigt
von der Natur in kurzer Zeit
gelöst für alle Ewigkeit.
So nimmt das Leben seinen Lauf
die Zweifler aber atmen auf.

Heidenau, den 23. 07. 2019
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Helmut Ganze, dein Gedicht befasst sich mit den Widersprüchen der heutigen Welt - Profit machen auf Kosten unterentwickelter Völker. Das ist ein Thema, das mal nicht den Nabel beschaut. Du hast das Gedicht gereimt, ich bin aber sicher, dass es im freien Vers mehr Wirkung gehabt hätte. Und nicht nur als Beobachter ans Thema gehen, wie du es tust, dadurch hat dein Gedicht eher den Charakter einer Dokumentation, sondern einen Menschen von der Insel sprechen lassen, ein Opfer dessen, was du schilderst. So nämlich entsteht leicht der Eindruck des Von-oben-Herab des Europäers gegenüber dem hilflosen "Eingeborenen". Das wäre meiner Ansicht nach viel wirkungsvoller und würde auch dem lyrischen Gedanken entgegenkommen.

Das Gedicht ist im Metrum des Jambus mit vier Hebungen geschrieben. Beides hältst du sehr gut ein. Ich habe aber noch ein paar Kleinigkeiten anzumerken:

S2V3 Hier würde ich den gebräuchlichen Begriff "Touristikindustrie" statt "Touristenindustrie"
vorziehen.

S2V8 Hier fehlt dir ein "zu" = sich verwöhnen zu lassen. Es ist eine Infinitivkontruktion mit "zu". Da bist du mit den Senkungen nicht hingekommen, nicht? Hättest du ruhig einfügen können, denn du kannst auf einen Takt bis zu vier unbetonte Silben unterbringen, ohne dass der Jambus zerstört wird.

S3V2 Hier brichst du aus dem Jambus mit dem auf der ersten Silbe betonten Wort "Umweltbewusstein" aus (übrigens mit Doppel-s).

Du siehst, es ist nicht viel, was verbesserungswürdig wäre.
Aber ich würde mir einen anderen Titel wünschen. "Der Lauf der Dinge" ist einfach zu abgelatscht.

blackout
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Hallo, black out,

vielen Dank für deine kritische Betrachtung meines Gedichtes.
Ich wollte auf die Verantwortung der westlichen Welt für die Menschen in unseren Urlaubsparadiesen hinweisen.
Vor kurzem sah ich im TV einen Bericht über die Insel Komodo.
Dort fangen die Insulaner auch nicht mehr genügend Fisch um zu überleben. Sie sehen im Tourismus ihre einzige Möglichkeit, ihre Existenz zu sichern.
Wenn wir Europäer nun nicht mehr in den Urlaub fliegen sollen, haben wir ein Problem ganz aktuell durch die -friday for future- Bewegung der jungen Generation. Es wird in nächster Zeit verstärkt auf uns zu rollen. es ist also aktuelle Zukunftsmusik.
Übrigens, deine Anmerkungen zum Text haben mich beim Reimen auch schon verunsichert. Du hast recht.

Liebe Grüße, Helmut
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Helmut Ganze, ja, wir Wohlstandsdeutschen haben eine Verantwortung. Die wir aber nicht wahrnehmen, auch dann nicht, wenn wir ein wenig Geld durch den Tourismus ins Land bringen. Touristik als einziges Äquivalent für die ausgefallene Ernährungsbasis Fischfang macht gerade die gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen dieser Länder zunichte. Die dortigen Gesellschaften lösen sich durch den (Massen)-Tourismus auf. Am Ende bleibt immer die Zerstörung dieser Länder. Was unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen Europas dagegen zu tun wäre, ist aus meiner Sicht einzig die Erkenntnis, dass man diese Länder zumindest in Ruhe lassen sollte. Irgendwas zu raten ist schwierig.
Gerade an deinem Beispiel der Insel zeigt sich ganz deutlich das Destruktive der Politik der kapitalistischen Hauptmächte gegenüber den an der industriellen Entwicklung nicht oder kaum beteiligten Ländern. Es wird keine Ruhe geben, und zwar so lange nicht, bis der letzte Winkel der Welt sich dem Profitstreben untergeordnet hat und seine Ressourcen bis auf die letzte Krume ausgebeutet sind. Das ist eine traurige Aussicht, aber die einzige Konsequenz, die unter unseren politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen überhaupt zu erwarten ist. Dagegenhalten - ja, aber wie?

blackout
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Hallo black out.
Entgegenhalten, ja, aber wie.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten.
Wir fliegen weiter und retten die Insulaner, machen dabei unser Nahziel der CO2 Vermeidung unmöglich oder wir fliegen nicht mehr mit dem gegenteiligen Effekt. An letzteres glaube ich aber nicht, da niemand den Mut hat, selbst eine Kerosinsteuer für Inlandflüge einzuführen. Dieses würde die eine Million Dienstflüge für Regierungsbeamte zwischen Bonn und Berlin verteuern, das ist aber nicht gewollt.
Es wird also wiederum nichts passieren.

Liebe Grüße, Helmut
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Vor einigen Jahren lief im Fernsehen ein interessanter Beitrag über Umweltbelastung in der Natur.
Es ging um ein kleines Eichenwäldchen in der Nähe von Rom. Dessen Eichen wurden von Eichenprozessionsspinnerraupen heimgesucht. Es ging so weit, dass alle Eichen mit diesen Schädlingen befallen waren. Die Eichbäume wurden regelrecht kahl gefressen. Jeder bangte um das Schicksal der Bäume.
Da die Population der Seidenspinnerprozessionsraupen stetig zu nahm, waren eines Tages keine Blätter mehr da und die Raupen verhungerten regelrecht und lagen dann zentimeterhoch tot zu Füßen der Bäume. Niemand wusste, was weiter hin mit dem Eichenwäldchen geschehen wird. Aber, oh Wunder, im nächsten Frühjahr trieben die Eichen wieder aus und neue Blätter wuchsen auf den Bäumen. Die Natur hatte über Überpopulation der Schädlinge gesiegt.
Was sagt uns das?
Die Menschen müssen lernen, mit der Natur sorgsam umzugehen, um überleben zu können. Zur Zeit bräuchten wir schon zwei Erden für unsere Verschwendung der Ressourcen der einen Erde, die wir nur haben.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
So kann es auch gehen, Helmut, die Natur hilft sich selbst, ein schönes Beispiel.

Aber darum geht es doch beim Thema Umweltzerstörung gar nicht. Es geht um das Eingreifen des Menschen in die Natur.
Und wenn ich von "Menschen" spreche, dann sind die großen Konzerne gemeint, die jede Ressource der Natur als ihr Privateigentum ansehen, sie ausbeuten und damit Natur zerstören. Die gegenwärtige Gesellschaftsordnung des Kapitalismus basiert auf der Plünderung der Ressource Natur, die der ganzen Menschheit gehört. Wir protestieren zwar dagegen, können aber den Geburtsfehler des Kapitalismus auf diese Weise nicht ändern - er benötigt die Natur, um ständig neue Profite zu erlangen. Tja, und jetzt sollte zumindest ein großes Rätselraten beginnen, wie man den Konzernen beibringen kann, die Güter der Erde in Ruhe zu lassen.

blackout
 



 
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