Der Mann, der den Dritten Weltkrieg auslöste

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Plejadus

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ERSTES KAPITEL
Begegnung und Gespräch mit dem Mann, der den Dritten Weltkrieg auslösen wird


Da sind die Opfer und die Gaffer.
Und eine Mischform. Ich nenne sie die Neutralen. So ist es immer in einem Café. Es benötigt keinen Saal mit Wandschränken und abertausenden von Ablage-Einheiten. Es benötigt nur eine handliche, kleine Reisekommode mit genau drei Laden.
Zuoberst werden die Gaffer geladen. Ich zum Beispiel bin ein Gaffer. Ich hocke in Cafes herum und bin ausschließlich damit beschäftigt, andere im Café oder seinem Umfeld zu beobachten.
In der mittleren Position findet jene unentschlossene Mischform ihren Platz, also die, welche hin und wieder beobachten, dieses Tun jedoch verlässlich nach einiger Zeit aufgeben und in die Opferrolle zurückfallen, mithin denen gleichen, die zuunterst einsortiert sind, also den Opfern.
Jene fallen nie zurück. Wohin sollten sie auch? Sie sind stets nur eines: Subjekte der Betrachtung durch andere, welche nicht ihrer Art. Natürlich beobachten sich auch Gaffer bisweilen gegenseitig. Das ist etwas kurios und kann zweierlei bewirken.
Entweder ereignet sich die Neutralisation eines der Gaffer, was zu seiner sofortigen Umsortierung führt. Oder sie erkennen einander und wenden ihre Blicke ab. Der hektisch-nervöse Typus Gaffer verlässt auch schon mal das Café nach einem solchen Clash.
Seinetwegen werde ich mir allerdings keine größere Kommode anschaffen.

Konstantin wäre auch freiwillig in die unterste Lade gesprungen.
Er war mir in den Blick geraten, drei Tische weiter im Biergartenbereich des Cafe "Schwan", das wohl deswegen seinen Namen trug, weil man hier auf einen benachbarten Tümpel schauen konnte, auf welchem die zwei vorhandenen Schwäne all zu gern kreuzen würden. Es reichte aber nur zu einem trostlosen Dümpeln. Ein Umstand, der es auf bedeutende Weise vermied, sich mit der Anmut dieser majestätischen Tiere zu einem harmonischen Bild zusammenfügen zu wollen. Andererseits wäre der Tümpel ohne die Vögel zu einem grässlichen Wasserloch verkommen. Und es war schwer vorstellbar, dass sich jemand an die Tische einer Schänke gesetzt hätte, die "Zum grässlichen Wasserloch" oder gar "Versunkener Schwan" benannt wäre.
Ich nicht, und auch nicht Konstantin.
Konstantin saß vor einem Apfelsaft und las ein Buch, ohne davon aufzuschauen. Eine klassische Opfer-Pose. Dass sein Name auf Konstantin lautete, wie ich ja später erfuhr, schien mir zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Er hätte Sven, John oder Samuel heißen müssen. Vielleicht Ben.
Konstantin passte genau so auf ihn, wie die Schwäne auf den Tümpel; vielleicht hatten sich seine Eltern vor der Namensfindung dem Einfluss einer Droge ausgesetzt, welche jene Regionen des Hirns manipulieren, die für die angemessene Kombination von Buchstaben verantwortlich sind.
Sein vermutliches (und sich später als korrekt erweisendes) Geburtsjahr stützte eine solche Spekulation. Ich taxierte das Jahr 1969, und es sollte sich um einen Volltreffer handeln. Konstantin, da mußte man sich fügen, Konstantin entsprach auch vom Phänotyp dem klassischen Opfer. Er war unauffällig und sorgsam gekleidet - adrett, wie man dazumal zu sagen pflegte - , etwas dicklich (aber nicht fett), trug das noch vorhandene Haar weder kurz noch lang und bewegte sich, als gelte es, sich allzeit zu dosieren.
Im krassen Widerspruch dazu befand sich in seinem Gesicht eine gewaltige, rot-grünlich marmorierte Brille (mittlerer Stärke), geschaffen, noch den letzten Rest schamhaft überstehender Kontur aufzusaugen.
Ich blickte hier auf einen Prototypen des Untergeschosses meiner imaginären Kommode und tat, ja musste tun, was ich sonst eher ließ. Ich schlüpfte in die dritte und fand mich: 'Was ist denn das für eine interessante Lektüre?' - fragend an seinem Tisch wieder.
Konstantin las ein Fachbuch über Mykologie, dass sich mit der Bedeutung und Auswirkung der Pilze auf das globale Ökosystem auseinandersetze. Es entspann sich ein munteres Gespräch und er behauptete, alle Pflanzen und Tiere, also auch der Mensch, wären im Grunde nichts, als der angelegte Vorgarten der wahren, dominierenden Spezies auf Erden, der Pilze nämlich, die uns hielten wie Nutten und Sklaven. Außerdem wären Pilze Schöpfer der erhabensten Kunst des Universums. Man müsste nur mal im Herbst den Wald aufsuchen, ohne gebutterte Bratpfanne im Kopf.
All dies erzählte er mir mit wachsender Begeisterung und es war schön, anzuschauen, wie ein solchermaßen unauffälliges Geschöpf sich mit jener waghalsiger Rede aus der Lade beugte.
Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass im Kunstverein eine Ausstellung zeitgenössischer Plastik eines allgemein gefeierten Sculpteurs stattfände und schlug vor, sich diese einmal näher anzuschauen. Konstantin hielt das für eine tolle Idee und so machten wir uns auf.


ZWEITES KAPITEL
In der Kunstausstellung mit dem Mann, der den Dritten Weltkrieg auslösen wird


Der Künstler hieß Thomas F. Kreuzdorffler und die Räume des Kunstvereins waren ausnahmslos von seinen bronzenen Werken erfüllt, d.h. in aller Regel von einem seiner Werke, zentral in der Mitte des Raums platziert. Sie trugen Titel wie "Ohnmacht", "Heil", "Zentrifuge" oder "Abscheu". Gemeinsam war ihnen ihre Keulenform, wobei sie mir der Verdickung himmelwärts auf einem quaderförmigen Sockel ruhten. Ihre Strukturen waren individualisiert, einige zerfaserten keulaufwärts, anderen wuchsen die unterschiedlichsten Applikationen aus dem Leib, wieder andere trieben ihr Spiel mit den Gegensätzen rund und eckig und so fort.
Kreuzdorffler ließ im Katalog vernehmen, dass seine Objekte nichts Geringeres als Raumkolben darstellten und als solche auch benannt werden sollten. Sie seien geschaffen, hieß es, im Mittelpunkt einer räumlichen Situation platziert, diese zu prägen.
Konstantin und ich standen vor der Verwirrung. Konstantin, dessen Kopf etwa auf Mitte des Kolbens endete, starrte das Werk mit seiner Absorber-Brille an. Ich fragte ihn, was er angesichts dieser Plastik gerade erlebte.
"Ich denke, es sieht aus wie eine Herkuleskeule im Endstadium", sagte er, "ungenießbar aber nicht giftig."
Und dann stellte er mir diese sinnlose, aber stets gern aufgebrachte Frage, ob ich glaubte, dass es sich um Kunst handeln würde.
"Ja, um die Nutten- und Sklaven-Kunst", gab ich süffisant zurück, "jedenfalls solange, bis wir den Raum verlassen. Ist der Kolben mit sich allein, findet keine Kunst statt. Ich denke sowieso, dass Kunst, die ja im Auge des Betrachters entsteht, aufgewertet werden könnte, dadurch, dass man das Werk bespuckt oder, besser noch, ihm sein Mageninhalt entgegen schleudert. Das sind Brücken der Heiligsprechung und nachhaltige Kommunikationsformen."
Konstantin lachte und verstand: "Vielleicht pinkeln wir mal gegen den Sockel. Die allgemeine Verwirrung würde mit Sicherheit plastisch greifbar."
Wir erwanderten den Rest der Ausstellung und erfanden noch manchen Weg, Kreuzdorfflers Kolben zu schmieren und deren Prägnanz zu exponieren. Schließlich setzten wir uns ins Cafe "Künstlich", entspannten uns und fühlten uns wie ein Gaffer und ein Opfer, wenn sie davon, es zu sein, urlauben.


DRITTES KAPITEL
Telefonat mit dem Mann, der den Dritten Weltkrieg auslösen wird


Die Tage gingen ins Land. Tage, an denen ich nichts von Konstantin hörte.
Wir hatten beim Abschied vor den ehrwürdigen Hallen des Kunstvereins unverbindlich die Telefonnummern getauscht. Ich hatte einige Male versucht, ihn zu erreichen, was nie gelang. Er schien mich vergessen zu haben.
Doch dann, eines Abends, rief er mich an.
Ich kann mich noch fast an jedes Wort erinnern, Gaffer verfügen über ein geschultes Gedächnis:

Ich bin´s, Konstantin!

Grüß Dich! Fein, dass Du Dich mal meldest.

Ich rufe an, weil ich demnächst verreise, aber vor allem, um mich bei Dir zu bedanken. Du hast mir das letzte Puzzlestück geschenkt...

Puzzlestück? Wovon sprichst Du eigentlich?

Erinnerst Du Dich noch, als wir vor Kreuzdorfflers Verwirrungskeule standen? Von wegen "Verwirrung"! Mir wurde da reinste Klarheit zuteil, als Du zu reden anfingst über den Umgang mit Kunst und wie er zu steigern sei.

Ja - und?

Du weißt, ich forsche über Pilze und du kennst meine Ansicht über deren ungeheure Bedeutung. Ich habe herausgefunden, wo sich, wenn du so willst, der Gott der Pilze befindet, in Kanada nämlich. Ich weiß, dass dieser Pilz einen gewaltigen, entscheidenden Einfluss ausüben kann. Er kann Prozesse anstoßen, die das gesamte Universum umstülpen. Komplizierte Prozesse, Prozesse universaler Kunst. Seine Fruchtkörper erscheinen dieser Tage, fahl-rosane eher unauffällige Gebilde, nicht unähnlich unserem Tintling. Aber er ist es...

Der Gottpilz? Aber ich bekomme die Brücke zu mir und Kreuzdörffler nicht auf den Schirm..

Die Brücke ist, dass mir nun klar ist, auf welche Weise ich mit dem Pilz in Kontakt treten kann. Verstehst Du? Jetzt weiß ich es! Ich werde ihn verspeisen, woraufhin mir nach ca. drei Minuten speiübel werden wird. Ich werde mich sodann auf genau der Stelle erbrechen, an welcher ich den Pilz aus dem Boden schraubte.

Und dann?

Ja dann...dann wird nach meinen Berechnungen so etwas wie der Dritte Weltkrieg beginnen. Das quasi-neurale Mycelsystem des Pilzes wird in Kommunikation mit anderen Organismen, auch pflanzlichen und tierischen, die er für seine Zwecke benutzt, treten.


Dritter Weltkrieg, Konstantin?!

Gewissermassen ja. Du darfst es Dir nicht als großen Knall vorstellen, es wird alles sehr langsam, schleichend, nach Pilzart eben von Statten gehen. Es ist so, als verböte der Pilz von nun an die Prostitution, als schaffe er die Sklaverei ab.
Es fehlt nur der Anstoß. Ich fliege morgen nach Vancouver.


Ist Dir da eigentlich klar, was Du da sagst und tust?

So klar, als säße ich mit Dir in einem Raum vor einer Kreuzdorfflerischen Erleuchtungskeule. Es wird sich eine Art kosmischer Neustart ereignen, aber keine Sorge, das Nicht-Sein ist nur eine Pausierung des Seins und umgekehrt, wir sollten uns keine Sorgen machen, im Gegenteil.
Ach ja, Du bist der einzige, der davon erfährt. Und erfahren wird. Ich werde nicht zurückkehren.


Du bleibst in Kanada?

Wird sich schwerlich verhindern lassen. Der Pilz ist hochtoxisch, so giftig, dass davor selbst unser Weißer Knollenblätterpilz erbleichen würde, wenn er denn könnte.

Du opferst Dich?

Ich würde das so nicht formulieren. Ich schreib´ Dir noch ne Postkarte, wenn ich angekommen bin. Mach´s...

Hier beendete Konstantin das Gespräch. Das gut war vom Klacken des Abrissgeräusches zerteilt worden. In meinem Hirn schwirrte eine unüberschaubare Anzahl wirrer, unklarer Gedanken umher und es war völlig undenkbar, auch nur einen von ihnen zu fassen.


LETZTES KAPITEL
Eine Postkarte von dem Mann, der den Dritten Weltkrieg ausgelöst hat


Ich sitze im "Schwan", um mich herum einige Neutrale.
Von einem von Wolken unbefleckten Himmel scheint die Sonne. Scheint auf den "Schwan", scheint auf die Neutralen, scheint auf die Postkarte vor mir auf dem Tisch.
Sie zeigt eine Gebirgslandschaft, zeigt Wald, zeigt Fluß, zeigt schneebedeckte Gipfel im Hintergrund.
Auf ihrer Rückseite steht: "Ich gehe jetzt zu ihm. Danke. Konstantin"

Die Karte ist vor vier Tagen abgestempelt worden. Der Dritte Weltkrieg hat begonnen.
Ich habe Konstantin aus der untersten Lade genommen. Es wäre ein Scherz gewesen, ihn dort zu belassen. Meine Kommode ist kein Scherzartikel. Konstantin liegt oben auf der Kommode, er kann nicht zurückfallen.
Zwei Tische weiter hat sich ein älterer Herr vor seinen Mokka gesetzt, er tippt unablässig auf seinem Smartphon herum. Ob er ahnt, dass ich ihn bereits ganz unten einsortiert habe?

Jetzt erst fällt mein Blick auf den Tümpel. Er ist nur noch ein grässliches Wasserloch.


*
 

Gollum

Mitglied
Hallo Plejadus,

prinzipiell gefällt mir deine Geschichte, weil du es schaffst eine gewisse Atmosphäre zu erzeugen.

Der Protagonist/Erzähler bleibt blass. Ich versteh nicht, was die Schubladen eigentlich sollen. Weiter ist mir unklar, was der dritte Weltkrieg eigentlich sein soll.

Gut gefällt mir die unterschiedlichen Ebenen des Normalen Café/Schwänen und die seltsame Welt der Pilze, auf die du ruhig noch mehr eingehen könntest.
 

Plejadus

Mitglied
Moin Gollum,
prinzipiell gefällt mir deine Geschichte, weil du es schaffst eine gewisse Atmosphäre zu erzeugen.
Das ist ja schon mal was.
Der Protagonist/Erzähler bleibt blass.
Das stimmt und ist beabsichtigt. Der Icherzähler soll als leicht gelangweilter, eitler sowie nicht unarroganter Typ sein Waterloo erleben. Seine Manie, Leute in Laden zu kategorisieren, dieses scheinbare Überreissen der anderen, erlebt mit Konstatin Schiffbruch.
Weiter ist mir unklar, was der dritte Weltkrieg eigentlich sein soll.
Konstatin, den er leichthin in die unterste Opfer- Lade einsortiert, dieser "unauffällige" Pilz-Nerd führt ihm vor Augen, welch restlos unbedeutendes, albernes Spiel er treibt, nachdem dieser mal eben mittels der ohnehin den Planeten dominierende Spezies den Weltuntergang in Gang setzt, oder wie er es nennt den "Dritten Weltkrieg".
Immerhin kann er sich, obgleich unfreiwillig, ans Revers heften, Konstatin den letzten Anstoß zu dieser Erkenntnis gegeben zu haben. (Kunstaustellung)
Eine allerdings angesichts seines sich überlegen fühlenden intellektuellen Habitus reichlich passives 'Verdienst'.
Wie wenig ihn selbst dieses epochale Ereignis letztlich verändert, lässt sich daran ermessen, dass er in der Schlussszene bereits erneut kategorisiert.
Gut gefällt mir die unterschiedlichen Ebenen des Normalen Café/Schwänen und die seltsame Welt der Pilze, auf die du ruhig noch mehr eingehen könntest.
Das ist mir ein wichtiger Hinweis, hatte ich mir doch auch schon überlegt diese Elemente zu vertiefen, da sie etwas dünnflächlig durch den Plot huschen. Mal gucken.
Vielen Dank
Gruß
Plej.
 

Val Sidal

Mitglied
@Plejadus

– eine gelungene Geschichte. Gekonnt geführte Storyline, plausible, interessante Figuren, reichhaltige Sprachornamente (nach meinem Geschmack manchmal etwas manieristisch), spannender Plot und u.v.a. das reichhaltige Assoziationsangebot charakterisieren den Text.

Hier ein paar Hinweise:
Die Brücke ist, dass mir nun klar ist, auf welche Weise ich mit dem Pilz in Kontakt treten kann. Verstehst Du? Jetzt weiß ich es! Ich werde ihn verspeisen, woraufhin mir nach ca. drei Minuten speiübel werden wird. Ich werde mich sodann auf genau der Stelle erbrechen, an welcher ich den Pilz aus dem Boden schraubte.

Und dann?

Ja dann...dann wird nach meinen Berechnungen so etwas wie der Dritte Weltkrieg beginnen. Das quasi-neurale Mycelsystem des Pilzes wird in Kommunikation mit anderen Organismen, auch pflanzlichen und tierischen, die er für seine Zwecke benutzt, treten.
– das ist für das Einläuten des Dritten Weltkriegs zu dünn ...
Dritter Weltkrieg, Konstantin?!

Gewissermassen ja. Du darfst es Dir nicht als großen Knall vorstellen, es wird alles sehr langsam, schleichend, nach Pilzart eben von Statten gehen. Es ist so, als verböte der Pilz von nun an die Prostitution, als schaffe er die Sklaverei ab.
Es fehlt nur der Anstoß.
– das reicht auch nicht ... Dieses Telefonat ist der Höhepunkt des Plots: der Wendepunkt in Konstantins Leben – und in seinem parallelen Universum, wo der Imperator von Vancouver Nutten und Sklaven hält, und Konstantin weiß, dass es das richtige Universum ist, eben das zum Kotzen ... Hier sollte alles stimmen ...

Du opferst Dich?

Ich würde das so nicht formulieren. Ich schreib´ Dir noch ne Postkarte, wenn ich angekommen bin. Mach´s...

Hier beendete Konstantin das Gespräch. Das gut war vom Klacken des Abrissgeräusches zerteilt worden. In meinem Hirn schwirrte eine unüberschaubare Anzahl wirrer, unklarer Gedanken umher[blue](nicht die unüberschaubare Anzahl, sondern die wirren Gedanken)[/blue] schwirrte in meinem Hirn und es war völlig undenkbar, auch nur einen von ihnen zu fassen.
... hier aber knickt der Text, der in den ersten Kapiteln sich gemächlich Zeit lässt und – phasenweise – viel Raum fordert, ein, wirkt dünn, leblos und kurzatmig.

Wenn Konstantin anruft, dann hat er sicher das Bedürfnis, seine Wandlung vom passiven Neard zum aktiven „Krieger“ (auf der Kommode) dem LyrIch vorzustellen – der erste Teil des Telefonats: okay. Aber er (Konstantin) befindet sich auch in einem zwar neardigen, aber dennoch emotionalen Ausnahmezustand – er ist ja im Begriff die Welt in eine Katastrophe zu stürzen.
Darüber hinaus, leitet das Telefonat auch die Wende im Leben des Lyrich ein (der sonst in Schubladen strukturierte Geist kann keinen klaren Gedanken fassen).

Auch der Leser, der sich durch den amüsanten, aber manchmal unnötig abundanten Text durchgeschmunzelt hat, würde gerne – den nahenden Höhepunkt der Geschichte ahnend – die Dramatik des szenischen Inhalts auch erleben, emotional mitgehen. Dies kann mit der lapidar abfrühstückten Szene (nicht mit einer lakonischen Behandlung, wogegen nichts einzuwenden gäbe), freilich nicht gelingen.
Die Karte ist vor vier Tagen abgestempelt worden. Der Dritte Weltkrieg hat begonnen.
Ich habe Konstantin aus der untersten Lade genommen. Es wäre ein Scherz gewesen, ihn dort zu belassen. Meine Kommode ist kein Scherzartikel. Konstantin liegt oben auf der Kommode, er kann nicht zurückfallen.
– das ist coole Lakonik.

Hier könnte der Text enden. Denn: was folgt, leistet nichts mehr – weder für den Plot oder den Protagonisten, noch für die Atmosphäre. Überflüssig.

Wenn meine Sichtweise nicht passt, dann – Pardon.
 

Plejadus

Mitglied
Hej Val,
zunächst vielen Dank für Deine Textbeschäftigung.
Ich kann Dir vorab berichten, dass das letzte Wort Deines Kommentars mir sehr viel überflüssiger erscheint als der letzte Satz im Text - einerlei ob mir Deine Sichtweise entspricht odernjet.

Und sie ist mir - eben abgesehen vom unbeschwanten Wasserloch - in weiten Teilen hilfreich und stimmig und Motivation genug mich noch mal an eine weitere Version heranzutrauen.
Was eben den finalen Abgang anbelangt, so erscheint er mir wichtig. Er nimmt die Teichbetrachtung des ersten Teils (mit den dümpelnden Schwänen) auf und soll die Veränderung verbildlichen, eigentlich sogar einen Grusel erzeugen (nun ja).

Die davorstehende Szene (Mann mit Smartphone / erneute Einsortierungsaktion des Prot)könnte ich mir zu streichen vorstellen. Sie hebt darauf ab, dass es dem Prot offenbar nicht gelingt - des epochalen Ereignisses zum Trotz - von seiner albernen Manie zu lassen, und diese im Lichte des Geschehens noch alberner erscheinen lassen. Ich bin mir aber nicht schlüssig, ob es das braucht.

Wie ich schon im Rekomm an Gollum andeutete (nachdem dieser in die Kerbe schlug), bin ich mir durchaus bewußt, dass der Text in seiner, wie ich auch denke, Schlüsselpassage zu dünn aufgelegt ist, auch und gerade, um die Wucht des Ereignisses"Dritter Weltkrieg" plausibel zu transportieren.
Hier liegt ja der Schwerpunkt Deiner Kritik und das zu recht.
Sobald mir mein analoges Sein Licht und Zeit gibt, werde ich mich an eine Überarbeitung machen.
Soweit, für Deine hilfreichen Anregungen dankend,
Plej.
 

Val Sidal

Mitglied
@Plejadus

– in der Hektik habe ich mir leider auch den letzten Satz in die Tonne gewünscht – sorry, war nicht meine Absicht! Der ist gut und trägt.

Mann mit Smartphone / erneute Einsortierungsaktion des Prot)könnte ich mir zu streichen vorstellen. Sie hebt darauf ab, dass es dem Prot offenbar nicht gelingt - [blue]des epochalen Ereignisses[/blue] zum Trotz - von seiner albernen Manie zu lassen, und diese im Lichte des Geschehens noch alberner erscheinen lassen
– dagegen funktioniert mMn nicht, weil es – erfreulicherweise – offen bleibt, ob Konstantin abdreht und spinnt, oder vielleicht doch das "epochale Ereignis" ansteht. Die Einschätzung/Haltung des LyrIchs dazu bleibt unscharf.

Ich fürchte, der Text wird evtl. noch ein Kapitel benötigen, und ggf. ein, zwei weitere Interaktionen zwischen dem LyrIch und Konstantin, um das Tempo, die emotionale Modulation und die mehrdeutige "Brücke" zwischen Bio, Kunst, Welt und Wandel nach Untergang auszutragen.

Bin gespannt!
 
Lieber Plejadus,


deine Geschichte hinterlässt das Gefühl, dass man weiterlesen möchte -leider ist es eine Kurzgeschichte.
Ich finde das "Drei-Kasten-System" sehr interessant, wobei ich finde, dass die "unterste Schublade" eigentlich die wertvollste ist - war das so gedacht?
Die Gaffer-Thematik mit dem skurrilen Thema des Pilzkampfes zu kombinieren, ist eine gute Taktik, die eigentlich entscheidenden Prozesse im Hintergrund ablaufen zu lassen und somit schleierhaft und undurchsichtig werden zu lassen. Selbst wenn man nicht an die Macht der Pilze glaubt, wird hier veranschaulicht, dass jede Handlung durch 1000 andere bedingt wird - eine Tatsache, über die es sich zu schreiben lohnt.

Insgesamt finde ich die Geschichte absolut ansprechend und für mich schlüssig. Die Schwierigkeiten, die entstehen, weil ein sehr komplexes Thema nur kurz behandelt wird und somit Fragen offen lässt, geben jedoch eher Anreiz zu weiteren Kapiteln als zu negativer Kritik. Auf der anderen Seite ist gerade das Ausschnitthafte dieser Geschichte einer der spannendsten Teile.

Einen schönen Abend wünscht
Weltenwandler
 

Plejadus

Mitglied
Hallo Weltenwandler,
vielen Dank für's hereingeschneit-sein und die freundliche Besprechung.
Ich denke, das die Story, so wie sie ist, schon ganz wacer dasteht, glaube allerdings zugleich, auch inspiriert durch die Auffassungen der Kommentatoren bisher, dass sie noch eine Stärkung vertragen könnte, eine Vertiefung im (vor)letzten Abschnitt.

"Die unterste Schublade die wertvollste"
Nun, das kommt darauf an, wie stets, auf die Perspektive. Dem Prot scheint die unterste eher der Raum für potentielle Loser zu sein, weshalb er sie ja auch "Opfer" benennt. Allerdings ist sein Interesse an ihnen nicht von der Hand zu weisen; denn einerseits scheinen sie für seine Selbsterhöhung unverzichtbar; andererseits neidet er ihnen in gewisser Weise auch ihre scheinbare Interessenlosigkeit. Den scheinbaren Charakter dieser Interessenlosigkeit bekommt er dann mit schwerer Wucht um die Ohren gezogen...
Ich werde mich also noch mal an einer weiteren Version versuchen, nicht, um die KG auszuweiten (denn das Ende steht), jedoch, um sie vertikal stimmiger zu 'unterkellern', ohne jedoch das 'Rätselhafte' aus- und totzuerklären.
!A ver!, wie es iberisch heißt.
Gruß
Plej.
 



 
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