Der magnetische Krake, der gelbe Prinz und die Frau der Morgenröte

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Plejadus

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Pelegrino klappte das Buch zu und schaute auf.
"Nun, Kinder, wie hat Euch meine Geschichte gefallen?"
Seine Zuhörer schwiegen zunächst. Dann meldete sich ein Mädchen zu Wort:
"Ich fand die schon toll, aber ich verstehe nicht ganz, weshalb der gelbe Prinz auf dem Feuerpferd am Ende die Frau der Morgenröte auf das Pferd gehoben hat und die beiden dann in die Wolke geritten sind? Man kann doch auf einer Wolke gar nicht reiten, da fällt man doch hindurch!"
Pelegrino schaute das Mädchen an und antwortete sofort: "Ja, ganz recht, er ist mit dem Feuerpferd und der Frau der Morgenröte zusammen auf die Wolke zugeritten und in sie hineingesprungen. Aber warum denkst du, sie wären dort geritten? Es ist das Ende der Geschichte, der Sprung des Prinzen mit dem Feuerpferd in die Wolke. Das ist genau das Ende der Geschichte. Wären sie in der Wolke geritten oder hätten es versucht, was dir ja so undenkbar erscheint, na, dann wäre dies eben das Ende der Geschichte gewesen oder vielleicht noch nicht einmal das. Doch es ist ja nicht so."
Das Mädchen schien damit ganz zufrieden. Jedenfalls begnügte es sich mit Pelegrinos Worten und stellte keine Nachfragen. Solche schlossen sich aber auch durch die Antwort aus, was vielleicht der eigentliche Grund war, weshalb das Mädchen stumm blieb.
"Der Prinz liebt die Frau der Morgenröte nicht!", rief ein Junge aus der hinteren Reihe, und das klang nun sehr übermütig: "Warum rettet er sie dann vor der magnetischen Krake und riskiert dabei sein Leben?"

Pelegrino nahm einen Schluck Wasser.

"Weißt du, das hast du gut beobachtet. Du hast sehr aufmerksam zugehört und verstanden, dass der gelbe Prinz die Frau der Morgenröte nicht liebt. Übrigens liebt sie ihn auch nicht. Es ist überhaupt so, dass in meiner Geschichte niemand irgend jemanden liebt, oder besser gesagt: Die Geschichte spielt jenseits der Liebe, verstehst du? Hier ist die Liebe, dort, an jenem Ort, an welchem meine Geschichte spielt, nicht. Das bedeutet nun nicht, das man sich nicht rettete, sich nicht an die Hand nähme oder einander Geschenke machte, nein, keineswegs. All dies findet, wie ihr ja gehört habt, statt."
Hier tat Pelegrino eine Pause, eine sehr kurze Pause und eine sehr bedeutsame. Dabei wandte er seinen Blick dem Mädchen zu, welches zuvor gefragt hatte.
"Durch die Liebe fällt alles hindurch, die Liebe rettet keinen."
Die Kinder schienen sich schwer zu tun, ihn zu verstehen, Sprachlosigkeit machte sich breit, schließlich hob Gemurmel an. Pelegrino wartete noch eine Weile, doch als er begriff, dass das Gemurmel und die Unruhe unter ihnen beständig zunahmen, wurde es ihm zu bunt, und er herrschte ein 'Ruhe!' in die Runde, das überaus zornig und ungehalten erscholl und im Nu seine Wirkung tat.
"Glaubt ihr, Kinder, eigentlich, dass die Furcht Kinder hat? Sie hat drei: die Liebe, die Hoffnung und die Sehnsucht. Der gelbe Prinz ist ohne Furcht, so kennt er auch deren Kinder nicht, und nicht einen Augenblick lang muss er sich durch das Dornengestrüpp der Liebe, der Hoffnung und der Sehnsucht kämpfen, zu wissen, dass er die Frau der Morgenröte vor der magnetischen Krake retten muss - nicht einen Augenblick!!"
Pelegrino sprach diese Worte hart aus, es war ihm nicht daran gelegen, pastellen zu schwatzen, nur, da die Ohren seiner Zuhörer Menschen angehörten, die noch nicht lang in diese Welt hinein gehorcht hatten. Er spürte in all ihren Fragen, in all ihren Blicken, in all ihrem heimlichen Murmeln etwas, dass ihn ungnädig gegen sie machte. Ihre Gewohnheiten, ihre Erwartungen hatten für ihn etwas greisenhaftes, dass ihm Ekel verursachte, Ekel, den er im Zaume zu halten sich redlich mühte. Nur zu groß war die Gefahr, blind und unterschiedslos herzufallen auf Wesen, die sich im Grunde voneinander unterschieden, wie alles im Universum.
"Aber was befindet sich nun in der Wolke, Sir?", fragte ein anderes Mädchen.
Pelegrino erhob sich von seinem Stuhl, nahm das Buch an sich und strebte zur Tür. Als er sie erreicht hatte, wandte er sich noch einmal um und blickte es an:
"In der Wolke, mein Liebes ... in der Wolke befändest du dich, mitsamt deines Nebelstocherers, mitsamt deiner Hoffnung - wenn es sie denn gäbe."
Dann eilte er ins Freie, dem Gestade des Sees zu und schwang sich in seinen tapferen Nachen.
Mit festen starken Schlägen schob sich das Boot durch das ufernahe Seerosenfeld, das Gewölk tanzender Mücken durchschneidend, dem offenen stillen Gewässer zu. Wissend, wohin es ihn tragen würde, schaute Pelegrino über die träge auseinanderstrebenden Wellen auf den Tod.


[ 4]
 

Scorpio

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Lieber Plejadus,

also, ich frage mich schon, wer ist der, der die Geschichte erzählt? Ein Geschichtenerzähler für Kinder - und die sind hier offensichtlich Publikum - würde niemals so hochgeistige philosophische Fragen an Kinder stellen. Ist doch überhaupt nicht zielführend.
Den letzten Satz......... "schaute auf den Tod" verstehe ich nicht. Warum? Für mich ergibt das keinen Sinn. Weiß schon, "offenes Ende und so".... in Kurzgeschichten, aber mir fehlt irgendwie eine Verbindung oder ein Grund.

Ansonsten gibt es einige Rechtschreib- und Dass/Das-Fehler, die du beim nochmaligen Lesen sicher findest.

Freue mich, noch mehr von dir zu lesen, denn Phantasie und Talent für schöne Wortkreationen hast du ja.

Liebe Grüße
Scorpio
 

Plejadus

Mitglied
Hallo Frau scorpio,

Sie haben offensichlich keinen Zugang gefunden zu der hier hingetippten Kurzgeschichte.
Ganz offensichlich hat Sie ein gewisses Unbehagen befallen und Sie zu Ihren Fragen und Anmerkungen veranlasst.
Ich kann nur sagen, Frau scorpio, dass mir das auch bisweilen so geht: Ich finde einfach keinen Zugang!
Als schriebe jemand etwas, nur, um mich vom Zugang fernzuhalten!

Wissen Sie, Frau scorpio, was ich dann mache, sage, denke?
Ich mache, sage, denke erst mal gar nichts und probiere [mich] zu hinterfragen, ob's v'lleicht NICHT daran lag, dass es keinen [Zugang] gegeben hat, sondern v'lleicht daran, dass ich ihn einfach, mensch, nicht finden konnte?
Also, war mein Suchen murks oder war's, weil's nichts zu finden gab?
Das ist immer so - verdammt.
Es scheint, als ob sich manchmal diese Hure Realität einfach nicht an die Spielregeln hält ...

Vielen Dank fürs Vorbeischauen!
- Plej.
 

Val Sidal

Mitglied
@Plejadus

Ein inspirierender Text, den du vorgelegt hast, Plejadus.
Die Szenerie, die Situation und starke Bilder bereiteten mir großes Lesevergnügen.

Paar kleine Hinweise – Geschmackssache – will ich doch anmerken:
"Nun, Kinder, wie hat Euch meine Geschichte gefallen?"
  – würde ich gewinnbringend und verlustfrei streichen, denn aus dem weiteren Verlauf wissen wir, dass es Pelegrino nicht ernstahaft interessiert, ob die Geschichte der Kindern gefallen hat, wäre also bloß eine Floskel. Doch Pelegrino, der auf den Tod schaut, verschwendet sicher keine Zeit und Energie auf Floskeln.
Das ist genau das Ende der Geschichte.
– Wäre „Das genau ist das Ende der Geschichte!“ nicht schöner?
und hier
na, dann wäre dies eben das Ende der Geschichte [blue]gewesen – oder [/blue]vielleicht noch nicht einmal das. Doch so ist es ja nicht."
Das Mädchen schien damit ganz zufrieden. Jedenfalls begnügte es sich mit Pelegrinos Worten und stellte keine weitere [red][strike]Nach[/strike][/red]Fragen.
– Nachfragen stellt man nicht ...
Hier tat Pelegrino eine Pause, eine sehr kurze Pause und eine sehr bedeutsame.
– Wäre sowas wie „Für eine sehr bedeutsame Pause hielt Pelegrino kurz inne.“ oder "Für einen Augenblick machte Pelegrino eine. sehr kurze und bedeutsame Pause." nicht kompakter?
Die Kinder schienen sich schwer zu tun, ihn zu verstehen,
– Wäre hier „Die Kinder schienen ihn nicht zu verstehen.“ nicht genügen?

Wenn meine Bemerkungen der Intention des Textes nicht gerecht wurden, dann – Pardon.
 

Plejadus

Mitglied
[ 4]




Pelegrino klappte das Buch zu und schaute auf.
"Nun, Kinder, wie hat Euch meine Geschichte gefallen?"
Seine Zuhörer schwiegen zunächst. Dann meldete sich ein Mädchen zu Wort:
"Ich fand die schon toll, aber ich verstehe nicht ganz, weshalb der gelbe Prinz auf dem Feuerpferd am Ende die Frau der Morgenröte auf das Pferd gehoben hat und die beiden dann in die Wolke geritten sind? Man kann doch auf einer Wolke gar nicht reiten, da fällt man doch hindurch!"
Pelegrino schaute das Mädchen an und antwortete sofort: "Ja, ganz recht, er ist mit dem Feuerpferd und der Frau der Morgenröte zusammen auf die Wolke zugeritten und in sie hineingesprungen. Aber warum denkst du, sie wären dort geritten? Es ist das Ende der Geschichte, der Sprung des Prinzen mit dem Feuerpferd in die Wolke. Das genau ist das Ende der Geschichte. Wären sie in der Wolke geritten oder hätten es versucht, was dir ja so undenkbar erscheint, na, dann wäre dies eben das Ende der Geschichte, vielleicht noch nicht einmal das. Doch es ist ja nicht so."
Das Mädchen schien damit ganz zufrieden. Jedenfalls begnügte es sich mit Pelegrinos Worten und stellte keine weiteren Fragen. Solche schlossen sich aber auch durch die Antwort aus, was vielleicht der eigentliche Grund war, weshalb das Mädchen stumm blieb.
"Der Prinz liebt die Frau der Morgenröte nicht!", rief ein Junge aus der hinteren Reihe, und das klang nun sehr übermütig: "Warum rettet er sie dann vor der magnetischen Krake und riskiert dabei sein Leben?"

Pelegrino nahm einen Schluck Wasser.

"Weißt du, das hast du gut beobachtet. Du hast sehr aufmerksam zugehört und verstanden, dass der gelbe Prinz die Frau der Morgenröte nicht liebt. Übrigens liebt sie ihn auch nicht. Es ist überhaupt so, dass in meiner Geschichte niemand irgend jemanden liebt, oder besser gesagt: Die Geschichte spielt jenseits der Liebe, verstehst du? Hier ist die Liebe, dort, an jenem Ort, an welchem meine Geschichte spielt, nicht. Das bedeutet nun nicht, das man sich nicht rettete, sich nicht an die Hand nähme oder einander Geschenke machte, nein, keineswegs. All dies findet, wie ihr ja gehört habt, statt."
Hier tat Pelegrino eine Pause, eine sehr kurze Pause und eine sehr bedeutsame. Dabei wandte er seinen Blick dem Mädchen zu, welches zuvor gefragt hatte.
"Durch die Liebe fällt alles hindurch, die Liebe rettet keinen."
Die Kinder schienen sich schwer zu tun, ihn zu verstehen, Sprachlosigkeit machte sich breit, schließlich hob Gemurmel an. Pelegrino wartete noch eine Weile, doch als er begriff, dass das Gemurmel und die Unruhe unter ihnen beständig zunahmen, wurde es ihm zu bunt, und er herrschte ein 'Ruhe!' in die Runde, das überaus zornig und ungehalten erscholl und im Nu seine Wirkung tat.
"Glaubt ihr, Kinder, eigentlich, dass die Furcht Kinder hat? Sie hat drei: die Liebe, die Hoffnung und die Sehnsucht. Der gelbe Prinz ist ohne Furcht, so kennt er auch deren Kinder nicht, und nicht einen Augenblick lang muss er sich durch das Dornengestrüpp der Liebe, der Hoffnung und der Sehnsucht kämpfen, zu wissen, dass er die Frau der Morgenröte vor der magnetischen Krake retten muss - nicht einen Augenblick!!"
Pelegrino sprach diese Worte hart aus, es war ihm nicht daran gelegen, pastellen zu schwatzen, nur, da die Ohren seiner Zuhörer Menschen angehörten, die noch nicht lang in diese Welt hinein gehorcht hatten. Er spürte in all ihren Fragen, in all ihren Blicken, in all ihrem heimlichen Murmeln etwas, dass ihn ungnädig gegen sie machte. Ihre Gewohnheiten, ihre Erwartungen hatten für ihn etwas greisenhaftes, dass ihm Ekel verursachte, Ekel, den er im Zaume zu halten sich redlich mühte. Nur zu groß war die Gefahr, blind und unterschiedslos herzufallen auf Wesen, die sich im Grunde voneinander unterschieden, wie alles im Universum.
"Aber was befindet sich nun in der Wolke, Sir?", fragte ein anderes Mädchen.
Pelegrino erhob sich von seinem Stuhl, nahm das Buch an sich und strebte zur Tür. Als er sie erreicht hatte, wandte er sich noch einmal um und blickte es an:
"In der Wolke, mein Liebes ... in der Wolke befändest du dich, mitsamt deines Nebelstocherers, mitsamt deiner Hoffnung - wenn es sie denn gäbe."
Dann eilte er ins Freie, dem Gestade des Sees zu und schwang sich in seinen tapferen Nachen.
Mit festen starken Schlägen schob sich das Boot durch das ufernahe Seerosenfeld, das Gewölk tanzender Mücken durchschneidend, dem offenen stillen Gewässer zu. Wissend, wohin es ihn tragen würde, schaute Pelegrino über die träge auseinanderstrebenden Wellen auf den Tod.


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Plejadus

Mitglied
Hallo valS,

vielen Dank für die Textbeschäftigung.

Ich habe einige Deiner Anregungen eingearbeitet, andere nicht, da sie in meinen Augen keine Mehrwert erzeugen. Insbesondere:

"Nun, Kinder, wie hat Euch meine Geschichte gefallen?"
scheint mir mindestens aus texttechnischen Erwägungen wichtig; hier soll gleich und unmissverständlich die Ausgangssituation benannt sein. Im übrigen ist Ps Erwartung den Kindern gegenüber (jedenfalls hoffe ich, dass dies bemerkt wird) nicht per se gleichgültig, vielmehr ambivalent bzw. scheint P auf irgendeine Weise unfähig mit der Resonanz umzugehen.

Vieles ist sicherlich letztlich eine Frage des 'Geschmacks', wiewohl ich andererseits mit der geschmacklichen Einordnung sehr dosiert walte, da sie auch eine Form der subjektiven Beliebigkeit schafft.
Übrigens, es ist überaus charmant 'Pardon' zu geben, doch gleichermaßen unnötig, sich für Anregungen und Einschätzungen zu entschuldigen, für die ich stets -wie immer sie auch daher kommen - dankbar bin.

IdS
- Plej.
 



 
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